- Menschliches Handeln

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- Menschliches Handeln
Ludwig von Mises
Inflation und Preiskontrolle
Hinweis:
The Commercial and Financial Chronicle, 20. Dezember 1945.
Veröffentlicht in Planning for Freedom and twelve other essays and
addresses, South Holland, Illinois, Libertarian Press, 1952.
ISBN 0-910884-02-1
Copyright © Libertarian Press, 1952, 1962, 1974
Fußnoten mit Stern vom Übersetzer.
Alle Rechte an der Übersetzung: Helmut Krebs, 2014.
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Inhaltsverzeichnis
Hinweis:........................................................................................................1
1. Die Nutzlosigkeit der Preiskontrolle....................................................3
2. Preiskontrolle in Deutschland...............................................................5
3. Populäre Irrtümer über die Inflation....................................................8
4. Fehler müssen nicht importiert werden...............................................9
1. Die Nutzlosigkeit der Preiskontrolle
IM SOZIALISMUS WIRD die Produktion völlig durch die Befehle der
zentralen Leitungsbehörde gelenkt. Die ganze Nation ist eine „industrielle Armee“ (ein Ausdruck, der von Karl Marx im Kommunistischen Manifest verwendet wurde), und jeder Bürger muss den Befehlen des Oberhauptes gehorchen. Jeder muss seinen Teil zur Ausführung des umfassenden Planes beitragen, den die Regierung verfolgt.
In der freien Wirtschaft sagt kein Produktionszar einem Menschen, was er tun soll. Jeder plant und handelt selbst. Die Koordination der Aktivitäten der verschiedenen Individuen und ihre Integration in ein harmonisches System der Versorgung der Konsumenten
mit den Gütern und Diensten, die sie nachfragen, wird durch den
Marktprozess und die Preisstruktur bewirkt, die er erzeugt.
Der Markt steuert die kapitalistische Wirtschaft. Er lenkt die
Handlungen eines jedes Individuums in jene Kanäle, in denen er den
Wünschen seiner Mitmenschen auf die beste Weise dient. Allein der
Markt gibt dem ganzen Gesellschaftssystem des Sondereigentums an
den Produktionsmitteln und der freien Wirtschaft eine Ordnung und
verleiht ihm Sinn und Bedeutung.
Im Wirken des Marktes ist nichts automatisch oder geheimnisvoll. Die einzigen Kräfte, die den fortwährend sich ändernden Zustand des Marktes bestimmen, sind die Werturteile der verschiedenen Individuen und ihre Handlungen, die durch diese Werteurteile
geleitet werden. Der ausschlaggebende Faktor im Markt ist das Streben eines jeden Menschen nach bestmöglicher Befriedigung seiner
Bedürfnisse und Wünsche. Die Oberherrschaft des Marktes ist
gleichbedeutend mit der Oberherrschaft der Konsumenten. Durch
ihre Käufe und ihre Kaufabstinenz bestimmen die Konsumenten
nicht nur die Preisstruktur, sondern nicht weniger was produziert
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werden soll und in welcher Menge und Qualität und durch wen. Sie
bestimmen Gewinn und Verlust eines jeden Unternehmers und damit, wem das Kapital gehören und wer die Fabriken leiten soll. Sie
machen arme Menschen reich und reiche arm. Das Profitsystem ist
im wesentlichen Produktion für den Bedarf, da Gewinne nur erzielt
werden können, wenn es gelingt, die Konsumenten auf die beste und
billigste Weise mit den Waren zu versorgen, die sie haben wollen.
Von daher wird es klar, was die Einmischung der Regierung in
die Preisstruktur des Marktes bedeutet. Sie lenkt die Produktion aus
den Kanälen, in denen die Konsumenten sie haben wollen, zu anderen Produktionslinien. In einem Markt, der nicht durch Eingriffe der
Regierung manipuliert ist, herrscht eine Tendenz vor, die Produktion
eines jeden Artikels bis zu dem Punkt auszuweiten, an dem eine weitere Expansion sich nicht bezahlt machen würde, weil der zu erzielende Preis nicht die Kosten deckt. Wenn die Regierung für gewisse
Waren einen Höchstpreis festlegt, der unter dem Niveau liegt, das
ein unbeeinflusster Markt für sie fixiert hätte, und es für illegal erklärt, zu dem potenziellen Marktpreis zu verkaufen, erleiden die
marginalen Produzenten einen Verlust. Diejenigen, die zu den
höchsten Kosten produzieren, geben das Geschäft auf und verwenden ihre Produktionsanlagen für die Herstellung von Waren, die
nicht von Preisdeckelungen betroffen sind. Die Einmischung der Regierung in den Warenpreis verringert das für den Konsum verfügbare Angebot. Diese Folgen laufen den Absichten, die zu den Preisdeckelungen geführt haben, zuwider. Die Regierung wollte es den Leuten erleichtern, den betreffenden Artikel zu erwerben. Aber ihre Einmischung führt zu einem Schrumpfen des zum Kauf produzierten
und offerierten Angebots.
Wenn diese unerfreuliche Erfahrung die Behörden nicht darüber
belehrt, dass Preiskontrollen zwecklos sind und die beste Politik es
wäre, von allen Bestrebungen, Preise zu kontrollieren, abzusehen,
wird es notwendig, zur ersten Maßnahme, die nur den Preis einer
oder einiger Konsumgüter einschränkte, weitere Maßnahmen hinzuzufügen. Es wird notwendig, die Preise der Produktionsfaktoren zu
fixieren, die für die Produktion der betreffenden Konsumgüter erforderlich sind. Dann wiederholt sich die gleiche Geschichte in einem
entfernteren Gebiet. Das Angebot derjenigen Produktionsfaktoren,
deren Preise begrenzt wurden, sinkt. Dann muss die Regierung den
Bereich ihrer Preisdeckelungen wieder erweitern. Sie muss die Preise
der sekundären Produktionsfaktoren fixieren, die für die Produktion
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der primären Faktoren benötigt werden. Auf diese Weise muss die
Regierung immer weiter vorgehen. Sie muss die Preise aller Konsumgüter und aller Produktionsfaktoren festlegen, sowohl der materiellen als auch der Arbeit, und sie muss jeden Unternehmer und jeden Arbeiter dazu zwingen, die Produktion zu diesen Preisen und
Lohntarifen fortzusetzen. Kein Produktionszweig kann von dieser
umfassenden Festlegung der Preise und Löhne ausgenommen werden und von dieser allgemeinen Anweisung, die Produktion fortzusetzen. Wenn einige Zweige ausgelassen werden sollten, wäre die
Folge eine Wanderung von Kapital und Arbeit zu ihnen und ein entsprechender Verfall des Angebots der Güter, deren Preise die Regierung fixiert hatte. Es sind jedoch eben diese Güter, die Regierung als
besonders wichtig für die Befriedigung der Massenbedürfnisse betrachtet.
Wenn aber ein solches Stadium allumfassender Wirtschaftskontrolle erreicht ist, wurde die Marktwirtschaft durch ein System zentraler Planung ersetzt, durch Sozialismus. Es ist nicht mehr der Konsument, sondern die Regierung, die entscheidet, was produziert werden sollte, in welcher Menge und Qualität. Die Unternehmer sind
nicht mehr Unternehmer. Sie wurden auf den Status eines Geschäftsführers reduziert – oder eines Betriebsführers, wie die Nazis sagten –
und sind verpflichtet, den Befehlen zu gehorchen, die vom zentralen
Vorstand der staatlichen Produktionsleitung erlassen werden. Die
Arbeiter müssen in den Fabriken arbeiten, die sie von den Behörden
zugewiesen bekommen haben; ihre Löhne werden durch Regierungserlasse bestimmt. Die Regierung ist das Oberhaupt. Sie bestimmt das Einkommen und den Lebensstandard jeden Bürgers. Es
ist totalitär.
Die Preiskontrolle ist zweckwidrig, wenn sie auf einige Waren beschränkt wird. Sie kann in einer Marktwirtschaft nicht zufriedenstellend funktionieren. Die Bemühungen, sie zum Funktionieren zu
bringen, muss notwendigerweise den Bereich der Waren, die der
Preiskontrolle unterliegen, erweitern, bis die Preise aller Waren und
Dienste durch Regierungserlass reguliert sind, und der Markt aufhört zu arbeiten.
Entweder kann die Produktion durch die Preise geleitet werden,
die auf dem Markt durch die Käufe oder die Kaufverzichte des Publikums ermittelt werden; oder sie kann durch die Büros der Regierung geleitet werden. Es gibt keine dritte Lösung. Die Regierungskontrolle über nur einen Teil der Preise führt nur zu einer Situation,
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die – ohne Ausnahme – jedermann als absurd und zweckwidrig betrachtet. Ihre unvermeidliche Folge sind Chaos und soziale Unruhen.
2. Preiskontrolle in Deutschland
Es wurde immer wieder versichert, dass die deutsche Erfahrung
bewiesen habe, dass die Preiskontrolle durchführbar ist und die Ziele erreichen kann, die von der Regierung, die sie anwendet, angestrebt werden. Nichts kann unrichtiger sein.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wandte das Deutsche Reich sofort eine Inflationspolitik an. Um die unvermeidlichen Folgen der Inflation, eine allgemeine Teuerung der Preise, zu verhindern, setzte es
gleichzeitig eine Preiskontrolle ein. Die viel gerühmte Effizienz der
deutschen Politik war ziemlich erfolgreich bei der Erzwingung dieser Preisobergrenzen. Es gab keine Schwarzmärkte. Aber schnell
sank das Angebot an Waren, die der Preiskontrolle unterlagen. Die
Preise stiegen nicht. Aber das Publikum war nicht mehr in der Lage,
Nahrungsmittel, Kleider und Schuhe zu erwerben. Die Rationierung
war ein Fehler. Die Regierung verringerte immer mehr die Zuteilungen, die jedem Individuum zugewiesen waren; nur einige Leute waren so glücklich, alles zu bekommen, was ihnen laut Zuteilungskarte
zustand. Damit das Preiskontrollsystem funktioniert, dehnten die
Behörden Schritt für Schritt den Bereich der Waren aus, die der
Preiskontrolle unterlagen. Ein Wirtschaftszweig nach dem anderen
wurde zentralisiert und der Leitung einer Regierungskommission
unterstellt. Aber sogar das war nicht genug, so lange andere Industriezweige ausgenommen waren. So entschied die Regierung, noch
weiter zu gehen. Das Hindenburg-Programm zielte auf eine allumfassende Planung der ganzen Produktion. Die Idee war, den Behörden
die Leitung aller Wirtschaftsaktivitäten zu übertragen. Wenn das
Hindenburg-Programm ausgeführt worden wäre, hätte es Deutschland in eine rein totalitäre Wirtschaftsgemeinschaft verwandelt. Es
hätte das Ideal von Othmar Spann, dem Vertreter des „deutschen“
Sozialismus verwirklicht, Deutschland zu einem Land zu machen, in
dem Privateigentum nur in formaler und rechtlicher Hinsicht besteht, während es tatsächlich nur öffentliches Eigentum gibt.
Der Hindenburg-Plan war jedoch noch nicht vollständig zur Geltung gebracht, als das Reich zusammenbrach. Der Zerfall der Reichsbürokratie beseitigte den ganzen Apparat der Preiskontrolle und des
Kriegssozialismus. Die nationalistischen Autoren fuhren fort, die
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Verdienste der Zwangswirtschaft zu rühmen. Sie war, sagten sie, die
vollkommenste Methode für die Verwirklichung des Sozialismus in
einem vorwiegend industriellen Land wie Deutschland. Sie triumphierten, als Kanzler Brüning im Jahre 1931 zu den wesentlichen Bestimmungen des Hindenburg-Programms zurückkehrte, und als
später die Nazis diese Dekrete mit der äußersten Brutalität erzwangen.
Die Nazis erzwangen nicht, wie ihre ausländischen Bewunderer
behaupteten, Preiskontrolle in einer Marktwirtschaft. Bei ihnen war
die Preiskontrolle nur ein Mittel im Rahmen eines allumfassenden
Systems zentraler Planung. In der Naziwirtschaft gab es keine Privatinitiative und freie Unternehmen. Alle Produktionsaktivitäten
wurden durch das Reichswirtschaftsministerium geleitet. Kein Unternehmen hatte die Freiheit, von den Befehlen, die die Regierung erlassen hatte, bei der Leitung ihrer Angelegenheiten abzuweichen.
Preiskontrolle war nur ein Instrument in dem Komplex unzählbarer
Erlasse und Befehle, die die kleinsten Details jeder Wirtschaftstätigkeit regelten und einerseits genau jede Aufgabe des Einzelnen vorschrieb und andererseits sein Einkommen und seinen Lebensstandard festlegte.
Was es für viele Leute schwierig machte, die wahre Natur des
Nazi-Wirtschaftssystems zu begreifen, war der Tatbestand, dass die
Nazis nicht offen die Unternehmer und Kapitalisten enteigneten und
dass sie nicht das Prinzip der Einkommensgleichheit übernahmen,
das die Bolschewisten in den ersten Jahren der Sowjetherrschaft verfolgten und das sie später aufgaben. Doch die Nazis entzogen dem
Bürger völlig jede Kontrolle. Die Unternehmer, die weder Juden waren noch liberaler oder pazifistischer Lehren verdächtig, behielten
ihre Positionen in der Wirtschaftsstruktur bei. Sie waren aber praktisch nur entlohnte Beamte, die bedingungslos den Befehlen ihrer
Vorgesetzten gehorchen mussten, den Bürokraten des Reichs und
der Nazipartei. Die Kapitalisten erhielten ihre (stark verringerten)
Dividenden. Aber wie andere Bürger, hatten sie nicht die Freiheit,
mehr von ihrem Einkommen auszugeben, als es der Partei verglichen mit ihrem Status und Rang in der Hierarchie der abgestuften
Führerschaft angemessen schien. Der Überschuss musste in genauer
Übereinstimmung mit den Befehlen des Wirtschaftsministeriums investiert werden.
Die Erfahrung Nazi-Deutschlands widerlegte gewiss nicht die Behauptung, dass Preiskontrolle dazu verurteilt ist, in einer nicht voll6
ständig sozialisierten Wirtschaft zu scheitern. Die Vertreter der Preiskontrolle, die vorgeben, dass sie das Systems der Privatinitiative und
der freien Unternehmen erhalten wollen, irren sich gewaltig. In
Wirklichkeit lähmen sie die Steuerfunktion dieses Systems. Man bewahrt kein System, wenn man seinen Lebensnerv zerstört; man tötet
es.
3. Populäre Irrtümer über die Inflation
Inflation ist der Vorgang des starken Anwachsens der im Umlauf
befindlichen Geldmenge. Ihr vorrangiges Vehikel in Kontinentaleuropa ist die Ausgabe nicht einlösbarer Banknoten als gesetzlichem
Zahlungsmittel. In diesem Land besteht Inflation hauptsächlich darin, dass der Staat von den Handelsbanken leiht, und auch in einem
Anwachsen der Papiergeldmenge verschiedener Sorten und Scheidemünzen. Die Regierung finanziert ihr Ausgabendefizit durch Inflation.
Inflation muss eine allgemeine Tendenz zur Verteuerung der Preise bewirken. Diejenigen, in deren Taschen die zusätzliche Menge an
Zahlungsmitteln fließt, sind in der Lage, ihre Nachfrage nach käuflichen Gütern und Diensten auszuweiten. Eine zusätzliche Nachfrage
muss, bei sonst gleichbleibenden Bedingungen, die Preise in die
Höhe treiben. Die unvermeidlichen Konsequenzen der Inflation können durch keine Sophisterei und keine Schlussfolgerungen weggezaubert werden.
Die semantische Revolution, die eines der charakteristischen
Merkmale unserer Tage ist, hat diesen Tatbestand verdunkelt und
verwirrt. Der Begriff Inflation wird in einer neuen Bedeutung verwendet. Was die Leute heute Inflation nennen, ist nicht Inflation, d.i.
das Anwachsen der Geldmenge und der Umlaufsmittel, sondern das
allgemeine Anwachsen der Warenpreise und Lohntarife, die die unvermeidliche Folge der Inflation ist. Diese semantische Erneuerung
ist keinesfalls ungefährlich.
Zunächst steht kein anderer Begriff zur Verfügung, um das zu bezeichnen, was Inflation kennzeichnet. Es ist unmöglich, einen Teufel
zu bekämpfen, wenn man ihn nicht benennen kann. Staatsmänner
und Politiker haben nicht mehr die Gelegenheit, eine Terminologie
zu verwenden, die vom Publikum angenommen und verstanden
wird, wenn sie die Finanzpolitik beschreiben wollen, die sie ablehnen. Sie müssen in eine detaillierte Analyse und Beschreibung dieser
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Politik eintreten, mit allen Einzelheiten und Kleinigkeiten, wann immer sie darauf eingehen wollen, und sie müssen dieses mühsame
Verfahren in jedem Satz wiederholen, in dem sie sich mit diesem
Thema befassen. Da man die Politik des Mengenwachstums der Umlaufsmittel nicht benennen kann, geht sie verschwenderisch vonstatten.
Der zweite Nachteil ist, dass diejenigen, die die zwecklosen und
hoffnungslosen Versuche unternehmen, die unvermeidlichen Folgen
der Inflation zu bekämpfen – die Teuerungen –, ihre Bemühungen
als einen Kampf gegen die Inflation ausgeben. Während sie die Symptome bekämpfen, geben sie vor, die Wurzeln des Übels zu bekämpfen. Und weil sie einerseits die ursächlichen Zusammenhänge zwischen dem Anwachsen des zirkulierenden Geldes und der Kreditexpansion und der Preisteuerung andererseits nicht begreifen, verschlechtern sie die Dinge praktisch.
Das beste Beispiel liefern die Subventionen. Wie aufgezeigt wurde, verringern Preisdeckelungen das Angebot, weil die Produktion
der marginalen Produzenten Verluste erleidet. Um diese Folgen zu
verhindern, gewährt die Regierung den Bauern mit den höchsten
Kosten oft Subventionen. Diese Subventionen werden aus der zusätzlichen Kreditexpansion finanziert. Auf diese Weise erzeugen sie
einen wachsenden inflatorischen Druck. Wenn die Konsumenten höhere Preise für die betreffenden Produkte bezahlen müssen, würde
kein weiterer inflatorischer Effekt entstehen. Die Konsumenten würden für solche zusätzlichen Zahlungen nur Geld verwenden, das
schon zirkuliert. Auf diese Weise erzeugt die glänzende Idee, Inflation mit Subventionen zu bekämpfen, mehr Inflation.
4. Fehler müssen nicht importiert werden
Wir müssen nicht in eine Diskussion über die vergleichsweise
leichte und ungefährliche Inflation eintreten, die bei einem Goldstandard durch ein größeres Wachstum der Goldproduktion bewirkt
wird. Die Probleme, denen sich die Welt gegenüber sieht, sind die einer galoppierenden Inflation. Eine solche Inflation ist immer die Folge einer vorsätzlichen Regierungspolitik. Die Regierung ist einerseits
nicht bereit, ihre Ausgaben zu beschränken. Andererseits will sie ihren Haushalt nicht durch Steuereinnahmen oder durch Publikumsanleihen ausgleichen. Sie wählt die Inflation, weil sie sie für das kleinere Übel hält. Sie fährt fort, die Kreditmenge und die zirkulierende
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Geldmenge auszuweiten, weil sie nicht sieht, welches die unvermeidlichen Folgen dieser Politik sein müssen.
Es gibt keinen Grund, über das Ausmaß, das die Inflation in diesem Land schon erreicht hat, allzu sehr alarmiert zu sein. Obwohl sie
schon sehr weit gegangen und schon sehr geschadet hat, hat sie gewiss noch keine unheilbare Katastrophe heraufbeschworen. Es besteht kein Zweifel, dass die Vereinigten Staaten ihre Finanzierungsmethoden noch ändern können und zu einer vernünftigen Geldpolitik zurückkehren.
Die wahre Gefahr besteht nicht in dem was gerade passiert, sondern in den zweifelhaften Lehren, in denen diese Ereignisse ihren
Ursprung haben. Die Unterstellung, dass es der Regierung möglich
sei, die unerbittlichen Konsequenzen der Inflation mit Preiskontrollen zu vermeiden, ist die Hauptgefahr. Weil diese Lehre die Aufmerksamkeit des Publikums vom Kern des Problems abzieht, während die Behörden in einem zwecklosen Kampf gegen die Begleitumstände verwickelt sind, bekämpfen nur wenige Leute die Quelle des
Übels, die Methoden des Finanzministeriums zur Deckung der gewaltigen Ausgaben. Während die Bürokraten über ihre Aktivitäten
Schlagzeilen schreiben, werden die statistischen Zahlen über die nationale Währung auf unscheinbare Plätze in den Finanzseiten der
Zeitungen verwiesen.
Hier kann das Beispiel Deutschlands wieder als Warnung dienen.
Die schreckliche Inflation, die im Jahre 1923 die Kaufkraft der Mark
auf den milliardsten Teil ihres Vorkriegswertes verringert hat, war
kein göttlicher Akt. Es wäre möglich gewesen, den Nachkriegshaushalt Deutschlands ohne das Anwerfen der Druckerpresse der Reichsbank auszugleichen. Der Beweis dafür ist, dass das Budget des
Reichs leicht ausgeglichen werden konnte, sobald der Zusammenbruch der alten Reichsbank die Regierung dazu zwang, ihre Inflationspolitik aufzugeben. Aber bevor dies geschah, leugneten alle deutschen Möchtegern-Experten, dass die Verteuerung der Warenpreise,
Lohntarife und Wechselkurse etwas mit der rücksichtslosen Ausgabenpolitik zu tun hatten. Sie verteidigten durchgängig die Erzwingung von Preiskontrollen als Allheilmittel und nannten diejenigen,
die einem Wechsel der Finanzmethoden forderten, „Deflationisten“.
Die deutschen Nationalisten wurden in den beiden schrecklichsten Kriegen der Geschichte geschlagen. Aber die ökonomischen Irrtümer, die Deutschland zu seinen ruchlosen Aggressionen trieben,
haben unglücklicherweise überlebt. Die monetären Irrtümer, die
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durch solche deutschen Professoren wie Lexis und Knapp entwickelt
wurden, und durch Havenstein, den Reichsbankpräsidenten in den
kritischen Jahren ihrer größten Inflation, umgesetzt wurden, sind
heute die offizielle Lehre in Frankreich und vielen anderen europäischen Länder. Es besteht kein Bedarf für die Vereinigten Staaten, diese Absurditäten zu importieren.
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