Beschluss - Kanton Graubünden

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Beschluss - Kanton Graubünden
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
Ref.:
SK2 13 22
Chur, 13. September 2013
Schriftlich mitgeteilt am:
17. September 2013
Beschluss
II. Strafkammer
Vorsitz
Richter
Aktuar ad hoc
Pritzi
Hubert und Schlenker
Egli
In der strafrechtlichen Beschwerde
des X._____, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Yvona
Griesser, Dufourstrasse 101, 8034 Zürich,
gegen
den Entscheid des Bezirksgericht Maloja vom 15. April 2013, mitgeteilt am 15. April 2013, in Sachen Y._____, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt lic.
iur. Nikolaus Tamm, Spalenberg 20, 4051 Basel, gegen den Beschwerdeführer,
betreffend fahrlässige schwere Körperverletzung (Konstituierung),
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt
A.
Am 25. Januar 2008, um ca. 09.40 Uhr, ereignete sich während den
„_____“ auf der Skeletonbahn „A._____“ in O.1_____/O.2_____ ein schwerer
Sportunfall. Ausgangs der Rechtskurve „_____“ wurde der Schlitten von Y._____
instabil. Dadurch wurde sein rechtes Bein in die Höhe geschleudert und kollidierte
anschliessend mit einem Kantholz, welches am Bahnrand zur Befestigung eines
Sonnenschutzes für die Eisbahn angebracht war. Dabei wurde der rechte Fuss
oberhalb des Knöchels abgerissen.
B.
Zur Abklärung der Unfalldynamik und eines allfälligen strafrechtlichen Verschuldens Dritter an diesem Ereignis eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden mit Verfügung vom 2. April 2008 eine Strafuntersuchung mit dem Betreff
„O.2_____: Skeletonschlitten-Unfall zum Nachteil von Y._____ “. Mit der Durchführung der Untersuchung wurde das Untersuchungsrichteramt Samedan beauftragt.
C.
Mit Verfügung vom 21. Oktober 2009, mitgeteilt am 22. Oktober 2009, stellte die Staatsanwaltschaft Graubünden das Verfahren mit der Begründung ein,
dass niemandem eine strafrechtlich relevante Verletzung von Sorgfaltspflichten
und ein Verschulden am Unfall zum Nachteil von Y._____ angelastet werden könne. Gegen diese Einstellungsverfügung liess Y._____ am 4. Januar 2010 beim
Kantonsgericht von Graubünden Beschwerde erheben, welche mit Entscheid vom
3. März 2010 abgewiesen wurde. Gegen diesen Entscheid der Beschwerdekammer erhob Y._____ am 25. Juli 2010 Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Die Beschwerde wurde gutgeheissen, der angefochtene Entscheid des
Kantonsgerichts von Graubünden vom 3. März 2010 aufgehoben und die Sache
zur neuen Entscheidung zurückgewiesen. In der Folge wurde die Beschwerde
vom Kantonsgericht von Graubünden mit Entscheid vom 23. März 2011 gutgeheissen, die angefochtene Einstellungsverfügung aufgehoben und die Sache an
die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
D.
Die Staatsanwaltschaft Graubünden führte das Verfahren in der Folge weiter, ab 21. Februar 2012 gegen X._____.
E.
Mit Verfügung vom 10. Dezember 2012 teilte die Staatsanwaltschaft Graubünden mit, dass die Strafuntersuchung gegen X._____ wegen fahrlässiger Körperverletzung abgeschlossen sei und stellte die Anklageerhebung beim Gericht in
Aussicht. Am 7. Januar, den Parteien mitgeteilt am 10 Januar 2013, erhob die
Staatsanwaltschaft von Graubünden Anklage beim Bezirksgericht Maloja.
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F.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2013 gab das Bezirksgericht Maloja Rechtsanwalt lic. iur. Nikolaus Tamm, Rechtsvertreter von Y._____, die Möglichkeit, sich
bis zum 28. Januar 2013 nachträglich als Privatklägerschaft im Sinne von Art. 118
ff. der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) zu konstituieren.
Dies nachdem eine entsprechende Konstituierung bisher nicht erfolgt sei.
G.
Rechtsanwältin lic. iur. Yvona Griesser beantragte mit vorsorglichem
Schreiben vom 22. Januar 2013, dass Y._____ nicht als Privatklägerschaft zuzulassen sei, da er bis zum Abschluss des Vorverfahrens nicht eine entsprechende
Erklärung abgegeben habe. Mit Schreiben vom 28. Januar 2013 bestätigte
Rechtsanwalt lic. iur. Nikolaus Tamm namens und im Auftrag seines Mandanten,
dass sich dieser als Privatklägerschaft im Zivil- und Strafpunkt konstituiere, bzw.
konstituiert habe. Es folgte ein weiterer Schriftenwechsel.
H.
Mit Entscheid vom 15. April 2013, den Parteien selbentags mitgeteilt, entschied das Bezirksgericht Maloja, dass der Geschädigte als Privatklägerschaft
sowohl im Straf- wie auch im Zivilpunkt zum Hauptverfahren zugelassen werde.
I.
Gegen diesen Entscheid des Bezirksgerichts Maloja erhob X._____ (nach-
stehend Beschwerdeführer) am 26. April 2013 Beschwerde beim Kantonsgericht
von Graubünden und begehrte, dass die Dispositiv-Ziffer 1 des vorinstanzlichen
Entscheids aufzuheben und der Geschädigte im Hauptverfahren weder als Zivilkläger noch als Strafkläger zuzulassen sei. Dies alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (inkl. MWST von 8 %) zu Lasten von Y._____.
J.
Mit Verfügung vom 30. April 2013 wurden das Bezirksgericht Maloja, die
Staatsanwaltschaft Graubünden und Y._____ zur Stellungnahme aufgefordert. Die
Vorinstanz sowie die Staatsanwaltschaft Graubünden verzichteten auf eine Stellungnahme. Y._____ (nachstehend Beschwerdegegner) reichte seine Beschwerdeantwort am 31. Mai 2013 zuhanden des Kantonsgerichts von Graubünden ein
und beantragte, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten sei, eventualiter sei sie
abzuweisen, unter o / e Kostenfolge.
K.
Auf die Begründung im Entscheid des Bezirksgerichts Maloja, in den
Rechtsschriften der Parteien vor der Vorinstanz, in der Beschwerde sowie in der
Stellungnahme wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.
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II. Erwägungen
1.a) Gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie Verfahrenshandlungen der erstinstanzlichen Gerichte kann innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde
beim Kantonsgericht von Graubünden erhoben werden (Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO
und Art. 396 Abs. 1 StPO sowie Art. 22 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung [EGzStPO; BR 350.100]). Nicht beschwerdefähig sind
verfahrensleitende Entscheide (Art. 393 Abs. 1 lit. b, 2. Satzteil, StPO).
b)
Angefochten ist ein Entscheid des Bezirksgerichts Maloja, mit welchem
dem Beschwerdegegner im Hauptverfahren die Stellung als Privatklägerschaft
zugestanden wird. Hierbei handelt es sich nicht um einen, den Hauptprozess
betreffend fahrlässiger Körperverletzung erledigenden Entscheid, welcher in Form
eines Urteils gemäss Art. 80 1. Satzteil StPO ergangen ist, sondern um einen verfahrensleitenden - insofern den Hauptprozess fördernden - Entscheid der Vorsitzenden am Bezirksgericht Maloja (vgl. Art 61 lit. c und Art. 393 Abs. 1 lit. b 2. Satzteil StPO in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 und 2 StPO sowie Art. 19 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung [EGzStPO; BR
350.100]; Jent, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung, Basel 2011, N 9 zu Art. 62 StPO). Eine
Berufung im Sinne von Art. 398 ff. StPO fällt damit gegen den Entscheid des Bezirksgerichts Maloja vom 15. April 2013 ausser betracht. Der Beschwerdeführer
hat folglich grundsätzlich zu Recht das Rechtsmittel der Beschwerde gewählt.
Dass die Beschwerde frist- und formgerecht eingereicht worden ist, ist unbestritten. Nähere Betrachtung drängt sich indessen bei der Frage auf, ob der angefochtene Entscheid unter die eingangs erwähnte Ausnahmebestimmung gemäss Art.
393 Abs. 1 lit. b 2. Satzteil StPO fällt, mit der Folge, dass auf die Beschwerde nicht
einzutreten wäre.
c)
Der Beschwerdeführer bemerkt in seiner Beschwerde hierzu, dass Entscheide über die Teilnahme der Privatklägerschaft am Verfahren verfahrensabschliessend und somit beschwerdefähig seien. Dies entspreche der Lehre und der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 138 IV 193). Der Beschwerdegegner
führt diesbezüglich aus, der Beschwerdeführer könne aus dem zitierten höchstrichterlichen Fall nichts für sich herleiten, da sich dieser Fall auf die Beschwerdelegitimation des Opfers beziehen würde. Die Zulassung des Opfers als Privatklägerschaft schliesse das gegen den Beschuldigten von Amtes wegen geführte
Strafverfahren nicht ab - der Prozess ende für ihn deshalb nicht. Durch die Fortführung der Teilnahme des Geschädigten am Verfahren erleide der Beschuldigte
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überdies keinen Nachteil, da ihm doch sämtliche Parteirechte und materiellen Einreden ungeschmälert erhalten bleiben würden. Die verfahrensrechtliche Stellung
des Beschuldigten unterscheide sich denn auch grundsätzlich von derjenigen des
Opfers, weshalb es gerade wegen des angeführten Bundesgerichtsentscheides an
der Beschwerdelegitimation fehlen würde.
d)
In der Lehre herrscht Uneinigkeit über die Beschwerdefähigkeit verfahrensleitender Entscheide. Ein Teil der Lehre erachtet, gestützt auf die erwähnten gesetzlichen Bestimmungen, eine selbstständige Beschwerde gegen verfahrensleitende Entscheide erstinstanzlicher Gerichte generell für nicht zulässig (so Jent,
a.a.O., N 4 zu Art. 65 StPO; Stephenson / Thiriet, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger
[Hrsg.], Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Basel
2011, N 13 zu Art. 393 StPO). Der überwiegende Teil der Lehre spricht sich hingegen für eine differenzierte Anwendung des Art. 393 Abs. 1 lit. b 2. Satzteil StPO
aus (so Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich/
St. Gallen 2009, N 10 - 13 zu Art. 393 StPO; Guidon, Die Beschwerde gemäss
Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich 2011, N 184 ff.; ders., Zur Anfechtbarkeit verfahrensleitender Entscheide erstinstanzlicher Gerichte, forumpoenale
1/2012, S. 26 ff.; Keller, in: Donatsch / Hansjakob / Lieber [Hrsg.], Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich 2010, N 28 zu Art. 393 StPO; Pieth,
Schweizerisches Strafprozessrecht, Basel 2012, S. 259; Ruckstuhl / Dittmann /
Arnold, Strafprozessrecht, Zürich 2011, N 1148; Schmid, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich 2009, N 1509 f.; ders., Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich 2009, N 11 ff. zu Art. 393 StPO). Das
Kantonsgericht von Graubünden ist mit Beschluss der II. Strafkammer vom 19.
November 2012 (SK2 12 36) letzterer Ansicht gefolgt und erwägte was folgt:
„Dem Kantonsgericht von Graubünden erscheint es unter Berücksichtigung
der Gesetzesmaterialien und nach Konsultation der Lehrmeinungen und
der oben erwähnten Rechtsprechung angebracht, der herrschenden Lehre
zu folgen. Insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Gesetzesnormen lässt sich schliessen, dass der Gesetzeswortlaut unter teleologischen
Gesichtspunkten zu weit gefasst ist, das heisst, dass der Gesetzgeber bei
der Redaktion des Gesetzestextes offenbar einen engeren Sachverhalt regeln wollte, als es bei isolierter Betrachtung der genannten Normen erscheint. Der Wortlaut des Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO ist daher, soweit er die
Beschwerde gegen verfahrensleitende Entscheide allgemein ausschliesst,
teleologisch auf formell-prozessleitende Entscheide sowie auf materiellprozessleitende Entscheide, die während der Hauptverhandlung ergehen,
zu reduzieren. Zur Vermeidung einer Verschleppung des erstinstanzlichen
Hauptverfahrens erscheint es dabei angezeigt, in Übereinstimmung mit einem Teil der Lehre als zusätzliches Erfordernis zur Beschwerdeerhebung
die Zufügung eines nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils durch das
Anfechtungsobjekt zu verlangen. Diese Lösung ist auch im Hinblick auf ei-
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ne gemäss einzelnen Autoren anzustrebende Kongruenz mit den in Art. 93
Abs. 1 BGG zu findenden Grundsätzen für die Zulässigkeit der Strafrechtsbeschwerde an das Bundesgericht zu befürworten (Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich 2011, N 185;
ders., Zur Anfechtbarkeit verfahrensleitender Entscheide erstinstanzlicher
Gerichte, forumpoenale 1/2012, S. 29). Im Hinblick darauf erscheint jedoch
zweifelhaft, ob die ebenfalls propagierte Vermeidung eines unverhältnismässigen Aufwands zur Beschwerdeerhebung genügt […]“ (E. 1. e).
„Irrelevant ist dabei, ob der verfahrensleitende Entscheid von einem Kollegialgericht oder einer von diesem mit der Verfahrensleitung betrauten Einzelperson ausgeht. Auch hier ist gemäss dem Wortlaut von Art. 393 Abs. 1
lit. b StPO zwar die Beschwerde lediglich gegen Entscheide und Verfahrenshandlungen des Gerichts zulässig, wonach eine Beschwerde gegen
einzelrichterliche Entscheide ausgeschlossen wäre. Ein Anknüpfen an die
den verfahrensleitenden Entscheid fällende Instanz wäre allerdings im Lichte der obenstehenden Ausführungen nicht zielführend. Anzusetzen ist vielmehr bei der Art des Entscheids und damit beim eigentlichen Beschwerdeobjekt selbst (so ausführlich Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich 2011, N 168 ff. und N 173; ders., Zur
Anfechtbarkeit verfahrensleitender Entscheide erstinstanzlicher Gerichte,
forumpoenale 1/2012, S. 27, unter Verweis auf den Beschluss BB.2011.56
der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts vom 4. Juli 2011, E.
1.3.3; Keller, a.a.O., Art. 393, N 28).“ (E. 1. f).
Dieser Ansicht sind auch die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts
des Kantons Bern gemäss ihrem Beschluss BK 11 164 vom 9. September 2011,
E. 2, sowie die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts in ihrem Beschluss
BB.2011.56 vom 4. Juli 2011, E. 1.3.1 ff., und BB.2012.125 vom 10. April 2013, E.
2.1., jeweils bezugnehmend auf die Gesetzesmaterialien und die auch hier zitierten Lehrmeinungen, gefolgt. Das Bundesgericht hat sich bisher nicht explizit darüber geäussert, ob es diese Ansicht vollends teilt. Aus BGE 138 IV 193, E. 4.3.1
ff., geht jedoch implizit hervor, dass sich das Bundesgericht ebenfalls für eine differenzierte Anwendung des Art. 393 Abs. 1 lit. b 2. Satzteil StPO ausspricht.
e)
Die Zulassung des Beschwerdeführers als Partei im Hauptverfahren vor
dem Bezirksgericht Maloja betreffend schwerer fahrlässiger Körperverletzung betrifft offensichtlich die Interessen und Rechte der Verfahrensbeteiligten und ist somit im Sinne der gemachten Erwägungen als materieller-prozessleitender Entscheid zu qualifizieren, wogegen die Beschwerde grundsätzlich zulässig ist (vgl.
Schmid, a.a.O., N 13 zu Art. 393 StPO). Der Nachteil für den Beschwerdeführer
liegt augenscheinlich darin, dass der Beschwerdegegner das Hauptverfahren
durch Ausübung seiner mit der Stellung als Privatklägerschaft einhergehenden
Parteirechte (Rechtsmittelergreifung, Rechte gemäss Art. 107 StPO) merklich zu
beeinflussen mag - und dies unter Umständen zu Ungunsten des Beschwerdeführers im Hauptverfahren. Nichtwiedergutzumachen ist dieser Nachteil dahingehend,
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als die Parteirechte im Hauptverfahren bereits ausgeübt wurden, sollte die
Rechtsmittelinstanz in einem späteren Berufungsverfahren gegen den Sachentscheid feststellen, dass dem jetzigen Beschwerdegegner mangels Konstituierung
keine Parteistellung zugekommen wäre. Es drängt sich geradezu auf, die Frage
der Parteirechte vor einer Hauptverhandlung zu klären. Dies insbesondere deshalb, da die Regelung der neuen Schweizerischen Strafprozessordnung darauf
abzielt, in einer möglichst frühen Phase Klarheit über die Frage zu schaffen, ob
sich die geschädigte Person am Verfahren beteiligen will oder nicht (vgl. Botschaft
zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, S. 1171).
Spätestens mit Abschluss des Vorverfahrens muss deshalb ausdrücklich die Konstituierung erklärt worden sein (Art. 118 Abs. 3 StPO). Die detaillierten gesetzlichen Regelungen über Inhalt, Form und Frist dieser Erklärung (Art. 116 - 119
StPO) zielen ebenfalls darauf ab, unzweifelhafte Gewissheit über den Kreis der
Verfahrensparteien zu schaffen. Es würde diesem, dem Gesetz zugrundeliegenden Gedanken widersprechen, würde man ein Hauptverfahren durchlaufen, obschon die Parteifrage umstritten ist. Die diesbezüglichen Rügen des Beschwerdegegners sind deshalb nicht zu hören.
Der Entscheid des Bezirksgerichts Maloja vom 15. April 2013 betreffend die Konstituierung des Beschwerdegegners ist deshalb der Beschwerde gemäss Art. 393
ff. StPO zugänglich. Der Beschwerdeführer ist, wie vorgehend erwähnt, durch den
Entscheid in seinen rechtlichen Interessen betroffen und dahingehend beschwert,
weshalb er zur Ergreifung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 382 Abs. 1 StPO).
Auf die form- und fristgerechte Beschwerde ist daher einzutreten.
2.
Die Beschwerde stellt nach Art. 393 Abs. 2 StPO ein umfassendes ordentliches Rechtsmittel dar. Die Rechtsmittelinstanz verfügt über volle Kognition und mit
der Beschwerde können sämtliche Mängel eines angefochtenen Entscheids geltend gemacht werden (Stephenson/Thiriet, a.a.O., N 15 zu Art. 393 StPO; Keller,
a.a.O., N 38 f. zu Art. 393 StPO; Schmid, a.a.O., N 16 zu Art. 393 StPO).
3.
Im Folgenden gilt es zu prüfen, ob sich der Beschwerdegegner im Hauptverfahren betreffend fahrlässige schwere Körperverletzung als Privatklägerschaft
im Sinne von Art. 118 ff. StPO rechtzeitig konstituiert hat.
4.a) Der Beschwerdeführer führt zunächst aus, dass die Nachfristansetzung zur
Konstituierung als Privatklägerschaft vom 17. Juni 2013 durch das Bezirksgericht
Maloja unzulässig sei, da der Rechtsvertreter des Beschwerdegegners ausdrücklich auf die Konstituierung als Privatkläger verzichtet habe. Rechtsanwalt lic. iur.
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Nikolaus Tamm habe im Anschluss an die Einvernahme des Beschwerdeführers
vom 10. Dezember 2012 auf die Frage des Staatsanwaltes, ob er eine Zivilforderung stelle, geantwortet, er werde dies nicht in diesem Verfahren tun, behalte sich
aber die Geltendmachung einer solchen Forderung vor Gericht vor (vgl. act. 4.20,
S. 6). Die Vorinstanz hat in Erwägung 8.c ihres Entscheids vom 15. April 2013
diesbezüglich festgehalten, dass die Formulierung von Rechtsanwalt lic. iur. Nikolaus Tamm nicht klar sei. Mit den Worten „nicht in diesem Verfahren“ könne sowohl das Vorverfahren, wie auch das ganze Strafverfahren gemeint sein. Da die
Aussage nicht ohne Zweifel auf die eine oder andere Art verstanden werden könne, hätte die Strafverfolgungsbehörde nach Treu und Glauben eine Rückfrageund Abklärungspflicht getroffen. Da die Strafbehörde die geschädigte Person nicht
zu eindeutigen Erklärungen veranlasst habe und diese nun mit Schreiben vom 28.
Januar 2013 klargestellt habe, sich als Privatkläger am Strafverfahren beteiligen
zu wollen, müsse die Aussage anlässlich der Schlusseinvernahme vom 10. Dezember 2012 so ausgelegt werden, dass nicht bereits im Vorverfahren eine Forderung geltend gemacht werden wollte. Eine Verzichtserklärung nach Art. 120 Abs. 1
StPO liege nicht vor.
b)
Gemäss Art. 118 Abs. 1 StPO gilt als Privatklägerschaft die geschädigte
Person, welche ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- und/oder
Zivilkläger beteiligen zu wollen. Durch die Willenserklärung - in der Praxis Konstituierung genannt - wird der geschädigten Person Parteistellung im Strafverfahren
eingeräumt (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO) und damit die Möglichkeit, Parteirechte
(vgl. Art. 107 StPO) auszuüben. Die geschädigte Person kann jederzeit schriftlich
oder mündlich zu Protokoll erklären, auf die ihr damit zustehenden Rechte zu verzichten (Art. 120 Abs. 1 StPO). Der Verzicht ist dabei endgültig und umfasst die
Konstituierung im Straf- sowie im Zivilpunkt, sofern er nicht spezifiziert wird (Art.
120 Abs. 1 2. Satz und Abs. 2 StPO). Die Möglichkeit der Geltendmachung allfälliger Zivilansprüche vor einem Zivilgericht wird dadurch nicht eingeschränkt (Art.
122 Abs. 4 StPO). Der Verzicht auf die Zivilklage betrifft folglich nur das Strafverfahren.
c)
Die Aussage des Rechtsvertreters des Beschwerdegegners anlässlich der
Einvernahme des Beschwerdeführers vom 10. Dezember 2012 kann tatsächlich
nur dahingehend verstanden werden, als auf eine Konstituierung im Zivilpunkt
verzichtet wird. Sollte der Rechtsvertreter des Beschwerdegegners mit den Worten „nicht in diesem Verfahren“ das Vorverfahren gemeint haben und wollte er
damit aussagen, sich erst im späteren Hauptverfahren konstituieren zu wollen, so
liegt offensichtlich ein Verzicht vor. Aus dem Schreiben von Rechtsanwalt lic. iur.
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Nikolaus Tamm vom 28. Januar 2013 geht denn auch hervor, dass dies der Fall
sein dürfte. Darin erklärt er, dass er sich mit seiner umstrittenen Aussage die Geltendmachung einer Zivilforderung im Hauptverfahren vorbehalten wollte. Er zieht
daraus fälschlicherweise die Konsequenz, dass die Konstituierung seines Mandanten als Zivilkläger deshalb rechtzeitig erfolgt sei. Mit dem Verzicht bereits im
Vorverfahren Zivilforderungen geltend zu machen geht der Verzicht auf die Konstituierung im Zivilpunkt einher. Der Rechtsvertreter des Beschwerdegegners verkennt, dass eine Konstituierung bis zum Abschluss des Vorverfahrens zu erfolgen
hat (Art. 118 Abs. 3 StPO) und im späteren Hauptverfahren nicht mehr möglich ist.
Ein allfälliger Rechtsirrtum ist in casu unerheblich. Der Vollständigkeit halber sei
noch erwähnt, dass aus den übrigen Verfahrensakten nirgends der Wille des Beschwerdegegners zu erkennen ist, sich am Verfahren als Zivilkläger zu beteiligen.
Die Nachfristansetzung durch das Bezirksgericht Maloja ist diesbezüglich somit
unzulässig, da der Beschwerdeführer bereits unwiderruflich auf die Konstituierung
als Privatklägerschaft im Zivilpunkt gemäss Art. 120 Abs. 1 StPO verzichtet hat.
Es gilt weiter zu prüfen, ob eine Konstituierung im Strafpunkt rechtzeitig erfolgte.
5.a) Der Beschwerdeführer behauptet im Schreiben vom 11. Februar 2013, das
Gesetz verlange gemäss Art. 118 Abs. 1 StPO eine „ausdrückliche“ Konstituierung, weshalb die Möglichkeit einer konkludenten Erklärung per se ausgeschlossen sei. Eine schriftliche Erklärung oder eine mündlich zu Protokoll gegebene Erklärung sei hingegen nie erfolgt. Es sei auch kein Strafantrag gestellt worden, welcher zugleich als Erklärung eine Konstituierung zur Folge hätte. Vorliegend gehe
es jedoch um die Frage, ob eine Konstituierung nach Abschluss des Vorverfahrens nachgeholt werden könne, was klar zu verneinen sei. Der Beschwerdegegner
hält hierzu entgegen, dass die Bekundung der Absicht der Beteiligung am Verfahren gemäss Art. 118 Abs. 1 bzw. 119 Abs. 1 StPO nicht an die Schriftform gebunden sei, wie der Beschwerdeführer implizit vermuten liesse. Der Beschwerdegegner habe sich durch wiederholte Teilnahme an Zeugeneinvernahmen und die Stellung von Ergänzungsfragen und Anträgen bzw. durch die tatsächliche Ausübung
von Beteiligungsrechten als Privatklägerschaft konstituiert. Die Staatsanwaltschaft
habe ihn denn auch richtigerweise stets als Privatklägerschaft bezeichnet und ihm
alle damit einhergehenden Parteirechte eingeräumt und ihn schliesslich am 10.
Dezember 2012 als Auskunftsperson (Privatkläger) befragt.
b)
Der Wille der geschädigten Person, am Strafverfahren als Zivil-/Strafkläger
aufzutreten und damit Parteirechte zu beanspruchen, muss sich ausdrücklich manifestieren (Mazzuchelli/Postizzi, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler
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Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Basel 2011, N 4 zu Art.
118 StPO). Bestehen Zweifel darüber, ob eine Konstituierung erfolgt ist, so trifft
die Strafverfolgungsbehörde nach Treu und Glauben (Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO)
eine Rückfrage- und Abklärungspflicht (Mazzuchelli/Postizzi, a.a.O., N 5 zu Art.
118 StPO; BGE 119 Ia 4, E. 3b.). Die Staatsanwaltschaft hat die geschädigte Person bereits bei Eröffnung des Verfahrens auf das Recht, sich als Privatklägerschaft zu konstituieren, hinzuweisen und über die Form und Frist der Konstituierung aufzuklären (Art. 118 Abs. 4 StPO). Die Willenserklärung der geschädigten
Person hat bis zum Abschluss des Vorverfahrens gemäss Art. 318 StPO zu erfolgen (Art. 118 Abs. 3 StPO). Adressat der entsprechenden Erklärung ist eine Strafverfolgungsbehörde, wobei eine unzuständige Behörde derartige Eingaben gemäss Art. 91 Abs. 4 StPO weiterleitet. Gemäss Art. 119 Abs. 1 StPO kann die geschädigte Person, welche sich konstituieren will, die Erklärung schriftlich oder
mündlich zu Protokoll abgeben.
c)
Vorliegend hat der Beschwerdegegner im Vorverfahren verschiedene Beteiligungsrechte ausgeübt (Teilnahme an Zeugeneinvernahmen inkl. teilweises Stellen von Ergänzungsfragen, vgl. act. 4.9, 4.11, 4.13, 4.14, 4.15, 4.16, 4.17, 4.18,
4.19, 4.20; Stellung von Anträgen, vgl. act. 1.39, 1.43 ). Der Beschwerdegegner
wurde von der Staatsanwaltschaft Graubünden während des Vorverfahrens, erstmals anlässlich einer Zeugeneinvernahme vom 15. Februar 2012 (vgl. act. 4.9),
als Privatklägerschaft bezeichnet und schliesslich auch in der Anklageschrift vom
7. Januar 2013 (vgl. act. 1.49) als solche aufgeführt. Klarerweise wurde dies vom
Beschwerdegegner nicht beanstandet, da er, wie zuletzt aus dem Schreiben vom
28. Januar 2013 klar zum Ausdruck kommt, stets davon ausging, durch Ausübung
von Verfahrensrechten und der Beteiligung an Verfahrenshandlungen den Willen
zur Konstituierung als Privatklägerschaft rechtsgenüglich kundgetan zu haben. Es
schien zumindest für die Staatsanwaltschaft klar gewesen zu sein, dass der Beschwerdegegner sich als Privatklägerschaft - zumindest im Strafpunkt - konstituieren will. Es würde dem verfassungsmässigen Verbot des überspitzen Formalismus
bzw. des Fairnessgebots widersprechen, würde man diese offensichtlich konkludent ausgedrückte Absicht nun nicht erkennen wollen. Die Staatsanwaltschaft
Graubünden hat es versäumt, in Ausübung ihrer Rückfrage- und Aufklärungspflicht und unter Anwendung des stets verwendeten Formulars betreffend die
Konstituierungserklärung zusätzliche Klarheit in dieser Frage zu schaffen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Beschwerdegegner in
genügender Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich als Privatkläger im
Strafpunkt beteiligen will und die Konstituierung als Privatkläger im Strafpunkt
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nicht an einer fehlenden Willenserklärung scheitert. Folglich handelt es sich vorliegend - entgegen der vorinstanzlichen Erwägungen - nicht um ein Fall der nachträglichen Konstituierung, weshalb auf die von den Parteien in diesem Punkt vorgebrachten Ausführungen nicht näher einzugehen ist.
Der Beschwerdeführer erleidet dahingehend keine gesetzeswidrige Benachteiligung, zumal es für ihn klar war, dass der Beschwerdegegner durch Ausübung seiner Verfahrensrechte die Stellung als Partei zu beanspruchen beabsichtigt (vgl.
Schreiben vom 22. Januar 2013 zuhanden des Bezirksgerichts Maloja) und aufgrund der Akten klar gewesen sein muss, dass die Staatsanwaltschaft den Beschwerdegegner als Privatklägerschaft betrachtet. Er kann sich folglich nicht gutgläubig darauf berufen, nicht mit einer Beteiligung des Beschwerdegegners als
Partei im Hauptverfahren gerechnet zu haben.
6.a) Der Beschwerdeführer moniert weiter, dass die Nachfristansetzung auch
deshalb unzulässig sei, da der Beschwerdegegner mit Erklärung vom 27. Mai
2008 und mit den Erklärungen vor dem Unfall vom 7. sowie 30. Januar 2007 darauf verzichtet habe, gegen „officers“ des die Skeletonbahn betreibenden Clubs und damit gegen den Beschwerdeführer - zu klagen. Eine Verzichtserklärung
müsse nicht unmittelbar gegenüber der Strafverfolgungsbehörde abgegeben werden, wie dies die Vorinstanz festhalte. In Anlehnung an die herrschende Lehre
bezüglich einer Verzichtserklärung betreffend eines Strafantrages gemäss Art. 304
StPO, sei einzig und alleine entscheidend, dass ein entsprechender Verzicht erfolgte und die Erklärung der zuständigen Behörde zugetragen wurde. Die Desinteresseerklärung, welche üblicherweise anlässlich von Vergleichsverhandlungen in
einer Vereinbarung abgeschlossen würde, sei der Verzichtserklärung gleichgestellt und habe schon unter dem alten Recht den Verzicht auf die Ausübung der
Verfahrensrechte zur Folge gehabt. Es werde als rechtsmissbräuchlich gewertet,
wenn sich die geschädigte Person weigere, sich an eine einst abgegebene Desinteresseerklärung zu halten.
Der Beschwerdegegner bemerkt betreffend die Erklärung vom 27. Mai 2008 in
seiner Stellungnahme vom 15. März 2013, dass diese aus formellen Gründen im
Strafverfahren keine Rechtswirkungen entfalte, da die Erklärung nicht im Rahmen
des Verfahrens gegenüber einer zuständigen Behörde und lange vor Inkrafttreten
der Schweizerischen Strafprozessordnung ergangen sei. Ein rechtlicher Bezug zur
Schweiz bestehe auch im materiellen Sinne nicht, da die Erklärung auf englischem
Boden gegenüber einer britischen Privatperson - dem Beschwerdeführer, welcher
nicht als Vertreter des Clubs aufgetreten sei - abgegeben worden sei. Der Be-
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schwerdegegner habe sich nicht nur in einer gesundheitlich und existenziell prekären Situation befunden, ihm hätten auch für die Meinungsbildung zentrale Informationen gefehlt. Insofern liege ein rechtlich relevanter Willensmangel vor. Nach britischem Recht wäre er zivilrechtlich nicht an die Erklärung gebunden. Der Beschwerdeführer hätte sich auch bisher in keinem Verfahren auf die nun ins Recht
gelegte Desinteresseerklärung berufen.
b)
Die Desinteresseerklärungen wurden dem Bezirksgericht Maloja mit
Schreiben vom 11. Februar 2013 zur Kenntnis gebracht. Die Erklärungen wurden
jedoch bis zum Abschluss des Vorverfahrens nicht eingereicht. Dies obschon für
den Beschwerdeführer während des Vorverfahrens klar gewesen sein muss, dass
dem Beschwerdegegner die Stellung als Privatklägerschaft zugestanden wird und
Letzterer bereits betreffend die vorangegangene Einstellungsverfügung einen Prozess bis vor Bundesgericht führte. Es widerspricht dem Grundsatz von Treu und
Glauben, dem Beschwerdegegner die Stellung als Privatkläger im Vorverfahren
zuzubilligen und sich danach unter Berufung auf die bereits seit langem bekannten
Desinteresseerklärungen gegen die Zulassung des Beschwerdegegners als Privatkläger im Hautpverfahren auszusprechen. Der Einwand des Beschwerdeführers ist deshalb nicht zu hören.
c)
Es drängt sich jedoch auf, an dieser Stelle im Sinne einer Eventualbegründung noch kurz zu den Desinteressenerklärungen selbst Stellung zu nehmen:
Gemäss Art. 120 Abs. 1 StPO kann die geschädigte Person jederzeit schriftlich
oder mündlich zu Protokoll auf die ihr zustehenden Verfahrensrechte verzichten.
Der Verzicht ist dabei endgültig. Vorausgesetzt wird jedoch unter anderem, dass
der Verzicht in Kenntnis aller relevanten Umstände erfolgt (vgl. Schmid (Handbuch StPO), a.a.O., N 699, mit Hinweis auf BGE vom 1. Februar 2007,
6P.88/2006, E. 5.4. f.) und eindeutig und vorbehaltlos ergeht (Schmid, a.a.O., N 3
zu Art. 120 StPO). Aufgrund dessen kann zunächst festgehalten werden, dass der
Beschwerdeführer aus den Desinteresseerklärungen vom 7. Januar 2007 und 30.
Januar 2007, welche vor dem Unfall abgegeben wurden, keine Rechte abzuleiten
vermag, da diese gerade einen unzulässigen Verzicht auf Vorrat darstellen. Die
Erklärungen welche nach dem Unfall erfolgten, namentlich die schriftliche und unterzeichnete Erklärung vom 27. Mai 2008, sind nicht eindeutig und scheinen augenscheinlich einen etwaigen Verzicht auf zivilrechtliche Forderungen zu betreffen. Dies ergibt sich einerseits aus dem Wortlaut und andererseits aus dem Gesamtzusammenhang des letzten Schreibens. So erklärt der Beschwerdegegner,
dass er zu seinem Vorteil keine Forderungen geltend machen oder ein Verfahren
einleiten werde. Wie aufgrund der in Klammer gesetzten Bemerkung im Brief vom
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27. Mai 2008 deutlich wird, sind mit „benefit“ offensichtlich finanzielle Vorteile gemeint. Ungeachtet der Desinteresseerklärung des Geschädigten haben bei Offizialdelikten die staatlichen Behörden abzuklären, ob in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht eine strafbare Handlung vorliegt (BGE vom 1. Februar 2007, 6P.88/2006,
E. 5.4.3). Durch die Beteiligung am Strafverfahren - welches die Verfolgung eines
inkriminierten Verhaltens zum Zwecke hat und nicht die Schaffung von Vorteilen
zu Gunsten der geschädigten Person - verfolgt der Beschwerdegegner keine eigenen (zivilrechtlichen) Vorteile im Sinne der Erklärung vom 27. Mai 2008 ( „[…] i
will not at any time make any claim, or issue any proceedings […] for my own benefit.“). Der Verzicht steht denn auch im Zusammenhang mit der in Aussicht gestellten Spende der Clubmitglieder und scheint auch davon abhängig gemacht zu
werden („I am most grateful and deeply touched that you […] and the others are
planning to launch an appeal […] for me.“ und am Ende des Briefs: „This letter […]
will become legally binding on me as soon as the appeal is launched […]“). Zusammenfassend kann folglich festgehalten werden, dass sich aus der Erklärung
vom 27. Mai 2008 kein eindeutiger Verzicht auf die Konstituierung als Privatklägerschaft im Strafpunkt ergibt - im Gegenteil. Der Verzicht, wäre er auch im Strafpunkt erfolgt, welcher einen Monat nach der Eröffnung des Strafverfahrens und
fünf Monate nach dem Unfall erfolgte, dürfte denn auch unverbindlich sein, da er
zu einem Zeitpunkt erklärt wurde, in dem es dem Beschwerdegegner schlicht nicht
möglich war in Kenntnis aller relevanten Umstände auf die Konstituierung im
Strafpunkt zu verzichten. Die drei vorgebrachten Erklärungen stellen damit keinen
Verzicht auf die Konstituierung als Privatklägerschaft im Strafpunkt dar.
7.a) Der Beschwerdeführer beanstandet die Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör und des Grundsatzes des „fair trail“, indem es die Vorinstanz
unterlassen habe, ihm die Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 15. März
2013 zuzustellen. Es komme erschwerend hinzu, dass die Eingabe vom 15. März
2013 neue Einwände zu enthalten schien, wie aus dem angefochtenen Entscheid
hervorgehe. Nur im Falle einer Gutheissung der Beschwerde - durch Nichtzulassen des Beschwerdegegners als Zivil- und Strafkläger - erübrige sich eine Rückweisung an die Vorinstanz. Im Weiteren seien die Verzichtserklärungen des Beschwerdegegners bei der Entscheidfindung durch die Vorinstanz gänzlich unberücksichtigt geblieben, womit Art. 120 StPO sowie die Begründungspflicht und
somit der Anspruch auf rechtliches Gehör des Beschwerdeführers verletzt worden
seien.
b)
Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches
Gehör. Als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht verlangt dieser Grundsatz,
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dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt (vgl. BGE 129 I 232, E. 3.2, S. 236). In der eidgenössischen
Strafprozessordnung wird dieser Anspruch in Art. 107 Abs. 1 StPO konkretisiert,
indem dessen hauptsächliche Bestandteile aufgeführt werden. Darüber hinaus
fliesst der Anspruch auf rechtliches Gehör betreffend einzelne Teilgehalte auch
aus anderen Bestimmungen. Art. 109 Abs. 2 StPO statuiert das Recht der Parteien zu Eingaben der Gegenpartei Stellung zu nehmen. Das Recht auf Stellungnahme bildet Ausfluss aus Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Hafner/Fischer, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Basel 2011, N 21 zu Art. 109 StPO).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Dies bedeutet grundsätzlich, dass die Verletzung dieses Rechts ungeachtet der Erfolgsaussichten des
Rechtsmittels in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids
führt. Ist die Verletzung des Anspruchs nicht gravierend und hat die Rechtsmittelinstanz die gleiche Kognition in Tat- und Rechtsfragen wie die Vorinstanz, kann
die Verletzung vor der Rechtsmittelinstanz ausnahmsweise geheilt werden. Ausserdem muss der Betroffene über die gleichen Mitwirkungsrechte wie vor der Vorinstanz verfügen (BGE 133 I 201, E 2.2; BGE 126 I 68, E. 2; BGE vom 28. Februar
2008, 6B_568/2007, E. 6.4). Von einer Rückweisung der Sache ist selbst bei einer
schwerwiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und
soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen
Verzögerungen führen würde, die mit dem Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wäre (BGE 132 V
387, E. 5.1, S. 390).
c)
Der Beschwerdeführer erkennt in der unterbliebenen Zustellung der Eingabe des Beschwerdegegners vom 15. März 2013 zu Recht eine Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren besteht wie bereits ausgeführt wurde - volle Kognition (Art. 393 Abs. 2 StPO), weshalb der
festgestellte Mangel gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich
heilbar ist. Der angefochtene Entscheid kann in allen Rechts- und Sachfragen frei
überprüft werden. Dem Beschwerdeführer kommen zudem die gleichen Mitwirkungsrechte wie vor dem Bezirksgericht Maloja zu. Die Verletzung des rechtlichen
Gehörs ist vorliegend nicht gravierend, da die Vorinstanz ihre Entscheidung vom
15. April 2013 offensichtlich nicht auf die Ausführungen des Beschwerdegegners
in seiner Stellungnahme vom 15. März 2013 betreffend die Hintergründe und Vorgeschichten zu den ins Recht gelegten Desinteresseerklärungen stützte. Vielmehr
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betrachtete die Vorinstanz die ins Recht gelegten Erklärungen nicht als Verzichtserklärungen, da sie nicht gegenüber der Strafverfolgungsbehörde abgegeben
worden seien. Darin ist keine Verletzung von Art. 120 StPO, der Begründungspflicht oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu erblicken, zumal sich die Vorinstanz auf die Punkte beschränken durfte, die für den Entscheid wesentlich waren
(vgl. BGE 133 III 439, E. 3.3, S. 445). Im Übrigen stützt sich auch der vorliegende
Entscheid nicht auf die Ausführungen in der besagten Stellungnahme des Beschwerdegegners. Die materiellen Fragen zu den Desinteresseerklärungen wurden lediglich im Sinne einer Eventualbegründung kurz aufgegriffen (vgl. Erwägung
6 b). Ziffer 6 des angefochtenen Entscheids enthält überdies eine Zusammenfassung des Inhalts der Stellungnahme, zu welchem der Beschwerdeführer unter lit.
B, Ziffer 4 seiner Beschwerdeschrift Stellung nahm. Eine Rückweisung der Sache
zur Gewährung des rechtlichen Gehörs wäre demzufolge ein formalistischer Leerlauf. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz ist vorliegend
somit geheilt.
8.
Die Beschwerde wird dahingehend teilweise gutgeheissen, als der Beschwerdegegner im Hauptverfahren vor dem Bezirksgericht Maloja betreffend die
fahrlässig schwere Körperverletzung nicht als Privatklägerschaft im Zivilpunkt zugelassen wird.
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Gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Vorliegend
ist der Beschwerdeführer mit seinen Anträgen teilweise durchgedrungen und die
Beschwerde wurde im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen. Der Beschwerdegegner ist mit seinem Hauptantrag nicht durchgedrungen, hingegen teilweise mit dem Eventualbegehren. Demnach gehen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu ½ zu Lasten des Beschwerdeführers und zu ½ zu Lasten des Beschwerdegegners. Für Entscheide im Beschwerdeverfahren wird eine Gerichtsgebühr von CHF 1'000.00 bis Fr. 5‘000.00 erhoben (vgl. Art. 8 der Verordnung über
die Gerichtsgebühren in Strafverfahren [VGS; BR 350.210]). Die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens werden auf Fr. 1‘500.-- festgelegt.
Die Parteikosten werden bei diesem Ausgang des Verfahrens wettgeschlagen.
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III. Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird dahingehend teilweise gutgeheissen, als der Beschwerdegegner im Hauptverfahren vor dem Bezirksgericht Maloja betreffend fahrlässige schwere Körperverletzung nicht als Privatklägerschaft im Zivilpunkt zugelassen wird. Der Beschwerdegegner ist jedoch als Privatklägerschaft im Strafpunkt zuzulassen.
2. Die Kosten für das vorliegende Beschwerdeverfahren im Umfang von CHF
1‘500.00 gehen je zur Hälfte (jeweils CHF 750.00) zu Lasten des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners.
3. Die Parteikosten werden wettgeschlagen.
4. Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 ff. des Bundesgesetzes vom
17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR
173.110) Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht geführt werden. Die
Beschwerde ist dem Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14,
schriftlich innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der
Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90
ff. BGG.
5. Mitteilung an:
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