SchiedsamtsZeitung - Bund Deutscher Schiedsmänner und
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SchiedsamtsZeitung - Bund Deutscher Schiedsmänner und
SchiedsamtsZeitung 79. Jahrgang 2008 Heft 8 Seite 169-172 Online-Archiv Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] Videoüberwachung durch den Nachbarn – Voyeurismus oder Schutz des Eigentums? von Richterin Inga M. Schaefer, L.L.M.(NZ), AG Hattingen Wer kennt sie nicht, die Videokameras an Tankstellen, in Eingängen von Kaufhäusern, bei öffentlichen Plätzen und feudalen Anwesen? Neben diesen Orten, auf die im Folgenden auch noch weiter eingegangen werden soll, ist in der Bevölkerung ein Trend zu verzeichnen, dass Wohnungseigentümer, Nachbarn oder Mieter der Ansicht sind, sie müssten sich oder ihr Eigentum gegen Störungen von außen schützen. Zu diesem Zweck werden in Deutschland an den unterschiedlichsten Stellen Videokameras (teilweise auch nur Attrappen) installiert, fremdes, gemeinschaftliches oder alleiniges Eigentum, der Nachbar oder Dritte gefilmt und das Material ausgewertet – sei es privat oder auch gerne zu Beweiszwecken in später laufenden Gerichtsprozessen. Da zunächst augenscheinlich niemand durch das Aufstellen einer Kamera, insbesondere wenn es sich um eine Attrappe handelt, verletzt wird, stellt sich die Frage, ob jede Person das Recht hat, ihr Eigentum oder auch das persönliche Wohlergehen durch die Installation von Kameras zu sichern. Zunächst genießt jeder Eigentümer den Schutz seines Eigentums, der grundrechtlich in Art.14 Grundgesetz (GG) verankert ist und in dem das Eigentum garantiert wird. Dem grundrechtlich gewährten Schutz des Eigentums in Art. 14 GG steht jedoch ein anderes Grundrecht gegenüber, und zwar das der durch die Videokamera aufgenommenen Person. Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 1/5 Aus Art. 2 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit) und Artikel 1 GG (Würde des Menschen) folgt der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Schutz des Rechtes am eigenen Bild, der sich auch auf Abbildungen durch Dritte erstreckt. Dabei kommt dem Grundrecht die Aufgabe zu, Elemente der Persönlichkeit zu gewährleisten, wozu auch das Recht am eigenen Bild gehört.1 Die Beeinträchtigung entsteht dadurch, dass Bereiche gefilmt werden, die die betroffene Person nutzen muss, um z.B. zu ihrer Wohnung, ihrem Garten, ihrem Parkplatz zu gelangen. Die Beeinträchtigung konkretisiert sich darin, dass die Person nicht beeinflussen kann, wann sie bei solchen Gelegenheiten aufgenommen wird und damit ständig bei der Benutzung dieses Bereichs oder eines Weges damit rechnen muss, dass jede ihrer Bewegungen dokumentiert wird. Dabei werden nicht nur Aufnahmen davon gemacht, wann und mit wem sie zum Haus geht, sondern der Nachbar nimmt auch ihre Gesichtsausdrücke sowie die Stimmung auf, die sie an diesem Tag hat. Die betroffene gefilmte Person erhält das Gefühl, dass eine andere Person hierüber die Kontrolle erlangt. In-sofern können Aufnahmen einen unzulässigen Eingriff in das allg. Persönlichkeitsrecht darstellen. Unter anderem Vorzeichen, wie z.B. das Überwachen eines öffentlichen Platzes, der in der 1 Horst in NZM 2000, S. 937 (938) Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages. SchiedsamtsZeitung Online-Archiv 79. Jahrgang 2008 Heft 8 Seite 169-172 Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] Vergangenheit Schauplatz von kriminellen Handlungen gewesen ist, kann der Eingriff jedoch gerechtfertigt sein. Hierzu hat auch der BGH entschieden, dass bei vorausgegangenem strafbaren Verhal-ten es gerechtfertigt ist, einen staatlichen Einsatz von Videoüberwachungssystemen zur Aufklärung der Straftat und zur Ermittlung des Täters durchzuführen und hierdurch kein unzulässiger Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht stattfindet. Insofern hat der Träger des Grundrechts kein umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person. Ferner zeigt der vom OLG Zweibrücken2 im Jahr 2003 entschiedene Fall, dass auch eine Videoüberwachung in einer Mietanlage zulässig sein kann, wenn, wie in diesem Fall, ein seitens organisierter Kriminalität mit dem Tode bedrohter Staatsanwalt geschützt werden muss. Der hierdurch verursachte Eingriff in das Grundrecht ist auf Grund der Notwendigkeit des Polizei- und Ordnungsrechtes zulässig. Insofern handelt es sich auch hierbei um einen staatlichen Einsatz. Bei der Beurteilung, ob es sich um einen rechtswidrigen Eingriff handelt oder nicht, ist gerade nicht entscheidend, ob die Aufnahmen verbreitet werden oder direkt nach dem Aufnehmen und Kontrollieren gelöscht werden. Denn es kann nicht dem Belieben eines anderen überlassen werden, wie er mit derart hergestellten Bildaufzeichnungen verfährt. Auch ist es nicht relevant, ob die installierte Kamera tatsächlich filmt oder ob es 2 NZM 2003, 719 Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 2/5 sich nur um eine Attrappe handelt. Denn es reicht bereits aus, dass bei der betroffenen Person der Eindruck der Überwachung entsteht. Sofern ein unzulässiger Eingriff festgestellt wird, hat die betroffene Person einen Anspruch auf Unterlassung und Entfernung der Kamera. Wenn sich daher ein Gespräch bei einer Schiedsperson anbahnt, in dem geäußert wird, dass sich eine Person von der Videokamera des anderen belästigt fühlt, gilt es, die gefilmten Bereiche zu unterscheiden, um eine Unzulässigkeit des Eingriffs feststellen zu können. Dies soll anhand eines Beispielsfalls, der sich in ähnlicher Form tatsächlich ereignet hat, dargestellt werden: In einem Mehrfamilienhaus mit Mietern und Wohnungseigentümern wohnt die Person A und sorgt im Haus für Unruhe. Es werden Eier gegen die Hauswand geworfen, Müll in den gemeinschaftlichen Garten geschüttet, es werden Fleisch und Fischköpfe in den Waschmaschinen anderer Bewohner versteckt, jemand dreht bei laufenden Waschmaschinen den Wasserhahn zu und wirft Hundekot in die Briefkästen. Die übrigen Bewohner sind sich schnell einig: Es kann nur der Bewohner A gewesen sein. Die Stimmung ist gereizt, es kommt zu Körperverletzungen im Hausflur. Mit Ausnahme der körperlichen Auseinandersetzung handelt es sich hier um Vorfälle, die gerne auch im Stillen und Dunkeln vorgenommen werden. Wie sollen die Bewohner im Haus nachweisen, dass es sich um den Bewohner A handelt, oder wie soll A beweisen, dass er zu Unrecht verdächtigt wird? Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages. SchiedsamtsZeitung Online-Archiv 79. Jahrgang 2008 Heft 8 Seite 169-172 Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] Die Bewohner A und B installieren beide Videokameras. Eine Videokamera filmt durch den Türspion in der Wohnungseingangstür den Bereich vor der eigenen Haustür, also auch den gemeinschaftlichen Hausflur (a), eine Kamera filmt den Weg zum Garten, der über das gemeinschaftliche Grundstück führt (b), eine weitere Kamera ist draußen befestigt und auf das Carport des B gerichtet, welches auf seinem eigenen Grundstück steht (c), eine weitere Kamera filmt das gegenüber liegende Nachbarhaus, welches mit den internen Streitigkeiten im Haus nichts zu tun hat (d). Die Kamera am Türspion nimmt tatsächlich Bilder auf, die Kamera am Carport funktioniert, nimmt jedoch tatsächlich nichts auf, bei der Kamera, die auf den Gartenzuweg ausgerichtet ist, handelt es sich um eine Attrappe. Zu (a) und (b) Die Aufnahmen durch die Videokamera sind grundsätzlich unzulässig und dürfen nicht verwertet werden. Die Nachbarn haben einen Anspruch darauf, dass beide Kameras entfernt werden. Durch die Kameras, die auf den gemeinschaftlichen Flur und den privaten Weg zum Garten gerichtet sind, wird Gemeinschaftseigentum gefilmt. Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 3/5 Hinsichtlich gemeinsamer Zuwegungen und Flächen hat das OLG Karlsruhe3 entschieden, dass eine Überwachung eines gemeinsamen Zugangsweges zu benachbarten Grundstücken einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn darstellt, sofern dieser nicht hierzu seine Einwilligung erteilt hat. Im Unterschied zu öffentlichen Zuwegungen, die im Zweifel durch das Benutzen anderer Wege umgangen werden können, ist der Nachbar auf die Benutzung der gemein-samen Zuwegungen angewiesen. Da der Nachbar nicht ausweichen kann, sieht er sich einem Überwachungsdruck ausgesetzt, der in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreift. Denn bei der Aufnahme der Zuwegungen und damit auch der Personen, die den Zugang zum Haus suchen, werden Bilder des privaten Wohnbereiches aufgenommen, die zum geschützten Bereich gehören: Dies muss grundsätzlich keiner der Nachbarn dulden. Dass es sich bei der Kamera im Garten um eine Attrappe handelt, hat keinen Einfluss auf den Beseitigungsanspruch. Denn es reicht allein der subjektive Eindruck des Betroffenen, er werde überwacht.4 Aber auch bei der Überwachung der eigenen Wohnungstür gibt es wieder eine Ausnahme, die sich eigentlich auch ohne juristische Kenntnisse, sondern allein mit gesundem Verstand erklären lässt: dem sehbehinderten Mieter wird die 3 WuM 2000, 128 4 So hat z.B. da AG Aachen, NZM 2004, 339 entschieden Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages. SchiedsamtsZeitung Online-Archiv 79. Jahrgang 2008 Heft 8 Seite 169-172 Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] Installation einer Videoüberwachungskamera zugebilligt, damit dieser seine Besucher erkennen kann.5 Zu (c) durch Dritte eine Überwachung anderer Flächen als ausschließlich der des eigenen Grundstücks zulässig sein. Diese Ausnahmen sind von der Rechtsprechung sehr stark begrenzt worden und liegen im Zweifel nicht vor. Wenn nur das eigene Grundstück überwacht wird und bei der Videoaufzeichnung keine öffentlichen Wege oder Bereiche betroffen sind, die im Gemeinschaftseigentum stehen, werden keine Rechte verletzt. Aus welcher Motivation heraus der Eigentümer filmt, bleibt ihm überlassen. Die Videokamera kann dort bleiben. Selbst bei der Prävention von weiteren rechtswidrigen Angriffen auf das eigene Grundstückseigentum, also bei der Abwehr eines hinreichend sicher erwarteten rechtswidrigen Verhaltens Dritter, liegt in aller Regel kein gerechtfertigter Eingriff vor. Zu (d) Denn das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn genießt, vor den eigenen – auch anerkennenswerten – Schutzinteressen des Videofilmers Vorrang. Das (private) gezielte Beobachten des Nachbargrundstücks ist unter keinem rechtlichen Aspekt zulässig. Die ständige Beobachtung des Nachbarn und das Ausspähen der Vorgänge auf dem Nachbargrundstück verletzt das Persönlichkeitsrecht der dort wohnenden Personen. Der Eingriff ist insbesondere dann rechtswidrig, wenn die beobachtende Person keinerlei Gründe angeben kann, die eine Beobachtung rechtfertigen könnten, es also lediglich um die Befriedigung der eigenen Neugierde geht. Die Videokamera ist in einem solchen Fall zu entfernen. Ändert sich etwas an der rechtlichen Beurteilung, wenn zuvor bereits Straftaten in diesen (jetzt gefilmten privaten) Bereichen verübt wurden? Nur ganz ausnahmsweise kann bei vorangegangenen schweren Beeinträchtigungen und Straftaten 5 AG Köln, NJW-RR 1995, 1226. Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 4/5 Auch bei Verbesserung der Beweislage, wenn bereits Vorschäden erlitten wurden, oder bei stattgefundenen Angriffen auf Sachen oder Personen ist der Eingriff unzulässig. Die Rechtsprechung des BGH, dass auf öffentlichen Plätzen bzw. auf der Grundlage des Polizeiund Ordnungsrechtes ein staatlicher Einsatz von Videoüberwachungskameras zur Aufklärung oder auch Verhinderung weiterer Straftaten zulässig sein kann, kann nicht auf den privaten Bereich übertragen werden. Denn es gibt keine Ermächtigungsnorm, die im Rahmen einer eigenen Strafverfolgung den Einsatz des Videoüberwachungssystems rechtfertigen könnte. Weder das Institut des allgemeinen Selbsthilferechts noch die Vorschriften zu Notwehr und Notstand können eine dauernde Videoüber- Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages. SchiedsamtsZeitung Online-Archiv 79. Jahrgang 2008 Heft 8 Seite 169-172 Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 44704 Bochum www.schiedsamt.de [email protected] wachung rechtfertigen, da es bei einer permanenten Überwachung schon an dem erforderlichen Tatbestandsmerkmal der »gegenwärtigen« und »konkreten« Gefahr fehlt. In der Rechtsprechung sind in den letzten Jahren viele Entscheidungen zum Thema der (privaten) Videoüberwachung ergangen. Auch wenn in einigen Ausnahmefällen die Installation von Videokameras unter engen Voraussetzungen erlaubt wurde, geht der gerichtliche Trend doch recht eindeutig dahingehend, dies zu untersagen. Im Zweifel heißt es daher immer, sofern nicht nur Alleineigentum gefilmt wird: Die Kamera muss weg. Ansonsten drohen Unterlassungsklagen oder aber auch Schadensersatzansprüche betroffener Nachbarn. Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 5/5 Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages.