Der folgende Bericht ist in Motor-modellflug

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Der folgende Bericht ist in Motor-modellflug
Der folgende Bericht ist in
Motor-modellflug-praxis 2008 erschienen.
www.modellflug-praxis.de
Text: Alexander Kloz
Fotos: Karlheinz Häfner, Alexander Kloz
Renn- Gnom
Phantom 70 von Kyosho
Bereits mit der Kelly hat Kyosho einen erfolgreichen Reno-Racer nachgebildet, der durch seine
Form die Blicke auf sich zog. Bei der Phantom 70 ist dieser Effekt sicherlich noch stärker, zumal
Doppeldecker sowieso Hingucker sind. Die ungewöhnliche Geometrie der Phantom 70 tut ein
Übriges. So let’s have a race, gentlemen.
Mitte der 60er-Jahre hob Bill Stead in der Wüste
Nevadas die Reno Air Races aus der Taufe, die
heute Flugzeuge in acht Klassen an den Himmel
bringen. Damals waren gerade einmal drei Klas­
sen am Start, doch die „Biplane Class“ gab es von
Anfang an. Zu dieser Zeit dominierte noch die
Boeing Stearman das Geschehen. Bald ging es
schneller voran und die Pitts Special setzte sich in
allen Varianten an die Spitze. Das ist bis heute so.
Aber immer wieder werden die Pitts ihrer Vor­
herrschaft beraubt, durch schnellere und ausgefallene Kons­truktionen wie die von Tom Aberle. Der
aus Süddeutschland stammende Konstrukteur und
Pilot erreichte mit einer stark modifizierten Mong
Sport Geschwindigkeiten jenseits der 250 Meilen
pro Stunde. Mit seiner No. 62 Phantom konnte er
drei Jahre in Folge den ersten Platz in der
Doppeldeckerklasse abräumen.
Am Stück
Am
Stück
Die untere Fläche purzelt dem Erbauer stückchenweise entgegen. Aller vier Teile sind vorbildlich in
Holm-Rippen-Bauweise erstellt und sauber be­­
spannt. Rumpf, Haube und Radschuhe bestehen
aus GFK. Es ist wirklich beachtlich, wie gut die
Teile zusammenpassen. Die Motorhaube saugt
sich am Motorspant fest. Dabei entsteht kein
Absatz. Sie wird also nicht über den Rumpf
gestülpt, sondern liegt auf einer Aussparung auf,
die so tief ist wie die Materialstärke der Haube
selbst. Das ist hervorragend und sehr exakt gelöst.
Auch die Radschuhe passen wie angegossen an
die Tragflächen. Spalte gibt es nicht. Erstaunlich.
Kyosho
Reno-Flair
Mit der Phantom 70 bringt Kyosho
einen qualitativ hochwertigen
Nachbau eines Reno Racers aus
der „Biplane Class“ auf den Markt.
Bau und Verarbeitung sind hervor­
ragend. Trotz der geringen Flä­
chen­tiefen lässt sich das Modell
relativ langsam fliegen. Der
Geschwindigkeitsbereich ist groß.
Die Phantom ist recht wendig und
fliegt aufgrund ihrer beiden Flügel
dennoch stabil. Zum Landen sollte
man aber über einen gut gemäh­
ten Rasen oder eine Hartbahn ver­
fügen und dabei wissen, was man
tut. Die Phantom 70 ist ein Eye­
catcher par excellence.
Ein Flugzeug, das wegen seiner
interessanten Konstruktion alle
Blicke auf sich zieht. Wer etwas
Reno-Flair genießen möchte, wählt
mit der Phantom 70 von Kyosho
das richtige Modell.
Fisch
Fisch
Der absolute Eyecatcher im Karton ist aber eindeutig der Rumpf. Von der Seite erscheint er wie
BEZUG
Nicht nur, wenn man das Bild auf dem Karton
sieht – nein, spätestens beim unter die Lupe
Nehmen des Inhalts erkennt man, dass die
Phantom etwas Be­­son­deres ist. Kein Flugzeug
nach Schema 08/15, sondern anders, interessant
und herausfordernd. Als Erstes fällt die obere
Trag­fläche auf, die aus einem Stück gebaut und
sauber bespannt ihre Hülle verlässt. Die doppelte
Trapez- sowie die fehlende V-Form und die geringe Flä­chentiefe lassen schon erahnen, dass es sich
hier um etwas sehr Flottes handelt. Schnell
kommt die Frage auf, wie schnell das Flugzeug
wohl gelandet werden muss, um einem Abriss zu
entgehen. Nun, das wird sich zeigen.
Phantom 70
60 www.modellflug-praxis.de
Kyosho
Nikolaus-Otto-Straße 4
24568 Kaltenkirchen
Telefon: 041 91/93 26 78
Fax: 041 91/884 07
E-Mail: [email protected]
Internet: www.kyosho.de
Preis: 299,– Euro
Bezug: Fachhandel
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Phantom 70
Kyosho lenkt die Höhenruder seiner Modelle
gerne mit Schubstangen an. Das ist zwar eine
saubere Lösung, jedoch ist Draht naturgemäß
etwas elastisch und so entsteht Spiel an den
Ruderflächen. Um das zu vermeiden, verschwanden zwei Servos in den Dämpfungs­
flächen des Höhenleit­werks. Die Ruder sind
auf diese Weise direkt und spielfrei angelenkt. Wirklich notwendig ist diese Prozedur
jedoch nicht, denn fliegen lässt sich der
Vogel sicher auch mit einer Schubstange an
den Höhenrudern.
Anders
Anders
Für den Bau des Modells benötigt man schon
Zeit. Beim Autor waren es über 40 Stunden.
Langweilig wird es dabei aber nie. Das liegt
an der ungewöhnlichen Konstruktion des
Modells und es lässt sich immer wieder
Interessantes entdecken. Man wird durch die
Anleitung gut geführt.
Konstruktives Manko Spornrad: Man kommt
nicht an den Draht heran, um ihn zu biegen
Nur ein Punkt fiel beim Bau negativ auf: Der
Draht des Spornrads muss durch die Anfor­
mung der Seitenflosse geführt und anschließend in einem Winkel von 90 Grad gebogen
werden, sodass der restliche Draht als
Mitnehmer im Seitenruder endet. Um die
Biegung auszuführen, kommt man aber an
den Draht nicht recht heran, da dieser nahe
an der Dämpfungsfläche anliegt. Außen biegen geht auch nicht, da er sich dann nicht
mehr einschieben lässt. Nur durch beherztes
Zufassen ist das Problem zu lösen.
ein mutiertes U-Boot oder wie ein Guppy, der
es mit der Nahrungsaufnahme etwas übertrieben hat. Der Bau ist sehr sauber ausgeführt,
alle Anformungen passen und das hochglänzende weiße Finish kann sich sehen lassen.
Nur an der Seitenflosse konnte ein kleines
Bläschen im Lack entdeckt werden. Sonst ist
die Oberfläche makellos. Der Rumpf ist sehr
leicht und dennoch stabil gebaut. Nur wo
nötig, befinden sich verstärkende Spanten.
Natürlich liegt dem Baukasten eine Kyoshotypische, sehr ausführliche Bauanleitung bei,
die sich sprachlich zurückhält und auf technische Zeichnungen beschränkt. Schritt für
Schritt kommt man auf diese Weise ans Ziel,
ohne jemals verwirrt zu sein. Alle Kleinteile
sind sauber nach Bauabschnitten verpackt
und von guter Qualität. Ein großer Dekor­
bogen rundet das Bild ab.
Ein Knick sorgt für
Platz nach unten.
Der Autor setzt in
Anlenkungen aus
Metall größeres
Vertrauen
Motor
Motor
Die untere Fläche wird in ihrem
Hauptknick mit einem SperrholzAluminium-Sandwich verbunden
Mehr Gewicht musste wegen der beiden
Servos im Heck nicht nach vorne, denn ein
.61er-Zweitakter sollte in der Nase sein Werk
verrichten. Das ist etwas mehr, als man tun
sollte, denn eigentlich ist das Modell für
Zweitakter der Größe .46 bis .50 beziehungsweise Viertakter der Größe .52 bis .70
Kubik-Inch ausgelegt. Aber die Phantom ist
schließlich ein Rennmodell, nicht wahr? Im
Flug zeigte sich dann auch, dass die Wahl
des Motors richtig war.
Doppelte Arbeit
Doppelt
Viele Modellpiloten scheuen Doppeldecker.
Nicht wegen ihrer Flugeigenschaften, sondern
aus ganz praktischen Gründen. Man schleppt
einen Haufen Einzelteile mit auf den Platz.
Dann das Aufrüsten. Ach, ist das nervig, bis
endlich alle Strebchen, Schräub­chen und
Drähtchen an Ort und Stelle sind. Und wehe,
Kyosho
Die 70er-Räder haben Platz in ihren Schuhen und
erlauben auch Landungen auf kurzem Rasen
Parameter
Parameter
man vergisst im Rumpf irgendetwas einzustecken
oder einzustellen. Dann geht der ganze Quatsch
wieder von vorne los. Ätzend, oder?
Nun, bei Kyosho haben sich die Konstruk­teure
schon so ihre Gedanken gemacht, denn für einen
Doppeldecker ist die Phantom 70 recht schnell
montiert. Zwei M3-Schrauben halten die untere
Fläche am Rumpf, ebenso die obere. Die Verstre­
bungen sind der Clou. Sie werden ebenfalls mit
zwei Schrauben zwischen den Flächen gehalten,
Zum ersten Mal komplett montiert, ging es zur
Waage, die bei 2.770 Gramm stehen blieb. Das
Modell ist mit 2.500 Gramm angegeben. Passt.
Am richtigen Punkt unter der oberen Tragfläche
unterstützt, pendelt das Modell auf Anhieb sauber
aus. Der Empfängerakku kann an seinem Platz auf
dem Servobrett bleiben.
Bei den Ausschlägen darf man sich getrost an die
Anleitung halten und als Anfangswert rundherum
einmal 30 Prozent Expo einstellen. Die stärkste
Veränderung beim Fliegen erfuhren die Aus­schlä­ge
der Querruder, die schlicht verdoppelt wurden.
Die erflogenen Einstellungen können dem Kasten
mit den technischen Daten entnommen werden.
Lampenfieber
Lampenfieber
Jeder kennt das: Vor dem Erstflug können schon
einmal die Hände zittern, der Puls geht nach oben.
Besonders, wenn man so ein außergewöhnlich
konstruiertes Flugzeug wie die Phanom an den
Start rollt. Ein Rennflugzeug, ein Doppeldecker.
Zwei Tragflächen zwar, die aber nicht sehr tief sind.
Wie wird sie sich fliegen und vor allem landen
lassen? Es gibt nur einen Weg, es herauszufinden.
Technische Daten:
Spannweite: 1.264 mm
Länge: 1.220 mm
Flächeninhalt: 33,4 dm²
Gewicht, unbetankt: 2.770 g
Ruderausschläge: QR ±14 mm 25 % Expo,
HR ±15 mm 35 % Expo,
SR ±30 mm 30 % Expo
Motor: Kyosho GX-61
Luftschraube: Servos: 12 x 8"
2 x Dymond D200 (QR),
2 x Hitech HS 125 MG (HR),
1 x Graupner C 5077 (SR),
1 x Graupner C 577 (Gas)
Empfänger: Empfängerakku: Graupner R700
4 x AA, 1.200 mAh
Umgebaut: Statt einer Schubstange im
Rumpf arbeiten zwei Servos in der
Dämpfungsfläche des Höhenruders
Der Kyosho GX-61 verrichtet in diesem Modell
gute Dienste, auch wenn er eigentlich zu groß
gewählt ist
Wird die Dichtungsschraube angezogen,
sichert sich der Tank selbst mit dem Dich­
tungsgummi in der Bohrung des Spants
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Die Flächenservos verschwinden
unter ihrer Verkleidung,
gesichert durch vier Schrauben
die aber senkrecht durch Hartholzkerne gesteckt
werden und in einem Gewinde in den Streben
enden. Die GFK-Streben sind markiert, sodass man
immer gleich erkennt, auf welche Seite sie gehören
und wo oben und unten ist. Klar, man muss zwar
immer noch mehr schrauben als bei einem
Eindecker, aber wie das Original kommt auch das
Modell ohne Verspannungen aus Draht aus. Das
macht die Sache zusammen mit der durch­dachten
Umsetzung recht einfach und erträglich.
Das Seitenruder
wird über zwei
Stahllitzen
angelenkt
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Ist schon mal was anderes. Ein Hingucker auf dem Platz
Für das Gas reicht ein Graupner-StandardServo des Typs C 577 völlig aus
Alles passt. Nur ein wenig Höhe muss
getrimmt werden, sonst nichts. Auf Sicher­
heitshöhe wird gedrosselt. Man kann die
Phantom recht langsam fliegen. Der Abriss
kommt spät und das Modell lässt sich
schnell wieder fangen. Dann Vollgas. Für
einen Doppeldecker ist sie schon flott
­unterwegs, aber der Widerstand des volu­
minösen Rumpfs und zweier Flächen ist
nicht zu ­verachten.
Turn left left
Turn
Viel Haube lässt der große
Motor nicht übrig
Der Gashebel geht nach vorne, was der
GX-61 auch willig annimmt. Brav und sicher
rollt die Phantom voran. Immer schneller.
Nur ein kurzer Impuls am Höhenruder und
die Räder rollen aus. Kraftvoll geht es nach
oben und die Phantom liegt stabil in der Luft.
flach angeflogen und durch Wegnahme von
Gas aufgesetzt werden. Sobald die Räder am
Boden sind, ist sie mit dem Höhenruder zu
stützen, sonst endet die Sache sehr schnell
mit einer Verneigung. Auf einer Graspiste
wurde nicht gelandet, doch sicher sorgen
Räder und vor allem die Radschuhe für
ordentlichen Widerstand. Einfach ist es daher
sicherlich nicht, den Vogel im Grünen auf
den Boden zurück zu bringen. In jedem Fall
sollte der Rasen kurz sein, denn sonst kann
es oft heißen: „Schwänzchen in die Höh.“
Die Phantom nimmt im Original an Pylon­
rennen teil. Go fast, fly low, turn left. Quer,
ziehen. Willig fliegt sie den Haken. Da gibt
es nichts zu meckern. Was geht sonst noch?
Loopings wollen gesteuert werden. Gerne
dreht sie um die Längsachse aus ihnen
­heraus. Turns sehen witzig aus. Etwas
plump. Rollen. Hm, etwas wenig Reaktion
auf den Querrudern. Man merkt, dass die
obere Tragfläche nicht mit angesteuert
wird. Mit dem doppelten Ausschlag geht es
dann viel besser.
Wie gesagt, der Abriss kommt spät. Man
kann deshalb vergleichsweise langsam landen. Aber die Phantom möchte zur Landung
Die Silhouette ist einfach
unverwechselbar
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Der angegebene Abstand zwischen
Motorspant und Mitnehmerscheibe passt
einwandfrei, sodass die Haube sauber sitzt