Topographie des Terrors

Transcription

Topographie des Terrors
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Topographie des Terrors /
Gelände Prinz-Albrecht-Palais
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Realisierungswettbewerb 2005/2006
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Aus dem Erläuterungsbericht des Entwurfs von
Ursula Wilms, Architektin, Partnerin bei Heinle Wischer
& Partner, Berlin, mit
Heinz W. Hallmann, Landschaftsarchitekt, Aachen.
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Leitgedanken
Das Gelände ist „erstes Exponat“ der Dokumentation „Topographie des Terrors“. Die Aufmerksamkeit der Besucher soll stets
ungestört auf die jeweiligen inhaltlichen Aussagen zur Geschichte,
zu den Exponaten und Materialresten des Bodendenkmals gerichtet werden. Das eigene, persönliche Nachdenken über den historischen Ort soll ermöglicht werden durch einen spannungsreichen
Wechsel zwischen dem Angebot gelenkter Information im Gebäude und dem anschließenden Rundgang zu den 14 Stationen und
der freien Wahl des Gehens und des Aufenthalts.
Das Gelände vereint Überreste aus mehreren historischen Epochen: das 19. Jahrhundert mit Prinz-Albrecht-Palais und der Lennéschen Gartenschöpfung, die Gründerzeitliche Bebauung, die
Überreste der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und das
Motodrom der Nachkriegszeit. Diese verschiedenen geschichtlichen Schichten sind wichtig für das Verständnis der Gesamtheit
des Geschehenen. Dem Freiraum kommt daher eine zentrale Aufgabe zu: er soll die verschiedenen Erinnerungsreste in Beziehung
setzen ohne einen inhaltlichen Vorgriff auf die Lesweise dieser
Reste vorzugeben.
Konzept
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Dem Gelände wird bewusst eine weitere, neue Schicht hinzugefügt, die sich von den vorangegangenen unterscheidet, sich in ihrer Eigenwirkung aber weitestgehend zurücknimmt. Sie soll dazu
dienen, die früheren Zeugnisse zur Geltung zu bringen. Das Wegesystem stellt das Gebäude auf dem Gelände frei.
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Der Neubau des Dokumentationszentrums ist zurückhaltend ohne
jegliche Interpretationsversuche der geschichtlichen Orte wie
auch ohne jegliche „Eigendarstellung“ in der Architektursprache
gestaltet. Form und Situierung des Gebäudes für das Dokumentationszentrum stellen sich in einen Dialog zum benachbarten Martin-Gropius-Bau, bewahren aber auf dem Gelände selbst durch
den quadratischen, eingeschossigen Kubus eine eindeutige Neutralität zum geschichtlichen Geschehen an diesem Ort.
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Die räumliche Fassung des Geländes durch Mauer und Robinienwäldchen und ergänzende neue Baumpflanzung entlang der Wilhelmstrasse schirmen die erforderliche „Unversehrtheit“ der historischen Spuren und deren Erleben nach Außen ab.
Karge steppenartige Vegetation
Das gesamte Gelände soll einen „steppenartigen“ Charakter erhalten, erzeugt durch eine karge, aus niedrigen Gräsern und wenigen Kräutern bestehende Vegetation, die in Anlehnung an brandenburgischen Sandmagerrasen entwickelt wird. Sie wird von den
entsprechenden Gräsern dominiert (z. B. Corynephorus canescens, Festuca ovina, Festuca trachyphylla, Agrostis tenuis) und
nur durch wenige, zurückhaltende Kräuter (Jasione montana, Verbascum nigrum, Helichrysum arenarium, Dianthus deltoides, Sedum acre, Trifolium arvense) aufgelockert.
Um diese Vegetation dauerhaft etablieren zu können, wird eine
neue Bodenschicht aus einem Kies-Sand-Gemisch (Körnung
0/45, d = 20 cm) aufgetragen, die die ganze Fläche überdeckt.
Diese ist zugleich auch als neue historische Schicht zu interpretie=
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ren, unter der die Überreste der historischen Schichten bewusst
zum Vorschein kommen.
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Die räumliche Fassung entlang der Wilhelmstrasse und die Akzentuierung markanter Bereiche erfolgt mit der Papier-Birke (Betula papyrifera). Diese nimmt die Lichtheit und Helligkeit der vorhandenen Robinien auf, grenzt sich jedoch im Habitus und Blattformen auch klar von ihr ab. Ganz bewusst wird auf eine (nicht
heimische) Baumart gesetzt, die bislang noch nicht auf dem Gelände zu finden ist, damit sie auch klar als Zutat einer neuen geschichtlichen Schicht zu erkennen ist. Der dauerhafte Erhalt der
„leeren“ Freifläche und ihres steppenartigen Charakters wird
durch Ausziehen wild gewachsener Gehölze und das Mähen der
aufkommenden Kräuter und Gräser (am besten im Winter) gesichert.
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Wege und Pfade
Zur Verbindung der geschichtlichen Zeugnisse kommt vor allem
den Wegen auf dem Gelände eine große Bedeutung zu. Vom
Haupteingang an der Niederkirchnerstraße führt der Weg zwischen Brüstungen geleitet zum gegenüber dem Gelände leicht
angehobenen Gebäude des Dokumentationszentrums. Vom Vorbereich aus beginnt mit dem Hauptweg entlang des Grabens, der
auch den Ein- / Ausgang Wilhelmstraße anbindet, das Rundwegesystem im Gelände. Treppe und Aufzug am westlichen Ende führen in den Ausstellungsgraben, dessen Weg verbreitert wird. Die
Grabenböschung ist erheblich flacher gestaltet (Böschungsverhältnis 1:2), diagonale Treppenwege und eine lang gezogene
Rampe (6%) verbinden Ausstellungsgraben und oberen Hauptweg
zusätzlich.
Der Verlauf des historischen Gehwegs wird wiederhergestellt. Der
Gehölzaufwuchs entlang des Grabens beeinträchtigt die Ausgrabungssituation und die Wahrnehmung der „Berliner Mauer“ und
wird deshalb ganz entfernt.
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Alle Wege sind barrierefrei und witterungsunabhängig begehbar
(wassergebundene bzw. kunstharzgebundene Beläge mit Splitteinstreuung). Sitzgelegenheiten werden auf den aufgeweiteten
Flächen im Bereich der Stationen angeboten.
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Zur Begehung der kargen, „leeren“ Fläche werden Pfade für Abkürzungen und Rundgangwiederholungen angeboten mittels subtiler Kleinreliefierungen und Überkornagglomerationen. Diese Pfade
sind im Unterschied zu den übrigen Wegen nicht befestigt.
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Gebäude
Das Gebäude in seiner bewusst reduzierten, zurückhaltenden
Gestaltung erzeugt eine anregende, die Konzentration auf die Exponate und Informationen fördernde Atmosphäre.
Der Baukörper ist vom Gelände leicht abgesetzt, ablesbar sind
Boden- und Dachdecke zwischen denen sich die geschosshohen
Elemente der Raumhülle spannen. Dass den Baukörper umhüllende Netz aus feinen Metallgewebe, das sich im Bereich des
Haupteinganges einladend öffnet, erzeugt eine ruhige einheitliche
Gesamterscheinung des Körpers. Die Grenze zwischen Aussen
und Gebäude wird aufgeweicht. Die Transparenz des Gebäudes
ist vor allem von innen nach aussen gedacht: von innen heraus
können immer wieder neue Sichtbeziehungen zum historischen
Ort hergestellt werden.
Die weittragende Stahlverbundkonstruktion der Ebene 0 ermöglicht ein Höchstmaß an Offenheit und Flexibilität, die durch die
durchgehende Deckenstruktur aus abgehängten Akustikdeckenelementen und Licht- und Wandanschlußschienen unterstrichen
wird. Der Ausstellungsbereich erschliesst sich sinnfällig durch den
Rundgang um den Innenhof. Im Grundriss wird das Prinzip der
offenen Landschaft fortgesetzt, die Ausstellungsbereiche können
flexibel aufgeteilt, kombiniert oder abgegrenzt werden durch
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raumhohe, auch verschieblich mögliche Ausstellungswände. Saal
und Wechselausstellung sind aus Gründen der gewünschten Klimatisierung durch raumhohe Glaswände abgetrennt. Eingangsfoyer, Veranstaltungssaal und Cafeteria bilden im Zugangsbereich
eine räumliche Einheit („Abendbereich“). Eingestellte Kuben mit
Angeboten zur Nachbereitung und individuellen Vertiefung liegen
im Übergang zwischen Ausstellungsbereich und Foyer.
Gleichsam sinnbildlich für Vertiefen, Forschen, Dokumentieren als
„in die Tiefe gehen“ ist der Wissenschaftliche Bereich in der Ebene -1 angeordnet. Aus dem Foyer führt eine offene Treppe hinunter zur auch für Besucher zugänglichen Bibliothek . Die flache Abböschung an der östlichen Seite des Neubaus bringt Sichtbezug
und Licht für die dort angeordneten Lese- und Arbeitsplätze. Die
Institutsräume gruppieren sich um den Innenhof als gemeinsame
Mitte, dessen spiegelnde Wasserfläche Ruhe und Konzentration
vermittelt. Die Depots sind in Ebene -1 angeordnet, erschlossen
über den unmittelbar an die Anlieferung angebundenen Aufzug.
Dieser dient auch der barrierefreien Erreichung.
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Die erforderlichen Überdachungen und Einhausungen von Ausstellungsgrabens, Küchenkeller und Bodendenkmal sind als einfache, reduzierte verglaste Stahlrahmenkonstruktionen geplant.
Lichtkonzept
Die Beleuchtung unterstützt die Konzentration auf das Eigentliche,
die Exponate. So ist im gesamten EG eine kreuzförmige Deckenstruktur – versetzt zu den Anschlussschienen der Ausstellungsund Trennwände - vorgesehen. Lichtschienen mit Ausstellungsund Grundbeleuchtung als direktes Licht auf Exponate und Wände
sorgt für eine gute Wiedergabe und Kontrast zu dunkleren Zwischenbereichen. Lichtlinien mit schwächerem Licht in der Decke
betonen die Deckenstruktur. Bei Foyer, Saal und Cafeteria schaffen zusätzliche Leuchten in den Deckenfeldern ein allgemein hö-
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heres Lichtniveau und Akzentuierungen, auch für die abendliche
Nutzung der Bereiche.
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Akustik
In der Ausstellungsebene ist eine ungerichtete Akustikdecke vorgesehen. In Abhängigkeit von den Anforderungen an die Raumbedämpfung wird der Perforationsgrad und somit das Absorptionsvermögen angepasst. So werden z.B. Eingangsbereich und
Cafeteria stärker bedämpft als die Ausstellungsbereiche. Der Veranstaltungssaal erhält zusätzlich zur Akustikdecke eine absorbierende Bekleidung der Rückwand und einen Reflektor im Podiumsbereich. Der Bereich Filmpräsentation wird relativ stark bedämpft,
um eine kinoähnliche Raumakustik zu gewährleisten und einen
optimalen Medieneinsatz zu ermöglichen.
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Energiekonzept
Die Anforderung der Energieeinsparverordnung wird mit dem vorliegenden Entwurf eingehalten.
Aufgrund der kompakten Bauform ergibt sich ein günstiges Verhältnis der wärmeübertragenden Umfassungsflächen zum hiervon
eingeschlossenen Volumen mit A / V = 1,3. Die Anforderungen an
den sommerlichen Wärmeschutz werden durch einen ausgewogenen Glasflächenanteil, aussenliegenden, gut hinterlüfteten Sonnenschutz - der als Metallgewebe oder Alu-Raffstoreanlagen mit
integrierter Lichtumlenkung zur Erhöhung der Tageslichtausbeute
(Innenhof und UG) konzipiert ist - berücksichtigt. In der Bibliothek
wird zur Reduzierung von Temperaturschwankungen im Sommer
eine massive Trennwand zum Flur vorgesehen, um die Speichermassen zu erhöhen. Die Archivräume erhalten massive Innenund Außenwände, die ein thermostabiles Raumklima gewährleisten. Die massiven Bauteile sind weitgehend unverkleidet und als
Speichermassen wirksam. Die Be- und Entlüftung sowie Entrauchung der Räumlichkeiten erfolgt weitestgehend natürlich. Insbesondere in der Ebene 0 ermöglichen Lüftungsklappen in den Fas=
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saden zum Innenhof und in den Hauptfassaden eine gute Querlüftung sowie eine effiziente Nachtlüftung.
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Gebäudetechnik
Durch die Anordnung der Zentralen sowie die Verteilung wird dem
Grundsatz der kurzen Wege und somit der Minimierung von Verteilungsverlusten und damit verbundener Energieverbrauchskosten sowie Installationskosten gefolgt. Aus dem Hauptschacht über
der Technikzentrale im UG erfolgt die Weiterverteilung der raumlufttechnischen Kanäle oberhalb der Akustikdecke in Saal und angrenzende Wechselausstellung. Diese erhalten eine Quelllüftung
mit wandintegrierten Zuluftauslässen, die Abluft wird oberhalb der
abgehängten Decke entnommen und kann so zugleich die Abwärme der Beleuchtungseinheiten gezielt abführen. Die Ansaugung der Außenluft für die Raumlufttechnik erfolgt über einen Abwärmetauscher unterhalb der Bodenplatte des Gebäudes. Mit Hilfe des Abwärmetauschers wird im Sommer die Außenluft vorgekühlt und im Winter vorgewärmt. Dadurch ergibt sich ein Kühl- und
Heizpotential von 4 bis 5 K. Für die raumlufttechnische Anlagen
sind Systeme mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung vorgesehen wie auch an den tatsächlichen Verbrauch anpassbare Pumpen und Ventilatoren.
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Weiterhin wird durch die Installation eines Erdabsorbers unterhalb
der Bodenplatte das Erdreich als Wärme- bzw. als Kühlpotential
genutzt. Der Erdabsorber versorgt das Flächentemperiersystem
im Bereich des Versammlungssaals sowie der Wechselausstellung sowie im Bereich des Archivs, wo gleichmäßige Temperaturen gefordert werden. Die übrigen Räume erhalten eine Fußbodenheizung, die optional auch mit einer Kühlfunktion ausgestattet
werden kann. Bedingt durch das niedrige Temperaturniveau dieser Systeme eignet sich der Erdabsorber für die Bereitstellung der
notwendigen Energie. Für den Heizfall wird eine Wärmepumpe
zwischengeschaltet, die umschaltbar auch als Kältemaschine be=
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trieben werden kann. Die weitgehende natürliche Be- und Entlüftung des Gebäudes erfolgt – außer in den Büroräumen - über
Fassadenklappen, die über die Gebäudeautomation in Abhängigkeit des Innen- und Außenklimas „intelligent“ angesteuert werden.
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