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Gesundheit & Rehabilitation / Orthopädie-Technik / Therapien 136 Ganzheitliches Rehabilitationskonzept in Barby: Fit mit Prothese Ein neues Konzept für die Rehabilitation beinamputierter Menschen wird in der Elbe-Saale-Klinik in Barby praktiziert. Neben der umfassenden stationären Therapie unmittelbar nach der Amputation werden intensive Trainings- und Test- „I ch habe das Gefühl, hier in Barby endlich wieder in wochen für erfahrenere Anwender angeboten. Orthopädie- Bewegung zu kommen“, sagt Rita Rennecke. Die technischer Partner der Klinik ist TOC aus Magdeburg, das 55-jährige Maschinenbau- und Schweißingenieurin über qualifizierte Prothesenversorgungen hinaus auch aus Förderstedt in Sachsen-Anhalt hat seit 1975 Diabetes. Vor vier Jahren musste ihr rechter Unterschenkel amputiert werden, im vergangenen Jahr folgte das linke Sport- und Freizeitaktivitäten im Programm hat, die Amputierte auf dem Weg zurück ins Alltagsleben unterstützen. Bein. Ein Schlaganfall und die schlechten Augen gut laufen, war im Urlaub an der Ostsee und bin viel mit dem Hund spa- „Gehen lernen, abnehmen, Diabeteseinstellung“ zieren gegangen“, berichtet sie. „Seit der zweiten Amputation habe ich In Barby fühlt sich Rita Rennecke auch deshalb wohl, aber nur noch im Rolli gesessen.“ Doch Rita Rennecke ist ehrgeizig und weil ihr „das Ambiente nicht so wie in einer Klinik“ zäh, und deshalb ist sie für sechs Wochen in der Elbe-Saale-Rehabilitati- erscheint. „Die Einzelzimmer sind schön, und man hat onsklinik, um wieder auf die Beine zu kommen. Mit ihrer Physiotherapeu- genügend Privatsphäre“, lobt sie. So kann sie sich tin übt sie jeden Tag am Gehbarren und auf dem Parcours im Freigelände. ganz auf ihre drei selbst gesteckten Ziele konzentrie- Am Rollator kann sie sich schon wieder selbstständig auf den Gängen und ren: „Gehen lernen, abnehmen, Diabeteseinstellung“, in den Lichthöfen des Klinikgebäudes fortbewegen, um etwa in die Cafe- die sie im Rahmen ihres straffen Therapieplans enga- teria zu gelangen. Selbst das für Doppelamputierte besonders schwierige giert in Angriff nimmt. Dafür trainiert sie sogar fleißig machen ihr zusätzlich zu schaffen. „Mit einer Prothese konnte ich noch Treppensteigen meistert sie unter Anleitung und hier und da mit etwas Unterstützung der Therapeutin erstaunlich gut. Manchmal ist auch Steffen Niemann in solchen Übungssituationen dabei. Der Orthopädie-Techniker-Meister und Chef von TOC nutzt gerne die Gelegenheit, Prothesenaufbau und Passform des Schaftes in der Praxis zu überprüfen und Probleme mit den behandelnden Ärzten und Therapeuten wie mit den Patienten selbst zu besprechen. Ehrgeizig: Rita Rennecke will wieder richtig auf die Beine kommen HANDICAP 4/2009 mit Hanteln und an den Kraftgeräten im Therapiezentrum. „Wenn ich wieder zu Hause bin, möchte ich den knappen Kilometer bis zum Supermarkt wieder zu Fuß gehen können“, beschreibt Rita Rennecke ihre Motivation. „Beim Einkaufen auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, gefällt mir nämlich überhaupt nicht.“ „Die Amputation ist nicht das Ende der Behandlung, sondern der Beginn der Rehabilitation“ Die Elbe-Saale-Rehabilitationsklinik ist als Fach- und Lehrklinik mit den Schwerpunkten innere Medizin, Herz-Kreislauf-, Gefäß- und Stoffwechselerkrankungen sowie Orthopädie und Ernährungsmedizin auf Patienten wie Rita Rennecke bestens eingestellt. Bereits seit Jahren werden viele Menschen, bei denen in Folge von Diabetes mellitus oder der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit eine Beinamputation erfolgen musste, in Barby gleich nach der Operation aufgenommen. „Die Amputation ist nicht das Ende der Behandlung, sondern der Beginn der RehaGutes Team: Physiotherapeutin Kerstin Schädel und Chefarzt Dr. Henner Montanus bilitation“, hat Sir Reginald Watson-Jones, ein Pionier der traumatischen Orthopädie, einmal gesagt. Und dieses Prinzip verfolgt auch Dr. Henner Montanus, ärztlicher Direktor der Elbe-Saale-Klinik. „Wir haben uns etwa schon lange auf die Therapie von Wundheilungsstörungen spezialisiert und setzen für die zeitgemäße Stumpfformung Liner-Technologien ein“, berichtet der Chefarzt. „Die gute postoperative Betreuung von Amputationspatienten hat sich in SachsenAnhalt und den umliegenden Bundesländern herumgesprochen.“ Partnerschaft zwischen der Elbe-Saale-Klinik und TOC in Magdeburg hat sich bewährt Jetzt ist in Barby ein erweitertes Therapiekonzept zur Mobilisierung beinamputierter Patienten eingeführt worden. „Fit mit Prothese“ (FMP) hat sich eine ganzheitliche Rehabilitation zum Ziel gesetzt, die den Betroffenen eine schnelle Wiedereingliederung und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen soll. Dazu steht ein interdiziplinäres Team aus Fachärzten, Physiotherapeuten, Krankengymnasten, Gehschultrainern und Orthopädie-Technikern zur Verfügung. Nach Bedarf können auch Schmerztherapeuten und Psychologen sowie der Sozialdienst der Klinik mit eingebunden werden. TOC, das Technische Orthopädie-Center aus Magdeburg, hat das Konzept mit erarbeitet und ist Ansprechpartner für alle Fragen rund um die Optimierung der Prothesenversorgung. Jeden Mittwoch ist Steffen Niemann zur Prothesensprechstunde in Barby, um das Klinik-Team über neue Entwicklungen zu informieren und Probleme zusammen mit den Patienten zu besprechen. Demnächst wird hier eine kleine Werkstatt eingerichtet, in der Reparaturen und Anpassungen erfolgen können. Und auch Meister Dirk Jansky, zusammen mit Niemann Geschäftsführer von TOC, ist Erfahrene Partner: Steffen Niemann (vorn), Mandy Küsel und TOC-Mitarbeiter in der Magdeburger Werkstatt HANDICAP 4/2009 Gesundheit & Rehabilitation / Orthopädie-Technik / Therapien 138 gefragt, wenn es etwa um Orthesenversorgungen oder spezielle Fußbettungen für Diabetiker geht. „Unser Ziel ist eine so frühzeitige Mobilisierung unserer beinamputierten Patienten, dass sie sich gar nicht erst an den Rollstuhl gewöhnen können, einerlei, ob sie bereits mit Interimsprothese zu uns kommen oder hier ihre erste Versorgung erhalten“, erklärt Dr. Henner Montanus. „Wir sind froh, mit TOC einen Partner an Vorbild: Mandy Küsel auf dem Außenparcours in Barby unserer Seite zu haben, der einen großen Erfahrungsschatz und umfassendes Know-how in der Prothetik mitbringt.“ Maßgeschneiderte Therapiemodelle machen fit mit Prothese und Gehschulwoche, die vom 26. April bis 3. Mai 2010 Für die oft geriatrischen Patienten kommt es in der drei- bis sechswö- sich schnell noch anmelden kann. Neben den zahl- chigen Anschlussheilbehandlung in erster Linie darauf an, Alltagsfähig- reichen körperlichen Aktivitäten stehen hier immer keiten zurückzugewinnen. Das Anziehen der Prothese oder der Transfer auch der Erfahrungsaustausch unter Beinamputierten ins Bett können dabei schon große Herausforderungen sein. „Für die Ent- und die gegenseitige Hilfe zur Selbsthilfe im Vorder- scheidung, ob ein älterer Mensch zu Hause wohnen bleiben kann oder grund. wieder in Andalusien stattfinden wird und für die man besser in einem Pflegheim unterkommt, ist der sichere Transfer schon ein Therapiemaßnahmen, von krankengymnastischen Behandlungen über Intensiv- und Prothesenwoche auch für jüngere und aktivere Beinamputierte Koordinations- und Gleichgewichtsübungen bis zum gezielten Muskelauf- Über die Anschlussheilbehandlung hinaus bietet die bautraining in der medizinischen Sport- und Bewegungstherapie, unter- Elbe-Saale-Klinik im Rahmen des neuen Konzepts „Fit stützt die Patienten dabei, mit Prothese wieder fit zu werden. Besonderen mit Prothese“ noch zwei weitere stationäre Therapie- Wert legt man in der Elbe-Saale-Klinik auf das intensive Gehtraining mit module an, die vor allem jüngere und aktivere Prothe- bis zu zwei individuell senträger ansprechen sollen: Die Intensiv- und die gestalteten Einheiten täg- Technikwoche. Die Intensivwoche zeichnet sich durch lich. Das Gehschulteam eine hohe Therapiedichte aus und umfasst in erster um die leitende Physio- Linie intensives Gehtraining, physiotherapeutische therapeutin Kerstin Schä- Behandlungen und sportliche Aktivitäten. Ziel ist die del stimmt sich dabei eng rasche Verbesserung des Gangbildes und der phy- mit den orthopädie-tech- sischen Leistungsfähigkeit. Die Fortschritte beim Geh- nischen Experten ab. So training werden videogestützt analysiert und umfas- entscheidendes Kriterium“, betont Dr. Montanus. Ein ganzes Bündel von sind etwa auch Testversorgungen mit verschie- send auch für die Kostenträger Einladend: Das Foyer der Elbe-Saale-Klinik dokumentiert. Neben Nordic-Wal- denen Passteilkonfigura- king als gerade für Beinamputierte tionen möglich, um ein sicheres Gehen mit Prothese zu sinnvoller Ausdauersportart kön- erreichen und das Gangbild den individuellen Voraus- nen die Teilnehmer im hauseige- setzungen entsprechend zu optimieren. nen Schwimmbad einen Schnup- Ein glücklicher Umstand ist sicher, dass Mandy Küsel, Sportwissenschaftlerin und Leiterin der Gehschule bei TOC, selbst oberschenkelamputiert ist. Die Sitzvolley- pertauchkurs absolvieren oder Vielfältige Therapien: Wassergymnastik im Bewegungsbad beim Aquajogging Kondition tanken. Die große Sporthalle der Kli- ball-Nationalspielerin steht den Physiotherapeuten in Barby als Beraterin nik lädt zum gemeinsamen Sitzvolleyball-Spiel ein. Im zu Seite und ist für viele Patienten Vorbild und Motivatorin. Als zertifizierte Sommer sind auch Segeln und Kanufahren möglich. Trainerin führt Mandy in der Elbe-Saale-Klinik Nordic-Walking-Einsteiger- Während der Technikwoche liegt das Augenmerk vor kurse und weitere Sportangebote durch. Die Vernetzung der Aktivitäten allem auf der Optimierung der Prothesenversorgung. macht noch aus einem anderen Grunde Sinn: „Nach der Reha fallen viele Aktuelle Kniegelenke und Füße können ausgiebig beinamputierte Patienten zu Hause erst einmal in ein tiefes psychisches getestet, Änderungen am Prothesenaufbau vorgenom- Loch“, erklärt Dr. Montanus. „Dieser Absturz kann mit den ambulanten men werden. Die Technikwoche macht etwa im Zuge Angeboten von TOC in sinnvoller Weise aufgefangen werden.“ So wie etwa einer anstehenden Neuversorgung oder vor einem mit der von Mandy Küsel und Rudi Ziegler von Trust Us organisierten Sport- Systemwechsel Sinn, denn die Anwender können sich HANDICAP 4/2009 Gesundheit & Rehabilitation / Orthopädie-Technik / Therapien 139 in Barby nicht nur fundiert und neu- anschließen, der zu einem Nordic- tral beraten lassen, sondern gewin- Walking-Spaziergang ins Biosphä- nen auch selbst einen praxisnahen renreservat „Mittlere Elbe“ einlud, Eindruck der für sie am besten das sich praktisch vor der Kliniktür geeigneten Passteilkonfiguration. erstreckt. Ein Schnuppertauchkurs Ergänzt wird die Technikwoche war ebenso gut frequentiert wie das ebenfalls durch ein intensives Geh- Sitzvolleyballspiel der Damennatio- training, Physiotherapie sowie nalmannschaft mit Mandy Küsel Sport- und Freizeitangebote. Andrang: Die Prothesenhersteller zeigten ihre Innovationen gegen die Männer vom HSV Magdeburg, die im Tie-Break knapp gewan- Großes Interesse beim Tag der offenen Tür in der Elbe-Saale-Klinik nen. „Das war eine gute Werbung für unseren attraktiven Sport, der für Am 31. Oktober fand in der Elbe-Saale-Klinik der erste nach Nachwuchstalenten für die Nationalmannschaft und haben hoffent- „Prothesen-Aktiv-Tag“ statt, bei dem das FMP-Konzept lich einige Besucherinnen motiviert, zum Sitzvolleyball zu finden.“ Fest vorgestellt wurde. Patienten und viele auswärtige steht: Der Aktiv-Prothesen-Tag in Barby war insgesamt eine gute Werbung Besucher überzeugten sich vom wohnlichen Charakter für das wichtige und oft noch vernachlässigte Thema der ganzheitlichen des 236-Betten-Hauses, lauschten interessanten Fach- Rehabilitation beinamputierter Menschen. Beinamputierte ideal ist“, stellt Mandy Küsel fest. „Wir sind auf der Suche vorträgen und belagerten die Text und Fotos: Gunther Belitz Stände im Foyer, wo die Prothesen- Auskünfte: hersteller ihre Neuheiten präsen- Elbe-Saale-Klinik, Schloßstraße 42, 39249 Barby, tierten. Highlights waren etwa das Tel.: 039298/61-603, Fax: 039298/61-610, neue Rheo Knee von Össur, die E-Mail: [email protected], Kinegen-Kniegelenke von Streifen- Internet: www.elbe-saale-klinik.de eder und der Echelon-Fuß von Bauerfeind. Großen Anklang fand das TOC Technisches-Orthopädie-Center GmbH, Angebot, die Prothesenschuhe von Leipziger Straße 45c, 39120 Magdeburg, medi powered by Dachstein vor Ort Tel.: 0391/ 6111743 oder 0391/6202726 (Gehschule), auszuprobieren. Wer wollte, konnte Fax: 0391/6209886, E-Mail: [email protected], sich damit gleich Rudi Ziegler Internet: www.toc-reha.de Anzeige HANDICAP 4/2009