Kritik Loriot - Wetzlarer Festspiele
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Kritik Loriot - Wetzlarer Festspiele
Aus der „Wetzlarer Neue Zeitung“, 27. Juli 2010: "Bitte sagen Sie jetzt nichts" Loriot-Abend gefällt rund 410 Festspielbesuchern „ Die Rostocker "Compagnie de Comédie" gastierte am Sonntagabend im Rahmen der Wetzlarer Festspiele im Lottehof und spielte unter dem Titel "Loriots kleine Kostbarkeiten" bekannte und unbekanntere Sketche des Meisters. Mit 410 Zuschauern, die aus dem Lachen nicht mehr heraus kamen, war die Aufführung fast ausverkauft. Es waren selbstverständlich gerade die bekannten Sketche, die erneut für Lachsalven beim Publikum sorgten. So gut wie jeder Zuschauer kennt den Nudelsketch mit dem Satz "Hildegard, sagen Sie jetzt nichts", leidet mit "Lottomillionär Lindemann" und weiß, was es mit dem Ausruf "Ein Klavier, ein Klavier" auf sich hat. Es war eine grandiose Leistung der typgerechten Schauspieler der "Compagnie de Comédie Rostock", die spielten, als ob Loriot inszeniert hätte. Natürlich kann man Evelyn Hamann und Vicco von Bülow nicht einfach imitieren, aber um Loriot gerecht zu werden, muss man sich an ihnen orientieren. Dies gelang den fünf Rostockern hervorragend: Georg Haufler spielte den Klaviertransporteur, den Cellospieler im Beethoven-Trio und den verarmten Vampir mit ausladender Mimik und Gestik an der Grenze zum Schmierigen. Eckhard Ischebeck mimte den Staubsaugervertreter, der bei Frau Hoppenstedt in eine Weinprobe hineinplatzt und zum Schluss betrunken feststellt: "Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann!" Den Lottomillionär Lindemann und den Ehemann im Klaviersketch spielte Christoph Gottschalck, der zugleich Regie führte. Das preußische Pflichtbewusstsein, das die Figuren trotz aller Unordnung offenbaren, ist ebenfalls ein Teil von Loriots Humor. Cathrin Bürger übernahm in den meisten Sketchen den Part von Evelyn Hamann und knüpfte mit detailversessener Mimik sowie gekonntem Timing an die verstorbene Schauspielerin an. Jacqueline Maria Rompa überzeugte als Reporterin in der ehemaligen Rüstungsfabrik, wo Marzipankartoffeln produziert werden. In ihrem Scheitern sind Loriots Figuren tragische Helden. Ihr Scheitern ist lustig und tragisch zugleich, offenbart das Absurde im Alltäglichen. Und über genau das wollen die Zuschauer lachen, das will man sehen. Und das zeigten die Schauspieler der "Compagnie de Comédie" überzeugend. Ihr Spiel wurde Loriot gerecht und unterhielt prächtig.“ Aus dem „Giessener Anzeiger“, 27. Juli 2010: Kleine Kostbarkeiten des Altmeisters Von Klaus-J. Frahm „Viele der Sketche hätte das Publikum vermutlich problemlos mitsprechen können. Das berühmte Klavier wurde angeliefert und für die Videodokumentation mehrmals wieder hinaus getragen. Der Weinvertreter (Christoph Gottschalch) testete mit der Hausfrau (Cathrin Bürger), dem Staubsaugervertreter (Eckhard Ischebeck) und dem Versicherungsagenten (Georg Haufler) im Wohnzimmer seine Ware. Auch die Nudel im Gesicht des Freiers kam zum Einsatz und das Beethoven-Trio versuchte sich an der einzig wahren Musik. Jacqueline Maria Rompa stellte die berühmte Volksdroge vor und sorgte sich um die Effektivität der Marzipankartoffel im Verteidigungsfall. Regisseur Christoph Gottschalch hatte zwar einige Aktualisierungen gewagt, ein paar beherztere Eingriffe hätten den in die Jahre gekommenen Sketchen aber sicher nicht geschadet. Die Adaption der ausgefeilten kleinen Stücke Loriots für die Theaterbühne ist ein Wagnis, bei der Vorführung am Sonntag drohte sie mehrmals zu scheitern. Das Ensemble schaffte es aber immer wieder, die Szenen zu retten und den Loriot-Humor umzusetzen. Dabei gaben die Darsteller die strenge Distanz, die der Altmeister stets wahrte auf und nahmen im Stil einer Standup-Comedy Kontakt mit den Zuschauern auf. Der Beifall war enthusiastisch nach zwei Stunden, die vor allem Loriot-Kennern Freude gemacht haben dürften. Wer Loriot nicht kennt, kann vielen der Situationen, in die er seine Protagonisten bringt, vermutlich nichts Witziges abgewinnen.