~ Der Zeugnisanspruch des Lehrlings

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~ Der Zeugnisanspruch des Lehrlings
Verschiedenes
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~ Der Zeugnisanspruch des Lehrlings
Prof. Manfred Rehbinder* schliesst seine Serie über das Lehrvertragsrecht mit Ausführungen über den Zeugnisansprach des Lehrlings ab.
L Anspruch auf ein
einfaches Zeugnis
1. Fälligkeit
Nach Beendigung der Lehre
hat der Lehrling Anspruch auf
ein einfaches Zeugnis des Lehrmeisters. Dieser hat es ihm unaufgefordert, d.h. ohne besonderes Verlangen auszustellen
(OR 346 a I in Abweichung
Der Anspruch auf ein
Zeugnis beginnt bereits
kurze Zeit vor Lehrende,
von den «normalen» Arbeitsverhältnissen, siehe OR 330 a I).
Das Lehrverhältnis endet mit
dem Ablauf der Lehrzeit oder
mit dem vorzeitigen Bestehen
der Lehrabschlussprüfung oder
infolge Kündigung. Auch eine
Kündigung in der Probezeit
(OR 3461) lässt den Zeugnisanspruch entstehen. Dieser Anspruch ist relativ zwingend, so
dass während der Dauer der
Lehre und innerhalb eines Monats nach ihrer Beendigung auf
das Zeugnis nicht verzichtet
werden kann (OR 362,341 1).
Da ein Wechsel des Ausbildungsplatzes vor Abschluss der
Lehre nicht erwünscht ist, solange kein wichtiger Grund die
Auflösung des Lehrvertrages
nahelegt, besteht kein Anspruch auf Zwischenzeugnis
während des laufenden Lehrverhältnisses, sondern nur ein
Anspruch auf Schlusszeugnis.
* Adresse des Autors: Lehrstuhl für
Arbeitsrecht. Cälilienstrassc 5,8032 Zürich
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Da aber das Zeugnis auch im
Lehrverhältnis den Sinn hat, das
wirtschaftliche Fortkommen
durch Auffinden einer Arbeitsstelle zu sichern, wird man den
Anspruch entgegen einer wörtlichen Auslegung des Gesetzestextes bereits kurze Zeit vor
Beendigung der Lehre als gegeben annehmen müssen, weil
bereits zu diesem Zeitpunkt die
Stellensuche beginnt.
2. Inhalt
In Umkehrung der Regelung
von OR 330 a geht der Anspruch des Lehrlings zunächst
nur auf ein einfaches Zeugnis,
das lediglich Angaben über den
erlernten Beruf und die Dauer
der Lehre enthält. Nur auf besonderes Verlangen des Lehrlings oder seines gesetzlichen
Vertreters ist nach OR 346 a II
ein qualifiziertes Zeugnis mit
Angaben über Fähigkeiten,
Leistungen und Verhalten des
Lehrlings auszustellen. Warum
hier der Lehrling gegenüber
anderen Arbeitnehmern benachteiligt werden soll, ist wohl
nur den verschrobenen Gedan-
43, BB V 37 auf ein privates
Zeugnis verzichtet werden
könne. Wäre das die Meinung
des Gesetzgebers gewesen,
hätte er OR 346 a nicht als absolut zwingende Vorschrift ausgestaltet. Vermutlich wird der
Gesetzgeber der Meinung gewesen sein, angesichts des
Fähigkeitszeugnisses sei der
Lehrling nicht so schutzbedürftig wie die übrigen Arbeitnehmer. Dann aber hätte er nicht
an diejenigen Lehrverhältnisse
gedacht, die nicht dem öffentlichrechtlichen Schutz des BBG
unterstehen und daher zu besonderem Schutz des Lehrlings
Anlass geben. Das Ganze ist
wieder einmal eine typische
Fehlleistung des Gesetzgebers,
der sich lieber hätte um eine
klare Regelung der wirtschaftlichen Folgen einer ausserordentlichen Kündigung des
Lehrverhältnisses oder der Folgen des Todes des Lehrmeisters
hätte kümmern sollen, anstatt
sich mit überflüssigen Differenzierungen beim Zeugnisanspruch zu profilieren.
Nur auf Verlangen ist ein
qualifiziertes Zeugnis auszustellen - eine typische
Fehlleistung des Gesetzgebers.
kengängen des Gesetzgebers
einleuchtend. Die Botschaft
zum BBG 1965, S. 948 hatte
festgestellt, dass bei Berufen,
die dem BBG unterstellt sind,
angesichts des amtlichen Fähigkeitszeugnisses gemäss BBG
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Nr. 25 / Februar / Février 1994
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Die Art des erlernten Berufes
ist so genau und vollständig zu
beschreiben, dass sich ein
Dritter ein zureichendes Bild
davon machen kann. Mit der
Dauer der Lehre ist die rechtliche Dauer gemäss den Ausbildungsreglementen des erlernten
Berufes oder gemäss Lehrvertrag gemeint, nicht die faktische
Dauer. Unterbrechungen durch
Krankheit, Militärdienst usw.
sind daher nicht in Abzug zu
bringen. Weitere Angaben, insbesondere Bewertungen der
Leistung des Lehrlings, sind
ohne ausdrücklichen Wunsch
des Lehrlings oder seines gesetzlichen Vertreters nicht statthaft.
II. Anspruch auf qualifiziertes Zeugnis
Sowohl der Lehrling als auch
dessen gesetzlicher Vertreter
haben das Recht, anstelle des
einfachen Zeugnisses (Arbeitsbestätigung) ein qualifiziertes
Zeugnis (Vollzeugnis) zu verlangen. Der gesetzliche Vertreter, der bereits durch seine
Unterstützungspflicht nach OR
345 II in das Lehrverhältnis
selbständig einbezogen ist, kann
das Zeugnis in eigenem Namen
verlangen, obwohl er nicht Vertragspartei ist. Durch das Recht
zur Wahl eines einfachen oder
qualifizierten Zeugnisses wird
die Zeugnispflicht nicht zur
Wahlobligation zugunsten des
Gläubigers (siehe OR 72), da
der Zeugnisanspruch nicht
durch die Ausübung des Wahlrechts zur einen oder anderen
Sowohl der Lehrling wie
dessen gesetzlicher Vertreter haben das Recht, ein
qualifiziertes Zeugnis zu
verlangen.
Zeugnisform konkretisiert wird.
Lehrling wie gesetzliche Vertreter können auch dann noch ein
qualifiziertes Zeugnis verlangen, wenn bereits ein einfaches
Zeugnis ausgestellt wurde, und
umgekehrt erlischt das Recht
auf ein einfaches Zeugnis nicht,
wenn ein qualifiziertes Zeugnis
ausgestellt wurde.
Zum Inhalt des qualifizierten
Zeugnisses, zur Zeugnissprache, zur Berichtigung und gerichtlichen Durchsetzung, zur
Verjährung sowie zu den
Rechtsfolgen einer Verletzung
der Zeugnispflicht, ferner zu
den sog. Referenzen sind die
für alle Arbeitsverhältnisse geltenden Regeln zu beachten.
Hier bestehen im Lehrverhältnis keine Besonderheiten.
III. Das amtliche
Fähigkeitszeugnis
hen der Lehrabschlussprüfung
ein amtliches Fähigkeitszeugnis, das ihn berechtigt, sich als
gelernter Berufsangehöriger zu
bezeichnen (BBG 43 I). Dieses
Fähigkeitszeugnis wird vom
kantonalen Berufsbildungsamt
auf einem Formular des BIG A
ausgestellt (BBV 371). Neben
dem Fähigkeitszeugnis wird
dem Lehrling sowie dem Lehrmeister ein Notenausweis über
die Noten in den einzelnen
Fächern und die Gesamtnote
ausgehändigt, aus dem ersichtlich ist. ob die Prüfung bestanden wurde (BBV 37 II). Ausnahmsweise wird dem Lehrling
auch ohne Prüfung ein Fähig-
Es berechtigt den Empfänger, sich als gelernter
Berufsangehöriger zu bezeichnen.
keitszeugm's ausgehändigt,
wenn er ohne sein Verschulden
am Ablegen der Prüfungen
verhindert (siehe näher BBG
43 II) oder vom beruflichen
Unterricht und der Prüfung in
bestimmten Fächern befreit
war ((BBG 43III). Das trifft
auf Kranke und Invalide sowie
auf Lehrlinge zu, die sich über
eine gleichwertige oder höhere
Ausbildung in einzelnen
Fächern ausweisen können.
Im Geltungsbereich des BBG
erhält der Lehrling bei Beste-
Mitteilungen aus den Projekten der SGAB
Umwelterziehung/Ökologie in der Berufsbildung Stand Januar 1994
Die Fragebögen für Berufsschulen und Verbände wurden im
Dezember verschickt, die Rücklaufquote beträgt bisher ca.
75%. Der Versand an die Lehrbetriebe und EK-Kommissionen läuft: während der Wartephase sollen Arbeitshypothesen formuliert und die ersten Bögen ausgewertet werden.
Ergebnisse er Untersuchung der Reglementsinhalte
- Sicherheit, Gesundheitsvorsorge und Giftgesetzgebung
kommen in den meisten Reglementen vor, aber gewiss
nicht aus ökologischen Überlegungen - es geht mehr um
die beteiligten Personen.
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- «Wirklich ökologische» Themen finden sich bei ca. 3/4
(also 30) der Réglemente, allerdings eher rudimentär und
mit grosser Interpretationsbreite (Beispiel: «ökologische
Grundtatsachen des Naturgeschehens im Bereich des Malerberufes»). Häufig sind die Themen auch derart berufsspezifisch, dass sie auch ohne ökologische Anliegen im Reglement erscheinen müssten, so z.B. Abwasservorschriften
beim Sanitärinstallateur. Abgase beim Automechaniker etc..
- Ein eigenes Fach Umweltschutz gibt es in sechs Lehrplänen.
Kontaktadresse Bernhard Liechti, Almut Beck, DBK-Sekretariat, Maihofstrasse 52, 6004 Luzern. Tel. 041/36 59 00 /
Fax 041/36 59 05
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