Der Echte Hausschwamm

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Der Echte Hausschwamm
Werkstattgespräche
Der Echte Hausschwamm
oder die Vergänglichkeiten von Bauten
Prolog
Und wenn er am 7. Tage wiederkommt und sieht, dass der Ausschlag weitergefressen hat an der Wand des Hauses, so soll er die Steine ausbrechen
lassen, an dem der Ausschlag ist und hinaus vor die Stadt an einen unreinen Ort werfen.
[3. Buch Mose (Levitikus), Kapitel 14]
Vorkommen
Altbauten mit fehlender oder mangelnder Feuchteabdichtung sind Hauptorte des Befalls. Vor allem
feuchte Keller- und Erdgeschoße bieten das für
den Echten Hausschwamm geeignete feuchte Milieu. Die Einlagerung von Holzgegenständen oder
Brennholz begünstigen die Ausbreitung des
Schwammes erheblich. Weiters sind zeitweilig ungenutzte oder leerstehende Gebäude anfällig für
den Befall, da der Hausschwamm sich hier über
lange Perioden ungestört ausbreiten kann.
Lebensweise
Der Echte Hausschwamm zählt zu den strangbildenden Holzfäulepilzen und im Speziellen zu den
Braunfäuleerregern, die über 90 % aller Hausfäulepilzschäden an Gebäuden verursachen. Die
Braunfäule verursacht den Abbau von Zellulose,
Hemizellulose und Pektinen, die für die Nährstoffversorgung des Pilzes benötigt werden.
Der Echte Hausschwamm bildet Oberflächenmyzel, Stränge und Fruchtkörper aus. Letztere produzieren große Mengen an Sporen, die für seine
Fortpflanzung wichtig sind.
Entwicklungsschritte des Echten Hausschwammes
• Sporenverbreitung meist durch Wind und Wasser (Überschwemmung), aber auch Eintrag
durch Mensch und Tier, oder durch Werkstoffe.
• Sporenkeimung bei einer Holzfeuchte von
30–40 %. Durch Hyphen wird der Nährstoff
besiedelt, die durch Enzyme das Holz in Folge
auflösen.
• Wachstum bei anhaltender günstiger Holzfeuchtigkeit (zw. 20–60 %) und Nährstoffangebot.
• Fruchtkörper. Bei Absinken der Holzfeuchte unter 20 % werden Fruchtkörper gebildet, in denen Millionen von Sporen produziert werden.
Steckbrief des Echten Hausschwammes
Lat. Bezeichnung
Vorkommen
Erkennungsmerkmale
Nährstoffe
Umgebungsparameter
Schadensbild
Schadensausmaß
Sanierung
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Serpula lacrymans
In Gebäuden, Altbauten, feuchten Bauteilen,
unbewohnten Bauten, nach unsachgemäßen
Renovierungsmaßnahmen
Myzel wattig weiß, Stränge grau (alte knacken
beim Brechen) Fruchtkörper: jung wie Spiegelei,
alt wie ledrige Lappen, gut ablösbar
Sporen rostbraun
Holz, Holzwerkstoffe, Textilien, Teppiche, Bücher,
kohlehydrathältige Nahrungsmittel (Erdäpfel)
Feuchte: Befall um 30 % Holzfeuchte, dann
20 %–60 %
Temperatur: 3–26°C, bevorzugt 18–20°C
Würfelbruch mit einhergehenden Holzabbau
Umfangreiche kostenaufwendige Sanierung,
Einsturzgefahr
Optische Untersuchung, bautechnischer und
chemischer Holzschutz, Trockenlegungsmaßnahmen und begleitende Bausanierung
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Für den Befall und das Wachstum sind Nährstoffe
wie Holz, Holzwerkstoffe, geeignete Temperatur
und Feuchteverhältnisse notwendig. Als Besonderheit des Echten Hausschwammes ist seine
Fähigkeit anzuführen, durch seine Stränge Wasser
bis zu 6 m weit zu leiten und so auch trockenes
Holz zu befallen. Er überspannt in seiner Ausbreitung mit seinem Myzel meterweise auch holzfreie
Stoffe und vermag Ziegelwände und poröse Betonschichten zu durchwachsen. Auf der Suche
nach Nahrung und Feuchte folgt er vielfach Schlitzen und Versorgungskanälen und ist auch in Bodenschüttungen häufig anzutreffen.
Das Wachstum geschieht nicht gleichförmig, sondern in Wachstumsschüben. Im optimalen Temperaturbereich von 18–22°C, das entspricht auch
annähernd unseren Wohnraumtemperaturen, er-
Werkstattgespräche
nach 6 Wochen
nach 12 Wochen
nach 18 Wochen
Eiche
Robinie
Buche
0,2
1,4
1,8
1,3
3,4
12,1
14
35
51
Kiefer
(Kern)
2,5
11,6
31,5
Kiefer
(Splint)
12,7
36,5
60
Lärche
(Kern)
9,7
28,3
40,6
Lärche
(Splint)
19,1
42,9
60,2
Tabelle 1: Holzabbau in Gewichtsprozenten [Huckfeldt]
zielt der Echte Hausschwamm sein radiales Wachstumsmaximum und wächst um 6–8 mm pro Tag.
Erst bei Temperaturen unter 10°C reduziert sich
der Zuwachs erheblich. Zu beachten ist, dass der
Befall oft an mehreren Stellen zeitgleich beginnt,
so dass sich auch in kurzen Zeiträumen ein
großflächiger Befall entwickeln kann.
Das Myzel kann bei langsamer Trocknung auch
längere Zeiträume von einem Jahr, in Ausnahmefällen bis zu einigen Jahren in Trockenstarre überdauern. Besondere Überlebensfähigkeit weisen jedoch die Sporen des Echten Hausschwammes auf,
die nachweislich auch nach 20 Jahren auskeimen
und Neubefall verursachen können.
Befallsursachen
Voraussetzung für alle Befallsursachen ist das Vorhandensein von Holzfeuchtigkeit im Bereich einer
Fasersättigung von ca. 30 % und hohe Luftfeuchtigkeitswerte von 80–90 %. Aufgrund dieser Fakten ist die Vermeidung von hoher Feuchtigkeit vorrangiges Ziel.
Altbauten sind durch Schwammbefall in hohem
Maß gefährdet. Vielfach wird Befall durch unsachgemäße, nachträgliche Sanierungsmaßnahmen und Umbauten verursacht. Insbesondere ist
hier die Nichtbeachtung von bauphysikalischen Regeln anzuführen, wie z.B. falsch angeordnete Wärmedämmschichten, Sperrschichten, die eine Erhöhung der Materialfeuchtigkeit oder gar Feuchtigkeitsstau bewirken. Gefährdet sind Gebäude,
die über lange Zeiträume unbewohnt und unkontrolliert sind, wie es oft nach Todesfällen der Bewohner, oder bei Sommer- und Ferienhäusern üblich ist.
In Neubauten kann durch haustechnische Gebrechen (Überschwemmungen) und nachfolgende,
unzureichende Trocknungsmaßnahmen der Befall
ausgelöst werden.
Sanierung – Bekämpfung
Wird Schwammbefall festgestellt, ist eine genaue
Bauwerksdiagnose erforderlich. Für die eindeutige
Schadensbestimmung ist die Pilzart und der Befallsumfang durch qualifizierte Fachleute oder
Sachverständige festzustellen. Dies ist auch für die
Schadensregelung durch die Versicherungen erforderlich.
Aufgrund der versteckten Lebensweise ist eine
umfassende Voruntersuchung nach Norm verpflichtend, da unterschiedliche Bekämpfungsmaßnahmen und das Ausmaß des Sanierungsrahmen
davon abhängig sind. Des Öfteren ist die umfassende Kontrolle aufgrund von Nutzungseinschränkungen und/oder Kostenersparung nicht erwünscht oder unmöglich. Aufgrund von nur geringfügigen partiellen Voruntersuchungen, Besichtigungen oft im Rahmen einer Anbotsstellung,
wird das wahre Gesamtschadensmausmaß vielfach
erst während der Sanierungsarbeiten nachträglich
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erkannt und es kommt zu erheblichen Kostenausweitungen. In der Voruntersuchung nicht aufgedeckte Befallsstellen können im ungünstigsten Fall
zu späteren Neubefall führen!
Trotz sorgfältiger Untersuchungsmaßnahmen ist
eine allumfassende Bauwerksdiagnose und Ausschließung jeglichen Befallsrisiko unmöglich. In üblicherweise nicht gefährdeten Bereichen, oder an
Stellen, an denen kein Befall erkennbar oder zu
vermuten ist, kann aufgrund der versteckten Lebensweise bzw. aufgrund von Sporenflug im Einzelfall ein späterer Befall möglich werden.
Eine Bekämpfung des Echten Hausschwammes in
Bild 2: Myzel – Luftmyzelausbreitung über Metallvoliere
Bild 3: Stränge – Myzel und deutliche Strangbildung
Bild 4: Stränge –In Nut von Schiffboden und Schüttung
Foto 5: Fruchtkörper – Frischer Fruchtkörper
Foto 6: Fruchtkörper – Frischer Fruchtkörper auf Türstock
Bilder und Grafiken: W. Mück
Bild 1: Myzel – Luftmyzel (Mitte) auf Socken und Schimmel
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Eigenleistung erbringt in der Regel negative Ergebnisse und nach einigen Wochen oder Monaten
wieder Neubefall. Ein Großteil der untersuchten
Fälle beruht auf Neubefall aufgrund unzureichender Voruntersuchungen bzw. unsachgemäßer ausgeführter Schwammsanierung. Die Neubefallsrate
bei Heimwerker-Sanierungen dürfte nach eigenen
Erfahrungen im Bereich von 90 % liegen.
Die Sanierungsarbeiten können in Vorarbeiten,
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chemischer Bekämpfung und begleitenden bauund haustechnischen Maßnahmen gegliedert werden.
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Bild 7: Fruchtkörper - Ca. 70 cm langer, ablösender Lappen, links Sporen in
Spinnwebe
Bild 8: Fruchtkörper – Konsolenartige Fruchtkörper, Sporenstaub auf Wand und
Boden
Bild 9: Sporen – Faltiges Hymenium, unten Sporen auf Putz
Bild 10: Sporen – Sporenbildung in Hymenium
Bild 11: Sanierung – Injektageraster auf Ziegelwand
Bild 12: Sanierung – Schaumbekämpfung auf Wandoberfläche
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Abb. 1: Sanierungsschema eines
Hausschwammbefalls
Nach der chemischen Schwammbekämpfung sind
begleitende, bau- und haustechnische Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, um einen Neubefall
des Gebäudes vor weiteren Pilzbefall nachhaltig zu
gewährleisten. Zu den baulichen Sanierungen
zählen umfangreiche Varianten der Gebäudetrockenlegung und Abdichtung, die Auswahl
schwammwidriger Konstruktionsaufbauten und
Einbauten, sowie Hochwasserschutzmaßnahmen.
Im Bereich der Haustechnik bieten sich umfassende Lüftungskonzepte mit passiven und aktiven
Komponenten, sowie heizungstechnische Verbesserungen an.
Da jeder Echte Hausschwammbefall durch spezifische Randbedingungen verursacht wird, gilt es im
Sinne der Umweltverträglichkeit und Gesundheit,
der Wirtschaftlichkeit und der beabsichtigten Nutzungsanforderungen ein für jeden einzelnen Sanierungsfall ein Sanierungskonzept zu entwickeln,
welches den nachhaltigen Erfolg gewährleistet.
verursacht, davon allein 2/3 durch Pilze. Das GSFForschungszentrum schätzt die durch Echten
Hausschwamm verursachten Bauschäden in
Deutschland auf ca. 200 Mio. Euro pro Jahr. Die
Kosten für eine Hausschwammbekämpfung können pro Gebäude mit ca. 10.000 bis 30.000 Euro
veranschlagt werden.
2001 wurden in Österreich ca. 2 Mio. Gebäude
gezählt, das entspricht ca.12 % der deutschen Gesamtgebäudeanzahl im gleichen Jahr. Daraus kann
ein Befall mit Echten Hausschwamm in einer
Größenordnung von 1.000–2500 Gebäuden pro
Jahr abgeschätzt werden. Die Angabe der Befallsraten unterliegen starken Schwankungen, die in
wechselnden klimatischen Jahresverläufen und
Hochwässern begründet ist. Der daraus resultierende wirtschaftliche Bauschaden kann mit ca.
20–25 Mio. Euro pro Jahr eingeschätzt werden.
Gesundheitliche und volkswirtschaftliche
Bedeutung
ARGE Holzschutzmittel; Österreichisches Holzschutzmittelverzeichnis; Wien; 2005;
GSF-Forschungszentrum; Der Echte Hausschwamm – Vorkommen, Risiken, Schäden und
Bekämpfungs-maßnahmen; www.gsf.de
Kempe K.; Dokumentation Holzschädlinge,
Huss-Medien, 1999
ÖNORM B 3802-3: 2003 10 01 (Holzschutz im
Hochbau - Teil 3: Bekämpfungsmaßnahmen gegen Pilz- und Insektenbefall)
WTA-Merkblatt E 1-2-03/D (Entwurf), Der Echte Hausschwamm; München; 2003
Die größte Gefährdung durch den Echten Hausschwamm liegt im beträchtlichen Holzabbau, der
in Folge zu statischen Versagen des Bauteiles (Einsturzgefahr!) führen kann. Bei begründetem Verdacht sind unverzüglich Sicherungsmaßnahmen
zu treffen und ein Statiker beizuziehen.
Der Echte Hausschwamm bevorzugt feuchtes Milieu, welches die Entstehung von Schimmel und
anderer Mikroorganismen begünstigt und sich negativ auf die Gesundheit der Bewohner auswirkt.
Bei intensivem Befall und bei hoher Konzentration
von Sporenstaub kann dieser zu allergischen Reaktionen führen.
Der Echte Hausschwamm zählt zu den gefährlichsten Bauholzpilzen. Nach Kempe werden rund
70 % aller Holzschäden durch Pilze und Insekten
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Literatur und Internetlinks
Informationen
ZT DI Wolfgang Mück
1190 Wien
fon: 01-369 02 03
www.gesundbauen.at