Generationswechsel der Equisetopsida (Schachtelhalme)

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Generationswechsel der Equisetopsida (Schachtelhalme)
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Generationswechsel – Equisetopsida (Schachtelhalme)
© Dr. VEIT M. DÖRKEN, Universität Konstanz, FB Biologie
Eine Möglichkeit, die Abhängigkeit des Befruchtungsvorgangs von freiem außeren
Wasser noch stärker einzuschränken, ist eine Reduktion der Strecken, welche die
Spermatozoiden zurücklegen müssen. Wie bereits erwähnt, führt Homozygotie
(Selbstbefruchtung durch Gameten eines Prothalliums) nicht zur Durchmischung des
Genpools. Dies kann durch die Ausbildung eingeschlechtlicher Prothallien umgangen
werden. Das trifft bei Schachtelhalmen zu, was aber in dieser Gruppe nicht
genetisch, sondern modifikatorisch bedingt ist.
Abb. 1: Equisetum arvense, die fertilen chlorophyllfreien Sprosse werden lange vor dem Austrieb der
chlorophyllhaltigen sterilen Sprosse im zeitigen
Frühjahr hervorgebracht;
Abb. 2: Equisetum hyemale, die Sporangiophore
werden im Spätsommer/Frühherbst in zapfenartigen
Ständen im terminalen Bereich chlorophyllhaltiger
Sprossachsen ausgebildet;
Bei Schachtelhalmen werden die sporangientragenden Blätter, die Sporophylle,
terminal konzentriert am Ende der Sprossachsen (meist an den Hauptachsen)
hervorgebracht. Die Sporophylle sind in Wirteln angeordnet. Die Internodien
zwischen den “Stockwerken“ sind stark gestaucht, sodass eine zapfenartige Struktur
entsteht. Die “Zapfen“größe variiert im interspezifischen Vergleich zwischen 0,5 und
5 cm stark. Es lassen sich zwei Typen der Sporophyll tragenden Sprossachsen
unterscheiden.
So
kommen
in
der
Untergattung
Equisetum
weitgehend
chlorophyllfreie fertile Sprosse vor, die im zeitigen Frühjahr ausgebildet werden
und
nach
Entlassung
der
Sporen
wieder
einziehen,
bevor
dann
die
chlorophyllhaltigen sterilen Sommersprosse hervorgebracht werden. Bei Arten aus
der Untergattung Hippochaete werden die zapfenartigen Sporophyllstände hingegen
ausschließlich am Ende chlorophyllhaltiger fertiler Sprosse gebildet.
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Das einzelne Sporophyll besteht, wie es für ein Schildblatt typisch ist, aus einer stark
abgeplatteten schildartigen Blattspreite und einem zentralen Blattstiel. Auf der
Unterseite der am Rande eingekrümmten Blattspreite inserieren zahlreiche
Sporangien rings um das zentrale Stielchen. Die Wand des jungen Sporangiums ist
zunächst noch 3-4 Zellreihen mächtig, im reifen Stadium hingegen nur noch
einschichtig.
Abb. 3: Sporophyllstand mit
inserierenden Sporophyllen;
zahlreichen,
wirtelig
Abb. 4: Detail eines Sporophylls mit
Schildchen und zahlreichen Sporangien;
terminalen
Die Sporen aller rezenten Schachtelhalme sind isospor und nicht geschlechtlich
determiniert. Eine Differenzierung in weibliche Makrosporen und männliche
Mikrosporen, wie sie bei einigen rezenten Bärlappgewächsen (Isoetes und
Selaginella) und bei Wasserfarnen aus den Familien der Azollaceae, Salviniaceae
und Marsileaceae auftritt, fehlt. Die Sporen sind reich an Chlorophyll, eine
Besonderheit, die bei keiner anderen heutigen Farnverwandten zu finden ist.
Unter den fossilen Schachtelhalmverwandten (z.B. bei Sphenophyllum) gab es
Entwicklungslinien hin zu einer Heterosporie, die sich jedoch wahrscheinlich von
noch früheren isosporen Vorläufern ableiten lässt. Die heutigen isosporen
Schachtelhalme
ausgestorbenen
dürfen
dabei
heterosporen
jedoch
Linie
nicht
als
verstanden
Weiterentwicklung
werden.
Es
ist
dieser
sehr
unwahrscheinlich, dass sich aus dieser ehemaligen Heterosporie die rezente
Isosporie entwickelt hat. Heterosporie ist generell als ein von einem isosporen
Vorfahren abgeleitetes Merkmal zu verstehen. Wie auch die heterosporen
Schachtelhalmverwandten sind die samenbildenden Formen wie z.B. Calamocarpon
ebenfalls ausgestorben.
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Die junge Meiospore hat zunächst nur eine Hüllmembran, innerhalb dieser wird dann
später eine zweite ausgebildet, sodass bei reifen Sporen zwei Membranen
vorhanden sind. Die äußere Membran wird als Exospor, die innere als Endospor
bezeichnet. Später wird der Spore eine weitere Schicht, das sog. Perispor,
aufgelagert, aus der die für diese Gruppe typischen fadenartigen Haftorgane, die
Hapteren, hervorgehen. Dies sind hygroskopische Schraubenbänder, die sich bei
Trockenheit entfalten und bei Feuchtigkeit wieder um die Spore einrollen.
Abb. 5 & 6: Equisetum telmateia, Sporophyll (links); aufgeplatze reife Sporangien, die Sporen der
Schachtelhalme sind in Form und Funktion gleichgestaltet (= isospor) und chlorophyllreich (rechts);
Abb. 7 & 8: Equisetum arvense, Spore mit hygroskopischen Schraubenbändern, die sich bei Trockenheit
entrollen und bei Feuchtigkeit wieder einrollen (links); Sporen werden durch die Hapteren zusammengehalten und
daher als Einheit ausgebreitet (rechts);
Zum Zeitpunkt der Sporenreife streckt sich die Achse des Sporophyllstands deutlich,
sodass die Sporophylle nunmehr weit auseinander stehen und die Sporen optimal
durch Wind ausgestreut werden können. Die Öffnung des Sporangiums erfolgt über
einen durch Austrocknung entstehenden Längsriss. Die Sporenkeimung beginnt
zunächst mit der Ausbildung eines Rhizoids. Aus der zweiten Zelle wird später das
chlorophyllreiche, epigäische, einschichtige Prothallium (= Vorkeim) gebildet. Im
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Unterschied zu den Prothallien der Farne i.e.S. sind die Prothallien der
Schachtelhalme nicht herzförmig gestaltet, sondern recht variabel in der Form und
mehrfach stark gelappt. Das weibliche Makroprothallium ist stets deutlich größer als
das männliche Mikroprothallium. In das Gewebe der Mikroprothallien eingesenkt
werden die Antheridien hervorgebracht, in denen zahlreiche begeißelte, polyciliate
Spermatozoiden gebildet werden. Auf den weiblichen Prothallien entwickeln sich die
Archegonien, die je eine große Eizelle sowie mehrere Halskanalzellen enthalten.
Für eine erfolgreiche Befruchtung ist es
notwendig, dass die männlichen und
weiblichen Prothallien so dicht wie
möglich beieinander liegen und zur
Entwicklung kommen. Dies wird bei
Schachtelhalmen dadurch erzielt, dass
aufgrund der Ausbildung der Hapteren
die
Sporen
nicht
einzeln,
sondern
immer zu mehreren als verhakte Einheit
Abb. 9: Equisetum arvense, junger Gametophyt;
ausgebreitet werden. So entsteht nach
der Keimung immer eine kleine Gruppe von Prothallien. Die zuerst keimende Spore
entwickelt sich immer zu einem weiblichen Prothallium, alle übrigen zu männlichen.
In Kulturversuchen lässt sich nachweisen, dass ein Prothallium grundsätzlich beide
Geschlechter
hervorbringen
kann.
Für
die
Geschlechtsdetermination
eines
Prothalliums spielt das sog. Antheridiogen-System eine entscheidende Rolle. Von
weiblichen Prothallien (besser gesagt: Prothallien im weiblichen Zustand) ist bekannt,
dass sie
hormonartige
Substanzen
(Antheridiogene) produzieren,
die
bei
benachbarten Sporen die Keimung induzieren und bewirken, dass diese Prothallien
männlich werden. Dieser Vorgang der gametophytischen Geschlechtsbestimmung
wird als haplomodifikatorisch bezeichnet. Dadurch umgehen Schachtelhalme die
Homozygotiefalle. Allerdings tritt hier das Problem auf, dass stets mehrere Sporen
bzw. Prothallien des gleichen Sporophyten nebeneinander liegen. Somit findet
vielfach eine intergametophytische Selbstbefruchtung statt, also keine echte
Fremdbefruchtung.
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Nach der Verschmelzung der beiden haploiden Gameten bildet sich die diploide
Zygote aus, aus der der junge Sporophyt hervorgeht. Am jungen Spross befindet
sich terminal eine dreischneidige Scheitelzelle, an der der distale Zuwachs erfolgt. Im
basalen Bereich wächst die Wurzel durch das Prothallium hindurch in das Substrat.
Bereits in sehr frühen Entwicklungsstadien, noch vor der Wurzelbildung, werden
terminal an der Sprossachse Mikrophylle hervorgebracht, sodass der empfindliche
Vegetationspunkt des jungen Sporophyts bereits beim Verlassen des Archegoniums
durch einen Blattquirl gut geschützt ist. Meist entwickelt sich nur ein Sporophyt je
Makroprothallium. Die Sporophyten können über Jahre hinweg immer wieder
sporolieren und stellen die ausdauernde Generation im Generationswechsel der
Schachtelhalme dar.
Sporophyll
(2n)
Sprossachsen (2n)
mit Sporophyllstand (2n)
Sporophyllstand
(2n)
geöffnete Sporangien
Spermatozoid (n)
Befruchtung
Antheridium (n)
Archegonium (n)
♂
adulter Sporophyt
(2n)
Gametophyt (n) mit
2 jungen Sporophyten (2n)
♀
Sporen (n)
Prothallium (n)
(Gametophyt)
Abb. 10: Übersicht über den Generationswechsel der Schachtelhalme;
Weiterführende Literatur
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