Das Ende des Größenwahns
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Das Ende des Größenwahns
Rems-Murr-Kreis Automobilzulieferer Schefenacker: Eigentümer und Banken verursachen schlimme Schieflage Das Ende des Größenwahns Während ihn Wirtschaftsminister Walter Döring noch überschwänglich für seine Innovationen und seine Globalisierungsstrategie lobte, haben die Banken die Messer bereits gewetzt. Alfred Schefenacker sollte wegen Missmanagement und Größenwahn entmachtet werden, denn er hatte mit Hilfe der selben Banken eines der größten Zulieferunternehmen Baden-Württembergs an den Rand des Ruins geführt. Der 20. November 2002 sollte ein Höhepunkt der Karriere des Unternehmers Alfred Schefenacker werden. 30 Minuten lang durfte der Star am württembergischen Unternehmerhimmel vor ausgesuchtem Publikum im Haus der Wirtschaft in Stuttgart referieren: Sein Thema: »Innovation und Globalisierung als Herausforderung für einen Automobilhersteller.« Tatsächlich konnte die Unternehmensgruppe des Alleineigentümers Alfred Schefenacker in den Boom-Jahren Ende 90erJahre hervorragende Wirtschaftsdaten vorlegen. Umsatz und Ertrag hatten sich sehr gut entwickelt. abbezahlt werden sollte. Mit diesem Kredit übernahm Schefenacker die Spiegelsparte des britischen Unternehmens Britax. Damit wurde der schwäbische Zulieferer mit einem Marktanteil von 30 Prozent zum weltgrößten Hersteller von Autospiegeln.Und die Beschäftigtenzahl hatte sich auf 6100 vervierfacht. Als Schefenacker Ende 2002 Zinsen und Tilgung nicht mehr aufbringen konnte,wäre die Kreditblase beinahe geplatzt. Schefenacker musste nur deshalb keine Insolvenz beantragen,weil die Banken einem Moratorium zustimmten. Es folgte eine Krisensitzung der anderen. Ende des Jahres enthüllte ein Bericht von Pricewaterhouse Coopers das wahre Ausmaß der Krise.Seitdem deten Familienunternehmen mittlerweile faktisch nichts mehr zu sagen. Sein Vetter Rainer fungiert noch als Projektleiter eines Restrukturierungsteams und Referent beim Verband Deutscher Ingenieure. Der VDI hatte ihn erst kürzlich zu einem Seminar über »Null-Fehlerproduktion in einem mittelständischen Unternehmen« eingeladen. Für den zweiten Tag des Seminars ist der Besuch eines »Best-Practise«-Unternehmens vorgesehen, der Firma Schefenacker. Ausschuss »Da hat man den Bock zum Gärtner gemacht«, sagt Dieter Knauß, denn Rainer Schefenacker ist als langjähriger Weniger Geld Übernahme-Orgie Vor allem aber hatte Schefenacker sein Unternehmen mit einer weltweiten Übernahme-Orgie »für die Zukunft fit gemacht«, wie es damals hieß. Die Banken waren scharf darauf,dem schwäbischen Unternehmer Geld zu geben. Und die Bankiers verstanden es bestens, Schefenacker bei den Kreditverhandlungen über den Tisch zu ziehen. »Ohne jeden wirtschaftlichen Sachverstand«, so Dieter Knauß, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall im Rems-Murr-Kreis, gewährten sie der Unternehmensgruppe einen Kredit von rund 600 Millionen Mark, der bereits in sieben Jahren wieder metall 7-8/2003 den oder weil mit zu schlecht ausgebildetem Personal gearbeitet wird. Knapp ein Viertel der Beschäftigten sind nämlich Leiharbeiter oder haben einen befristeten Vertrag. Rainer Schefenackers Nachfolger Andreas Romberg zeigte zwar fachliche Fähigkeiten, doch bereits nach neun Monaten hat man sich von ihm wieder getrennt. »Die Beschäftigten befürchten nun«, sagt der zuständige IG Metall-Sekretär Hermann Fischer, »dass sie die Rechnung für Schefenackers Größenwahn und Missmanagement sowie die Profitsucht und Inkompetenz der Banken bezahlen müssen.« Die Lohnerhöhung vom Juni wurde bereits mit den übertariflichen Bestandteilen verrechnet. Kein Wunder, dass es bei der jüngsten Betriebsversammlung heiß herging. »Alle Fehler wurden thematisiert«, berichtet Betriebsratsvorsitzender Juan Rodriguez. Aus der Traum vom schwäbischen Zuliefer-Multi: Alfred Schefenacker hat im eigenen Unternehmen nichts mehr zu sagen. gehen im Esslinger Firmensitz die Berater von Porsche Consulting und andere Krisenmanager ein und aus. Seit April führt der als professioneller Sanierer bekannte Bodo Heise den Automobilzulieferer. Heise hatte bei Iveco-Magirus, SKF und SEAT in führenden Positionen gearbeitet und zuletzt bei Rheinmetall, Recaro und SKF Restrukturierungsprojekte durchgeführt. Alfred Schefenacker hat in dem 1935 als Reitter & Schefenacker gegrün- Werkleiter für Missmanagement sowie fehlerhafte und fehlende Investitionen in Schwaikheim verantwortlich. Dort fällt bei der zum Teil Roboter unterstützten Produktion von Leuchten seit Jahren ein Ausschuss von bis zu 50 Prozent an. Gleichzeitig kommt es an den verschiedenen Anlagen immer wieder zu längeren Ausfällen, weil Schefenacker eine ungeeignete Aufdampfanlage gekauft hatte.Ausfälle entstehen auch, weil zu wenig Einsteller beschäftigt wer- Verwaltungsstelle Waiblingen, Fronackerstraße 60, 71332 Waiblingen • Telefon 0 71 51–95 26-0, Fax 0 71 51–95 26-22, E-Mail: [email protected], Internet: www.bw.igm.de/waiblingen • Redaktion: Dieter Knauß (verantwortlich) Am meisten werden jetzt die Schichtarbeiter geschröpft. Der neue Generalbevollmächtigte für Personal,Volker Landmesser, hat in Schwaikheim für die Produktion ein 18-Schicht-Modell durchgesetzt und damit Samstags- und Sonntagsarbeit als Regelarbeitszeit. Folge: Den Schichtern entstehen durch den Wegfall von Zuschlägen Verluste von etwa 200 bis 400 Euro im Monat. Geld, das jetzt die Banken kassieren. Doch Sanierer Heise und das Spitzenmanagement haben sich weitere »Grausamkeiten« ausgedacht. Beschlossen wurden sie Ende Mai bei einem Welt-Gipfel der Schefenacker-Gruppe am Stuttgarter Flughafen. Der Betriebsrat hat den Maßnahmekatalog zwar angefordert, ihn aber bis zum Redaktionsschluss noch nicht erhalten. 0934 35