Fairy Tales

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Fairy Tales
Fairy Tales
1. Das sind wir
Wir, Karen Harding und Carmen Schulz, sind beide Klassenlehrerinnen eines 4.
Schuljahres an einer verbundenen Grund- und Hauptschule in einer ländlichen Gegend.
Beide Klassen besitzen nur die geringe Schülerzahl von 17 bzw. 18 Kindern.
Bereits seit dem 1. Schuljahr nehmen die Schüler unserer Klassen mit Begeisterung und
Erfolg am integrativen Fremdsprachenlernen in Englisch teil. Sowohl die kleine
Klassenstärke wie auch die verhältnismäßig homogene Zusammensetzung liefern eine gute
Voraussetzung für einen effektiven Fremdsprachenunterricht. In der vorliegenden
skizzierten Unterrichtseinheit konnten wir auf bereits recht vielfältige altersgemäße
Sprachkenntnisse und Sprechfertigkeiten zurückgreifen.
2. Das war geplant
Mit unseren Klassen wollten wir eine projektartige Unterrichtseinheit zum Thema
„Märchen“ durchführen. Im Vordergrund sollte hierbei stehen, dass die Kinder über eine
reine Begegnung die Möglichkeit zum Erleben ausgewählter Märchen erhielten. Dies
sollte sich weder nur auf traditionelle deutsche Märchen beschränken, noch auf übersetzte
Fassungen von Texten aus anderen Ländern. Vielmehr sollten die Kinder auch englische
Märchen in ihrem Original kennen und erleben lernen.
Denn die vielfältigen positiven Wirkungen der Märchenarbeit mit Kindern sind bekannt, so
z.B. der Abbau von Ängsten und Konflikten, die emotionale Förderung des Kindes, die
Entwicklung von Kreativität und Sprachvermögen, die Förderung der Sozialentwicklung
sowie die Vermittlung von Normen und Werten (vgl. PERTLER, C. und PERTLER, R. Kinder
erleben Märchen. Don Bosco. München, 2001) .
3. Das war uns besonders wichtig
Wichtig war uns, dass die Kinder eine Reihe unterschiedlicher Märchen (Figuren, Inhalt,
Verfasser,...) kennen lernen und sich mit diesen im Sinne des Erlebens auch auf die
verschiedensten Weisen auseinandersetzen konnten: durch Malen, Basteln, Kochen,
szenisches Spielen, dem Fortführen, Ergänzen, oder fantasievollen Abändern von Texten,
etc. In der Reihe der behandelten Märchen legten wir großen Wert darauf auch
traditionelle, englischsprachige Fairy Tales mitaufzunehmen, zum Einen im Sinne des
interkulturellen Lernens, zum Anderen um das integrative englische Sprachenlernen
voranzutreiben.
Da es sich bei der Begegnung mit Fairy Tales um eine Art des Storytellings handelt, geht es
hier fremdsprachlich gesehen vor allem um eine Weiterentwicklung des Hörverständnisses
(get the gist, Verständnislücken aushalten). Des weiteren sollen die Kinder die Gelegenheit
erhalten die Fairy Tales in ihrem sprachlichen Original zu erfahren, um weiter für den
Klang, die Satzstrukturen und die Wortwahl der englischen Sprache sensibilisiert zu
werden. Aus diesem Grund steht das Einüben und Erlernen ausgewählter sprachlicher
Mittel nicht im Vordergrund. Trotzdem ist es in den Englischsequenzen der
Unterrichtseinheit erklärtes Ziel die bereits vorhandenen sprachlichen Mittel
wiederzuerkennen, sie in neuen Kontexten zu verstehen und damit auch zu festigen.
Anders als in anderen Sequenzen (z.B. Shoppinggespräch) kann hier der sprachliche
Output der Schüler nicht konkret festgelegt werden, er ist jedoch trotz alledem natürlich
erwünscht und durch sich anschließende Übungen gefördert.
Das Erzählen von Geschichten und Märchen in passendem Rahmen wirkt in hohem Maße
motivierend auf die Kinder und trägt so speziell im Fremdsprachenlernen zu einer
gesteigerten Lernfreude bei.
4. Sprachliche Voraussetzungen
-
Die Schüler kennen bereits zahlreiche englische Geschichten und
Bilderbücher. Dass es hier nicht von Bedeutung ist jedes einzelne Wort zu
verstehen, sondern dass es vielmehr darauf ankommt sich den Inhalt der
Geschichte aus dem Zusammenhang (der durch Mimik, Gestik und Bilder
teilweise verdeutlicht wird) zu erschließen haben sie somit bereits erfahren.
-
Die Schüler können bereits auf einen gewissen Wortschatz aus verschiedenen
thematischen Bereichen (animals, body, family, food, weather, clothes,
home,...) zurückgreifen. Das Wiedererkennen von Wörtern und Strukturen
spielen zunächst also eine wichtige Rolle.
5. Das haben wir gemacht
In der Behandlung des Rotkäppchen – Märchens hatten die Kinder den Wolf als eine
typische symbolische Figur des „Bösewichts“ kennen gelernt. Anschließend an eine Reihe
von Aktivitäten rund um dieses Märchen, leiteten wir nun zu „The Three Little Pigs“ über,
in dem auch ein Wolf eine der Hauptrollen spielt.
Hierzu versammelten sich die Kinder, wie bereits ritualisiert, mit ihren Kissen in der
Leseecke, die gemeinsam hergestellte Märchenkerze wurde angezündet und so das
Bewusstsein und die Aufnahmebereitschaft für ein neues Märchen geschaffen.
Vor dem Beginn der Erzählung setzten wir die Kinder kurz in Kenntnis, dass sie nun ein
Märchen hören würden, dass alle britischen und amerikanischen Kinder sehr gut kennen
würden. Direkt im Anschluss begann das Storytelling mit einem Slip-in in die
Fremdsprache: „ Once upon a time there were three little pigs...“ [ link 1: Fairy Tale: The
Three Little Pigs ]
Um den Inhalt des Textes für die Kinder verständlich zu machen, hatten wir zuvor den
Originaltext sprachlich auf das Niveau und die Vorkenntnisse der Kinder reduziert bzw.
abgestimmt [ link 2: Beispiele für reduzierte Textstellen].
Insgesamt entstanden inhaltlich keinerlei Abweichungen vom Original, jedoch bauten wir
z.B. zusätzlich zu den vorhandenen weitere, immer wiederkehrende Strukturen ein.
Darüber hinaus half der Einsatz von farbigen Bildern den Inhalt zu untermalen.
Folgendermaßen kann die Einheit skizziert werden:
• Das Fairy Tale wird unter Zuhilfenahme von Bildern erzählt. Dabei werden die
Kinder aktiv in das Storytelling miteinbezogen
-
durch das geförderte Mitsprechen bekannter oder sich wiederholender, also
eingängiger Strukturen, wie zum Beispiel:
The wolf said, “Then I’ll huff and I’ll puff and I’ll blow your house in!” So he
huffed and he puffed and he blew the house in. He ate up the first little pig.
-
durch gezieltes Einsetzen von Pausen während des Erzählens, um den
Schülern Raum zu bieten ihr Vorwissen oder ihre spontane sprachliche
Experimentierfreude einzubringen.
-
durch das aktive Umsetzen englischsprachiger Äußerungen in Mimik, Gestik
und Bewegung (= TPR ), wie zum Beispiel:
Die Kinder pusten bei der Textstelle „Then I´ll huff and I`ll puff...“ oder sie
klopfen auf den Boden bei „He knocked on the door...“.
• Das Märchen wird bis zu der Stelle erzählt, bei der der Wolf vor einem großen,
rollenden Kochtopf flüchtet. Das eigentliche Ende der Originalversion bleibt noch
offen.
• Die Lehrerin wechselt nun kommentarlos wieder in die deutsche Sprache ( Slip-out )
und berichtet den Kindern von folgender Begebenheit:
- Wolf rennt um sein Leben
- Topf mit Schweinchen ist längst zum Stillstand gekommen
- clever little pig nutzt nun Gelegenheit und läuft zur Polizei
- erzählt Polizisten aufgeregt, Wolf habe Geschwister gefressen und sei nun
auch hinter ihm her
- bittet um Hilfe
- Polizisten starten Suchaktion
- ergreifen tatsächlich bald den Bösewicht
- führen ihn ab aufs Polizeirevier
- Wolf wird verhört und zu Vorkommnissen befragt
- Wolf will Haut retten und beginnt mit Verteidigungsrede:
„Liebe, sehr verehrte Polizisten, es handelt sich hier um ein einziges, großes
Missverständnis. Eigentlich war alles ja ganz anders, als das Schweinchen es
Ihnen erzählt hat...“
• Daraufhin erhalten die Kinder den Auftrag eine Verteidigungsrede des Wolfes zu
schreiben, d.h. sich für den Wolf eine Ausrede einfallen zu lassen, wie es zu dem
Tod der zwei Schweinchen und der Verfolgung des dritten Schweinchens kommen
konnte.
• Gemeinsam erzählen die Lehrerin und die Kinder erneut das Märchen bis zu der
bekannten Stelle. Nun lesen die Schüler ihre Verteidigungsreden vor. (Evtl.
entscheidet der Rest der Klasse als Geschworene, ob die jeweilige Geschichte
glaubwürdig war und der Wolf freigesprochen oder aber verurteilt wird.)
• Die Lehrerin gleitet wieder ins Englische über (Slip-in) und erzählt das traditionelle
Ende des Fairy Tales weiter.
• Im Anschluss an das Storytelling wurde der Three Little Pigs-Song erlernt. [ link 3:
Song-Text ] Dieser wurde von uns genau auf die Unterrichtseinheit und den
sprachlichen Kenntnisstand der Kinder aus einer Vorlage abgewandelt.
Auch die musikalische Verknüpfung des Fairy Tales mit dem Liedtext trägt zum
affektiven Sprachenlernen bei. Durch Rhythmus und Melodie prägen sich Wörter
und Strukturen auf besondere Weise ein.
• Wie bereits erwähnt sollten sich an das Storytelling des Fairy Tales auch
verschiedene Sprachspiele und Übungen anschließen, die einen Output seitens der
Schüler ermöglichen und fördern. Speziell in Freiarbeitsphasen hatten die Schüler
Gelegenheit sich durch ein Kassetten-Lernangebot weiter mit dem Fairy Tale The
Three Little Pigs zu beschäftigen:
Es standen zunächst zwei verschiedene Kassettenstationen für die Kinder zur
Auswahl. Auf den Kassetten konnten sie sich das Fairy Tale, welches von uns
aufgesprochen worden war, in der Freiarbeit oder zu Hause immer wieder anhören.
Wahlweise konnten die Schüler sich ein Bilderbuch mit oder ohne Text begleitend
ansehen. Bei der Auswahl wurden sie von der Lehrerin beraten.
Einmal üben die Kinder sich also weiter in der Schulung des Hörverständnisses und
durch gleichzeitiges Mitsprechen in der Reproduktion der Fremdsprache.
Außerdem erwerben sie einen Einblick in die Zuordnung der Schrift- und
Lautsprache im Englischen, d.h. sie trainieren in kleinsten Anfängen eine
Lesefertigkeit.
Auf beiden Kassetten ist zudem eine Hilfestellung gegeben: Wenn eine Seite
umgeschlagen werden muss, ertönt ein akustisches Signal, zum Beispiel ein Gong.
• Ergänzend zu dem traditionellen Fairy Tale The Three Little Pigs wurde das Buch
The Three Little Wolves and the Big Bad Pig, das sprachlich in Bereichen nah an das
Original angelehnt ist, mit den Kindern gelesen.
Hieran schloss sich ein Vergleich mit dem Originalbuch und ein Gespräch über die
Symbolfigur “Wolf“ in Märchen an.
6. Integrationsmöglichkeiten
Die beschriebene Unterrichtseinheit lässt sich, gemäß des integrativen Modells, in
andere Lernbereiche einbinden:
• Deutsch: Märchen (s. Punkt 2 und 3), Freies Schreiben, Schreiben aus veränderter
Perspektive, die Symbolfigur „Wolf“ als Bösewicht in Märchen und
mögliche Ursachen hierfür, Diktattext,...
• Sachunterricht: Informationsbeschaffung und Theamtisierung des Lebens von
Wölfen in freier Natur, den Wolf als Lebewesen kennen lernen (z.B.
Film),...
• Musik: Three Litle Pigs-Song, Verklanglichung der Geschichte,...
• Sport: Spiel: Who`s afraid of the big bad wolf
7. Das haben wir erreicht:
a) Zunächst ist es mit der kompletten Einheit gelungen, die Kinder durch
die verschiedensten Möglichkeiten des Erlebens der Texte für
Märchen zu begeistern und sie zu kreativen Denk- und
Handlungsprozessen anzuregen.
b) In der fremdsprachlichen Sequenz hatten die Kinder die Gelegenheit
das Fairy Tale The Three Little Pigs in seiner Originalfassung und dem
ursprünglichen Inhalt kennen zu lernen. Einigen Schülern war das
Märchen in einer abgewandelten und übersetzten Form bereits
bekannt, sodass es nun möglich war ihnen Unterschiede zwischen
den verschiedenen Versionen aufzuzeigen und die Besonderheit von
Originaltexten zu verdeutlichen. Dies ist ein wichtiger Bestandteil des
interkulturellen Lernens. Zum Einen, weil die Literatur ein wichtiges
Kulturgut der Länder darstellt und zum Anderen, weil damit auf der
emotionalen Ebene eine Verbindung zu gleichaltrigen Kindern im
englischsprachigen Ausland hergestellt wird. Eine solche
Identifikation zieht oftmals eine dauerhafte Motivation zum
Fremdsprachenlernen nach sich.
c) Es hat sich bestätigt und gezeigt, dass die Kinder die bereits
angebahnte Fähigkeit, in der Fremdsprache und speziell beim
Storytelling nicht jedes Wort verstehen zu müssen, problemlos
anwenden konnten. Darüber hinaus übernahmen einzelne Schüler
die Rolle eines Übersetzers, in der sie begleitend zum Erzählen der
Geschichte bestimmte Wörter oder Strukturen ins Deutsche
übersetzten oder spontan äußerten. Sie schlossen damit unbewusst
eventuelle aufgetretene Verständnislücken von Mitschülern.
d) Die Kinder konnten bereits bekannte Strukturen erkennen und
festigen, sie sogar durch neue Strukturen erweitern. Vor allem feste
Redewendungen speziell aus diesem Fairy Tale wurden von den
Schülern nachgesprochen, z.B. „Not by the hair of my chinny chin
chin! I will not let you in!“
Dies stellt eine Sensibilisierung für die englische Sprache dar. Des
weiteren wurden die Schüler zum Spielen mit Sprache angeregt,
indem sie mit dem Englischen experimentierten (LEGO). Die Schüler
dachten sich im Anschluss an das Lesen des Buches The Three little
Wolves and the Big Bad Pig immer neue Titel für mögliche eigene
Bücher aus. Hier brachten sie neues und altes Vokabular zusammen:
The Three Little Cats and the Big Bad Mouse,
The Three Little Dogs and the Big Bad Sausage
...
LITERATUR:
ADAMS, GEORGIE. The Three Little Pigs. IN: The Nursery Storybook.Orion Children`s
Books. Great Britain, 1996
SCIESZKA, JON. The True Story Of The 3 Little Pigs! Puffin Books. London, 1989
TRIVIZAS, EUGENE und OXENBURY, HELEN. The Three Little Wolves and the Big Bad
Pig. Aladdin Paperbacks. New York, 1993
WRIGHT, ANDREW. Storytelling with children. Resource Books for Teachers. Oxford
University Press. Hong Kong, 1995
PERTLER, C. und PERTLER, R. Kinder erleben Märchen. Don Bosco. München, 2001