11 % der Hilfeempfänger ohne Konto

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11 % der Hilfeempfänger ohne Konto
Landesarbeitsgemeinschaft
Schuldner- und Insolvenzberatung
Berlin e.V.
Geschäftsstelle: Genter Straße 53, 13353 Berlin
Tel: 030 – 453 001 18
Fax: 030 – 453 001 14
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www.schuldnerberatung-berlin.de
LAG Schuldner- und Insolvenzberatung, Genter Str. 53, 13353 Berlin
Berlin im Juli 2005
11 % der Hilfeempfänger ohne Konto
Dem Land Berlin entstehen monatliche Kosten von etwa 476.000 Euro
Ergebnisse einer Umfrage der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und
Insolvenzberatung Berlin e.V. bei den Sozialleistungsträgern im Land Berlin
Das Girokonto ist die wesentliche Voraussetzung zur Teilnahme am wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Leben:
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Arbeitgeber haben keine Möglichkeit mehr, Lohn bar auszubezahlen
Zahlungsempfänger stellen kaum noch direkte Kassen zur Verfügung, in der die
Miete, Strom, Telefon usw. bar eingezahlt werden können
Die Banken verlangen für jede Barzahlung zwischen 1,50 – 6,- €, so das sich allein
die monatlichen Gebühren für das bezahlen der Miete, den Strom sowie das
Telefon auf 6,- – 19,- € belaufen.
Sind noch Kitagebühren, Unterhaltszahlungen, Versicherungen sowie
Tilgungsraten fällig, kann sich die Gebühr für die Zahlung der laufenden
monatlichen Ausgaben schnell auf 30,-€ und mehr erhöhen.
Wenn der Kunde nicht mehr in der Lage ist, den Dispositionskredit auszugleichen
bzw. aufgrund sonstiger Schulden bei der Bank eine Kontopfändung eingeht,
kündigen die meisten Banken das Konto des Schuldners. Aufgrund der negativen
Schufa ist auch keine andere Bank bereit, diesem Kunden ein Girokonto einzurichten.
Nachdem dieses Problem bedrohliche Ausmasse angenommen hatte, initiierte und
koordinierte die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung die Aktion „Recht auf
Girokonto“. Neben den Wohlfahrtsverbänden und kommunalen Spitzenverbänden
unterstützten auch Gewerkschaften und einzelne Parteien diese Forderung.
Zur Vermeidung einer gesetzlichen Regelung verpflichteten sich die Banken im Juni
1995 über den Zentralen Kreditausschuss gegenüber der Bundesregierung, jedem ein
Konto auf Guthabenbasis einzurichten.
Die gesetzliche Regelung wurde aufgrund dieser freiwilligen Selbstverpflichtung
zurückgestellt. Allerdings läßt sich die Bundesregierung seit dem alle 2 Jahre über die
Umsetzung dieser Selbstverpflichtung berichten.
Da die Selbstverpflichtung dennoch nur sehr bedingt umgesetzt wird, haben bereits
einige Bundesländer entsprechende landesrechtliche Regelungen geschaffen. Wie
Bank für Sozialwirtschaft, Konto 327 55 00, BLZ 100 205 00
aber aus dem Bericht der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung in Bayern (
BAG-SB Heft ca. 02.04 ) hervorgeht, werden auch diese Regelungen nur schleppend
umgesetzt.
In Berlin hat das Abgeordnetenhaus einer Empfehlung zugestimmt, sich für ein
bundesweites Recht auf ein Girokonto auf Guthabenbasis einzusetzen, wenn sich
herausstellt, dass die fehlende Chance auf ein Konto noch ein erhebliches Problem
darstellt.
Aufgrund dieses Beschlusses hat die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und
Insolvenzberatung Berlin e.V. in 07.04 in allen 12 Bezirken die Sozialämter,
Jugendämter, Wohngeldämter und Grundsicherungsämter sowie die 5 Agenturen für
Arbeit um Unterstützung bei der Erhebung der tatsächlichen Zahlen gebeten.
Von den 53 angeschriebenen Sozialleistungsträgern haben sich 30 = 57% beteiligt.
Die fehlenden Ämter sahen sich trotz Nachfrage nicht in der Lage, aussagefähige
Zahlen zu nennen. Ein wichtiger Grund hierfür dürfte der zeitgleiche Beginn der
Umsetzung der Einführung des Arbeitslosengeld II sowie die dadurch erforderliche
Umstrukturierung der Sozialleistungsträger sein.
Das Ergebnis ist dennoch aussagekräftig: Bei den beteiligten Sozialleistungsträgern
werden 294.830 hilfebedürftigen Haushalte betreut. Davon verfügen 33.516 = 11%
über kein eigenes Girokonto. Die Spanne beim einzelnen Träger reichte von 0% 39%.
11 % der Hilfeempfänger ohne Konto
33516
294830
20% der Sozialleistungsträger haben zusätzlich angemerkt, dass eine hohe
Dunkelziffer besteht bzw. die Tendenz der kontolosen Hilfeempfänger steigend ist.
Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Hilfeempfänger ohne eigenes
Girokonto noch erheblich höher ist. So überweisen die meisten Wohnungsämter bei
fehlendem Girokonto des Hilfeempfängers das Wohngeld direkt auf das Konto des
Vermieters.
Im Grundsicherungsamt dürften eine erhebliche Anzahl der Überweisungen auf das
Konto des Betreuers geleistet werden.
Auch in weiteren Haushalten ist davon auszugehen, dass eine nicht unerhebliche
Anzahl der Haus haltsvorstände über kein eigenes Konto mehr verfügt, sondern das
Konto von Haushaltsmitgliedern, Verwandten bzw. Bekannten nutzt.
Diese Annahme wird auch durch die Erhebung der Schuldnerberatungsstellen in den
Monaten Oktober und November 04 bestätigt. In dieser Zeit erhoben 2/3 der
Beratungsstellen = 14, wie viele Klienten mit dem Problem, dass ihnen ein Konto
verwehrt wurde, die offene Sprechstunde/Kurzberatung aufsuchte. Mit diesem
Problem kamen 444 Personen = 16% der Ratsuchenden. Auch hier lag die Spanne
zwischen 5% - 47% der Ratsuchenden.
Selbst wenn nur die erhobenen Daten der Sozialleistungsträger zu Grunde gelegt
werden, ergibt sich ein erschreckendes Bild: Mindestens 11 % der
Sozialleistungsempfänger sind 10 Jahre nach der freiwilligen Selbstverplichtung der
Banken von den wesentlichen Voraussetzungen zur Teilnahme an dem
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.
Für den Arbeitsuchende bedeutet ein fehlendes Konto ein zusätzliches
Vermittlungshindernis. Ohne Bankverbindung finden sie kaum eine Arbeitsstelle.
Jeder potentielle Arbeitgeber vermutet hinter einer fehlenden Bankverbindung
Überschuldung und somit mögliche Lohnpfändung. Gleichzeitig scheut er die
zusätzlichen Kosten einer Barzahlung der Gehälter.
Die Betroffenen können weder Zahlungen empfangen noch leisten. Ganz alltägliche
Zahlungen, wie die Überweisung der Miete, der Energiekosten, der Versicherungen,
der Telefonrechnung u.a. können nicht mehr bzw. nur noch mit erheblichen
Schwierigkeiten und zusätzlichen Kosten vorgenommen werden.
Auch für die Sozialleistungsträger bedeutet das fehlende Girokonto erhebliche
zusätzliche Belastungen der angespannten Haushaltslage.
Diese Belastungen lassen sich für Berlin aus der o.g. Erhebung wie folgt berechnen:
Dem Sozialleistungsträger verursachen Barzahlungen Kosten von durchschnittlich
8,10 €. Bei 33.516 monatlichen Barzahlungen ergibt das einen zusätzlichen Betrag
von 271.479,60 €.
Wenn berücksichtigt wird, dass auch bei den Sozialleistungsträger, die sich nicht
zurückgemeldet haben, 11 % der zu leistenden Zahlungen bar erfolgen müssen,
entstehen dem Land Berlin monatliche Ausgaben für Barzahlungen in Höhe von
476.280,- €.
Wie aus dem o.g. eindeutig hervorgeht, weigern sich die Banken trotz ihrer freiwilligen
Selbstverpflichtung weiterhin im erheblichem Umfang, Girokonten auf Guthabenbasis
einzurichten.
Diese Verweigerung hat für den Betroffenen, aber auch für die Gesamtwirtschaft
erhebliche finanzielle Folgen. Es ist daher dringend geboten, das gesetzlich
verankerte Recht auf ein Girokonto auf Guthabenbasis einzuführen.

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