Vorsorge für Kinder - Landkreis Ammerland
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Vorsorge für Kinder - Landkreis Ammerland
Kindergesundheitsvorsorge Gesundheitsbericht für den Landkreis Ammerland I Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, das Ammerland ist ein Landkreis mit wachsender Bevölkerung und vielen jungen Familien. Die Vorsorge für die Gesundheit der Kinder ist dem Landkreis daher ein besonderes Anliegen. Der vorliegende Bericht liefert hierzu einen wichtigen Beitrag. Anhand der vom Gesundheitsamt in seinen Untersuchungen und Erhebungen gewonnen Daten und Befunde wird die Gesundheitsvorsorge für Kinder im Ammerland dargestellt und analysiert. Große Bedeutung für die Prävention im Kindesalter haben die gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen. Sie dienen der frühen Erkennung von Erkrankungen, um bleibenden Schäden oder gar Behinderungen vorzubeugen. Ein ebenso wichtiger Teil der Vorsorge sind Impfungen. Weltweit tragen immer noch „Kinderkrankheiten“ wie Masern und Keuchhusten, aber auch der Wundstarrkrampf zu einem erheblichen Teil der Kindersterblichkeit bei. Wie der Bericht zeigt, können aber auch bei uns noch Ausbrüche „besiegt“ geglaubter Krankheiten wie Masern vorkommen. Voraussetzung für die positive Entwicklung eines Kindes ist die Zahngesundheit, die durch regelmäßige Zahnarztbesuche und ein gutes Ernährungsverhalten gewährleistet wird. Grundlegend für die Persönlichkeit des Kindes und seine Beziehung zur Umwelt ist die regelrechte Sprachentwicklung: Werden Sprachstörungen nicht rechtzeitig erkannt, hat dies meist schwerwiegende Folgen für die soziale Entwicklung des Kindes. Im vorliegenden Bericht werden diese Themen näher beleuchtet. Es wird beschrieben, wo wir in der Vorsorge für unsere Kinder zur Zeit stehen und wo noch Aufgaben auf uns warten, die wir zielstrebig angehen wollen. Westerstede, im März 2006 Ihr Jörg Bensberg Landrat I Inhalt Kindergesundheitsvorsorge Gesundheitsbericht für den Landkreis Ammerland Seite Grußwort des Landrates Inhalt Impressum und Verfasser Über diesen Bericht I 1 2 3 Zusammenfassung 4 1. Bevölkerungsstruktur des Ammerlandes 6 2. 2.1. 2.2 2.3 Vorsorgeuntersuchungen Schuleingangsuntersuchungen des Gesundheitsamtes Teilnahme an U1 - U9 –Untersuchungen im Ammerland Seh- und Hörvermögen bei Einschülern 7 7 7 11 13 13 3. Impf- und Infektionsschutz 3.1. Impfschutz 13 Allgemeines 15 Hepatitis B 16 Masern 17 Rückblick: Masernausbrüche im Nordwesten 18 Mumps 18 Röteln 19 Tetanus 20 Diphtherie 20 Polio 21 Keuchhusten 22 HIB 23 Pocken 24 Zusammenfassung 3.2 Erfassung von Atemwegsinfekten u. Grippe in Ammerländer Kindergärten 26 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4 4.5. Zahngesundheit Kinder- und Jugendzahnprophylaxe Ergebnisse der jugendzahnärztlichen Untersuchungen 2004/2005 Entwicklung der Zahngesundheit von Schul- und Vorschulkindern 1999 - 2005 Teilnahme an der DAJ-Studie zur Gruppenprophylaxe 2004 Zusammenfassung 28 28 29 31 33 34 5. 5.1. 5.2. 5.3. 5.4 Sprachheilberatung Sprachheilberatung im Gesundheitsamt Logopädisch-therapeutische Versorgung im Ammerland Statistik: Störungsbilder und Maßnahmen Anhang: Adressen logopädischer Praxen 35 35 39 40 44 1 Impressum und Verfasser: Der Bericht wird herausgegeben vom Landkreis Ammerland Gesundheitsamt Lange Straße 36 26655 Westerstede Amtsleiter Dr. H.-G. Dahmen Die einzelnen Kapitel entstanden in den Abteilungen jugendärztlicher Dienst, jugendzahnärztlicher Dienst, allgemeiner Sozialdienst, Gesundheitsaufsicht und amtsärztlicher Dienst. Die ersten Beiträge Kindergesundheitsvorsorge, dem Impf- und Infektionsschutz und der Zahngesundheit wurden von den Kinderärztinnen, der Jugendzahnärztin, den Gesundheitsassistenten und dem stellv. Amtsarzt verfasst. Im abschließenden Kapitel wird die Sprachheilberatung im Landkreis von den beiden SozialarbeiterInnen des Gesundheitsamtes und dem Landesfachberater Herrn Manfred Flöther dargestellt. Herr Flöther kann aus seiner Erfahrung aus den Sprechtagen in der gesamten Nordwestregion auch einen vergleichenden Blick „von außen“ auf die Sprachheilberatung im Ammerland werfen. Diese von Landkreis und Land gemeinsam angebotene Dienstleistung und die in diesem Bereich wichtige Vernetzung mit den therapeutischen Versorgungseinrichtungen des Ammerlandes wird in diesem Kapitel bewusst etwas ausführlicher dargestellt. Verfasser: Dr. Dorothee Adelmann Dr. Bernadette Luttmann Annerose Weiser Hartwig Martens Dieter Witting StD Manfred Flöther Kinderärztin Kinderärztin und Ärztin f. Allgemeinmedizin Jugendzahnärztin Gesundheitsassistent Gesundheitsassistent Fachberater für Hör- und Sprachgeschädigte im landesärztlichen Dienst Birgit Gravel-Biedermann Diplom-Sozialpädagogin Ludger Staufenbiel Diplom-Sozialpädagoge Gesamtredaktion: Dr. Elmar Vogelsang Westerstede, Februar 2006 2 Stellvertretender Amtsarzt Über diesen Bericht Wie steht es um unsere Gesundheit? Ist unser Versorgungsnetz ausreichend? Werden die Hilfen und Vorsorgeangebote in Anspruch genommen? Wo bestehen Defizite und wo ist noch etwas zu tun? Auf diese und andere Fragen zur Gesundheit und zur Versorgung der Bevölkerung soll die Gesundheitsberichterstattung Auskunft geben. In der Vergangenheit wurden Daten zur Gesundheit vom öffentlichen Gesundheitsdienst meist gesammelt und weitergegeben, ohne dass der Bürger erfuhr, was mit diesen Daten geschah und meist auch ohne für ihn erkennbaren Nutzen. Moderne Gesundheitsberichterstattung (GBE) soll dagegen bürgerorientiert sein. Die Informationen sollen nicht nur für Experten, sondern allgemein verständlich dargestellt werden und auch möglichst öffentlich zugänglich sein. Gerade letzteres ist im heutigen „Internetzeitalter“ sehr viel einfacher geworden. Dem Bürger sollen damit die über ihn gesammelten Daten in gewisser Weise „zurückgegeben“ werden. Auf Bundes- und Landesebene wird die Gesundheitsberichterstattung vom Robert-KochInstitut und dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt wahrgenommen. Diese veröffentlichen Berichte und Auswertungen zu Gesundheitsthemen und stellen sie zusätzlich der Öffentlichkeit auch elektronisch zur Verfügung. Gesundheitsberichterstattung soll aber auch kommunal orientiert sein. Im aktuellen Entwurf des niedersächsischen Gesundheitsdienstgesetzes wird die Gesundheitsberichterstattung als „Bewertung und Beschreibung der gesundheitlichen Verhältnisse der Bevölkerung der Landkreise und kreisfreien Städte“ als kommunale Aufgabe definiert. Kommunale Gesundheitsberichterstattung soll Informationen zur Gesundheit und Gesundheitsversorgung in der Kommune darstellen und Empfehlungen geben, wo etwas zu verbessern ist. In den letzten Jahren sind bereits in einigen niedersächsischen Städten und Landkreisen kommunale Gesundheitsberichte zu verschiedenen Themen erschienen. Mit dem vorliegenden Bericht zur Kindergesundheitsvorsorge soll auch im Landkreis Ammerland ein erster Schritt in diese Richtung versucht werden. Dr. Hans-Gerd Dahmen Amtsleiter Dr. Elmar Vogelsang Gesundheitsberichterstattung 3 Zusammenfassung Der vorliegende Bericht befasst sich mit der Gesundheitsvorsorge für Kinder und Jugendliche im Landkreis Ammerland. Diese hat in einem Landkreis, dessen Bevölkerungsstruktur besonders von jungen Familien geprägt ist, besondere Bedeutung. Die dargestellten Daten entstammen den einzelnen Abteilungen des Gesundheitsamtes, aus den Sprechtagen und den flächendeckenden, ganze Jahrgänge umfassenden Untersuchungen und Erhebungen. Im ersten Beitrag werden die Inanspruchnahme der Kindervorsorgeuntersuchungen und die Ergebnisse der Untersuchungen von Hör- und Sehvermögen der Ammerländer Einschüler dargestellt: Die Inanspruchnahme der U1-U9-Vorsorgeuntersuchungen ist im Ammerland recht hoch mit durchschnittlich deutlich über 90%. Sie liegt damit über dem Landesdurchschnitt. Allerdings werden im Kindergartenalter nicht mehr alle Kinder bei den U-Untersuchungen vorgestellt. Gerade bei den Kindern, die auch bei den Schuleingangsuntersuchungen des Gesundheitsamtes Auffälligkeiten zeigen, ist die Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen am niedrigsten. Hier ist eine weitere Steigerung anzustreben. Der Anteil auffälliger Befunde bei den Seh- und Hörprüfungen der Schuleingangsuntersuchungen bestätigt die Entscheidung, mit diesen Untersuchungen schon früher, bereits im Herbst des vorangehenden Jahres zu beginnen, so dass im Durchschnitt mehr Zeit für weitere fachärztliche Abklärung und ggf. für die Verordnung und Gewöhnung von Seh- oder Hörhilfen noch rechtzeitig vor Schulbeginn bleibt. Das nächste Kapitel befasst sich ausführlich mit dem Impfschutz der Einschüler und der 6Klässler, der im vergangenen Jahr in einer Erhebung in allen weiterführenden Schulen überprüft worden war: Mit Ausnahme der Hepatitis-B–Impfung weisen die Ammerländer Einschüler mit durchschnittlich 95% eine gute bis sehr gute Grundimmunisierung bei allen öffentlich empfohlenen Impfungen auf. Bei allen Impfungen liegt das Ammerland im Landesdurchschnitt oder darüber. Allerdings wurde auch festgestellt, dass zwar 95 % der Einschüler einmalig gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft sind, jedoch nur rund 80% auch die zweite empfohlene Impfung erhalten haben. Dies bietet zwar einen guten „Populationsschutz“ des Ammerlandes, wie sich bei Masernausbrüchen im Nordwesten zeigte. Für einen sicheren „Individualschutz“ der Geimpften wird jedoch eine zweite Impfung empfohlen. Auch die Impfraten der Hepatitis-B-Impfung sind nach Einführung der Impfung vor 10 Jahren rasch angestiegen. Sie liegen sogar geringfügig über dem Landesdurchschnitt. Dennoch waren 11% der Einschüler und rund 30% der 6.-Klässler noch nicht geimpft. Gerade bei letzteren ist das baldige Nachholen der Impfung gegen die u. a. durch sexuelle Kontakte übertragene Erkrankung wichtig, weil diese Kinder kurz vor der Pubertät und Adoleszenz stehen. Bei 17 % der 6-Klässler war die im Impfkalender vorgesehen Tetanus-DiphtherieAuffrischimpfung noch nicht durchgeführt. Da in diesem Alter keine festen VorsorgeUntersuchungen vorgesehen sind, bei denen der auch der Impfstatus überprüft wird, sollte jeder Arztbesuch von Schulkindern hierzu genutzt werden. Zum Thema Infektionsschutz wird anschließend die Umsetzung eines landesweiten Influenza-Überwachungssystemes in Ammerländer Kindergärten beschrieben. 4 In keinem medizinischen Bereich ist die Bedeutung von Prävention durch Gesundheitsverhalten, Ernährung und Vorsorgeuntersuchungen so augenfällig wie bei der Zahngesundheit der Kinder, wie sie in dem dann folgenden Beitrag beschrieben wird: Während in den Kindergärten der Anteil zahngesunder Kinder in den vergangenen sieben Jahren nahezu unverändert blieb, hat sich die Zahngesundheit der Ammerländer Schulkinder in diesem Zeitraum erkennbar verbessert. So hat der Anteil primär zahngesunder Kinder in Grundschulen um ein Sechstel und in Sonderschulen sogar um ein Drittel zugenommen. Bei den Schulkindern fiel allerdings auch auf, dass in den vergangenen Jahren der Anteil der Kinder mit sanierungsbedürftigen Zähnen gestiegen ist und der Anteil der Kinder mit bereits sanierten Zähnen in nahezu gleichem Maße abgenommen hat. Hier sollte ein Ziel für die nächsten Jahre sein, dass möglichst alle Kinder regelmäßig, am besten zweimal jährlich zu ihrem Zahnarzt gehen, um den Anteil kariöser und noch nicht sanierter Zahndefekte wieder zu reduzieren. Im Ernährungsverhalten und in der Mundhygiene der Schulkinder bestehen noch Defizite. Auch hier sind durch Aufklärung und Gesundheitserziehung Verbesserungen anzustreben. Auswertungen aus der Sprachheilberatung im Gesundheitsamt zeigen, dass im Vergleich zu den landesweiten Zahlen im Ammerland der Anteil der in der Sprachheilberatung empfohlenen ambulanten Therapie- und Fördermaßnahmen deutlich höher, der Anteil teilstationärer und stationärer Maßnahmen deutlich niedriger ist als in Gesamtniedersachsen. Hier spielt aus der Sicht und Erfahrung des im gesamten Nordwesten tätigen Landessprachheilberaters M. Flöther die hohe Vernetzung und enge Kooperation aller therapeutisch Beteiligten im Ammerland eine wesentliche Rolle, so dass Störungen relativ früh erkannt und therapiert werden können. Ziel für die Zukunft sollte sein Hör- und Sprachstörungen noch früher zu erfassen, um auch zukünftig nicht nur die Zahl (kostenträchtiger) Maßnahmen zu vermindern, sondern bedauerliche Persönlichkeitsentwicklungen mit Leid und Unglück bei den Betroffenen zu vermeiden. Die sprachtherapeutische Versorgung im Ammerland mit niedergelassenen logopädischen Praxen ist in seiner Dichte und Erreichbarkeit recht gut. Die ambulante Betreuung wird bei Bedarf von der teilstationären Versorgung in den Sprachheilkindergärten ergänzt. Im Übergang zur Schule bietet sich die Sprachheilklasse in Rostrup an, deren Einzugsbereich das gesamte Ammerland umfasst. Zusammenfassend ist in den dargestellten Bereichen die Versorgung und die Inanspruchnahme der Vorsorgeleistungen gut und liegt -soweit Vergleiche möglich sindmeist im Landesdurchschnitt oder häufig auch darüber. In vielen Βereichen war in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung (Impfraten, Zahnstatus der Schulkinder) zu verzeichnen. Allerdings bestehen in einigen Bereichen auch Defizite. Diese werden beschrieben und es werden Empfehlungen zur Verbesserung gegeben. 5 1. Altersstruktur der Ammerländer Bevölkerung Die Altersstruktur des Ammerlandes ist wie in ganz Deutschland geprägt durch die geschichtlichen gesellschaftlichen Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts. Ähnlich wie die Alterspyramide Niedersachsens zeigt auch die des Ammerlandes im Bereich der Älteren die typischen durch den Zweiten und auch noch den Ersten Weltkrieg bedingten Kerbungen und Jahrgangsausdünnungen. Bei den mittleren Altersklassen ist eine deutliche „Bauch-Bildung“ der 35- bis 45-jährigen, der in den fruchtbaren 60er Jahren geborenen sog. „geburtenstarken“ Jahrgänge zu erkennen. Ab 1970 ist dann der Effekt des sog. „Pillenknickes“ festzustellen mit einer deutlichen Abnahme der Jahrgangsstärken. Dann folgen wieder stärkere Jahrgänge der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren. Im Vergleich zeigen sich allerdings Unterschiede zwischen der Alterspyramide des Ammerlandes und Gesamtniedersachsens. Im Ammerland ist bei den 20- bis 30-jährigen eine stärkere Taillenbildung zu erkennen als in ganz Niedersachsen. Hier kann eine Rolle spielen, dass in dieser Altersklasse häufig aus persönlichen (mehr Freizeitmöglichkeiten in Großstädten) und beruflichen Gründen (Studium etc.) die ländlichen Gebiete verlassen werden. Umgekehrt ist es im Bereich der Kinder und Jugendlichen (5 bis 15 Jahre). Hier zeigt die Alterspyramide des Ammerlandes mit vergleichsweise starken Jahrgängen eine ähnliche Bauchbildung wie bei den 35- bis 45-jährigen. Beides ist Ausdruck des höheren Anteiles junger Familien im Ammerland. Zusammenfassend ist die Altersstruktur des Ammerlandes stärker als die anderer Regionen von Familien mit ihren Kindern geprägt. Thema dieses ersten Gesundheitsberichtes ist daher die Gesundheitsvorsorge für Kinder und Jugendliche im Ammerland. Alterspyramide Niedersachsen 2004 Jahrgänge 0-85 Alterspyramide Ammerland 2004 Jahrgänge 0-85 80 80 70 70 60 60 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 -1200 6 -700 -200 Männer 300 Frauen 800 1300 -80000 -60000 -40000 -20000 Männer 0 20000 40000 Frauen 60000 80000 2. Vorsorgeuntersuchungen D. Adelmann, B. Luttmann, E. Vogelsang 2.1. Schuleingangsuntersuchungen des Gesundheitsamtes: Zum Einschulungsjahr 2004 wurde das bisherige System der Schuleingangsuntersuchungen, bei denen bis dahin alle Kinder – auch die unauffälligen – kinderärztlich untersucht wurden (standardisiert nach dem „Weser-Ems-Modell“) umgestellt auf eine Kombination eines vorangehenden Screeningverfahrens im Kindergarten und anschließender kinderärztlicher Untersuchungen eines Teiles der Kinder im Gesundheitsamt. Kennzeichen des neuen Verfahrens sind: • Beginn der Untersuchungen bereits nach den Sommerferien, so dass vor der Einschulung noch mehr Zeit zum Ausgleich etwaiger Einschränkungen (ggf. Brillenverordnung/-anpassung, audiologische Diagnostik, Fördermaßnahmen wie Ergotherapie etc) zur Verfügung steht. • Durchführung eines Basis-Screenings durch Arzthelferinnen bei allen Einschulungskindern. Dabei erfolgen Hör- und Sehteste, orientierende Testungen von Sprachfähigkeit, allgemeiner Entwicklung, Motorik und Koordination sowie die Überprüfung des Impfschutzes. • Kinderärztliche Untersuchungen der Kinder, die im Basis-Screening schulrelevante Auffälligkeiten zeigten oder auf Grund der Hinweise von Eltern und Erzieherinnen. Auch alle „Integrationskinder“ (Besuch einer Integrationsgruppe im Kindergarten) werden kinderärztlich untersucht. Im Folgenden werden aus diesen Untersuchungen die Daten zur Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen, die festgestellten Hör- und Sehstörungen und der Impfschutz dargestellt. 2.2. Teilnahme an den U1- U9- Untersuchungen: Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern (U1 – U9 im Vorschulalter und die J1 für 12 bis 14-Jährige) dienen der frühzeitigen Erkennung von Krankheiten, die die Entwicklung des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen in körperlicher oder psychischer Hinsicht gefährden. Das Krankheits-Früherkennungsprogramm für Kinder gehört bereits seit 1971 zu den gesetzlichen Leistungen. Die Untersuchungen dienen der Erkennung von (angeborenen und später erworbenen) Erkrankungen, Fehlbildungen sowie der Beurteilung der körperlichen und psychischen Entwicklung. Neben einem Seh- und Hörtest werden die Motorik und die Sprachentwicklung der Kinder beurteilt. Fragen der Ernährung und der Pflege können mit den Eltern erörtert werden, außerdem kann die Untersuchung mit anderen präventiven Maßnahmen (Impfungen) verbunden werden. Gerade die U8 und die U9 sind außerordentlich wichtig, da Entwicklungsstörungen, z.B. von Sprache und Motorik, noch rechtzeitig vor Schulbeginn ausgeglichen oder gemindert werden können. Geschieht dies nicht, sind diese Kinder schon bei Schulbeginn benachteiligt. Es besteht die Gefahr, dass diese Kinder eine schulische Entwicklung unterhalb ihrer eigentlichen Fähigkeiten durchlaufen. 7 Kindervorsorgeuntersuchungen im Überblick Empfohlener Zeitpunkt Untersuchungsschwerpunkte U1 Geburt Beurteilung von Vitalität, Reifezeichen und Fehlbildungen U2 3.-10. Lebenstag Stoffwechselscreening, Fehlbildungen, Ernährungsberatung U3 4.-6. Woche Gedeihen, Verhalten, Interaktionsprobleme U4 3.-4. Lebensmonat U5 6.-7. Lebensmonat U6 10.-12. Lebensmonat U7 21.-24. Lebensmonat Entwicklungsstörungen, evtl. Erfassung möglicher Seh- und Hörstörungen, Impfungen Entwicklungsstörungen, Seh- und Hörstörungen, Interaktionsprobleme, Impfungen Sprachentwicklung, stato- und psychomotorische Entwicklungsverzögerungen/ -störungen, Impfungen Entwicklungsverzögerungen, Sprachentwicklungsstörungen, Impfungen U8 42.-48. Lebensmonat U9 60.-64. Lebensmonat J1 13. - 14 Lebensjahr Motorische Störungen, Sprachentwicklungs- u. Teilleistungsstörungen, Hör- und Sehstörungen, Impfungen Teilleistungsstörungen, Sprachentwicklungsstörungen, Fehlfunktion der Sinnesorgane, Impfungen Pubertätsstatus, körperliche/psychosoziale Gesundheit, Impfungen Situation im Ammerland: Die U1 findet direkt nach der Geburt noch im Kreissaal statt und dient der Überprüfung der Lebensfähigkeit und der Feststellung grober Missbildungen. Sie erfolgt nach jeder Lebendgeburt. Auch die U2 (3. – 10 Tag) wird noch zum Teil im Krankenhaus durchgeführt. U-Untersuchungen bei Einschülern mit Vorsorgeheft* *die Zahlen für die U9 im Ammerland liegen tatsächlich etwas höher, weil sich der Beginn der Einschulungsuntersuchungen und das Ende der U9 hier überschneiden 100% 95% 90% 85% 80% 75% 70% 65% 60% U2 U3 U4 U5 U6 U7 U8 U9 Ammerland 2005 98,3% 98,0% 97,9% 98,0% 96,6% 94,9% 91,9% 92,7% Niedersachsen 2003 98,5% 97,9% 97,3% 96,3% 96,1% 93,4% 88,7% 84,8% Daten Niedersachsen 2003: Elke Bruns-Philipps, NLGA; Iris Bunzendahl, LVG 8 Die weiteren U-Untersuchungen erfolgen im ambulanten Bereich, bei den Kinderärzten und Hausärzten. Im ersten Lebenshalbjahr ist im Ammerland die Teilnahme an den U3 – U5 Untersuchungen mit 98% noch fast vollständig. Mit der Vollendung des ersten Lebensjahres zeigt sich jedoch eine leicht abnehmende Tendenz. Mehr als 8% der Vierjährigen werden nicht mehr zur U8-Untersuchungen vorgestellt. Dies ist im Landesvergleich noch gut (im Landesdurchschnitt versäumen mehr als 11% der Kinder die U8). Diese Kinder versäumen aber die in diesem Alter wichtigen Hör- und Sehprüfungen, was Voraussetzung für eine rechtzeitige Korrektur und den Erhalt der Sinnesfunktionen ist. Die Teilnahme an der U9 bei den Fünfjährigen zeigt wieder eine leichte Zunahme gegenüber der U8. Da sich der Zeitraum der U9 mit dem Beginn der ESU überschneidet, liegt die tatsächliche Zahl der Kinder mit U9 etwas höher als in der Graphik dargestellt. Zwischen den Gemeinden des Ammerlandes zeigen sich keine wesentlichen Unterschiede. In der folgenden Tabelle wurde die U9 herausgelassen, da diese sich in einigen Kommunen mit dem Beginn der Schuleingangsuntersuchungen des Gesundheitsamtes zeitlich noch überschnitt. U2 Apen Westerstede Bad Zw.-ahn Wiefelstede Rastede Edewecht U3 98% 97% 98% 97% 100% 100% U4 99% 97% 98% 97% 98% 99% U5 98% 96% 98% 96% 93% 99% U6 U7 98% 97% 98% 98% 98% 100% 96% 94% 98% 96% 99% 98% U8 94% 94% 95% 97% 97% 97% 94% 91% 93% 93% 91% 93% In der folgenden Graphik ist die Inanspruchnahme der U3- bis U9- Untersuchungen nach den Untersuchungsgruppen der Schuleingangsuntersuchungen dargestellt. Teilnahme an U3 - U9 nach den Untersuchungsgruppen der Einschulungsuntersuchungen Screening I-Kinder Kinderärztin U6 U7 100% 95% 90% 85% 80% 75% 70% 65% 60% U3 U4 U5 U8 U9 In der Gruppe „Screening“ sind die Kinder, die im Screeningverfahren unauffällig blieben und bei denen keine weitere Untersuchung durch die Kinderärztinnen erfolgte (1096 Kinder). In der Gruppe „I-Kinder“ sind die Kinder, die aufgrund einer bereits bekannten Beeinträchtigung eine Integrationsgruppe in den Kindergärten besuchten. Diese Kinder wurden über das Screening hinaus im Gesundheitsamt kinderärztlich untersucht (33 Kinder). 9 In der Gruppe „Kinderärztin“ sind alle Kinder, bei denen sich aus dem Screening Auffälligkeiten ergaben, die ebenfalls einer weiteren kinderärztlichen Abklärung im Gesundheitsamt bedurften (240 Kinder). Es zeigt sich, dass bei den „nicht auffälligen“ Kindern der Screening-Gruppe die Vorsorgeuntersuchungen zwar im Kindergartenalter leicht abnehmen, aber bei allen Untersuchungen deutlich über 90% liegen. Bei den I-Kindern ist Rückgang der Teilnahme an den U6- und U7- Untersuchungen bis auf 90% zu erkennen. Im Kindergartenalter nimmt die Teilnahme an den dann anstehenden U8 und U9 allerdings wieder zu und erreicht etwa den Anteil der „Screening-Kinder“. Auffällig ist ein deutlicher Rückgang der Teilnahme an den U-Untersuchungen der Kinder in der „Kinderärztinnen-Gruppe“. Gerade bei diesen im Screening auffälligen Kindern nimmt im Kindergartenalter die Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen U8 und U9 auf 81% bzw. 89% ab. Dies zeigt, dass gerade in der Gruppe der auffälligen Kinder die Inanspruchnahme der vorangehenden Vorsorgeuntersuchungen zu niedrig war. Rund 80% der U3- bis U9-Untersuchungen im Ammerland werden von Kinderärzten, rund 20% von den Hausärzten durchgeführt. Inanspruchnahme von Kinderärzten und Hausärzten bei U3 - U9 Kinderärzte Hausärzte 100% 90% 18% 20% 35% 80% 10% 26% 28% 74% 72% 70% 60% 50% 40% 82% 80% 65% 30% 90% 20% 10% ec ht Ed ew as te de R W ie fe ls te de W es te rs te de B. Zw is ch en ah n Ap en 0% Die Kinderarztpraxen sind im Ammerland ungleich verteilt. So gibt es in vier Kommunen neben den Hausärzten eine oder auch zwei Kinderarztpraxen (Bad Zwischenahn zwei, in Westerstede, Edewecht, Wiefelstede jeweils eine), in zwei Kommunen (Apen, Rastede) gibt es keine Kinderarztpraxis. Gleichwohl zeigen sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Kommunen in der Wahl der Ärzte für die U-Untersuchungen. Demnach sind persönliche Präferenzen wohl ausschlaggebender als die örtliche Verfügbarkeit der Ärzte. 10 Fazit: • Die Teilnahme an U-Untersuchungen ist im Ammerland hoch und liegt über dem Landesdurchschnitt. Gleichwohl ist zu erkennen, dass im Kindergartenalter nicht mehr alle Kinder bei den U-Untersuchungen vorgestellt werden. • Die Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen ist gerade bei den Kindern am niedrigsten, bei denen sich bereits im Screening der Schuleingangsuntersuchungen auffällige Befunde zeigten. Empfehlungen: Von den „Meinungsbildnern“ (Haus- und Kinderärzte, Erzieherinnen und Einrichtungen wie Krankenkassen, Gesundheitsamt etc.) sollte auf die Bedeutung der U-Untersuchungen gerade im Kindergartenalter hingewiesen werden, um hier eine noch höhere Inanspruchnahme zu erreichen. Gerade bei Auffälligkeiten sollte auf eine enge haus- /kinderärztliche Betreuung hingewirkt werden. 2.3. Seh- und Hörvermögen bei Ammerländer Einschülern: Bei den Schuleingangsuntersuchungen des Gesundheitsamtes werden die Einschüler standardisiert auf ihre Sehschärfe (Visus), eventuelle Schielfehlstellungen und das Farbsehvermögen hin untersucht. Einen Überblick über die festgestellten Auffälligkeiten gibt die folgende Tabelle: Schuleingangsuntersuchung 2005 Sehschärfe Schielen Farbensehen Gesamt 27,4% 1,5% 2,3% A 21,4% 0,8% B 6,0% 0,7% Gesamt: Gesamtanteil auffälliger Befunde; A: Abklärung erforderlich B: in augenärztlicher Behandlung mit ausreichender Brillenversorgung Bei rund einem Viertel der Einschüler wurden bei der Visusprüfung auffällige Befunde festgestellt. Auffällig ist hier ein hoher Anteil an Befunden, die noch einer weiteren augenärztlichen Abklärung, einer Brillenverordnung oder Brillenanpassung bedürfen. Die Zahl abklärungsbedürftiger Befunde bei der Sehschärfenbestimmung bestätigt das Vorgehen, die Schuleingangsuntersuchungen möglichst frühzeitig durchzuführen. So steht mehr Zeit für augenärztliche Untersuchung und Brillenanpassung zur Verfügung, so dass die Kinder erforderliche Sehhilfen bereits zum Schulbeginn haben und sich auch bereits daran gewöhnen können. Bei Kindern mit stärkeren Visusstörungen sollte die Diagnose und die Brillenanpassung möglichst früh und nicht erst bei der Schuleingangsuntersuchung erfolgen. Das Sehvermögen wird in den ersten Lebensjahren „erlernt“. Auffällige Befunde wie herabhängende Lider mit Verlegung der Pupille, Verdacht auf Schielen oder Augenzittern sollten umgehend einer weitergehenden Diagnostik durch den Augenarzt Anlass geben. Ziel sollte daher das möglichst frühzeitige Erkennen der Sehschwächen sein. 11 Bei knapp 6% der Ammerländer Einschüler wurden Einschränkungen des Hörvermögens festgestellt: Anteil auffälliger Befunde bei den Hörprüfungen von Einschülern: Gesamt A B L Ammerland 2005 5,9% 5,4% 0,3% 0,1 Gesamt: Gesamtanteil auffälliger Befunde; A: Abklärung erforderlich B: wird bereits behandelt L: gehörlose Kinder, Hörhilfe notwendig, Regelbeschulung aus diesem Grund erschwert oder unmöglich Auch diese Zahlen unterstreichen, dass es richtig ist, die Einschüler nicht kurz vor der Einschulung, sondern bereits im Jahresverlauf vorher zu screenen, dann vor der Einschulung bereits die erforderliche Diagnostik und Therapie einzuleiten, damit die Einschüler nicht bereits zu Schulbeginn wegen Hörschwierigkeiten Schiffbruch erleiden. Auch das Hören wird wie das Sehen in den ersten Lebensjahren, ja sogar Lebensmonaten erlernt. Auch hier sollen gravierende Störungen möglichst früh festgestellt werden, um bleibenden Schäden vorzubeugen. Hierbei sollte den Eltern große Beachtung geschenkt werden. Außerdem könnte die Einführung eines generellen Neugeborenen-Hörscreenings die Situation entscheidend verbessern. Empfehlungen: Einschränkungen des Sehvermögens sollen möglichst frühzeitig erkannt und behandelt werden, um bleibenden Sehstörungen vorzubeugen. Hierzu dienen die Vorsorgeuntersuchungen. Schon bei ersten Hinweisen sollte eine augenärztliche Untersuchung mit objektiver Refraktionsbestimmung erfolgen. Auch Hörstörungen sollen möglichst früh erkannt und behandelt werden, um bleibenden Beeinträchtigungen vorzubeugen. Hier ist ein enges Zusammenwirken von Geburtskliniken, Eltern, Kinder- und Hausärzten und den HNO-Ärzten bedeutungsvoll, um Einschränkungen früh zu erkennen und eine geeignete Behandlung einzuleiten. 12 3. Impf- und Infektionsschutz 3.1. Impfschutz D. Adelmann, B. Luttmann, E. Vogelsang Impfungen sind eine der wichtigsten präventiven Maßnahmen für die Gesundheit der Kinder. Weltweit gehören Infektionskrankheiten wie beispielsweise die Masern immer noch zu den häufigsten Todesursachen im Kindesalter. Auch im Ammerland kam es beispielsweise bis zur Einführung der HIB-Impfung immer wieder zu schwer verlaufenden Hirnhautentzündungen durch diesen Erreger (HIB = Hämophilus influenzae B). Im Jahr 2003 kam es noch bei einem Erwachsenen zu einem Tetanus-Todesfall durch eine infizierte Wunde. Die Kinderimpfungen werden sinnvollerweise nach einem festen Schema, dem „Impfkalender“ der Ständigen Impfkommission (STIKO) durchgeführt (s. Schema unten). Ein großer Fortschritt war in den vergangenen Jahren die Einführung moderner Mehrfachimpfstoffe, die für die kleinen Patienten angenehmer (weniger Stiche) sind und das Erreichen eines vollständigen Impfschutzes der Kinder erleichtern. Impfkalender für Kinder und Jugendliche Stand 2006 2 Grundimmunisierung Alter in Monaten 3 4 11-14 Tetanus n n n n n n Diphterie n n n n n n Keuchhusten n n n n n n Kinderlähmung n n n n Hib n n n n Hepatitis B n n n n Kombi.Impfstoffe Kombi.-Impfstoffe Impfung gegen 15-23 Auffrischung Alter in Jahren 5-8 9-17 n N Masern n n Mumps n n Röteln n n Windpocken n n Impfung, n Impfung kann entfallen bei Impfstoffen ohne Keuchhusten-Komponente, N Nachholen der Grundimmunisierung, wenn bisher nicht erfolgt Auf den folgenden Seiten wird der Impfschutz der Ammerländer Einschüler, zum Teil auch der 6-Klässler, dargestellt. Grundlage hierfür sind die bei den Einschulungsuntersuchungen 2005 und der vorangegangenen Jahre und die bei einer Impfpassleseaktion in allen 6. Klassen des Ammerlandes im Frühjahr 2005 erhobenen Daten. 13 Erläuterungen zu den dargestellten Impfdaten: Einschulungsuntersuchungen: Im Rahmen der Einschulungsuntersuchungen 2004/2005 wurden insgesamt 1369 Kinder untersucht. Bei 1275 Kindern (93,1%) lag der Impfpass vor und konnte überprüft werden. Die dargestellten Impfraten beziehen sich daher nur auf die Kinder mit Impfpass, nicht auf die absolute Anzahl der Einschüler. Erfasst wurde die Immunisierung gegen alle Impfungen gemäß Impfkalender der STIKO, mit Ausnahme der Varizellen-Impfung, da diese erst jetzt in die Impfempfehlungen aufgenommen wurde. Auch die früheren Impfungen gegen Tuberkulose sind nicht mehr erfasst. Impfungen gegen Tuberkulose werden seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr durchgeführt. Diese Impfung bot nur einen eingeschränkten Schutz. Auch kann die Erkrankung bei Nichtgeimpften besser durch Hautteste erkannt werden Zum Vergleich der Ammerländer Impfdaten mit denen Niedersachsens wurde auf die Daten von 2004 zurückgegriffen, da die Impfdaten 2005 für ganz Niedersachsen noch nicht vorliegen. Zum Vergleich und zur Darstellung der Entwicklung werden auch jeweils die Impfdaten im Zeitverlauf von 1987 bis 2005 dargestellt. Für das Jahr 2003 liegen keine Daten vor. Aufgrund der Umstellung der Einschulungsuntersuchungen auf ein neues Untersuchungssystem war in diesem Jahr die statistische Datenerfassung nicht zu leisten. Vorrang hatten die Untersuchung der Kinder und die Schulempfehlungen. Impfpassleseaktion 2005 in den 6. Klassen: In allen 6. Klassen des Ammerlandes wurde im Mai 2005 eine freiwillige Überprüfung der Impfpässe durchgeführt. Insgesamt wurden von 941 (73 %) der insgesamt 1.284 Ammerländer 6-Klässler die Impfpässe vorgelegt und vom Gesundheitsamt überprüft. Auch hier werden die Impfraten auf die Kinder bezogen, die einen Impfpass vorlegten. Nach einem Anschreiben an die Eltern wurden von den Lehrern die Impfpässe eingesammelt und im Gesundheitsamt überprüft. Jeder Schüler erhielt ein Schreiben des Gesundheitsamtes, in dem die Vollständigkeit des Impfschutzes festgestellt oder die Durchführung noch fehlender bzw. jetzt anstehender Impfungen empfohlen wurde. Die Aktion diente vorrangig der Verbesserung des individuellen Impfschutzes der Schüler. Im Einzelnen wurden noch einmal der bereits in den Einschulungsuntersuchungen überprüfte Grundimmunisierungsschutz überprüft, insbesondere aber die für das 5. und 6. Lebensjahr vorgesehenen Auffrischungsimpfungen (Tetanus und Diphtherie). Ein besonderes Anliegen der Aktion war auch die Überprüfung des Hepatitis B-Impfschutzes kurz vor der Pubertät, da dies die häufigste durch Geschlechtsverkehr übertragene Erkrankung ist. Aus den Ergebnissen der Impfpassleseaktion werden im Folgenden die Vollständigkeit des Impfschutzes gegen Tetanus und Diphtherie (definiert als vollständige Grundimmunisierung plus Auffrischimpfung im 5. bis 6. Lebensjahr) und gegen Hepatitis B dargestellt. Eine räumliche Darstellung erfolgt nach den Schulbezirken des Ammerlandes (WesterstedeApen, Bad Zwischenahn-Edewecht, Rastede-Wiefelstede). 14 Hepatitis B: Hepatitis-B-Impfschutz bei Einschülern im Ammerland 1987-2005 Steckbrief Hepatitis B 100 90 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 Erreger: Hepatitis-B-Virus (nur Mensch) Impfschutz bei Einschülern Ammerland 2005 Niedersachsen 2004 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 Impfung: Ab 1.Lebenstag möglich. 1989 1987 Erkrankung: Leberentzündung mit Gelbsucht, häufig chronisch (Leberzirrhose, Leberkrebs). Behandlung: antivirale Therapie 1988 Infektionsweg: Blutkontakte, Geschlechtsverkehr u. a. durch Blut, Speichel, Sperma 89% 88% Allgemein: Die Hepatitis B gehört zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Die Erkrankung führt mehrere Wochen nach Infektion zu einer Leberentzündung, kann aber auch symptomlos verlaufen. Häufig (bei Säuglingen in 90% der Fälle) entwickelt sich später aber eine chronische Hepatitis B, die zu Leberzirrhose und zu Leberkrebs führen kann. Situation im Ammerland: Seit Einführung der Hepatitis-B als Kinderregelimpfung 1995 ist die Durchimpfung der Ammerländer Einschüler kontinuierlich von rund 50% auf jetzt 89% im Jahr 2005 angestiegen. Da die Hepatis-B-Impfung bereits seit einigen Jahren als MehrfachKombinationsimpfstoff angeboten wird, ist eine weitere Zunahme zu erwarten. Auch wenn das Ammerland bei den Einschülern im Landesdurchschnitt liegt, ist die derzeitige Durchimpfung von unter 90% noch zu niedrig. Deutliche Defizite wurden bei den 6.-Klässlern festgestellt, bei deren Geburt diese Impfung noch nicht zu den Regelimpfungen gehörte. Rund 30% dieser Kinder waren noch nicht vollständig geimpft. Empfehlungen: Da die Hepatitis B auch die häufigste durch Geschlechtsverkehr übertragene Infektionskrankheit ist, sind Anstrengungen zur Nachimpfung der noch nicht Geimpften wichtig, besonders aber der kurz vor der Pubertät stehenden Altersgruppen. Die Impfung wird von den Krankenkassen nur bis zum 18. LJ übernommen. Hepatitis-B-Vollschutz bei Einschülern 2005 Westerstede 85% Hepatitis-B-Vollschutz bei 6.-Klässlern 2005 <80% >/= 80% >/= 90% >/= 95% >/= 98% Rastede 93% Westerstede - Apen 67% Rastede Wiefelstede 63% Wiefelstede 88% Apen 94% Bad Zwischenahn 83% Bad Zwischenahn Edewecht 75% Edewecht 92% 15 Masern-1 Impfung bei Einschülern im Ammerland 1987-2005 Masern: Steckbrief Masern 100 90 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 Erreger: Masern-Virus Infektionsweg: Tröpfcheninfektion, sehr ansteckend 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1987 Impfung: Ab 11. Lebensmonat, Zweitimpfung ab 4 Wochen später. 1988 Erkrankung: Hohes Fieber, Lichtscheu, typischer Ausschlag, häufig Hirnentzündung, Lungenentzündungen u.a. Komplikationen. Behandlung: symptomatisch Allgemein: Die Masern, häufig als Einschüler mit mind. 1 Impfung „Kinderkrankheit“ verharmlost, sind Ammerland 2005 97% tatsächlich eine schwere, mit hohem Niedersachsen 2004 94% Fieber einhergehende und nicht selten zu Komplikationen und auch bleibenden Schäden führende Erkrankung. Auch langsam fortschreitende Späterkrankungen sind möglich. Die Impfung erfolgt in der Regel mit einem Dreierimpfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln. Da es bei 5-10% der Geimpften zu einer unzureichenden Antikörperbildung gegen eine der Impfkomponenten kommt, wird für einen sicheren Schutz eine Wiederholungsimpfung mindestens 4 Wochen nach der ersten Impfung empfohlen. Situation im Ammerland: Seit etwa 5 Jahren sind durchschnittlich mehr als 90 %, seit 2004 mehr als 95% der Einschüler mindestens 1x gegen Masern geimpft. Dieser „Populationsschutz“ des Ammerlandes bewährte sich bei Masernausbrüchen in Ostfriesland (s. nächste Seite). Defizite bestehen allerdings hinsichtlich des sicheren Individualschutzes. Der Anteil der Einschüler mit zwei Impfungen lag je nach Gemeinde bei lediglich 65% bis 87 %. Eine Ursache hierfür mögen die in den vergangenen Jahren geänderten offiziellen Empfehlungen hinsichtlich des optimalen Zeitpunktes für eine zweite Impfung sein. Empfehlungen: Da Masernerkrankungen auch bei älteren Kindern zu schweren Verläufen und Komplikationen führen können, sollte bei allen U-Untersuchungen und auch später in der Schulzeit noch einmal der Impfschutz überprüft und sollten fehlende Zweitimpfungen nachgeholt werden. Masern-1 Impfung bei Einschülern 2005 Masern-2 Impfungen bei Einschülern 2005 <80% >/= 80% >/= 90% >/= 95% >/= 98% Westerstede 97% Westerstede 73% Rastede 72% Rastede 96% Wiefelstede 96% Apen 98% Bad Zwischenahn 96% Edewecht 99% 16 Wiefelstede 65% Apen 87% Bad Zwischenahn 77% Edewecht 85% Rückblick: „Populationsschutz“ bei Masernausbrüchen im Nordwesten Impfungen schützen nicht nur den Einzelnen vor Erkrankung, sie können darüber hinaus auch das Zirkulieren einer ansteckenden Erkrankung verhindern, sofern ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung geimpft ist. Dies nennt sich Populationsschutz. Damit werden auch die geschützt, die nicht geimpft sind oder z. B. wegen medizinischer Kontraindikationen nicht geimpft werden können. Unter bestimmten Voraussetzungen (u. a. der Erreger kommt nur beim Menschen vor), kann man Infektionskrankheiten durch Impfungen auch vollständig ausrotten, wie es im vergangenen Jahrhundert im Falle der Pocken erreicht werden konnte. Dieses Ziel der vollständigen weltweiten Ausrottung hat sich die Weltgesundheitsorganisation WHO auch bei den Masern und der Kinderlähmung (Polio) gesetzt. Bei der Kinderlähmung ist man dem schon näher gekommen, bei den Masern ist man aber weltweit und auch in Deutschland noch recht weit von diesem Ziel entfernt. Die Masern sind mit einer Kontagiosität (Ansteckungsrate bei Kontakt) und einer Manifestationsrate (Erkrankungsrate Infizierter) von jeweils fast 100% eine der ansteckendsten Infektionskrankheiten. Daher fordert die WHO für Europa eine 95% Durchimpfungsrate mit zumindest einer Impfung. Diese Impfrate wurde im Ammerland erstmals bei den Einschülern 2004 und 2005 (Geburtsjahrgänge 1997 – 1999) erreicht. In den Jahren zuvor lag die Impfrate zwischen 90% und 95%. Wie wichtig ein durch hohe Impfraten erreichter Populationsschutz ist, zeigte sich in den Jahren 2001 und 2002, als es bei Masernausbrüchen im Nordwesten in zwei Erkrankungswellen zu mehr als 700, teils schweren Erkrankungen kam. Die im Ammerland bis dahin erreichten Impfraten waren jedoch bereits hoch genug, so dass im Ammerland nur vereinzelte Erkrankungen auftraten (s. Abb.). Masernausbrüche im Nordwesten 2001/2002 (Abb. NLGA) 2001 I/ 2002 17 Mumps: Mumps-1 Impfung bei Einschülern im Ammerland 1987-2005 Steckbrief Mumps Erkrankung: Mumps-Virus 100 90 Infektionsweg: Speichel, Tröpfcheninfektion 80 70 Symptome: Speicheldrüsenentzündung, Fieber, Komplikationen möglich. Behandlung: symptomatisch 60 Impfung: Ab 11. Lebensmonat, Zweitimpfung ab 4 Wochen später 20 50 % 40 30 10 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 Allgemein: Mumps ist eine meist mit schmerzhaften Speicheldrüsenschwellungen, besonders bei erwachsenen Männern auch ebenso schmerzhaften Hodenentzündungen einhergehende Erkrankung. Auch Hirnhautentzündungen sind nicht selten. 1987 0 Einschüler mit mind. 1 Impfung Ammerland 2005 97% Niedersachsen 2004 94% Röteln: Röteln-1 Impfung bei Einschülern im Ammerland 1987-2005 Steckbrief Röteln 100 90 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 Erreger: Röteln-Virus Infektionsweg: Tröpfcheninfektion Allgemein: Die Röteln-Erkrankung verläuft meist milde, kann aber zu Komplikationen (Hirnentzündung z.B.) führen. Gefürchtet sind die auch in Deutschland noch auftretenden (ca. 70/Jahr) NeugeborenenMissbildungen durch Infektionen ungeschützter Schwangerer. 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 Impfung: ab 11. Lebensmonat, Zweitimpfung ab 4 Wochen später 1987 Erkrankung: meist leichter Krankheitsverlauf, aber Missbildungen möglich bei Röteln in der Schwangerschaft. Behandlung: symptomatisch Einschüler mit mind. 1 Impfung Ammerland 2005 96% Niedersachsen 2004 92% Mumps-u. Röteln-Impfung im Ammerland: Die Impfrate der Einschüler gegen Röteln ist von unter 30 % in 1990 kontinuierlich auf jetzt über 95% angestiegen. Das liegt daran, dass die Jungen bis vor 10 Jahren meist nur gegen Masern und Mumps geimpft wurden. Seitdem sind die Impfraten für Mumps und Röteln allerdings fast identisch mit denen gegen Masern und liegen seit 1999 für die erste Impfung über 90%, seit 2004 über 95%. Jedoch bestehen hinsichtlich der Wiederholungsimpfung ebenfalls Defizite mit Impfraten von durchschnittlich unter 80%. Empfehlungen Mumps und Röteln: Die hohe Durchimpfung von Mädchen und Jungen mit jeweils zumindest einer Impfung ist unbedingt aufrechtzuerhalten. Dies ist umso wichtiger, als nur damit das Röteln-Virus weitgehend aus der Bevölkerung eliminiert werden kann. Der Anteil der Kinder mit jeweils 2 Impfungen sollte noch gesteigert werden. 18 Tetanus-Impfschutz bei Einschülern im Ammerland 1987-2005 Tetanus: Steckbrief Tetanus (Wundstarrkrampf) Erreger: Tetanus-Bakterien 100 90 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 Infektionsweg: Verschmutzte Wunden 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1987 Impfung: Ab 2. Lebensmonat, im 5.-6. Lj. und auch später regelmäßig aufzufrischen. 1988 Erkrankung: (häufig tödliche) Krämpfe der gesamten Muskulatur. Behandlung: Medikamente, chirurgisch, Intensivmedizin Allgemein: Der Tetanuserreger kommt Impfschutz bei Einschülern überall im Erdreich vor. Daher kann jede Ammerland 2005 99% verschmutzte Wunde zum WundstarrNiedersachsen 2004 95% krampf mit Krämpfen der gesamten Muskulatur bis hin zur Atemlähmung führen. Tödliche Verläufe sind trotz der modernen intensivmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten häufig. Impfschutz bei Einschülern Ammerland 2005 99% Niedersachsen 2004 95% Situation im Ammerland: Impfungen gegen Tetanus werden bei Kindern und Erwachsenen in der Regel als Zweifachimpfstoff mit Diphtherie oder als Mehrfachimpfstoff gegen weitere Erkrankungen verwandt. Im Ammerland liegt der Impfschutz der Einschüler seit über 10 Jahren bei über 95% und lag häufig auch über dem Landesdurchschnitt. Defizite zeigten sich allerdings bei der Impfpasskontrolle der 6-Klässler. 17 % der 6-Klässler hatten die für das 5. bis 6. Lebensjahr vorgesehene Auffrischimpfung noch nicht erhalten, wiesen also keinen regelrechten Impfschutz gegen Tetanus auf. Empfehlungen: Gerade im frühen Schulalter ist ein zuverlässiger Tetanusschutz besonders wichtig, da sich die Kinder häufig bei Sport und Spiel kleinere Verletzungen zuziehen. Die Eltern von Schulkindern sollten grundsätzlich im Grundschulalter noch einmal den Impfschutz ihrer Kinder vom Haus- oder Kinderarzt überprüfen lassen. Jeder Arztbesuch sollte erneut zur Überprüfung genutzt werden. Tetanus-Vollschutz bei Einschülern 2005 Tetanus-Vollschutz* bei 6-Klässlern 2005 *Grundimmunisierung + Auffrischung im 5-6.LJ <80% >/= 80% >/= 90% >/= 95% >/= 98% Westerstede 99% Rastede 98% Westerstede - Apen 78% Rastede Wiefelstede 81% Wiefelstede 97% Apen 98% Bad Zwischenahn 98% Bad Zwischenahn Edewecht 85% Edewecht 99% 19 Diphterie-Impfschutz bei Einschülern imAmmerland 1987-2005 Diphtherie: Steckbrief Diptherie 100 90 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 Erreger: Diphtheriebakterien Infektionsweg: Tröpfcheninfektion Erkrankung: Halsentzündung, Herz-, Nieren- oder Nervenbeteiligung, häufig tödlich. Behandlung: Antibiotika, Antitoxin 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Impfung: Ab 2. Lebensmonat, im 5.-6. Lj. und auch später regelmäßig aufzufrischen Allgemein: Der Diphtherieerreger kommt noch weltweit, in Europa aber nur noch sehr selten vor. Ein Nachlassen der Impfaktivität kann jedoch rasch zu erneuten Epidemien führen, wie sich vor etwa 10 Jahren in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion zeigte. Impfschutz bei Einschülern Ammerland 2005 Niedersachsen 2004 99% 95% Situation im Ammerland: Da bei der Grundimmunisierung der Kinder meist Kombinationsimpfstoffe verwandt werden, ist der Diphtherie-Impfschutz der Einschüler nahezu identisch mit dem vorangehend im Detail dargestellten Tetanus-Impfschutz. Seit über 10 Jahren liegt der Impfschutz der Einschüler bei deutlich über 90%. Allerdings bestehen auch die gleichen Defizite hinsichtlich der empfohlenen Auffrischimpfung im 5. – 6. Lebensjahr (nicht dargestellt). Impfschutz bei Einschülern Ammerland 2005 99% Niedersachsen 2004 95% Empfehlungen: Ebenso wie bei der Tetanus-Impfung muss die Vollständigkeit der Auffrischungsimpfung im 5.– 6. Lebensjahr verbessert werden. Polio-Impfschutz bei Einschülern im Ammerland 1987-2005 Polio (Kinderlähmung): Steckbrief Polio (Kinderlähmung) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Erreger: Polio-Viren Infektionsweg: Meist Schmierinfektionen über den Stuhl, selten Tröpfcheninfektionen 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 Impfung: Ab 2. Lebensmonat, im 9.-17. Lj. auffrischen. 1987 Erkrankung: Oft unbemerkter Verlauf, aber schwere, bleibende Lähmungen möglich. Behandlung: symptomatisch.. % Impfschutz bei Einschülern Allgemein: Die Kinderlähmung war eine Ammerland 2005 98% bis Mitte des letzten Jahrhunderts noch Niedersachsen 2004 96% weit verbreitete Infektionskrankheit, die häufig zu bleibenden Lähmungen führte. Die frühere Schluckimpfung wurde vor 10 Jahren durch die nebenwirkungsärmere Injektionsimpfung ersetzt, die heute meist als Kombinationsimpfung mit anderen Impfstoffen verabreicht wird. Situation im Ammerland: Ende der 80er Jahre lag der Polio-Impfschutz der Einschüler noch bei 80% oder sogar etwas darunter, dann stieg er jedoch deutlich an und liegt seit 15 Jahren bei deutlich über 90%. Empfehlungen: Der hohe Durchimpfungsgrad sollte dringend aufrechterhalten werden, bis die Kinderlähmung weltweit sicher ausgerottet ist. 20 Keuchhusten-Impfschutz bei Einschülern 1987 - 2005 Keuchhusten: Steckbrief Pertussis (Keuchhusten) 100 90 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 Erreger: Pertussis-Bakterien Infektionsweg: Tröpfcheninfektion Erkrankung: zunächst wie eine Grippe, dann wochenlange schwere Hustenanfälle. Behandlung: symptomatisch, Antibiotika 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Impfung: Ab 2. Lebensmonat, im 5.-6. und 9.-17. Lebensjahr Auffrischung Allgemein: Keuchhusten gefährdet vor allem Kleinkinder und insbesondere Impfschutz bei Einschülern Säuglinge. Bei diesen kann er zu Ammerland 2005 95% lebensbedrohlichen Hustenanfällen und Niedersachsen 2004 93% schweren Komplikationen führen. Erwachsene erkranken häufig nur leicht (wie eine Erkältung), können aber die Erkrankung auf Kleinkinder und Säuglinge weiter übertragen. Empfohlen werden eine Grundimmunisierung der Säuglinge mit 4 Impfungen ab dem 2. Lebensmonat und Auffrischimpfungen im 5. – 6. Lebensjahr (seit 2006) und im 9. – 17. Lebensjahr. Letztere dienen auch dem „Populationsschutz“, um das Zirkulieren der Keuchhustenerreger unter den älteren Kindern und Jugendlichen und damit die Übertragung auf die besonders gefährdeten Säuglinge und Kleinkinder zu reduzieren. Situation im Ammerland: Impfstoffe gegen Keuchhusten existieren schon lange, wurden aber wegen häufiger Nebenwirkungen relativ wenig geimpft. Erst mit der Verfügbarkeit besser verträglicher („azellulärer“) Impfstoffe stieg die Durchimpfung seit Mitte der 90er Jahre steil an und liegt seit 5 Jahren bei den Einschülern bei 90% bis 95%. Die für das 9. bis 17. Lebensjahr empfohlene Auffrischimpfung war bei einem Teil der überprüften 6-Klässler bereits erfolgt (nicht dargestellt). Empfehlungen: Der in den letzten Jahren erreichte hohe Durchimpfungsgrad muss beibehalten werden, auch um das Zirkulieren der Keuchhustenerreger zu unterbinden und die noch nicht geimpften Neugeborenen und Säuglinge zu schützen. Keuchhusten-Vollschutz bei Einschülern 2005 <80% >/= 80% >/= 90% >/= 95% >/= 98% Westerstede 96% Rastede 96% Wiefelstede 92% Apen 96% Bad Zwischenahn 96% Edewecht 97% 21 Hämophilus influenzae B (HIB): HIB-Impfschutz bei Einschülern imAmmerland 1987-2005 Steckbrief HIB 100 90 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 Erreger: HIB-Bakterien Infektionsweg: Tröpfcheninfektion Erkrankung: schwere Hirnhaut- oder Kehldeckelentzündungen bei Kleinkindern, häufig tödlich. Behandlung: Antibiotika 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 1987 Impfung: ab 2. Lebensmonat, nach Grundimmunisierung keine Auffrischung. Allgemein: HIB führte in der Vergangenheit immer wieder zu lebensgefährlichen Impfschutz bei Einschülern Hirnhaut- und Kehldeckelentzündungen bei Ammerland 2005 97% Säuglingen und Kleinkindern. Die Impfung Niedersachsen 2004 94% wird ab dem 2. Lebensmonat empfohlen und wird in der Regel als Kombinationsimpfung durchgeführt. Wegen der deutlich geringeren Gefährdung ab dem Schulalter sind im Jugendlichen- und Erwachsenenalter keine weiteren Auffrischimpfungen mehr erforderlich. Daher müssen versäumte Impfungen dann auch nicht mehr nachgeholt werden. Situation im Ammerland: Seit der Einführung der allgemeinen HIB-Impfung Mitte der 90er Jahre stieg die Durchimpfung der Einschüler rasch an und liegt seit etwa 5 Jahren um die 95 %. Als Folge gingen HIB-Erkrankungen rasch zurück. So ist seit Jahren keine HIB-Meningitis im Ammerland mehr aufgetreten. Empfehlungen: Die Impfung schützt vor der Erkrankung, nicht aber vor der Besiedlung von Mund und Rachen durch die Erreger. Ein Populationsschutz wie bei den Masern ist bei dieser Erkrankung nicht möglich. Immer wieder können daher auch im Ammerland HIB-Erreger bei Abstrichen nachgewiesen werden, ohne dass sie bei den (geimpften) Kindern zu Erkrankungen führen. Deshalb ist die Aufrechterhaltung des durch den Einsatz des Kombinationsimpfstoffes erreichten Durchimpfungsgrades unbedingt erforderlich, um erneute Erkrankungen zu verhüten. HIB-Vollschutz bei Einschülern 2005 Westerstede 97% <80% >/= 80% >/= 90% >/= 95% >/= 98% Rastede 96% Wiefelstede 96% Apen 98% Bad Zwischenahn 96% Edewecht 98% 22 Pocken: Steckbrief Pocken Erreger: Pocken-Virus Infektionsweg: Von Mensch zu Mensch Vorkommen: Bis Mitte der 70er Jahre weltweit, seit 1979 ausgerottet Erkrankung: Hauterscheinungen, schwere Komplikationen, 15% tödlich: Behandlung: Symptombekämpfung Impfung: Derzeit kein zugelassener Impfstoff vorhanden, aber Impfstoff-Vorräte für die deutsche Bevölkerung für Impfungen im Rahmen von Bioterror-Attacken. Die Pocken waren früher eine der gefährlichsten Seuchen, die noch bis in die die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts epidemisch in einigen Weltgegenden verbreitet war. Da die Pocken nur beim Menschen vorkommen, gelang es aber Ende der siebziger Jahre durch internationale Impfkampagnen, die Pocken weltweit auszurotten. 1979 war das Ziel erreicht, war die ganze Welt pockenfrei. Seither wird nicht mehr gegen Pocken geimpft. In jüngster Zeit wird befürchtet, dass die Pocken z. B. im Rahmen von Bioterroranschlägen in die Welt zurückkehren könnten. Dies würde eine inzwischen weitgehend ungeschützte Bevölkerung treffen, weil die Jüngeren gar keinen und die Älteren keinen ausreichend zuverlässigen Impfschutz mehr besitzen. Daher wurde von der Bundesregierung Impfstoff für die deutsche Bevölkerung beschafft und eingelagert. Impfungen sollen aber wegen der häufigen Nebenwirkungen der Pockenimpfung erst durchgeführt werden, wenn tatsächlich Pockenfälle auftreten sollten. Für diesen Fall wurden Notfallpläne für Massenimpfungen entwickelt. Im Ammerland führte der Landkreis 2005 eine Übung von Massenimpfungen in der Gemeinde Wiefelstede durch. Unter tatkräftiger Mitwirkung der Ortsfeuerwehr Wiefelstede, des Ärztevereines Wiefelstede-Rastede, des DRK-Kreisverbandes Ammerland und des Bundeswehrkrankenhauses konnten dabei die Zielvorgaben der Planung erreicht werden. 2005: Übung von Massenimpfungen in Wiefelstede 23 Zusammenfassung: Impfschutz der Ammerländer Einschüler und 6.-Klässler • Bei 95 % aller Ammerländer Einschüler besteht eine Grundimmunisierung mit den derzeit öffentlich empfohlenen Impfungen, mit Ausnahme der Hepatitis B-Impfung. • Auch im Landesvergleich schneidet das Ammerland gut ab. Bei fast allen Impfungen liegt das Ammerland im Landesdurchschnitt oder darüber. • Der zeitliche Verlauf der Einschulungsuntersuchungen seit 1987 zeigte bei fast allen Impfungen einen deutlichen Anstieg der Durchimmunisierung. Ganz wesentlich ist die deutliche Verbesserung des Impfschutzes auf die Einführung von Mehrfachimpfstoffen in den vergangenen Jahren zurückzuführen. Dies erhöht die Akzeptanz der Impfungen, da derzeit für den Impfschutz gegen 9 Erkrankungen nur 2 Mehrfachimpfstoffe ausreichend sind. Bei einigen Erkrankungen (Masern, Mumps, Röteln) hat sicherlich auch ein Einstellungswandel (früher als „Kinderkrankheiten“ häufig nicht so ernst genommen) stattgefunden. Im Falle einzelner Impfstoffe (Keuchhusten) hat auch die Verbesserung der Impfstoffe zu einer erhöhten Akzeptanz beigetragen. So stieg die Impfrate gegen Keuchhusten nach Entwicklung neuer, besser verträglicher Impfstoffe deutlich an. • Positiv ist auch die schnelle Akzeptanz neuer Impfungen, wie der deutliche Anstieg der Impfquoten der Hepatitis-B- und HIB-Impfung bereits kurze Zeit nach Einführung der Impfstoffe zeigt. • Im Vergleich der Gemeinden zeigen sich keine wesentlichen Unterschiede. Die tendenziell höchsten Impfraten wiesen die Kinder der Gemeinde Edewecht auf. Bei insgesamt guten bis sehr guten Impfraten der Einschüler sind allerdings folgende Punkte noch zu verbessern: 24 • 95 % der Einschüler sind einmalig gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft. Dies bietet zwar einen guten „Populationsschutz“ gegen Ausbrüche der Erkrankungen. Für einen sicheren „Individualschutz“ der Geimpften wird jedoch eine zweite Impfung empfohlen. Diese war bei mehr als 20% der Einschüler noch nicht vorhanden und war auch bei den 6-Klässlern noch nicht nachgeholt worden. • Nach Einführung der Hepatitis B-Impfung stiegen die Impfraten rasch deutlich an und liegen im bzw. gering über dem Landesdurchschnitt. Dennoch waren 11% der Einschüler und rund 30% der 6.-Klässler noch nicht geimpft. Bei letzteren erklärt sich dies daraus, dass die Hepatitis-B-Impfung bei Geburt dieser Jahrgänge noch nicht zu den allgemein empfohlenen Grundimpfungen gehörte. Dennoch ist gerade bei diesen kurz vor der Pubertät und Adoleszenz stehenden Kindern das baldige Nachholen der Impfung wichtig. • Bei 17 % der 6-Klässler war die im Impfkalender für das 5.-6. Lebensjahr vorgesehene Tetanus-Diphtherie-Auffrischimpfung noch nicht durchgeführt. Die Ursache hierfür dürfte sein, dass in diesem Alter keine Vorsorgeuntersuchungen mehr vorgesehen sind, in denen regelhaft der Impfschutz überprüft wird. Auch treten in diesem Alter Fragen der Gesundheit hinter die alltäglichen Fragen der Schule etc. zurück und sind Arztbesuche sehr viel seltener als im Kindergartenalter. Empfehlungen: Sowohl die Einschulungsuntersuchungen als auch die 6-Klässler-Untersuchungen zeigen, dass ein Teil dieser Jahrgänge noch nicht gegen Hepatitis B geimpft ist. Hier sind Anstrengungen und Aufklärung nötig, dass die Eltern der Schulkinder diese Impfungen nachholen, sofern noch nicht erfolgt. Dies ist umso wichtiger, da die Kosten für die Impfung von den gesetzlichen Krankenkassen nur bis zum 18. Lebensjahr übernommen werden. Die Eltern sollten sowohl in der Grundschule als auch in der weiterführenden Schule mindestens ein Mal den Impfschutz im Allgemeinen und insbesondere den Tetanus- und Diphtherie vom Hausarzt kontrollieren lassen. Die Eltern und Multiplikatoren sollten über die Bedeutung der zweiten Masern-MumpsRöteln-Impfung für einen „sicheren“ Impfschutz gegen diese Erkrankungen aufgeklärt werden. 25 3.2. Erfassung von Atemwegsinfekten u. Grippe in Ammerländer Kindergärten H. Martens, D. Witting Influenza im LK Ammerland Januar - April 2005 -ARE-Erfassung in 16 Kindergärten- Steckbrief Influenza Erreger: Influenza-Viren Infektionsweg: Tröpfcheninfektion Impfung: jährliche Impfung im Herbst empfohlen 20 17,6 17,1 14,6 15 Zahlen in Prozent Erkrankung: Inkubationszeit 1-3 Tage, Symptome: plötzlich hohes Fieber, Kopfund Gliederschmerzen, schwere Krankheitsbilder mit tödlichem Verlauf möglich 12,3 Anzahl der erkrankten Kind 8,3 9,3 10 8,2 Anzahl der pos Rachenabstrich 6,4 5,3 5 3,8 5 4,6 3,7 2 1 2 1 2 2,5 1,2 3,1 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Kalenderwoche Seit Anfang 2005 übermitteln 16 bzw. inzwischen 19 Ammerländer Kindergärten im Rahmen eines landesweiten Projektes („ARE“) zur Influenza-Erfassung dem Gesundheitsamt wöchentlich die Zahl der an akuten Atemwegsinfekten erkrankten Kinder. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die damit erhobenen Erkrankungsraten bei gleichzeitigem regionalem Labornachweis von Influenzaerregern ein gutes Maß für die jeweilige Grippeaktivität sind. Die Ammerländer Zahlen werden zum Niedersächsischen Landesgesundheitsamt gemeldet, wo dann die landesweite Auswertung erfolgt. In der Grippe-„Hochsaison“ erhalten die teilnehmenden Ammerländer Kindergärten vom Gesundheitsamt regelmäßige Auswertungen per email oder Fax mit Empfehlungen zur Impfung oder einer medikamentösen Prophylaxe. (Beispiel s. Anlage). In den Berichten werden die Kindergärten aber auch über andere gerade in den Kindergärten verbreitete Erkrankungen informiert. Saison 2005: Der Rückblick auf die Grippe-Saison 2005 (siehe Grafik) zeigt, dass die Atemwegsinfekte in den Kindergärten zu Jahresbeginn zunächst nur langsam zunahmen, dann aber ab Mitte Februar steil anstiegen. Zeitgleich wurden dem Gesundheitsamt auch die ersten Influenza-Labornachweise aus dem Ammerland gemeldet. In einem Kindergarten wurde in der 7. Kalenderwoche ein steiler Anstieg der Erkältungskrankheiten (45% erkrankte Kinder) verzeichnet. Daraufhin wurden erkrankten Kindern Abstrichuntersuchungen durch einen Mitarbeiter des Gesundheitsamtes angeboten. Die Laboruntersuchung der Abstriche im Landesgesundheitsamt ergab positive Influenzanachweise. Gleichzeitig wurden in Zusammenarbeit mit dem Kindergarten die notwendigen Hygienemaßnahmen eingeleitet. Anschließend erfolgte noch eine Elterninformation. Insgesamt ließ sich in der Grippesaison 2005 ein guter Zusammenhang von Krankheitsaktivität in den Kindergärten und den aus dem Ammerland gemeldeten InfluenzaLabornachweisen feststellen. Vorgehen bei anderen Erkrankungen: Neben den Erkältungskrankheiten werden dem Gesundheitsamt auf diesem Wege auch die Häufung anderer Infektionskrankheiten wie infektiösen Bindehautentzündungen, Brechdurchfälle usw. gemeldet. Wenn notwendig werden auch hier entsprechende Laboruntersuchungen oder Hygienemaßnahmen durch das Gesundheitsamt eingeleitet. 26 Anlage: ARE-Bericht vom 20.02.2006 Die am Projekt beteiligten Kindergärten erhalten regelmäßige Berichte per email oder Fax. Landkreis Ammerland -GesundheitsamtLange Straße 36 – 26655 Westerstede Akute Atemwegsinfekte (ARE) und Grippe im Ammerland 06. Kalenderwoche 2006 Im Rahmen eines landesweiten Projektes zur Influenza-Erfassung (www.are-surveillance.nlga.niedersachsen.de) übermitteln 19 Ammerländer Kindergärten dem Gesundheitsamt wöchentlich die Zahl der an akuten Atemwegsinfekten (ARE=„Erkältung“, Bronchitis, Halsentzündung, Fieber) erkrankten Kinder. Tendenz im Ammerland: In der 6. Kalenderwoche konnte ein leichter Anstieg der Erkältungskrankheiten verzeichnet werden. Insgesamt ergibt sich eine uneinheitliche Situation. Die Erkrankungszahlen liegen im Bereich von 0% bis 22,5 %. Niedersachsen: In der 6. Kalenderwoche sind vermehrt Influenzaviren nachgewiesen worden (Positivrate 11% bei 65 Proben). Insgesamt wurden in dieser Saison bisher 15 mal Influenza A und 4 mal Influenza B mit der PCR gefunden. Zur Zeit handelt es sich um Einzelnachweise. Die Nachweisrate der 6. Kalenderwoche bleibt auf einem für die Jahreszeit normalem Niveau. Mit einer weiteren Zunahme der positiven Tests muss jedoch gerechnet werden. Empfehlungen: Insbesondere bei besonderen gesundheitlichen Risiken ist die Influenza-Impfung zu empfehlen. Eine medikamentöse Frühtherapie ohne Erregernachweis dürfte angesichts des Überwiegens anderer Krankheitserreger augenblicklich nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Einige Kindergärten aus Bad Zwischenahn berichten über einen Anstieg von Bindehautentzündungen. Hier können Adenoviren eine Rolle spielen. Die Erkrankung ist sehr infektiös. Bei Ausbruchssituationen bitten wir um eine Mitteilung. Das Gesundheitsamt hat in einem Kindergarten Abstrichuntersuchungen angeboten. Durch die dort eingeleiteten Hygienemaßnahmen konnte die Zahl der Neuerkrankungen deutlich reduziert werden. Erkrankte Kinder in Prozent Stand 10. Februar 2006 Westerstede 3,5% Rastede 14,4% Wiefelstede 7,7% Apen 15,0% Aktivität Bad Zwischenahn 7,5% keine < 3% geringe < 10% mittlere < 15% Edewecht 4,3% hohe < 20% sehr hohe >20% Teilnehmende Kindergärten: Apen (Apen, Augustfehn I), Westerstede (DRK, Halsbek, Hollwege, Westerloy), Zwischenahn (Rostrup, Ofen, AWO, DRK), Wiefelstede (Am Breeden, Heidkamp, Thienkamp), Rastede (Mühlenstraße, Hahn-Lehmden, Wahnbek), Edewecht (Jeddeloh II, Am Stadion, Osterscheps) 27 4. Zahngesundheit A. Weiser, E. Vogelsang Ein gesundes und gepflegtes Gebiss ist eine wichtige Voraussetzung für die gute Entwicklung und Gesunderhaltung des heranwachsenden Kindes. Die wichtigsten Prophylaxemaßnahmen zur Erhaltung eines gesunden Gebisses sind: • • • • Die richtige Mundhygiene, insbesondere das regelmäßige Zähneputzen nach den Hauptmahlzeiten, aber auch nach dem Genuss von Süßigkeiten, dient der Gesundheit der Zähne. Ein sauberer Zahn wird nicht krank! Ebenso wichtig ist die zahngesunde Ernährung, um die Kariesbildung zu verhindern. Die Zähne selbst können durch Fluoridierungsmaßnahmen gehärtet und widerstandsfähiger gemacht werden. Regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen. Ist ein Zahn einmal geschädigt, kann er repariert oder später auch durch künstliche Materialien ersetzt werden; er wird aber nie wieder richtig gesund. Allerdings ist das möglichst frühe Erkennen von Karies entscheidend, um die Zähne zu erhalten und um Folgeschäden vorzubeugen. Bei der Behandlung von Karies geht es aber nicht nur um das Ausbessern von Defekten. Vielmehr versteht man die Karies inzwischen auch als „Infektionskrankheit“, d. h. ein kariöser Zahn kann die Weiterverbreitung der Karies auf andere Zähne fördern. So ist die früher landläufige Meinung überholt, dass die Behandlung kariöser Milchzähne nicht so wichtig sei, weil diese ja ersetzt werden. Kariöse Milchzähne können die Karies auf schon vorhandene bleibende Zähne übertragen. Milchzähne haben zudem eine wichtige Platzhalterfunktion für die kommenden bleibenden Zähne. Ein vorzeitiger Zahnsubstanzverlust, z. B. durch Karies, stört die regelrechte Entwicklung des kindlichen Kiefers und kann spätere dann (auch kosten-)aufwändige kieferorthopädische Maßnahmen zur Folge haben. 4.1. Kinder- und Jugendzahnprophylaxe Die Kinder- und Jugendzahnprophylaxe ist eine gemeinsame Dienstleistung des Landkreises Ammerland und der gesetzlichen Krankenkassen. Der jugendzahnärztliche Dienst ist seit dem Jahr 2000 mit einer Zahnärztin, einer Zahnarzthelferin und drei Prophylaxehelferinnen besetzt. Er wird finanziell anteilig von den Krankenkassen und dem Landkreis getragen. Die drei Prophylaxehelferinnen betreuen jährlich ca. 13 000 Kinder und Jugendliche in allen Kindergärten, Grundschulen, Sonderschulen, Hauptschulen und einigen Realschulen des Landkreises. 28 Die als Gruppenprophylaxe durchgeführten Maßnahmen umfassen: • • • • • • • • • Altersgerechte Ernährungsberatung zur Förderung zahngesunder Ernährung Altersgerechte Aufklärung zum Erreichen einer guten Mundhygiene Demonstration geeigneter Zahnputztechniken Zahnputzübungen mit den Kindern Altersgerechte Demonstration von weiteren geeigneten Zahnpflegehilfsmitteln wie z.B. Zahnseide oder speziellen Zahnbürsten Zahnärztliche Untersuchung der Kinder Ausgabe von Informations- und Aufklärungsmaterial Betreuung von Kariesrisikokindern durch Intensivprophylaxe Elterninformationsveranstaltungen Einrichtungen, in denen bei den zahnärztlichen Untersuchungen auffällig viele Kariesrisikokinder festgestellt werden, können gezielt durch die Prophylaxehelferinnen betreut werden. Für die Kariesrisikokinder findet eine Intensivprophylaxe mit Fluoridisierungsmaßnahmen statt. 4.2. Ergebnisse der jugendzahnärztlichen Untersuchungen 2004/2005 Regelmäßig einmal jährlich werden alle Kinder in den Kindergärten, Grundschulen, Sonderschulen sowie einigen Hauptschulklassen untersucht auf Karies, Parodontopathien und Zahn- und Kieferfehlstellungen. Die Zahnbefunde werden standardisiert als DMF-Tbzw. dmf-T-Indices (Erläuterungen s. 4.4.) erhoben. Anhand dieser Werte wird auch der jeweilige Anteil an Kariesrisikokindern bestimmt. Nachfolgend werden die bei den Untersuchungen im Schuljahr 2004/2005 erhoben Zahnbefunde dargestellt. Erfahrungsgemäß nimmt der Anteil der naturgesunden Zähne mit dem Alter ab und der Anteil der durch Sanierung erhaltenen Zähne entsprechend zu. Dies ist bei der Interpretation der Daten zu berücksichtigen. Kindergärten 61,23% der 3184 untersuchten Kindergartenkinder waren primär gesund. Dieses Untersuchungsergebnis entspricht dem vom letzten Jahr mit 61,06%. Saniert, d.h. gesund durch Behandlung (wie Füllungs- oder Extraktionstherapie) waren 8,11%. Auch dieser Wert entspricht dem Vorjahreswert (8,06 % ). Behandlungsbedürftig waren 30,66% der Kindergartenkinder, dies entspricht abermals dem Vorjahreswert, der bei 30,88% lag. Die Anzahl der Kariesrisikokindergartenkinder hat sich von 1% im Vorjahr auf ein halbes % verbessert. Zahnbefunde in Kindergärten 2004/05 zahngesund; 61,23% behandlungso. kontrollbedürftig; 30,66% saniert; 8,11% 29 Grundschulen Im Schuljahr 2004/2005 wurden 5427 Grundschüler zahnärztlich untersucht. 35,77% der Kinder hatten naturgesunde Zähne, 27,69% der Kinder waren zahngesund nach Behandlung und 36,54% der Kinder wurde empfohlen zur Beratung bzw. zur Behandlung den Hauszahnarzt aufzusuchen. Knapp 17% der behandlungsbedürftigen Grundschulkinder waren nach der Definition der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege Kariesrisikokinder. Bei der Hälfte der Grundschüler dokumentierten wir deutlich sichtbare Zahnbeläge (Plaque) bzw. Zahnstein. Laut Antworten der Kinder auf unsere Nachfragen zur Zahnpflegepraxis herrscht weiterhin die Tendenz, dass etwa die Hälfte der Schüler morgens vor der Schule aus Zeitmangel die Zähne nicht oder nur flüchtig putzt. Zahnbefunde in Grundschulen 2004/05 zahngesund; 35,77% saniert; 27,69% behandlungso. kontrollbedürftig; 36,54% Hauptschulen In den weiterführenden Schulen werden aus Kapazitätsgründen nur stichprobenartig einzelne Hauptschulklassen untersucht. Im Schuljahr 2004/2005 wurden 115 Hauptschüler zahnärztlich untersucht, von diesen waren 31,30% primär gesund, 31,30% behandlungsbedürftig und 37,40% waren gesund durch Behandlung. Risikoschüler gemäß den Richtlinien der DAJ waren 20,87%. Ein Vergleich mit Vorjahresergebnissen ist aufgrund der geringen Schülerzahl und Auswahl nicht möglich. Zahnbefunde in Hauptschulen 2004/05 zahngesund; 31,30% behandelt; 37,40% behandlungso. kontrollbedürftig; 31,30% 30 Sonderschulen In den Sonderschulen ist der Anteil der Kariesrisikokinder relativ höher als in anderen Schulen. Daher werden in den Sonderschulen jährlich die Schüler aller Jahrgänge untersucht. Auch der ebenfalls relativ höhere Anteil kontroll- bzw. sanierungsbedürftiger Befunde bestätigt dieses Vorgehen. Im Schuljahr 2004/2005 lag der Anteil der primär Zahngesunden von 474 untersuchten Schülern bei 21,31%, und war somit um ca. 1% im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Die Anzahl der sanierten Schüler stieg von 25,70% im Jahr 03/04 erfreulicherweise wieder auf 31,43%. 47,26% der Sonderschüler waren behandlungsbedürftig, der Vorjahreswert lag allerdings noch höher, nämlich bei 51,85%, so dass hier eine Verbesserung erkennbar ist. Kariesrisikokinder waren 40,10% in diesem Untersuchungsjahr, 5 % mehr als im Vorjahr. Zahnbefunde in Sonderschulen 2004/05 saniert; 31,43% zahngesund; 21,31% behandlungso. kontrollbedürftig; 47,26% Mundhygiene Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Gesamtwert der Mundhygiene aller untersuchten Kinder und Jugendlichen verbessert, 43,84% der Befragten hatten das Zähneputzen vergessen oder aus Zeitmangel nur unzureichend durchgeführt. Der Vorjahreswert lag noch bei 48,08%. 4.3. Entwicklung der Zahngesundheit 1999 - 2005 Zahnbefunde 1999 - 2005 in Kindergärten 1999 - 2005 primär gesund saniert behandlungs-/kontrollbedürftig 70,0% 60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 31 Stellt man einige der aus den Untersuchungen während der letzten 7 Jahre gewonnenen Werte grafisch dar, erkennt man beim Vergleich der Zahnbefunde in den Kindergärten, dass unsere Befunde bezüglich primärer Zahngesundheit, Behandlungsbedürftigkeit und dem Sanierungsgrad nahezu unverändert bleiben. Dies ist zu erwarten, da sowohl die zahnärztliche Untersuchung als auch die Arbeit der Prophylaxehelferinnen im Kindergarten beginnt und eine Anlaufzeit benötigt, um Wirkung zu zeigen. Zahnbefunde 1999 - 2005 in Grundschulen primär gesund saniert behandlungs-/kontrollbedürftig 45,0% 40,0% 35,0% 30,0% 25,0% 20,0% 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Zahnbefunde 1999 - 2005 1. - 10. Klasse (nur Sonderschulen) primär gesund saniert behandlungs-/kontrollbedürftig 60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% 1999 32 2000 2001 2002 2003 2004 2005 In den höheren Altersklassen zeigt sich seit 1999 insgesamt eine Zunahme des Anteils primär zahngesunder Kinder um mehr als ein Sechstel (Grundschulen) bzw. mehr als ein Drittel (Sonderschulen). Auffällig in diesen Altersklassen ist, dass der Anteil der sanierungsbzw. kontrollbedürftigen Kinder steigt, nämlich auf Kosten des Anteils bereits sanierter Kinder, der entsprechend fast gleichsinnig deutlich abfällt. Eine Ursache kann sein, dass die Kinder nicht mehr so regelmäßig zu ihrem Hauszahnarzt gehen. 4.4. Teilnahme an der DAJ-Studie zur Gruppenprophylaxe 2004 Niedersachsen hat im Jahr 2oo4 zum zweiten Mal an der DAJ-Studie teilgenommen, die Untersuchung wurde von der Landesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Jugendzahnpflege in Niedersachsen organisiert. Die Ergebnisse wurden u. a. nach Bundesländern getrennt dargestellt. Verglichen werden Stichproben in verschiedenen Jahrgängen, nämlich die 6-7 jährigen, die 12 und die 15 jährigen. Auf der Basis bestimmter Kariesindices dmf-t ( für Milchzähne , d=decayed = zerstört; m = missing =fehlend; f = filled = gefüllt ) und DMF-T (für bleibende Zähne ) bzw. daraus gebildeter Mittelwerte können Vergleiche der einzelnen Bundesländer untereinander stattfinden. Für die gesamte Bundesrepublik gilt : Lag der mittlere dmf-t der 6-7 jährigen 1994/95 noch bei 2,89,so betrug er in den folgenden Jahren 2,39 (1997) , 2,21 (2000) und 2,16 im Jahr 2004. Die Kariesreduktion zwischen 1994/95 und 2004 betrug bundesweit nach Angaben der Untersuchungskommission im Durchschnitt somit 25,3%. Im Ammerland sank der mittlere dmf-t –Wert jedoch nicht auf 2,16, sondern lag bei 2,36. Der Vergleich der Zahnbefunde der 6-7 jährigen Schüler des Ammerlandes aus der DAJ Studie mit den niedersächsischen Ergebnissen zeigt uns noch einen Handlungsbedarf, unsere Ergebnisse sind bezogen auf das Milchgebiss um ca. 10 % schlechter ausgefallen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, Kinder zum regelmäßigen Zahnarztbesuch anzuhalten und frühzeitig für Zahnpflege und gutes Ernährungsverhalten zu gewinnen. Ganz wesentlich scheint jedoch das Ernährungsverhalten zu sein. Hier spielen bei so jungen Menschen die Eltern die entscheidende Rolle. Befragt man die Kinder nach den von ihnen in die Schule mitgebrachten oder dort regelmäßig bestellten Getränken, gibt regelmäßig mehr als zwei Drittel der Kinder Softdrinks, süße Säfte, Eistee und gezuckerte Milchgetränke an. Bedenkt man, dass die Hälfte der Grundschulkinder am Vormittag wegen Zeitmangel ungeputzte oder unzureichend geputzte Zähne hat, kann man sich vorstellen, welche Schäden diese kariogenen Säfte anrichten können. 33 4.5. Zusammenfassung • In den Kindergärten blieb der Anteil zahngesunder Kinder nahezu unverändert bei etwa 60%. • Die Zahngesundheit der Ammerländer Schulkinder hat sich in den vergangenen sieben Jahren insgesamt erkennbar verbessert. So hat der Anteil primär zahngesunder Kinder in den Grundschulen um ein Sechstel und in den Sonderschulen um ein Drittel zugenommen. Allerdings scheint diese positive Entwicklung in den letzten Jahren zu stagnieren. Auch im Vergleich zu den Untersuchungsdaten 6-7jähriger aus der DAJ-Studie sind noch Verbesserungen anzustreben. • Bei den Schulkindern fällt auf, dass in den vergangenen Jahren der Anteil der Kinder mit sanierungs- bzw. kontrollbedürftigen Zähnen gestiegen ist auf Kosten des Anteils der Kinder mit bereits sanierten Zähnen. Empfehlungen: Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass weitere Verbesserungen der Zahngesundheit der Ammerländer Kinder erforderlich sind. Wesentlich hierfür sind das Ernährungsverhalten und die Mundhygiene der Kinder. Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Eltern, aber auch Erzieherinnen, Lehrer und andere Multiplikatoren. Ein weiteres wichtiges Ziel sollte sein, dass die Kinder regelmäßig, möglichst zweimal jährlich zur Kontrolle und ggf. Behandlung zu ihrem Hauszahnarzt gehen und auch die dort angebotenen Individualprophylaxemaßnahmen nutzen können. 34 5. Sprachheilberatung M. Flöther, Fachberater für Hör- und Sprachgeschädigte – Land Niedersachsen B. Gravel-Biedermann, Gesundheitsamt L. Staufenbiel, Gesundheitsamt 5.1. Sprachheilberatung im Gesundheitsamt des Landkreises Ammerland Die Sprachheilberatung im Gesundheitsamt ist eine gemeinsame Dienstleistung des Gesundheitsamtes des Landkreises Ammerland und des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie (Landessozialamt). Ein Mitglied aus dem dortigen Team „Fachberatung für Hör- und Sprachgeschädigte im landesärztlichen Dienst“ führt in enger Kooperation mit dem amtsärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes regelmäßig (meist ein Mal pro Monat) „Sprechtage zu Hör- und Sprachheilberatung“ durch. Vorrangige Aufgaben sind Diagnostik und Hilfeplanung für hörgeschädigte oder besonders stark sprachauffällige Kinder (§ 62 SGB IX). Als „Sprachheilfürsorge“ in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts begonnen, stellt sich heute die Sprachheilberatung als bürgerorientierte Dienstleistung im niedersächsischen Gesundheitswesen dar. Über den Weg präventiver Maßnahmen ist sie dem Ziel der Vermeidung oder Milderung gravierender Hör- oder Sprachbehinderungen verpflichtet, was erfreulicherweise in vielen Fällen gelingt. Enge Vernetzungen zwischen dem Gesundheitsamt mit Kliniken, vertragsärztlichen und therapeutischen Praxen, Kindertagesstätten, Frühförderstellen etc. ermöglichen eine immer frühere Erfassung von Risikokindern im Vorschulalter, die – wenn ambulante Hilfen nicht ausreichen – in teilstationäre Behandlungen vermittelt werden: in Edewecht und Oldenburg arbeiten zwei Sprachheilkindergärten und ein Kindergarten für Hörgeschädigte mit interdisziplinären Teams sowie im gesamten Landkreis Integrationskindergärten an einer möglichst weitgehenden Eingliederung der betroffenen Kinder. Das Logo der niedersächsischen Sprachheilberatung versinnbildlicht die traurige Situation des sprachgestörten Kindes: es hat die Sprache (den Mund und das Lachen) verloren, kann nicht mehr so fröhlich sein wie die anderen Kinder und fällt deshalb auch schon etwas aus der Gemeinschaft heraus. Ziel der Sprachheilberatung ist es deshalb, diesen Kindern die erforderlichen Hilfen zukommen zu lassen, damit sie (und auch ihre Eltern) wieder zu glücklichen, gut kommunizierenden Menschen werden. Studien belegen, dass andauernde Kommunikationsstörungen unser Bruttosozialprodukt um 2,5 bis 3% mindern. Der Abbau kommunikativer Störungen schon im Elementarbereich verschafft vielen Kindern positive Lebensperspektiven im Kommunikationszeitalter und vermindert volkswirtschaftliche Folgekosten. Sprechtage zur Hör- und Sprachheilberatung Die Beratung ist kostenlos. Eine ärztliche Verordnung oder Überweisung ist nicht erforderlich, allerdings werden sehr viele Kinder durch Kinder-, Haus- oder HNO-Ärzte in die Sprechstunde empfohlen. Aber auch Therapeuten oder Kindertagesstätten, Frühförder- oder Beratungsstellen schlagen Eltern die Vorstellung im Gesundheitsamt vor. Einige Eltern melden sich auch selbstständig, da sie die Sprachheilberatung bereits kennen oder durch Bekannte darauf aufmerksam gemacht wurden. 35 Die Terminabsprache für den Sprechtag zur Hör- und Sprachheilbehandlung erfolgt über Frau Gravel-Biedermann und Herrn Staufenbiel vom Allgemeinen Sozialdienst im Gesundheitsamt. Frau Gravel-Biedermann ist zuständig für die Gemeinde Apen und die Stadt Westerstede (04488/56-5338). Herr Staufenbiel ist zuständig für die Gemeinden Bad Zwischenahn, Edewecht, Wiefelstede und Rastede (04488/56-5329 oder 04402/2390). Was geschieht vor der Sprechstunde? Nach Eingang der Meldung erfolgt zunächst ein Gespräch mit den Eltern (telefonisch oder bei besonderer Sachlage per Hausbesuch). Die medizinische Anamnese wird erhoben, es werden Informationen über bereits erfolgte Untersuchungen und erfolgte Operationen und Therapien erfragt. Mit Einverständnis der Eltern werden bei Notwendigkeit Kontakte bei Behandlern, Kindergärten, Frühförderstellen etc. gesucht, Befundberichte erbeten, damit bei der Vorstellung in der Sprechstunde ein umfangreiches Bild über die bisherige Entwicklung des Kindes vorliegt. Die Eltern werden dann telefonisch und schriftlich zur Sprechstunde eingeladen. Was geschieht in der Sprechstunde? • Diagnostik und Beratung: Der sprachliche Leistungsstand wird festgestellt, weitere Befunde werden ausgewertet und das Hören wird beurteilt. Dabei wird besonders auf die kindgerechte Gestaltung der gesamten Situation geachtet, d.h. beispielsweise für Vorschulkinder, dass die Überprüfung spielerisch erfolgt. Die Betroffenen und ihre Sorgeberechtigten werden über das Ergebnis und weitere Maßnahmen beraten. • Empfehlung von Therapie und/oder besonderer Förderung: Besuch von Fachärzten (soweit noch nicht erfolgt), Hinweis auf technische Hilfsmittel (z.B. bei Hörschädigungen), Früherkennung und –förderung, ambulante Sprachtherapie, ggf. begleitende Therapien, Sprachtherapie in Spezialkliniken oder Instituten (Über die Verordnung entscheidet allerdings ggf. der niedergelassene Arzt.) • Begutachtung für umfangreichere Therapiemaßnahmen: Im Auftrag von Sozialhilfeträgern und Krankenkassen werden gemeinsam mit der Ärztin / dem Arzt des Gesundheitsamtes die erforderlichen Gutachten erstellt (§ 62 SGB IX). Der Verlauf der Therapie wird beobachtet. o o Sprachtherapie in besonderen Kindergärten: Kindergarten mit Integrationsplatz Sprachheilkindergarten (als teilstationäre Sprachheilbehandlung) Hörgeschädigtenkindergarten (als teilstationäre Sprachheilbehandlung) Sprachtherapie in Sprachheilzentren, mit Beschulung und Internat (als stationäre Sprachheilbehandlung) Eine gute Beratung der Eltern hinsichtlich der weiteren Förderung und Behandlung ihrer Kinder ist Aufgabe und Ziel der Sprechtagsarbeit. In einigen Fällen (vor allem bei jungen Kindern) bewirkt eine Beratung über häusliche Förderangebote, dass therapeutische Interventionen vermieden werden können. Sind diese notwendig, werden möglichst ambulante Maßnahmen (Frühförderung oder ambulante Therapie) angeraten, soweit sie nicht schon eingeleitet wurden. Erst wenn diese ohne zufrieden stellende Auswirkung auf die kommunikativen Kompetenzen des Kindes bleiben, werden intensive Förder- und Behandlungsangebote empfohlen, wie die Aufnahme in einen Sprachheilkindergarten, einen Kindergarten für Hörgeschädigte oder in einen Integrationskindergarten. (Die Notwendigkeit einer heilpädagogischen Frühförderung oder einer heilpädagogischen Förderung in einem Integrations- oder Sonderkindergarten wird im Auftrage des Sozialamtes durch den kinderund jugendärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes eingeschätzt.) 36 Was geschieht nach der Sprechstunde? Das durch den Fachberater erstellte Gutachten geht den Eltern zu. Nach Absprache erhalten auch die Vernetzungspartner (wie Sprachheileinrichtung, Kostenträger, Fachärzte, Hausärzte, Therapeuten, I-Kindergärten etc.) das Gutachten. Frau Gravel-Biedermann und Herr Staufenbiel stehen allen Beteiligten im Nachgang als Ansprechpartner zur Verfügung. Es gilt dann, die ausgesprochenen Empfehlungen umzusetzen, die Eltern bei Notwendigkeit darin zu unterstützen (ggf. auch per Hausbesuch), die Empfehlungen mit Förderplänen abzustimmen (z. B. bei Integrationskindern), die notwendigen Maßnahmen zu begleiten und bei fehlender bzw. nicht ausreichender Weiterentwicklung für eine Wiedervorstellung in der Sprechstunde zu sorgen. Der Weg von der Sprachstörung zur Therapie Eltern Schule Vorschulbereich - Einschulunters. - Vorschule - Schulkiga - Grundschule - Kindergarten - I-Gruppe - Schulkiga - Frühförderung Medizin Sonstige - Hausarzt - Kinderarzt - HNO - Pädaudiologie - Gesundheitsamt - Jugendamt - Logopädie Gesundheitsamt Spracheilberatung amb. Logopädie Sprachheilkindergarten LBZ 1 I-Gruppen mit logp. Angebot Sprachheilzentrum 2 Sprachheilklasse weiterf. Diagnostik 1 2 Landesbildungszentrum für Hör- und Sprachgeschädigte, Oldenburg Sprachheilzentren der AWO in Bissendorf-Werscherberg und Wilhelmshaven 37 Von entscheidender Bedeutung hierbei ist die gute Kooperation der Fachleute, zu denen auch die Eltern zählen. Sehr wichtig ist allerdings der Informationsaustausch mit den Kinderärzten, die im Rahmen ihrer Vorsorgeuntersuchungen schon viele Risikokinder im frühen Alter erfasst haben. (Aufgrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse ist dies z.T. schon im ersten Lebensjahr möglich.) Aber auch die auf ärztliche Verordnung tätig gewordenen Therapeuten oder die Fachkräfte in den Kindertagesstätten leisten im Netzwerk der „Profis“ wichtige präventive Arbeit im Sinne der frühen (und manchmal auch späten) Erfassung von Kindern mit Risiken für Kommunikations- oder Entwicklungsstörungen. Leider werden Hör- und Sprachprobleme immer noch zu spät erfasst. So entwickeln sich nicht nur ungünstige Hör- und Sprechmuster (auch auf der neuronalen Ebene), sondern es entstehen auch psycho-soziale Folgeprobleme (Rückzugstendenzen, Wut, Aggression etc.): Studien belegen dies bei etwa 44% aller spracherwerbsgestörten Kinder. Zudem besteht die Gefahr einer Behinderung in der Intelligenzentwicklung, vor allem aber auch von Problemen beim Schriftspracherwerb. Bei einer späten Erfassung offenbart sich dann leider oft ein komplexes Störungsbild, das über eine rein sprachliche Symptomatik weit hinausgeht. Kommt es zu einer Aufnahme z.B. in einen Sprachheilkindergarten, so können die sprachgestörten Kinder durch den „Turbo“-Effekt der teilstationären Behandlung (Kleingruppenprinzip; Multiprofessionalität mit Sprachtherapie, Heilpädagogik, Psychologie, Bewegungstherapie; erhöhte Förderzeit) Anschluss an die Altersnorm finden und später häufig Regeleinrichtungen besuchen. Da eine gut entwickelte Sprache Voraussetzung für die Kognitionsentwicklung und damit Bildung ist, werden bei diesen Kindern Benachteiligungen abgebaut und Bildungschancen eröffnet – wobei strukturierte Tagesabläufe, Übungsprogramme und vorschulische Angebote eine Basis für späteres Lernen schaffen. Die positiven Entwicklungen vieler Kinder belegen die Effektivität dieses Angebotes, Eltern äußern sich immer wieder hoch zufrieden darüber, dass aus unglücklichen Kindern wieder glückliche geworden sind. Ein ganzheitlicher Gesundheitsbegriff, der auch die kommunikativen Fähigkeiten berücksichtigt, hat dieses Präventionsmodell der Sprachheilberatung seit ihren Anfängen geprägt. Dies hat wohl auch dazu beigetragen, dass das Land Niedersachsen im Vergleich der kultusministeriellen Zahlen aus dem Jahre 2002 zur schulischen sonderpädagogischen Förderung (mit dem Schwerpunkt „Sprache“) bei einer bundesweiten Anteilsquote von 0,5% deutlich darunter liegt: nur 0,33% der niedersächsischen Schüler haben einen entsprechenden sonderpädagogischen Förderbedarf. 38 5.2. Logopädisch-therapeutische Versorgung im Ammerland Die Versorgung im Ammerland mit niedergel. logopädischen Praxen ist in seiner Dichte und Erreichbarkeit recht gut. Die ambulante Betreuung wird bei Bedarf von der teilstationären Versorgung in den Sprachheilkindergärten Edewecht (Einzug: Gem. Apen, Westerstede, Bad Zw’ahn u. Edewecht) und Oldenburg (Einzug: Gem. Rastede u. Wiefelstede) ersetzt. Im Übergang zur Schule bietet sich die Sprachheilklasse Rostrup an, deren Einzugsbereich das gesamte Ammerland umfasst. Wenn die ambulante und teilstationäre Versorgung nicht ausreicht, gibt es in diesen vier überregionalen Einrichtungen die Möglichkeit der zeitlich begrenzten (in der Regel über 12 Monate) stationären Hilfe. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem vorhandenen Störungsbild. Gemeinde Apen 1 logopädische Praxis Gemeinde Edewecht 4 logopädische Praxen SprachheilKindergarten Edewecht Gemeinde Wiefelstede 1 logopädische Praxis Stadt Westerstede 4 logopädische Praxen Gemeinde Rastede 3 logopädische Praxen Gemeinde Bad Zw’ahn 3 logopädische Praxen Sprachheilklasse Bad Zw’ahnRostrup Sprachheilkindergarten Oldenburg Landesbildungszentrum für Hör- u. Sprachgeschädigte Sprachheilzentrum Wilhelmshaven Sprachheilzentrum Werscherberg Rehabilitationsklinik Werscherberg Einzugsbereiche: Spracheilkindergarten Edewecht Ammerland Spracheilkindergarten Oldenburg überregionale Einrichtungen 39 5.3. Statistik: Störungsbilder und Maßnahmen Die Statistik des Landessozialamtes für die Jahre 2003 bis 2005 zeigt, dass bei jährlich etwa 14 bis 17 Sprechtagen im Landkreis Ammerland (an den Standorten Westerstede und Rastede) zwischen 229 und 268 Kinder vorgestellt wurden. Die folgenden Diagramme zeigen die prozentualen Anteile der dabei erfassten sprachlichen Störungsbilder sowie der empfohlenen Maßnahmen. Störungsbilder im Ammerland 2003-2005 Sonstige Hören Störungsbilder Redefluss Lautbildung 2005 Wortschatz 2004 Grammatik 2003 Sprachentw icklung Wahrnehmung Motorik Gesamt-Vorstellungen 0% 20% 40% 60% 80% 100% 120% Anteile Em pfohlene Maßnahm en im Am m erland 2003-2005 Maßnahmen Integrationskiga stationär (Sprachheilz.) 2005 2004 2003 teilstationär (Sprachheilund Hörkiga) ambulant 0% 10% 20% 30% 40% Anteile 40 50% 60% 70% 80% Übersicht: Häufige (spezifische) Sprachauffälligkeiten im Kindergartenalter Viele Sprachstörungen haben ihre Ursache in einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung, z.B. Spaltbildungen, Lähmungen, Hör- oder Sehschädigungen etc. Ein hoher Prozentsatz (je nach Maßstab gehen Fachleute von 7 bis 20% pro Jahrgang aus) von sprachlichen Auffälligkeiten lässt sich nicht eindeutig erklären. Man spricht dann von „spezifischen“ Sprachstörungen. Sie können in folgenden Bereichen entstehen: Lautbildung (Artikulation) Dyslalie/Stammeln ist eine Störung der Artikulation, also der Aussprache einzelner Laute oder Lautverbindungen. Entweder werden diese Laute (in der Regel Konsonanten) ausgelassen oder durch andere ersetzt. Dies geschieht manchmal durchgängig, manchmal inkonsequent. In der kindlichen Sprachentwicklung durchlaufen alle Kinder Phasen „physiologischen Stammelns“. Je nach Schwere der Störung unterscheidet man ein partielles, ein multiples und ein universelles Stammeln. Bekannteste – mittlerweile als Schönheitsfehler auch in den Massenmedien geduldete – Form ist das „Lispeln“, in der Fachsprache „Sigmatismus“ genannt. Weitere häufige Artikulationsfehler sind der Schetismus, der Kappa- und Gammazismus und der Rhotazismus. Häufig sind Laute der gleichen Artikulationszone (z.B. im hinteren Mundraum) betroffen. Unterschieden werden von dieser mangelnden Aussprachekompetenz muss die sog. „phonologische Aussprachestörung“. Hierbei beherrscht das Kind oft die korrekte Artikulation, bildet jedoch je nach Lautumgebung im Wort oder Situation Ersatzlaute. Hierbei kommt es zu • Lautassimilationen (Angleichungen von Lauten) > kokolage, • Elisionen (Auslassungen von Silben) > -fant, -dil, • Vereinfachungen von Mehrfachkonsonanzen > Lufalon, Schrümfe, Bume Grammatik und Wortschatz Dysgrammatismus ist eine mangelhafte Beherrschung grammatischer Regeln in Bezug auf die morphologische Anpassung (Flexionsbildung, Genuszuordnung) als auch auf die syntaktische Strukturierung (Stellung der Satzglieder, Hypotaxenbildung). Tritt die letztere Form auf, so spricht man auch von Dyssyntaxie: „Papa mit dem Auto fahrt.“ Eingeschränkter Wortschatz und Wortfindungsschwierigkeiten sind semantische Störungen, die im Zusammenhang mit einem Dysgrammatismus zu einer allgemeinen Sprachgestaltungsschwäche führen können (Umschreibungen, einfachere Begriffe, Gesten und andere nonverbale Mittel). In der Rezeption kommt es dann auch zu Sprachverständnisstörungen. Sprachentwicklung Spezifische Spracherwerbsstörungen sind umfassendere Beeinträchtigungen auf mehreren sprachlichen Ebenen unklarer Ursache, die in der Regel eine multiple bis universelle Dyslalie und einen Dysgrammatismus umfassen, oftmals auch einen eingeschränkten Wortschatz. Bisweilen sind die Rückstände gleichmäßig (Sprachentwicklungsverzögerungen), oft aber inhomogen und komplex (Sprachentwicklungsstörungen). Redefluss: Stottern und Poltern sind Störungen des Redeflusses. Beim Stottern treten klonische Symptome (also Wiederholungen von Lauten oder Silben) auf, im fortgeschrittenen Stadium meist auch tonische (also ein krampfhaftes Pressen), wobei Mitbewegungen der Gliedmaßen und Grimassierungen nicht selten sind. Im Kindergartenalter sind Redeflussstörungen oft entwicklungsbedingt und deshalb nur dann auffällig, wenn sie z.B. länger als 3-4 Monate andauern oder zunehmen. Sonstige Mutismus oder selektiven Mutismus nennt man die konsequente Sprechverweigerung, welche sich häufig auf bestimmte Personen oder Personenkreise (eines bestimmten Geschlechts, einer Gruppe etc.) bezieht. Vereinfacht gesagt ist dies ein auf die Kommunikation bezogener Autismus, wobei die Kinder in der Regel jedoch zu Interaktionen bereit sind. Weitere Störungsbilder sind Stimmstörungen (Dysphonien) oder das Näseln (Rhinophonien). Hörstörungen: Zusätzliche Beeinträchtigungen liegen oftmals auch in der zentralen Hörverarbeitung (auch: Auditive Verarbeitung und Wahrnehmung). Hier kann es z.B. phonematische Diskriminationsschwächen oder eine eingeschränkte Hörmerkspanne geben. Im Falle gravierender peripherer Hörschädigungen hat eine Anpassung mit technischen Hörhilfen (über den HNO-Arzt, bei Kindern meist über den Pädaudiologen) stattgefunden. Die hieraus resultierende sprachliche Beeinträchtigung bedarf dennoch einer gut koordinierten Förder- und Therapieplanung. Studien belegen, dass andauernde Kommunikationsstörungen das Bruttosozialprodukt um 2,5- 3% mindern. Der Abbau kommunikativer Störungen schon im Elementarbereich verschafft nicht nur vielen Kindern positive Lebensperspektiven im Kommunikationszeitalter, sondern vermindert auch volkswirtschaftliche Folgekosten. 41 Am häufigsten fallen in den Sprechtagen Lautbildungsstörungen (über 60%) auf, in der Kombination mit Störungen in Grammatik und Wortschatz beeinträchtigen sie in etwa 50% der Fälle die gesamte Sprachentwicklung. Seltenere, dafür aber meist schwerwiegendere Störungen sind Redefluss- oder Hörstörungen (jeweils unter 10%). Neben den sprachlichen Auffälligkeiten fallen oft auch weitere Störungen auf: Störungen in der Motorik fielen bei jeweils gut 30% auf, in der Wahrnehmung jeweils bei über 40%. Viele Sprachauffälligkeiten lassen sich mit einfachen Maßnahmen beheben: bei leichten Problemen hilft oft eine gute Beratung der Eltern, ggf. auch eine durch den Arzt verordnete ambulante Sprachtherapie (z.B. bei isolierten Lautbildungsstörungen oder bei leichten Spracherwerbsstörungen). Allerdings benötigen immerhin gut die Hälfte der erfassten Fälle mit deutlichen Hör- und Spracherwerbsstörungen (also gut 50% in der ersten Grafik) intensivere Hilfen in Form teilstationärer oder stationärer Maßnahmen. Der Anteil dieser Hilfeleistungen bei den vorgestellten Fällen mit Hör- und Sprachstörungen ist in den vergangenen Jahren weitgehend konstant geblieben, wenngleich im Jahre 2005 eine leichte Zunahme an teilstationären Sprachheilbehandlungen (im Sprachheilkindergarten oder dem Kindergarten für Hörgeschädigte) zu verzeichnen war. Im Vergleich mit den landesweiten Zahlen der Jahre 2003 und 2004 hinsichtlich der empfohlenen Maßnahmen ergibt sich ein für die Arbeit des Ammerländer Gesundheitsamtes bemerkenswertes Ergebnis, denn die Anteile der empfohlenen Maßnahmen unterscheiden sich in einigen Punkten doch deutlich: Vergleich der Maßnahmen: Ammerland - Niedersachsen 2003/2004 80% 70% Anteile 60% WST 2003 50% WST 2004 40% Nds. 2003 30% Nds. 2004 20% 10% 0% ambulant teilstationär (Sprachheilund Hörkiga) stationär Integrationskiga (Sprachheilz.) Maßnahmen Ambulante Therapie teilstationär (SprachheilHörgeschädigtenkindergarten) stationär (Sprachheilzentrum) WST 2003 WST 2004 Nds. 2003 Nds. 2004 73% 66% 54% 50% 22% 22% 36% 36% 4% 3% 5% 6% und Integrationskindergarten 9% 12% 6% 7% Empfohlene Maßnahmen: Vergleich Landkreis Ammerland - Land Niedersachsen 42 Während landesweit im Rahmen der Sprechtage zur Hör- und Sprachheilberatung bei mehr als 30% der Fälle eine teilstationäre Sprachheilbehandlung in einem Sprachheilkindergarten oder einem Kindergarten für Hörgeschädigte empfohlen (und zumeist auch eingeleitet) wurde, so machte dies im Ammerland nur 22% aus. Auch die stationäre Maßnahme im Sprachheilzentrum kam für Ammerländer Schulkinder seltener in Betracht als im Landesdurchschnitt. Ambulante und integrative Maßnahmen spielten dagegen eine etwas größere Rolle im Rahmen der Sprechtage in Westerstede und Rastede. Hier spiegelt sich auch das Selbstverständnis wider, dass präventive (und damit frühe) Interventionen eine ebenso wichtige Rolle spielen wie die gute Kooperation mit Vertragsärzten, therapeutischen Praxen und Kindertagesstätten. Zusammenfassung und Empfehlungen Die Arbeit der Ammerländer Sprachheilberatung basiert auf einer gut koordinierten Kooperation zwischen vielen Beteiligten. Vernetzung ist das Zauberwort für die Effektivität der Maßnahmenpalette, die von einer Elternberatung bis hin zur stationären Sprachheilbehandlung (als umfassendsten Maßnahme) reicht. Das Netzwerk der Strukturen funktioniert innerhalb des Gesundheitsamtes im ärztlichen, sozialarbeiterischen und verwaltungsorientierten Dienst ebenso wie zu den Fachleuten außerhalb. Der „Fachberatungsdienst für Hör- und Sprachgeschädigte im landesärztlichen Dienst“ des Landessozialamtes fügt sich in dieses Netzwerk ein und kann deshalb eine gute Arbeit im Sinne der Vermeidung und Verminderung von Sprachschädigungen leisten. Auch wenn in manchem Fall eine intensive Intervention eingeleitet werden muss, um persönliches Glück durch eine verbesserte Kommunikation (wieder) herzustellen, so bleibt der Anteil dieser (meist auch kostenintensiven) Maßnahmen im Landesvergleich gering. Eine weitere Verminderung gravierender Kommunikationsstörungen Fachleute. Wenn es gelingt, Hör- und Sprachstörungen noch früher können zukünftig nicht nur ein Vielzahl (kostenträchtiger) Maßnahmen sondern auch viele bedauerliche Persönlichkeitsentwicklungen mit vermieden werden. ist das Ziel aller zu erfassen, dann vermindert werden, Leid und Unglück 43 5. 4. Anhang: Adressen logopädischer Praxen Blaß-Schneider Schneider/Breitmar Dominik Rehme Briese/Sachse-Büscher Gruhlke Krudewig Nordhofen Kruse Schönfels Lundborg Rüppel Trappe Uken-Spiralke Vangerow Rößler Margrit Blaß-Schneider Detlef Schneider/Frau Breitmar Eva Dominik Sabine Rehme Sonka Briese/Nicole Sachse-Büscher Christoph Gruhlke Matthias Krudewig Ursula Nordhofen Hansjörg Kruse Sabine Schönfels Marion Lundborg Ingrid Rüppel Katrin Trappe Vera Uken-Spiralke Birgit Vangerow Heike Rößler 26689 Apen 26160 Bad Zwischenahn-Ofen 26160 Bad Zwischenahn-Ofen 26160 Bad Zwischenahn 26188 Edewecht 26188 Edewecht 26188 Edewecht 26188 Edewecht 26180 Rastede-Wahnbek 26180 Rastede 26180 Rastede 26655 Westerstede 26655 Westerstede 26655 Westerstede 26655 Westerstede 26215 Wiefelstede Sprachheillehrer Hasheider Wolfgang Hasheider 26160 BadZw’ahn-Petersfehn 44 Osterende 2 Alte Dorfstr. 5 Brokhauser Weg 29 Langenhof 26 Zum Stadion 1b Schillerstr. 27 Grünstreekendamm 6 Bachmannsweg 43 Schulstr. 19 Raiffeisenstr. 15 Anton-Günther-Str. 13 Gaststr. 16 Gaststr. 19a Wilhelm-Geiler-Str. 1a Ollenflag 5 Hauptstr. 16d Mittellinie 85 04489/407294 0441/9690660 0441/691552 04403/939555 04405/989300/301 04405/49350 04405/6786 04405/5209 04402/916308 04402/597707 04402/869265 04488/79398 04488/761200 04488/860525 04409/928059 04402/961125 04486/1604