Mitochondrialer Kalzium-Torwächter Wake up, little Susie: Das
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Mitochondrialer Kalzium-Torwächter Wake up, little Susie: Das
133_193_BIOsp_0211 188 10.03.2011 11:00 Uhr Seite 188 WISSENSCHAFT · JOURNAL CLUB ÿ Wake up, little Susie: Das Genom eines Orang-Utan-Weibchens ist sequenziert ÿ Mitochondrialer Kalzium-Torwächter ÿ Methylaspartat-Zyklus aus Haloarchaeen ÿ Alzheimer und kein Ende Lothar Jaenicke1 Jochen Graw2 Johannes Sander3 Wake up, little Susie: Das Genom eines Orang-Utan-Weibchens ist sequenziert Neue Sequenziertechniken erlauben es, in immer schnelleren Zyklen Genome von Säugern zu sequenzieren. Ein großes internationales Konsortium unter der Leitung von Devin P. Locke (St. Louis, USA) hat jetzt den ersten Entwurf für eine vollständige Sequenz des Genoms von Susie vorgelegt, eines weiblichen OrangUtans aus Sumatra; dieser „Entwurf“ hat immerhin schon eine 5,5fache Abdeckung des Genoms (Locke DP et. al., Nature (2011) 469:529–533). Die Autoren haben darüber hinaus weitere Orang-Utans aus Sumatra und Borneo teilweise sequenziert, um Populationsunterschiede festzustellen. ó Eine erste überraschende Erkenntnis war, dass offensichtlich die Evolutionsrate des Orang-Utan-Genoms langsamer ist als bei Menschen und Schimpansen. Dies ist vor allem auf die geringere Aktivität der Alu-Retrotransposons zurückzuführen und bedingt dadurch eine stärkere strukturelle Stabilität des Genoms. Eine zweite Bedeutung für die vergleichende Evolutionsforschung wird von den Autoren herausgestellt: Da jetzt von mehr Spezies der Hominiden vollständige Sequenzinformationen vorliegen, lassen sich Trends in der Hominidenevolution klarer erkennen. Die Autoren weisen darauf hin, dass sich nach ihrer Analyse zwei Bereiche besonders stark entwickelt haben: der Sphingolipid-Stoffwechsel und die visuelle Wahrnehmung, wobei drei Gene besonders auffallen (Arrestin, Recoverin und Opsin). Der Vergleich von Susies Sequenz mit den Teilsequenzen anderer Orang-Utans aus Sumatra und Borneo deutet außerdem darauf hin, dass die Individuen aus Sumatra genetisch heterogener sind als die der wesentlich größeren Population in Borneo; die beiden Subspezies haben sich vor etwa 400.000 Jahren getrennt. Y Vor etwa 12 bis 16 Millionen Jahren haben sich die Orang-Utans von den anderen Primaten getrennt. Mit der jetzt vorhandenen zusätzlichen Sequenzinformation wird sich das Bild der Hominiden-Evolution noch klarer zeichnen lassen. Wir werden damit in der Lage sein, die evolutionären Trends in der Primaten-Entwicklung besser zu erkennen, die letztendlich zu dem (evolutionären) Erfolg der Primaten (und damit auch des Menschen) geführt haben. Jochen Graw ó Mitochondrialer Kalzium-Torwächter Der mitochondriale Kalziumkanal kontrolliert die Energetik dieser Organellen, dadurch die Effektivität der gesamten Zellphysiologie: Einstrom aus dem Zytoplasma aktiviert; Block bremst. Die Steuerung geschieht durch ein bisher unbekanntes Protein, beim Menschen codiert im Gen CBARA, an der Kontaktstelle zwischen dem Ca2+-Uniport der mitochondrialen Innenmembran und dem IP3-Rezeptor des Endoplasmatischen Reticulums (ER), das F. Perocchi et al. (Nature (2010) 467:291–296) nun als Ca2+-Sensor des M-Uniporters charakterisieren. Sie nennen es mitochondriales Kalzium-Aufnahme Protein 1 (MICU1). ó Beide Proteine sind vermutlich zahlreich in den jeweiligen Membranen verteilt, aber nur die Kontakt-Aggregierungen sind durch die dort hohe Ca2+-Ionenkonzentration die Schalter des Geschehens. Bei hohem zytoplasmatischen Ca2+-Niveau wird der Zufluss zum Mitochondrium geöffnet. Das Mitochondrium dient dadurch als Kalzium-Puffer großer Kapazität, moduliert die zytoplasmatischen Kalzium-Signale und schützt die Zellen vor Kalzium-Überlast. Bei der Abgabe von Ca 2+-Ionen aus dem Zytoplasma in die Mitochondrien arbeitet das mitochondriale Uniport-Schleusensystem, sehr empfindlich auf das Ca2+-Niveau justiert, gegen den Gradienten, getrieben durch ein hohes negatives Potenzial über die Mitochondrien-Membran. Ca2+ ist nicht nur Passivlast im System, sondern zugleich Regler seiner Aktivität. Wenn kein Ca2+ aus dem ER fließt und Zytoplasma-Ca2+ niedrig ist, fließt Ca2+ aus dem Mitochondrium in das Zytoplasma über die Membranaustauscher NLCX für Na+/Ca2+ und LETM für H+/Ca2. Der mitochondriale Uniporter MICU1 wurde durch RNA-Interferenz aus einem Dutzend Kandidaten ermittelt. Stilllegen unterbricht weder die Atmungskette noch das Membranpotenzial, sondern nur den Zutritt von mitochondrialem Ca2+ in Zellen, entkoppelt zytosolische Ca2+-Fluxe und Matrix-Dehydrogenasen. Das Protein MICU1 ist an die Mitochondrien-Membran gebunden und besitzt die beiden Ca2+Bindungs-essenziellen EF-Griffe. Y Da dem Protein eine zweite Transmembrandomäne fehlt, ist es vermutlich nicht selbst der Kanal, sondern die Ca 2+-empfindliche Spürsonde des eigentlichen Uniporters, der noch gesucht wird. Lothar Jaenicke ó 1 Institut f. Biochemie, Universität zu Köln, Zülpicher Straße 47, D-50674 Köln 2 Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg, [email protected] 3 Falkenstraße 87, D-58553 Halver, [email protected] BIOspektrum | 02.11 | 17. Jahrgang 133_193_BIOsp_0211 10.03.2011 11:00 Uhr Seite 189 189 Methylaspartat-Zyklus aus Haloarchaeen Anders als Tiere können Pflanzen aus Fettsäuren Zucker aufbauen, indem sie die frei werdenden Acetyl-CoA-Einheiten in den die Decarboxylierungsschritte des Citratzyklus umgehenden Glyoxylatzyklus einschleusen. Bei Prokaryoten dient dieser Zyklus außerdem dem Wachstum auf C2-Verbindungen. Alternativ erfolgt die Acetyl-CoA-Assimilation bei ihnen über den Ethylmalonyl-CoA-Weg. Jetzt wurde ein weiterer Zyklus in Haloarchaeen entdeckt. ó Einige Haloarchaeen (z. B. Haloarcula marismortui) können zwar auf Acetat wachsen, ihnen fehlen aber wesentliche Enzyme nicht nur dieses Zyklus, sondern auch des EthylmalonylCoA-Wegs. Khomyakova et al. (Science (2011) 331:334–337) identifizierten daher über einen Proteomvergleich von auf Acetat bzw. Succinat gewachsenen Zellen Acetat-abhängig hochregulierte Gene. Basierend auf der Analyse dieser Gene konnten sie folgenden Acetatassimilationszyklus postulieren und auf Ebene der Enzymaktivitäten testen: Zunächst wird wie beim Citratzyklus aus Oxalacetat und AcetylCoA 2-Oxoglutarat gebildet, aus dem dann Glutamat entsteht. Aus dem Glutamat wird über Zwischenstufen β-Methylmalyl-CoA gebildet, das wie beim Ethylmalonyl-CoA-Weg in Propionyl-CoA und Glyoxylat gespalten wird. Während das Glyoxylat wie beim Glyoxylatzyklus und beim Ethylmalonyl-CoA-Weg mit AcetylCoA zu Malat kondensiert, entsteht aus dem Propionyl-CoA nach Aufnahme von HCO3ebenfalls Malat. Letzeres steht dann für Biosynthesen und zur Oxalacetatregeneration zur Verfügung. Y Für das beim Abbau gespeicherter Polyhydroxyalkanoate entstehende Acetyl-CoA dürfte ein entsprechender Assimilationsweg nützlich sein. In der Tat besitzen auch die meisten Haloarchaea die Gene für den Glyoxylat- (Haloferax volcanii) und/oder den Methylaspartatzyklus. Entstanden ist Letzterer wahrscheinlich aus verschiedenen Bausteinen durch lateralen Gentransfer. Johannes Sander ó Alzheimer und kein Ende Gelegenheit und Not machen Diebe – und Wissenschaft. Die Altersperspektive in einer vom hilflosen Überaltern geplagten Welt lässt mich in letzter Zeit immer wieder auf die Neurodegenerationen stoßen. Bei diesen überschreiten Prionen genannte Proteinteilchen, die von außen in den gesunden Körper gelangen, die Blut/Hirnschranke und lösen im Gehirn bislang unheilbare Erkrankungen des Nervensystems aus, indem sie endogene Proteinfragmente umfalten und zu unlöslichen, Neurokontakte unterbrechenden Isolierschichten zusammenlagern. Zu diesen Prionen gehört das tau-Protein der spongiformen Creutzfeldt-Jacob-Enzephalitiden, das aggregierende Polyglutamin des Huntington-Veitstanzes oder das alphaSynuklein des Parkinson, von denen in den letzten Jahrzehnten viel Erkenntnis zu erfahren ist, wenn auch keine Heilung. ó Nun zeigen Y. S. Eisele et al. (Science (2010) 330:980–982), dass kleine Saat-Kristallite des beta-Amyloids (Aβ) aus Hirngewebslysaten einer an Alzheimer erkrankten Maus nach BIOspektrum | 02.11 | 17. Jahrgang Injektion in die Bauchhöhle einer gesunden Maus binnen fünf Monaten in deren Gehirn die für eine Alzheimer-Degeneration typischen, neurofibrillären Verfilzungen um die Blutgefäße erzeugen, mit nachfolgender, durch Kongorot färbbarer Plaquebildung in der hypertrophierenden und -phosphorylierenden lokalen Glia. Die Aβ-Amyloidoseauslösung wird durch Denaturieren oder spezifische Immunfällung der Extrakte verhindert. Sie gelingt in entsprechender Zeit nicht durch Verfüttern oder über die Schleimhäute von Nase oder Augen. Y Wie das aber geschieht, bleibt aufzuklären. Möglich wäre die rasche Umgehung der zellulären Phagozytose im Blutstrom oder der schützende Huckepack-Transport durch Mono- und Makrozyten aus dem Blutstrom in den cerebralen Perivaskulärraum. Es ist noch nicht erwiesen, dass die „Infektion“ ohne weitere (Protein-, Lipid- oder RNA-)Kofaktoren geschieht, wie sie bei der familiären, durch Mutation der beta-Sekretase ausgelösten Erkrankung gemutmaßt wird (F. Wang et al., Science (2010) 327:1132–1136). Lothar Jaenicke ó Kurz gefasst ó Dictyostelium discoideumPaarungstypen Die Schleimamöbe Dictyostelium discoideum weist neben einer haploidungeschlechtlichen Vermehrungsform zwei haploide, gegensinniggeschlechtliche Paarungstypen (I und II) auf. G. Bloomfield et al. (Science (2010) 330:1533–1536) illustrierten, dass sich die Gene auf Chromosom 5 zwischen Typ I und Typ II unterscheiden. Ein dritter Paarungstyp (III) kann mit (I) oder (II), aber nicht mit sich selbst fusionieren. SchlüsselGenprodukte für eine erfolgreiche Kreuzung sind zwei Proteine, die Typ I und Typ III kontrollieren. Eine Kombination von Homologen beider Typen kontrolliert Typ II. Lothar Jaenicke ó T3SS-Translokation Oberflächen-lokalisierter Proteine Typ-III-Sekretionssysteme (T3SS) ermöglichen Pathogenen (Yersinia pseudotuberculosis), Effektorproteine (Yops) in Wirtszellen zu schleusen. Ursprünglich wurde angenommen, dass die Yop-Proteine bei Kontakt von Wirt und Parasiten in einem einzigen Schritt übertragen werden. Akopyan et al. (Proc Natl Acad Sci USA (2011) 108:1639–1644) zeigen, dass sich Yop-Effektoren und -Translokatoren bereits vor dem Kontakt von Bakterien- und Wirtszelle auf der Bakterienoberfläche befinden und bei Kontakt effektiv in die Wirtszelle übertragen werden. Sekretion aus dem Bakterium und Translokation in die Wirtszelle können demnach entkoppelt werden. Dieser Mechanismus scheint generell auf Pathogene übertragbar zu sein. Johannes Sander ó CytP450-Intermediat I charakterisiert CytP450-Monoxigenasen katalysieren die Oxidation von aliphatischen C-H-Bindungen durch den an das Häm-Eisen (FeIII) gebundenen Sauerstoff. J. Rittle und M. T. Green (Science (2010) 330:933–937) bestätigten nun einen bereits vor zehn Jahren von I. Schlichting angenommenen Reaktionsmechanismus. Am Beispiel des Thermophilen-Enzyms P450-Chlorperoxidase CYP119 mit m-Chlorbenzoesäure als Substrat konnten die Forscher das Intermediat CYP119-I der Reaktion stabilisieren und dessen chemische Struktur und außerordentliche Reaktionskraft aufzeigen. Lothar Jaenicke 133_193_BIOsp_0211 190 10.03.2011 11:01 Uhr Seite 190 WISSENSCHAFT · JOURNAL CLUB ÿ Der Einfluss des Vaters auf den Stoffwechsel seiner Kinder – proteinarmes Futter führt bei Nachkommen zu verminderter Cholesterol-Konzentration ÿ O’zapft is! Assimilatorischer Zuckerexport durch Pflanzenpathogene umgeleitet ÿ Bio-Halbleiter aus FF-Quantenpunkten ÿ AMPK aktiviert Stress-modulierte Transkription durch Chromatin-H2B-Phosphorylierung ÿ Pathogene Salmonellen schlagen Konkurrenten Der Einfluss des Vaters auf den Stoffwechsel seiner Kinder – proteinarmes Futter führt bei Nachkommen zu verminderter Cholesterol-Konzentration Epigenetische Information kann über die Keimbahn weitergegeben werden und damit eine generationsübergreifende Information über Umweltbedingungen darstellen. Viele Arbeiten beschäftigten sich mit maternalen Effekten; die Gruppe um Oliver Rando (Worcester, USA) hat auch den Einfluss väterlicher Ernährung untersucht (Carone BR et. al., Cell (2010) 143:1084–1096). ó Dazu haben sie männliche Mäuse nach dem Absetzen bis zur sexuellen Reife mit proteinarmer Diät gefüttert (Proteinanteil 11 % statt 20 %) und mit normal gefütterten Weibchen verpaart. Untersuchungen des epigenetischen Musters in den Nachkommen dieser Männchen zeigten eine veränderte Methylierung eines vermutlichen Enhancers des Ppara-Gens (peroxisome-proliferator activated receptor α ), die mit einer verminderten Ppara-Expression assoziiert ist. Außerdem sind Gene des Cholesterol-Stoffwechsels aktiviert, was zu einer Senkung der Cholesterol-Konzentration in der Leber führt. Weiterhin sind verschiedene miRNAs in ihren Konzentrationen verändert. Da sich die Methylierung des Enhancers des Ppara-Gens in Spermien der Mäuse mit der niedrigen Proteinmenge im Futter nicht von der Kontrollgruppe unterscheidet, muss für die Übertragung auf die nächste Generation ein anderer Mechanismus angenommen werden (nicht-codierende RNA?). Diese Arbeit zeigt, dass das Epigenom der Spermien durch das Nahrungsangebot verändert wird und einen Einfluss auf biochemische Eigenschaften der Nachkommen hat. Y Die Häufung derartiger Befunde, dass die Ernährung der Eltern den Metabolismus der Kinder beeinflusst, lässt aufhorchen. Es stellt sich dabei die Frage, ob die Auswirkungen entbehrungsreicher Zeiten (wie z. B. während und nach den beiden Weltkriegen in Europa) nicht gravierendere Auswirkungen haben als McDonalds und Burger King zusammen – vorausgesetzt, es herrscht eine Phase ausreichenden Nahrungsangebots. Epidemiologische Arbeiten stützen diese These, allerdings dauert es beim Menschen offensichtlich eine Generation länger als bei Mäusen: Hungersnöte bei den Großvätern führen erst bei den Enkeln zu Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Pembrey ME et al., Eur J Hum Genet (2006) 14:159–166). Jochen Graw ó O’zapft is! Assimilatorischer Zuckerexport durch Pflanzenpathogene umgeleitet Glukose-„Effluxtransporter“ (SWEETs) halten die Glukose-Konzentration im Tierblut wie auch in den Nektarien, Pollinarien und Gymnaeceen der Angiospermen konstant, sind aber bislang eher phänomenologisch beschrieben. Mit einer ingeniösen Fluoreszenzresonanzenergietransfer (FRET)-Nano-Nachweismethode geht die Arbeitsgruppe um W. B. Frommer (Carnegie Institution, Stanford, CA) an das Problem der SWEETs heran (Chen LQ et al., Nature (2010) 468:527–532). ó Die Methode beruht auf der kontinuierlich emissionsfluorometrisch registrierten Konformationsänderung eines Proteins bei Bindung (s)eines Liganden, hier also der Glukose an den SWEET-Transporter. Dieses Sieben-Transmembran-Aggregat schickt Glukose mit nie- driger Affinität (Km ca. 9 mM) und pH-unabhängig durch die Zellmembran in den Extrazellulärraum. Die Autoren exprimieren die potenziellen SWEET-Gene von Arabidopsis thaliana (At), Oryza sativa (Os), Caenorhabditis elegans (Ce) und Maus (Mm) zusammen mit einem NanosensorReporterprotein in Nierenkulturzellen vom Menschen. Bei At gibt es 17 SWEETs, bei Os 21, bei Ce 7, beim Menschen 1, alle mit den gleichen Charakteristika, obschon in verschiedenen Organen der Pflanze (z. B. Fruchtknoten-, Staubfädenzellen) und von Tieren (z. B. Intestinalepidermis- oder Nebenhodenzellen) exprimiert. Sie alle haben also eine Quelle/Senke-Funktion in der Ernährung zwischen Metazoen-Geweben. Y Hochinteressant ist, dass phytopathogene und invasive Pilze (z. B. der Mehltau Glovinomomyces cichoracearum, der Grauschimmel Botrytis cinerea) und Bakterien (z. B. der Fäuleerreger Xanthomonas oryzae) auch in Modellorganismen die Expression und Aktivität der Wirts-SWEETs für sich nutzen können. Möglicherweise tun sie dies durch Injektion von TAL-Effektorproteinen, die, in den Kern aufgenommen, den Promotor eines korrelierten spezifischen SWEETs erreichen. Dadurch wird Glukose, die normalerweise über den SWEET zu einer stationären Konzentration in den Saftstrom fließt, sodass die Außen-Glukosekonzentration niedrig bleibt, zu hoher Konzentration in den Intrazellulärspalt, den Sitz der Pathogene, abgeleitet. Lothar Jaenicke ó BIOspektrum | 02.11 | 17. Jahrgang 133_193_BIOsp_0211 10.03.2011 11:01 Uhr Seite 191 191 Bio-Halbleiter aus FF-Quantenpunkten Organische Polymere können Elektronenleiter sein, unter Umständen sogar Halbleiter. N. Amdursky vom Weizmann-Institut in Rehovot/Israel zeigt (J Am Chem Soc (2010) 132:15632–15636), dass das Dipeptid (FF) aus dem aromatischen Phenylalanin (F) unter definierten Umständen zu sogenannten Quantenpunkten aggregiert. Dies sind nanoskalare dreidimensional geordnete Strukturen, deren energiegeladene Exzitone sich mit Halbleitern oder Isolatoren zusammenlagern können. Ihre elektronischen Eigenschaften liegen zwischen denen des Kristalls und eines Einzelmoleküls. Am bekanntesten sind die Quantenpunkte anorganischer Materiale, wie Si und Ge oder die Sulfide und Selenide der zweiwertigen Elemente Ca, Zn und des toxischen Cd. ó Die Voraussetzung wirksamer Quantenpunkte ist materialunabhängig lediglich ein Durchmesser des „Quantenkäfigs“ etwa in der Wellenlänge der elektronischen Wellenfunktion. Daher kommen auch Organika infrage. Die Autoren beobachteten, dass sich beim Verdunsten einer methanolischen FF-Lösung spontan nanokristalline Dimer-Strukturen (Durchmesser ca. 2,1 Å) mit symmetrisch angeordneten aromatischen Resten bilden. Sie sind nicht nur piezoelektrisch, sondern emittieren auf Anregung hin Licht in einem sehr schmalen Frequenzbereich. Beim Lösen geht diese Eigenschaft voll reversibel verloren. Sie hängt also mit dem kristallinen Zustand zusammen; einzelne FF sind keine Quantenpunkte. In Wasser ordnen sich die Methanolkristalle zu Peptid-Nanoröhren von mehreren 106 Quantenpunkten. Auch dieser Vorgang ist vollständig umkehrbar und beim Einbringen in Methanol zerfallen sie wieder zu einzelnen Quantenpunkten. Quantenpunkt-Dispersionen und Nanoröhren geben identische Röntgenbeugungsmuster. Also sind jene die konstituierenden Bauelemente. Y Die Eigenschaften hängen zweifellos mit der Größe und den Komponenten der Quantenpunkte sowie der daraus gebildeten Nanoröhren zusammen. Von den relevanten Bio-Aminosäuren wurde erst die Kombination mit Tryptophan geprüft. Das Ergebnis war positiv. Das Ganze ist also ein überaus offenes und aussichtsreiches Arbeitsfeld für die biophysikalische Chemie und andere Biokombinationen. Lothar Jaenicke ó AMPK aktiviert Stress-modulierte Transkription durch Chromatin-H2B-Phosphorylierung AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK) ist der allgemeine Energiesensor der Eukaryotenzelle. Auf „Ein“ gestellt bei Gen(Bestrahlung, Peroxide, chemische oder Interkalationsagenzien) und Stoffwechseltoxischen (2-Desoxyglukose) Stress-Störungen der Energiebilanz bewirkt sie akute Antworten und chronische Adaptationen über Gen-Exprimierungen. Der geläufigen Vorstellung, dass das über Phosphorylierung von Protein-Transkriptions- oder Regulationsfaktoren geschieht, die ihrerseits RNA-PolymeraseII an Gen-Promotoren aggregieren, widersprechen D. Bungard et al. (Science (2010) 329:1201– 1205) durch Experimente an embryonalen Maus-Fibroblasten, deren AMPK inaktiviert ist. ó Sie weisen durch Chromatin-Immunfällungen einen direkteren Mechanismus nach, nämlich die Phosphorylierung des Chromatin-Histons H2B an Ser36, das im Säugetier-Phosphorylierungsmotiv – xΦXXXSXXXΦx – je drei Positionen zwischen hydrophoben Resten (Phi) steht, wobei X vornehmlich basische Aminosäuren sind. Φ trübt zwar den Erkennungsvorgang, aber das wird vermutlich durch andere Interaktionskräfte kompensiert. Unter den genannten Stressbedingungen assoziiert AMPK mit p53-Promotoren und der (Leber)kinase B1 und/oder ihren Zusatzproteinen STRAD, MIO25, die zur p53-Aktivierung nötig sind, sowie mit transkribierten Regionen von Ziel-Genen. Somit lassen sich auch Auswirkungen auf Elongation und Transkription erwarten. Y Ser36 ist an sich im Nukleosom nicht stark exponiert. Es ist anzunehmen, das H2B außerhalb des Nukleosomenverbunds gegriffen und durch die zusätzlichen Negativladungen gestreckt, dadurch zugänglicher gemacht wird. Ser36/Ala-H2B rekrutiert RNA-Polymerase kaum. Lothar Jaenicke ó Pathogene Salmonellen schlagen Konkurrenten Infektionen regen das Intestinalsystem zu einem tückischen Teufelskreis der ROSProduktion an, dessen Endprodukt das Pathogen begünstigt. S. E. Winter et al. (Nature (2010) 467:426–429) zeigen das am Beispiel des Serotyps Typhimurium von Salmonella enterica. ó Dieser kann, im Gegensatz zu allen Konkurrenten, auf Tetrathionat (S4O2– 6 ) als Elektronenakzeptor-Substrat gedeihen, was seit bald hundert Jahren zur Differenzialkultur gegenüber anderen Durchfallbakterien genutzt wird. In der Natur kommt das instabile Tetrathionat nicht vor, wohl aber in Boden und Darminhalt BIOspektrum | 02.11 | 17. Jahrgang reichlich Sulfat-, Sulfit- und Sulfidvorläufer, aus denen sich leicht Thiosulfat bildet. Die Frage war, ob und wie die Oxidationsreaktion Thiosulfat-zu-Tetrathionat im Darm der Säuger ablaufen kann. Sie wurde in Versuchen an der Maus beantwortet: Die pathogene Salmonella typhimurium dringt in die normalerweise nicht phagocytierenden Darmepithelzellen durch das Typ-III-Sekretionssystem (T3SS), einen Interspezies-Proteintransporter mit AT-reichem Gen ein. Dann setzt in diesen die von einem GC-reichen Gen codierte Reaktion ein, durch die (vom Standpunkt des Wirts kontraproduktiv) das Phagocyten- Immunsystem an der Infektionsstelle rekrutiert und aktiviert wird. Diese „Abwehr“ nämlich erzeugt nun reaktive Sauerstoffspezies (ROS), also O•– 2 -Radikale, die Entzündung und Invasion des Epithelgewebes bewirken. Dadurch erst ermöglicht diese durch horizontalen Gentransfer erworbene Eventkette die Ausbreitung des Pathogens im Intestinalgewebe. Y Analoges gilt für Yersinia enterocolitica, deren Verwandte, der Pesterreger Y. pestis, diese Fähigkeit verloren hat und daher nicht mehr im Darm leben kann, sondern auf die externe Übertragung durch den Flohbiss angewiesen ist. Lothar Jaenicke ó