manteltarifvertrag der versicherungswirtschaft

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manteltarifvertrag der versicherungswirtschaft
Positionspapier
zu der Offenlegung von
Abschluss- und Vertriebskosten
(nach dem Entwurf der Informationspflichtenverordnung)
Die Versicherungswirtschaft unterstützt das Ziel des Verordnungsgebers, die
Transparenz beim Abschluss von Versicherungsverträgen zu erhöhen und hat
hierzu bereits im März des letzten Jahres Vorschläge unterbreitet (vgl. Anlage). Die Vorschläge beinhalten die Einführung eines Produktinformationsblattes ebenso wie die Offenlegung der Abschluss- und Verwaltungskosten.
Das praktische Problem liegt dabei darin, eine Kennziffer zu definieren,
die die Abschlusskosten wie auch die Verwaltungskosten für den Kunden
wirklich vergleichbar macht. Diese Kennziffer muss daher
-
anbieterneutral,
vertriebswegeneutral,
produktneutral und
überprüfbar
sein. Wird die Kennziffer diesen Anforderungen nicht gerecht, wird eine
Scheintransparenz erzeugt, die allein zur Verwirrung der Verbraucher führt.
Der Verordnungsgeber schlägt vor, Provisionen und Courtagen, und damit
einen Teil der Abschlusskosten, in absoluten Beträgen (Euro) offen zu legen.
Die Versicherungswirtschaft lehnt diese Form der Offenlegung vor allem
deshalb ab, weil vor allem das Ziel verfehlt wird, eine vergleichbare Kennziffer für die Abschlusskosten vorzusehen.
Gesamtverband der Deutschen
Versicherungswirtschaft e.V.
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Der Vorschlag verfehlt das Ziel, da er aufgrund der unterschiedlichen Provisionssysteme und der unterschiedlichen Vertriebswege in der Versicherungswirtschaft zu nicht vergleichbaren Aussagen führt. Die Höhe der Provision
hängt im Wesentlichen von dem Umfang der von dem Vermittler übernommenen Aufgaben ab, so dass entscheidend ist, wie das Unternehmen bestimmte Kostenelemente ausweist. Diese Zusammenhänge kann der
Verbraucher beim vorliegenden Verordnungskonzept nicht erkennen.
Die Versicherungswirtschaft schlägt mit der gleichen Zielrichtung, die
auch der Verordnungsgeber verfolgt, vor, statt der gezahlten Provisionen
die einkalkulierten Abschluss- und Vertriebskosten im Verhältnis zu den Beiträgen auszuweisen. Nur damit wird dem Versicherungsnehmer ein sinnvoller
Vergleich im Produktbereich der Finanzdienstleister ermöglicht.
Dieses Positionspapier gliedert sich in vier Teile:
I.
I.
Darstellung der Vertriebssysteme in der Versicherungswirtschaft und der unterschiedlichen Vergütungsansätze
II.
Darlegung der Gründe, warum der im Entwurf gewählte
Ansatz nicht zielführend ist
III.
Darlegung der rechtlichen Aspekte, die gegen den Lösungsansatz des Verordnungsvorschlags sprechen
IV.
Vorschlag der Versicherungswirtschaft zur Kostentransparenz
und Vergleichbarkeit
Vertriebssysteme der Versicherungswirtschaft /
unterschiedliche Vergütungsansätze
In Deutschland vermitteln 500.000 Vermittler Versicherungsprodukte. Sie
untergliedern sich in selbständige Vermittler (haupt- und nebenberufliche),
Makler und angestellte Vermittler.
Die Einfirmenvertreter, die größte Vermittlergruppe (400.000 Vermittler), die
Handelsvertreter gemäß § 84 HGB sind, vermitteln ausschließlich für ein
Versicherungsunternehmen. Ihre konkrete Tätigkeit im Hinblick auf den
Abschluss eines Versicherungsvertrages kann dabei von der Namhaftmachung eines Interessenten über vorbereitende Handlungen bis hin zur ausführlichen Kundenberatung variieren. Entsprechend ihrer Tätigkeit werden
sie vergütet. Die Höhe der Vergütung hängt auch davon ab, ob der Vermittler im Haupt- (ca. 100.000 Vermittler) oder Nebenberuf (ca. 300.000 VerSeite 2 / 8
mittler) tätig ist und ob und in welchem Umfang er durch das Versicherungsunternehmen unterstützt wird (z. B. durch Schulungen und Beratungsund Dokumentationssoftware, Werbemittel etc.).
Weiterhin werden Lebensversicherungen von Versicherungsmaklern vermittelt. Der Anteil dieser Gruppe erreicht aktuell 20 %. Makler stehen im
Lager des Versicherungskunden und werden als treuhändischer Sachwalter
des Kunden in dessen Auftrag tätig. Sie haben die gesetzliche Pflicht, ihrem
Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zugrunde zu legen. Die Versicherungsmakler werden von den Versicherungsunternehmen nicht in der gleichen Weise wie Einfirmenvertreter unterstützt. Deswegen liegen die Vergütungen in der Regel höher.
Die angestellten Vermittler erhalten eine Vergütung, die sich aus zwei
Komponenten zusammensetzt, nämlich aus einer Grundvergütung gemäß
dem Manteltarifvertrag der Versicherungswirtschaft und einer erfolgsbezogenen Komponente.
Für die Versicherungsnehmer bleibt trotz unterschiedlicher Vergütung der Vertriebswege für das gleiche Produkt der einkalkulierte
Abschlusskostensatz immer gleich, so dass nur durch Angabe
dieses Kostensatzes ein Vergleich möglich ist.
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.
Offenlegung der Abschluss- und Vertriebskosten in Euro
- Irreführend durch unterschiedliche Vergütungsansätze
Beispiel
Lebensversicherung eines Anbieters: 30 Jahre Laufzeit, Jahresbeitrag 600 Euro,
Beitragssumme 18.000 Euro
Einmalige Abschlusskosten:
von Summe
Makler
Einfirmenvertreter
Angestellter
(3,6 – 4,0 %)
(1,7 – 3,6 %)
(2,5 %)
mittel: 684 Euro
mittel: 477 Euro
mittel: 450 Euro
Hinweis: Viele Vermittler erhalten vom Unternehmen über die vereinbarte Provision hinaus keine Zuwendungen. Einige
Vermittler, insbesondere Einfirmenvertreter, erhalten neben der vereinbarten Provision unter Umständen
gesonderte, meist zeitlich fixierte Zuschüsse.
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Die Angabe der konkreten, zeitpunktbezogenen Provision ist teilweise gar
nicht möglich. Der genaue Provisionsbetrag steht unter Umständen zum
Zeitpunkt der Antragstellung des Versicherungsnehmers noch gar nicht
fest, weil sich die Provision des Vermittlers am Vermittlungserfolg eines
Monats oder eines Jahres bemisst (s. nachfolgendes Schaubild).
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.
Beispiel einer Staffelung der jährlichen Vergütungen des Einfirmenvertreters bei
Lebensversicherungen in Prozent der vermittelten Versicherungs- bzw.
Beitragssumme abhängig von der Höhe des Gesamtvolumens
Einfirmenvertreter
bis 125.000 Euro
1,7 %
bis 250.000 Euro
2,2 %
bis 375.000 Euro
2,6 %
bis 500.000 Euro
2,8 %
bis 625.000 Euro
3,0 %
bis 750.000 Euro
3,2 %
bis 1 Mio. Euro
3,4 %
bis 1,25 Mio. Euro
3,5 %
darüber
3,6 %
Des Weiteren ist in der privaten Krankenversicherung zu berücksichtigen, dass sich die Vergütung eines Vermittlers an der Höhe des insgesamt vermittelten Geschäftes orientiert. Diese erfolgsabhängige Vergütung führt dazu, dass Vermittler für die Vermittlung desselben Produkts in
Abhängigkeit ihrer Vermittlungsleistung aus den Vorjahren unterschiedlich
vergütet werden.
Diese Darlegungen unterstreichen, dass der Verordnungsvorschlag die
erwünschten Ziele der Transparenz nicht erreicht.
II.
Weitere Gründe, warum der im Entwurf gewählte
Ansatz nicht zielführend ist
Folgende weitere Erwägungen sprechen gegen den im Verordnungsentwurf gewählten Ansatz.
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1.
Der Verordnungsentwurf führt zur Scheintransparenz
Mit dem Entwurf wird, wie eben dargestellt, eine bloße „Scheintransparenz“ hergestellt.
2.
Versicherungen werden im Wettbewerb gegenüber anderen
Finanzprodukten benachteiligt
Die Offenlegung der Provision trifft nur die Vermittlung von Versicherungsverträgen. Für alle anderen, mit Versicherungsprodukten im Wettbewerb stehenden Finanzprodukte gelten diese Verpflichtungen nicht;
für sie bestehen keine vergleichbaren gesetzlichen Vorgaben. Auch die
beabsichtigte Änderung des Investmentgesetzes zielt nicht auf eine derartige Vorgabe. Schließlich braucht auch die gesetzliche Krankenversicherung, die bei der Werbung freiwillig Versicherter ebenfalls Vermittler einsetzt und in diesem Sektor mit der privaten Krankenversicherung konkurriert, die entsprechenden Aufwendungen nicht auszuweisen. Das bedeutet, die Angaben wären singulär und für einen Kostenvergleich (etwa bezogen auf die Lebensversicherung mit Investmentfonds) nicht geeignet.
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.
Offenlegung der Abschluss- und Vertriebskosten in Euro
- Benachteiligung gegenüber Fondsvertrieb
Beispiel
Lebensversicherung:
Investmentfonds:
30 Jahre Laufzeit, Monatsbeitrag 50 Euro,
Beitragssumme 18.000 Euro
Monatsbeitrag 50 Euro
Abschlusskosten:
Leben
auszuweisen: 684 Euro
(Zahlweise: einmalig 3,8 % v.
Summe)
Fonds
auszuweisen: 5 %
(Zahlweise: monatlich 2,50 Euro x 360
= 900 Euro über gesamte Laufzeit)
Dem Versicherungsnehmer wird durch den subjektiv hoch erscheinenden
Eurobetrag suggeriert, dass teuere Produkt zu kaufen.
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3.
Gefahr der Verletzung des Provisionsabgabeverbots
Es besteht die Gefahr von Fehlanreizen. Der Versicherungsnehmer würde
sich künftig mehr mit der – in Deutschland verbotenen – Teilung der Provision mit dem Vermittler befassen als mit dem Produkt. Der Wettbewerb
wird vom Produkt weg hin zum Vermittler verlagert. Statt der Produktqualität rückt die Provisionshöhe in den Mittelpunkt.
4.
Widerspruch zum AltZertG
Der Vorschlag widerspricht zudem den Regelungen, die der Gesetzgeber
für alle Altersvorsorgeverträge im AltZertG getroffen hat und die insofern
eine einheitliche Vorgabe für alle Finanzdienstleister beinhalten. Nach § 7
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AltZertG haben die Finanzinstitute danach über die
Höhe und zeitliche Verteilung der vom Vertragspartner zu tragenden Anschluss- und Vertriebskosten zu informieren.
5.
Benachteiligung selbständiger Vermittler
Selbständige Versicherungsvermittler werden im Vergleich zu angestellten
Vermittlern massiv benachteiligt. Die Regelung wird im Ergebnis dazu
führen, dass selbständige Versicherungsvermittler, die vollständig von den
Provisionen abhängig sind, ausgegrenzt werden gegenüber angestellten
Vermittlern, die mit einem entsprechenden Grundgehalt ausgestattet sind.
Eine derartige Differenzierung ist sachfremd und darf nicht Ziel der beabsichtigten Verordnung sein.
III.
Europa- und verfassungsrechtliche Einwendungen
1.
Keine Ermächtigungsgrundlage für die Offenlegung der
Provision
Die gesetzliche Ermächtigung bezieht sich auf „Abschluss- und Vertriebskosten, soweit eine Verrechnung mit Prämien erfolgt“, nicht auf die Offenlegung
der Provisionen, wie dies aus der Begründung folgt. Hiermit sind erkennbar
nur die in die Prämie eingerechneten und nicht die tatsächlichen Kosten gemeint. Daran ist der untergesetzliche Verordnungsgeber gebunden.
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2.
Verletzung der Grundrechte der Versicherungsvermittler auf
Berufsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung durch
Offenlegung der Provision
Die rund 500.000 Vermittler in Deutschland werden gezwungen, ihren Verdienst jedermann gegenüber offenzulegen. Eine derartige Offenlegung ist –
sieht man einmal von Vorstandsvergütungen börsennotierter Aktiengesellschaften ab – beispiellos. Eine Offenlegung verletzt Grundrechte der Versicherungsvermittler, u. a. die Berufsfreiheit und das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung; ein besonderes öffentliches Interesse an der Offenlegung
der Provision der Vermittler ist nicht ersichtlich. Das Bundesverfassungsgericht hat erst jüngst im Zusammenhang mit Nebenverdiensten der Bundestagsabgeordneten auf die Grundrechtsrelevanz derartiger Angaben verwiesen. Kein Handelsvertreter muss in Deutschland seine Provision offen legen.
3.
Keine zwingenden höchstrichterlichen Vorgaben für eine Offenlegung der Provision
Insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung gebietet den Ausweis der Provisionen nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber vielmehr einen Gestaltungsspielraum zugewiesen. Es hat dabei
namentlich keine Festlegungen formuliert, dass ein Provisionsausweis in
Euro notwendig ist. Die Rechtsprechung des BGH zum Bank- und Wertpapierrecht erfasst nur Fälle bestimmter Interessenkollisionen, die in dieser Form in der Privatversicherung nicht existieren, jedenfalls einen generellen Provisionsausweis nicht gebieten.
4.
Verstoß gegen Europarecht
Die Lebensversicherungs-Richtlinie enthält einen abschließenden, umfassenden Informationskatalog. Die Offenlegung der Provisionen ist in den
damaligen Verhandlungen auf europäischer Ebene behandelt worden, war
aber nicht mehrheitsfähig und wurde daher abgelehnt. Der Gesetzgeber
ist – da es sich nicht um einen Fall der Minimalharmonisierung handelt –
an diese abschließende Aufzählung gebunden.
Für die Krankenversicherung, die sowohl ihrem Charakter nach wie auch
gemäß der Einordnung in den Versicherungsrichtlinien zur Nichtlebensversicherung gehört, bestehen keinerlei europarechtliche Vorgaben zu Informationspflichten. Die Einbeziehung erfolgt lediglich im Hinblick auf eine
Einheitlichkeit mit der Lebensversicherung, die so jedoch nicht besteht.
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IV.
Vorschlag der Versicherungswirtschaft zur Kostentransparenz
und Vergleichbarkeit
Kostentransparenz und -vergleichbarkeit im Wettbewerb lassen sich nur
durch eine anerkannte Kennzahl erreichen, die sich auf die vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Beiträge bezieht. Nur so ist ein Kostenvergleich
unabhängig vom Vertriebsweg, vom Anbieter und vom Produkt möglich.
• Hierdurch wird ein eindeutiger Bezug zwischen Beitrag und Kosten
hergestellt. Irreführungen werden ausgeschlossen.
• Der Vorschlag ist vertriebswegeunabhängig.
• Der Versicherungsnehmer erhält eine Angabe, die einen anbieterneutralen Vergleich ermöglicht.
Bezogen auf die Lebensversicherung müssen die einkalkulierten Kosten
in Prozent der Beitragssumme ausgewiesen werden. Die Kennzahl ist
vom Wirtschaftsprüfer zu prüfen und zu testieren.
In der Krankenversicherung, bei der weder die Laufzeit des Vertrages
noch die Höhe der künftigen Beiträge im Vorhinein bestimmbar sind, ist
ein unternehmensbezogener Durchschnittswert zugrunde zu legen. Dafür
bietet sich die der BaFin zu meldende, vom Abschlussprüfer testierte und
über alle Unternehmen vergleichbare Abschlusskostenquote an.
Daher schlagen wir folgende Regelung für die Informationspflichtenverordnung vor:
Lebensversicherung:
• § 2 Abs. 1 Nr. 1: „die Angabe der einkalkulierten Abschluss- und
Vertriebskosten, soweit eine Verrechnung mit Prämien erfolgt, in
Prozent der Beitragssumme“.
• § 2 Abs. 2 wird gestrichen.
Krankenversicherung:
•
§ 3 Abs. 1 Nr. 2: „Angaben zu den kalkulierten Abschluss- und
Vertriebskosten durch Ausweis der Kennzahl
Abschlussaufwendungen x 100 .“
verdiente Bruttobeiträge
Berlin, den 19.07.2007
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