«Leistungssport oder Ethik – da müssen Sie sich entscheiden!»

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«Leistungssport oder Ethik – da müssen Sie sich entscheiden!»
Sport International
«Leistungssport oder Ethik –
da müssen Sie sich entscheiden!»
PD Dr. Klaus Peter Rippe, Zürich*
1.
Sport und Ethik
Als sich ihm ein junger Mann als Student der Wirtschaftsethik vorstellte, soll K arl K raus geantwortet
haben: «Herr Kollege, da werden Sie sich entscheiden
müssen – Wirtschaft oder Ethik.» Interessanterweise
würde wohl niemand in ähnlicher Weise antworten,
wenn sich jemand als Student der Sportethik vorstellte;
niemand würde spitz anmerken, er werde sich zwischen Sport und Ethik entscheiden müssen.
Es scheint selbstverständlich, dass der Ethik1 im
Sport eine hohe Bedeutung zukommt. Albert Camus
soll sogar gesagt haben, Sport sei nach der Religion
die zweite Quelle, aus der er gelernt habe, was Ethik
sei. Auch wenn nicht alle dasselbe erfahren haben, ist
die Sphäre des Sports doch un­bestritten von moralischer Erwartungshaltung durchsetzt. Fairness und
Respekt gegenüber den Konkurrenten sollen demnach
wichtiger sein als der Sieg. Als Folge dieser Erwartungshaltungen setzen auch die Zuschauer voraus, dass
Sport durch ein «sportliches», sprich «moralisches»
Verhalten geprägt ist. Entsprechend heftig reagieren sie
auf unsportliches bzw. unmoralisches Verhalten und
fordern, dieses Ideal einzuhalten. Erwähnt seien bspw.
Situationen, in denen eine Fussballmannschaft nach
einem Foulspiel in Ballbesitz kommt: Sucht sie diesen
Vorteil zu nutzen, werden die Zuschauer mit einem
gellenden Pfeifkonzert reagieren und erst dann schweigen, wenn der Ball freiwillig ins «Aus» geschossen
worden ist.
Sportlerinnen und Sportler bewegen sich in einem
«moralischen Raum». Sport ist – um einen von Aristoteles und in diesem Jahrhundert insbesondere von
Alasdair MacIntyre verwendeten Begriff zu gebrauchen – eine besondere «Praxis»2.
Eine Praxis bezeichnet eine historisch gewachsene
Form menschlicher Kooperation, in der bestimmte
Verhaltensregeln stillschweigend vorausgesetzt werden. Wer die Praxis gut und regelkonform ausübt, wird,
so Aristoteles, mit einer besonderen Form der Freude
234
belohnt. Ein Sieg, der mit unfairen Mitteln errungen
wird, schmeckt dann bitterer – oder zumindest weniger
süss – als ein Sieg, der mit fairen Mitteln errungen
worden ist3. Eine intrinsische Freude stellt sich nach
Aristoteles ferner ein, wenn die betreffende Tätigkeit
nicht um etwas anderen willen, sondern vielmehr um
ihrer selbst willen ausgeübt wird. Ein Sportler, der nur
soziale Anerkennung, Geld oder Ruhm gewinnen will,
muss damit von jenem unterschieden werden, der auch
um des Sportes selbst willen tätig ist. Letzterer wird in
den sportspezifischen Gütern – dem für die jeweilige
Disziplin nötigen körperlichen und strategischen Geschick – Gründe finden, «bei einer bestimmten Gelegenheit nicht nur zu gewinnen, sondern sich in dem
hervorzutun, was (der spezifische Sport) verlangt»4.
Sobald ein Athlet die sportliche Tätigkeit auch als Pra-
*
1
2
3
4
Der Verfasser ist Geschäftsführer von «ethik im diskurs»,
Präsident der eidgenössischen Ethikkommission für Gentechnik im ausserhumanen Bereich und Privatdozent für
Praktische Philosophie an der Universität Zürich.
Die Benutzung des Kraus-Zitats hat Auswirkungen auf den
Sprachgebrauch und verbietet es, wie üblich zwischen Moral und Ethik (als Wissenschaft von der Moral) zu differenzieren. In diesem Aufsatz bezieht sich der Ausdruck «Ethik»
sowohl auf konkrete moralische Überzeugungen wie auch
auf die wissenschaftliche Reflexion dieses Verhaltens. Der
Begriff «Moral» bezeichnet Verhaltenserwartungen, die in
einer Gruppe oder Gesellschaft bestehen – und zwar unbeachtet dessen, ob diese moralischen Vorstellungen begründet sind oder nicht.
Vgl. Alasdair MacIntyre, After Virtue. A Study in Moral
Theory, Notre Dame 1981, University of Notre Dame Press,
ch. 15 (dt.: Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise
der Gegenwart, Frankfurt: Campus 1987).
Jedoch bekundeten weder Maradona noch seine Fans (moralische) Gewissensbisse, dass der Halbfinaleinzug Argentiniens an der Fussball-Weltmeisterschaft 1986 auch auf
die «Hand Gottes» zurückzuführen war. Wer weiss, ob die
Fans ihm oder er sich selbst jemals verziehen hätte, wenn
er fairer Sportsmann gewesen wäre und den Schiedsrichter
über seine Tat aufgeklärt hätte?
Ebd. 252.
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Rippe · «Leistungssport oder Ethik – da müssen Sie sich entscheiden!»
xis erlebt, ändert sich die Einstellung bez. Regelübertretungen: Wenn der Sportler jetzt betrügt, schlägt er
– wie MacIntyre betont – nicht den Gegner, sondern
sich selbst5.
Wie Sport als Praxis beschrieben werden kann, ist
dies auch für das Feld der Wirtschaft möglich. Autoren
wie etwa Robert S. Solomon betonen, dass auch Wirtschaft eine Praxis sei6. Auch hier gibt es ungeschriebene Regeln und Forderungen. Die Verpflichtung zu
Treu und Glauben begrenzt das Gewinnstreben der
Akteure. Jener Erfolg, der durch ungeahndete Regelverstösse erzielt wurde, mag weniger süss schmecken
als der regelkonforme. Auch ein Broker wird wirkliche
Freude am Beruf nur dann erfahren, wenn er seine
Tätigkeit auch um ihrer selbst willen ausübt. Aber im
Gegensatz zum Sport klingt es weltfremd, Wirtschaft
als Praxis zu beschreiben; die Wirklichkeit der Wirtschaft scheint dieser Beschreibung zu widersprechen.
Ja, manches scheint dafür zu sprechen, dass Wirtschaft
keine Praxis sein kann. Wollen Wirtschaftsakteure
wettbewerbsfähig bleiben, dürfen sie keine unnötigen
Kosten auf sich nehmen. Moralisches Verhalten kann
kurzfristig wie langfristig den Gewinn schmälern, indem Unkosten auftreten, die der Manager gegenüber
Aktionären und Mitarbeitenden zu rechtfertigen hat.
Wenn nicht nur Moral, sondern auch Recht ein bestimmtes Verhalten erzwingt, liefern äussere Sanktion­
en eine ausreichende Rechtfertigung. Weit schwerer
fällt eine Rechtfertigung aber in jenen Bereichen, in
denen Verhalten nicht eingeklagt, sondern nur eingefordert werden kann. Warum darf sich der Manager
erlauben, hehren Moralvorstellungen zu folgen, wenn
diese privaten Vorlieben anderen Personen viel Geld
kosten? Ist Moral nur eine Frage der Vorliebe, lautet die
Antwort eindeutig, dass ein Manager dies nicht tun
darf. Er hat sich an das Recht zu halten, nicht daran,
was er individuell für moralisch richtig erachtet. Dar­
auf dürfte die Betrachtungsweise der Wirtschaft als
einer moralfreien Welt, in der allein das Recht das
Miteinander der Akteure regelt, zurückzuführen
sein.
Wird so argumentiert, stellt sich freilich die Frage,
warum dasselbe nicht für den Sport gelten soll, bewegt
sich doch zumindest der Leistungssportler in einem
vergleichbaren Umfeld wie der Wirtschaftsakteur:
• In einer extrem kompetitiven Umgebung muss der
Leistungssportler um Wettbewerbsfähigkeit bestrebt sein.
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•
Wie Wirtschaftsakteure sind Leistungssportler
Teil eines Netzwerks von Personen, deren finanzielles Wohlergehen mit dem weiteren Erfolg im
Wettbewerb verbunden ist.
• Ebenso wie für den Manager stellt Ethik für den
Leistungssportler einen Kostenfaktor dar. Die Einhaltung der Moral muss vor anderen gerechtfertigt
werden können.
Wenn sich moderne Leistungssportler aber innerhalb
derselben Rahmenbedingungen bewegen wie moderne
Manager, muss die Frage gestellt werden, weshalb
Ethik im Leistungssport eine andere Rolle spielen soll
als in der Wirtschaft. Ist es nicht illusorisch zu denken,
angesichts des Zwangs zur Wettbewerbsfähigkeit könne eine Praxis gefestigt werden, gemäss der sich die
Akteure nach hehren moralischen Normen ausrichten?
Ein kritischer Beobachter könnte folgern, dass Leis­
tungssportler nur noch dann ethisch handeln, falls das
ohne Kostenfolge möglich ist. Falls dem so wäre,
müsste dem Sportler wohl in der Art von Karl Kraus
geantwortet werden: «Sport und Ethik – Sie werden
sich entscheiden müssen!»
2.
Demoralisierung,
Konservation oder Reform?
Es könnte so geantwortet werden, müsste aber nicht.
Bisher wurde nur darauf hingewiesen, dass zwischen
Sport und Wirtschaft einige wichtige Parallelen erkennbar sind, und zwar in Belangen, die für die Befolgung und Einforderung moralischen Verhaltens von
Bedeutung sind. Gibt es keine relevante Disanalogie,
sollte Moral in beiden Bereichen die gleiche Bedeutung
haben. Eine gleiche Berücksichtigung ist freilich auf
zweierlei Wegen zu erreichen und dementsprechend
sind zwei Modelle zu unterscheiden:
Das erste Modell, das im Sinne von K arl K raus
einen moralfreien Raum proklamiert, könnte als Demoralisierungsmodell bezeichnet werden. Allein das
Recht, nicht die Moral, reguliert in einem demoralisierten Bereich das Zusammenleben der Akteure. Mora-
5
6
Ebd.
Robert C. Solomon, Ethics and Excellence. Cooperation and
Integrity in Business, Oxford 1993, Oxford UP; sowie: ders.
(1997), It’s good Business. Ethics and Free Enterprise for a
New Millenium, London, Rowman and Littlefield.
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lische Verhaltenserwartungen sind nur dann einzufordern, wenn sie auch im Recht Niederschlag gefunden
haben. Ethik ist nur noch als Rechtsethik von Bedeutung.
Es wäre allerdings verfrüht, dieses Modell auf den
Bereich des Sports zu übertragen, denn man darf sich
hier nicht zu schnell dem Faktischen beugen. Ethik
beschreibt, was moralisch geboten ist. Was geboten ist,
folgt aber weder aus dem faktisch vorliegenden Verhalten noch aus den bestehenden Verhaltenserwartungen.
Das Modell ist nur dann eine angemessene Perspektive
auf die Welt des Sports, wenn Moral in der Welt des
Sports keine Rolle spielen darf.
Das zweite Modell hält daran fest, dass das Recht
durch Moral ergänzt wird. Moral bildet ein zweites,
weicheres Instrument, welches das Zusammenleben
der Akteure steuert. Es ist nicht nur zu beachten, was
eingeklagt werden kann, sondern es gibt zusätzlich
implizite Verhaltenserwartungen, nach denen sich die
Akteure ausrichten sollen. Sport und Wirtschaft bleiben hier ein moralischer Raum.
Das heisst jedoch nicht, dass tradierte moralische
Überzeugungen schlicht beibehalten werden sollen.
Moralische Überzeugungen sind nur dann bewahrenswert, wenn sie zwei Bedingungen erfüllen.
Die erste Bedingung, die sog. Begründungsbedingung, fordert, dass anderen nur solche moralische Verpflichtungen auferlegt werden dürfen, die ihnen gegenüber begründet werden können. Kann einer Person
nicht eine nachvollziehbare und überzeugende Begründung gegeben werden, warum sie etwas tun oder unterlassen soll, wird willkürlicher Zwang auf sie ausgeübt.
Die Funktionabilitätsbedingung als zweite Bedingung besagt, dass es möglich sein muss, auf Grundlage
dieser moralischen Verpflichtung zu leben. Moral ist
kein Selbstzweck, sondern dient dazu, ein harmonisches gemeinschaftliches Leben zu ermöglichen.
Moralische Normen, die im alltäglichen Leben nicht
eingehalten werden können, müssen daher aufgegeben
oder zumindest überdacht und revidiert werden.
Die Bedeutung der Funktionabilitätsbedingung
kann am Beispiel des rigoristischen Lügenverbots verdeutlicht werden, das auch die «kleinen» Alltags-, Verlegenheits- und Notlügen verbietet. Das rigoristische
Lügenverbot ist freilich so lebensfremd, dass es nur
dadurch überleben konnte, weil theoretische Verfeinerungen vorgenommen wurden.
236
Hierzu zählt die Lehre vom geistigen Vorbehalt. Es
ist sehr wohl erlaubt, bei jemandem den falschen Eindruck zu erwecken, man würde am kommenden Dienstag seine Mutter besuchen. Wichtig ist nur, wie dieser
Eindruck erweckt wird. Die Aussage «Ich fahre Dienstag zu meiner Mutter» ist keine Lüge, wenn verschwiegen wird, welcher Dienstag gemeint ist. Die Handlung
ist zulässig.
Nicht im selben Grade verwerflich wie die Lüge ist
nach dieser Doktrin, beim Hörenden durch Artikula­
tion der Wahrheit falsche Eindrücke zu erzeugen. Wenn
eine Arbeitskollegin einen von ihr selbst geöffneten
Brief mit den Worten überreicht: «Jemand hat den
Brief geöffnet», hat sie nicht gelogen. Aber jeder wird
aus diesen Worten schliessen, dass die Kollegin unschuldig sei und dass eine andere Person den Brief
geöffnet hat. Sie erzeugt beim Hörenden ein falsches
Bild der Wirklichkeit. Ihre Worte bewirken genau das,
was an einer Lüge als verwerflich gilt. Aber es ist keine
Lüge7.
Die Liste der Möglichkeiten, das rigoristische Lügenverbot zu umgehen, könnte noch fortgesetzt werden. Die Beispiele zeichnen aber bereits ein ausreichendes Bild der Situation, in welche das rigoristische
Lügenverbot mündet. Nur der Dumme, Unbedarfte
oder Leichtsinnige hat gelogen und riskiert deshalb,
das eigene Seelenheil zu verlieren. Alle anderen kannten Wege, ein reines Gewissen zu bewahren, und dies,
obwohl die von ihnen benutzten Mittel genau dasselbe
bewirken, was das Lügenverbot zu unterbinden sucht:
Andere Personen wurden getäuscht, indem ihnen
falsche Überzeugungen aufgedrängt wurden. Als Steue­
rung gemeinsamen Lebens erweist sich das rigoris­
tische Lügenverbot damit als ungeeignet. Solange es
nicht nur um irdisches Leben, sondern auch um künftiges Seelenheil geht, spielen die irdischen Auswirkungen eine geringe Rolle. Aber je bedeutungsloser
das jenseitige Leben für den Einzelnen ist, desto schwächer werden die Gründe, das Gebot zu befolgen.
7
Vgl. dazu Bernard Williams, Truth and Truthfulness. An Essay in Genealogy, Princeton 2002, Princeton UP, S. 102 ff.
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Zynische Personen, aber vielleicht nicht nur diese,
werden sich an dieser Stelle fragen, ob ein prominentes
Element der Sportethik, das Dopingverbot, nicht mit
den gleichen Worten beschrieben werden kann, die
eben für das rigoristische Lügenverbot verwendet wurden: Nur der Dumme, Unbedarfte und Leichtsinnige
greift zu verbotenen Substanzen. Alle anderen kennen
Wege, dasselbe Ziel mit anderen Mitteln zu erreichen
– obwohl viele dieser Mittel ebenfalls gegen den Gedanken verstossen, der dem Verbot zugrunde liegt.
Sportliches, sprich moralisches Verhalten wäre damit
nicht eine Frage des lauteren Charakters, sondern eine
des Geschicks.
Träfe dies zu, bliebe nach aussen der Eindruck, dass
eine aristotelische Praxis besteht, in welcher die Akteure um des Sports selbst willen tätig sind. Entlarvte
Dopingsünder würden weiter unmoralischen Handelns
beschuldigt und nicht eines technischen Versehens.
Die Akteure dagegen bewegen sich in einer Wettbewerbswelt, in der sie alles Nötige tun, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies schliesst auch Handlungen ein,
die im Konflikt zu den impliziten Regeln stehen, welche die Praxis kennzeichnen. Sie greifen zu Mitteln,
die (noch) nicht auf der schwarzen Liste stehen oder die
nicht nachweisbar sind. Dass die Akteure vermuten,
alle würden so handeln, befreit den Einzelnen nicht
davor, sich schuldig zu fühlen. Ein moralfreier Raum,
in dem der Eindruck fortbesteht, als entspräche er weiter einer aristotelischen Praxis, muss für den Einzelnen
freilich belastender sein als ein moralfreier Raum, der
sich dieser Moralfreiheit bewusst ist. Moderne Manager, die sich frei von moralischen Pflichten wähnen,
wären in einer besseren Lage als Leistungssportler, die
weiterhin auf die Tugend echten Sportlertums verpflichtet werden. Wurden oben noch die Gemeinsamkeiten zwischen Sport und Wirtschaft betont, wäre hier
ein bedeutender Unterschied zu orten.
3.
Zum Beispiel Doping
In der Regel wird davon ausgegangen, dass bestehende
moralische Verhaltenserwartungen die Begründungsund Funktionalitätsbedingungen erfüllen. Eine Überprüfung, ob dies der Fall ist, ist aber nicht nur eine
Aufgabe der akademischen Disziplin der Ethik, sondern findet sich auch im alltäglichen Umgang mit Moral. Besondere Brisanz erhält diese Überprüfung, wenn
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der Eindruck entsteht, dass sich in bestimmten Kontexten lebensfremde moralische Normen etabliert haben.
In solchen Fällen verschiebt sich die Beweislast: Gewöhnlich haben sich Akteure zu rechtfertigen, wenn
sie Normen übertreten. Besteht der Eindruck, dass eine
moralische Regel dysfunktional ist, haben sich dagegen verstärkt jene zu rechtfertigen, welche die Norm
aufrechterhalten wollen. Vorrangig gilt es nun zu zeigen, dass die Norm durch starke Gründe gestützt wird.
Ist eine Rechtfertigung nicht möglich, muss die Norm
verworfen werden.
Wird nach einer Rechtfertigung der derzeitigen Dopingregulierung gesucht, erweist sich dies schwieriger
als die Begründung des allgemeinen Lügenverbots.
Vielen ein nahe liegender Gedanke ist es, auf Chancengleichheit zu verweisen. Auch wenn Chancengleichheit
ein Gebot ist, dass auch im Sport gelten sollte, lässt sich
daraus nicht notwendig ein Dopingverbot ableiten.
Denn Chancengleichheit kann auf zwei Wegen erreicht
werden: Ein bestimmtes Mittel zu nutzen kann allen
entweder erlaubt oder verboten werden. Die Olympischen Spiele der Antike waren nicht unfair, weil leis­
tungssteigernde Mittel erlaubt waren. Alle Teilnehmer
nahmen solche bzw. hatten die Möglichkeit, sie zu
nehmen.
Es könnte der Einwand erfolgen, Chancengleichheit
sei dennoch nicht möglich, da ein Doping-Divide zu
befürchten sei, in dem Teilnehmende hochtechnisierter
Staaten Vorteile gegenüber Angehörigen von Staaten
hätten, deren Entwicklungsstandard auf diesem Gebiet
nicht so weit entwickelt ist. Allerdings besteht eine
ebensolche Ungerechtigkeit in Bezug auf Sportwissenschaft, ­Trainingsmöglichkeiten und medizinische Betreuung. ­ Niemand würde hier fordern, Sportwissenschaft, Trainingsmöglichkeiten und medizinische
Betreuung einzuschränken oder gar zu verbieten. Im
Gegenteil, hier wird wohl jeder zustimmen, dass Capacity building ein Gebot der Stunde sei.
Auch das Argument, es gehe nicht nur um einen
fairen, sondern auch um einen transparenten Wettbewerb, rechtfertigt kein Dopingverbot. Denn die fehlende Transparenz ist eine Folge des Drogenverbots.
Bei den alten Olympischen Spielen herrschte Transparenz: Alle wussten, dass alle Sportler derartige Substanzen einnahmen. Doping ist demnach nur solange
ungerecht, als ein Dopingverbot besteht. Denn nur in
Prohibitionszeiten verschaffen sich Personen durch
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Normübertretungen Vorteile und werden diejenigen
benachteiligt, die sich an die Normen halten.
Greifen Argumente, die auf eine Verzerrung des
Wettbewerbs zielen, zu kurz, verweist eine zweite
Gruppe von Argumenten auf die Schädigung des
Sportlers. In der Regel beinhaltet Doping heute8 Formen der Selbstschädigung. Die Athleten nehmen die
Mittel freiwillig ein und akzeptieren somit die damit
verbundenen Risiken. Selbstschädigung ist ethisch
freilich nicht stets, sondern nur manchmal verboten.
Die Frage der Zulässigkeit hängt davon ab, inwiefern
es sich um autonome Entscheidungen handelt, d.h., ob
die Personen über kurz- und langfristige Risiken informiert sind und in Kenntnis dieser Risiken wohlerwogene Entscheidungen getroffen haben.
Es müsste also strikt zwischen der autonomen und
nichtautonomen Einnahme von Dopingmitteln unterschieden werden. Eine autonome Entscheidung liegt
dann vor, wenn die betreffende Person in der entsprechenden Situation selbst angemessen informiert ist, die
Fähigkeit besitzt, die Situation und die Folgen ihrer
Handlung zu verstehen und aufgrund dieses Verstehens frei entscheiden kann. Sind diese Bedingungen
erfüllt, ist es anderen nicht erlaubt, diese autonome
Entscheidung zu unterbinden: Sie haben zu respektieren oder zumindest zu tolerieren, dass die Person bereit
ist, die Risiken auf sich zu nehmen. Ein generelles
Verbot von Doping bzw. das Erstellen einer Doping­
liste wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn die Sportler
generell nichtautonom handelten. Ob mangelnde Autonomie vermutet werden darf, ist aber fraglich. Er­
nährungs- und medizinische Kenntnisse sind im
­Leis­tungssport genauso unverzichtbar wie tägliches
Training. Zudem liegt hier die Beweislast aufseiten
der Verbotsbefürworter. Denn es ist eine Frage des
wechselseitigen Respekts, dass zunächst davon ausgegangen wird, andere Menschen seien autonom. Nur bei
konkreten Indizien fehlender Autonomie darf paternalistisch zum Wohle des anderen eingegriffen werden.
Gegen diese Argumentation können drei Einwände
erhoben werden, die aber allesamt nicht überzeugen.
Erstens kann darauf verwiesen werden, dass gewisse Formen des Paternalismus gerechtfertigt sind.
Eine Person davon abzuhalten, eine brüchige Brücke
zu passieren, ist demnach nicht unerlaubt, denn niemand will üblicherweise in den Tod stürzen. Aber unabhängig davon, ob paternalistische Handlungen in
solchen Extremsituationen moralisch zulässig sind
238
oder nicht, kann dieses Argument nicht zugunsten der
derzeitigen Dopingregelung vorgebracht werden. Denn
zum einen wäre zu fragen, ob hier wirklich vergleichbare Extremrisiken bestehen. Im Brückenbeispiel droht
immerhin der unmittelbare Tod. Die mit Doping verbundenen Gesundheitsrisiken bestehen dagegen auch
bei Handlungen, bei denen paternalistische Eingriffe
für unbegründet gehalten werden (wie etwa im Falle
des Alkoholkonsums oder des riskanten Freizeitsports).
Zum anderen nehmen viele Athleten allein in Aus­
übung ihres Sports grosse Risiken für Leben und
­Gesundheit in Kauf. Es wäre begründungsbedürftig,
­warum paternalistisch bei jenen Gesundheitsrisiken
eingegriffen wird, die mit Doping verbunden sind,
nicht aber bei jenen, die in der Natur einer Sportart
liegen.
Zweitens kann argumentiert werden, Doping resultiere nicht aus einer freien Willensentscheidung heraus,
sondern sei durch die Situation erzwungen: Der Athlet
folgt hier dem Druck seiner Umgebung. Aber mit einer
solchen Verwendungsweise wird der Begriff des
«Zwangs» ausgehöhlt. Stellt ein Räuber mit gezückter
Pistole sein Opfer vor die Wahl zwischen Geld oder
Leben, erzwingt er die Herausgabe des Geldes. Das
Opfer hat hier keine andere Wahl, will es nicht auf das
basale Gut des eigenen Lebens verzichten. Athleten
haben aber sehr wohl eine Wahl. Für sie steht kein
Grundrecht auf dem Spiel. Auch wenn sie durch äussere Umstände in eine bestimmte Richtung gedrängt
werden, ist ihre Autonomie nicht in jenem Sinne aufgehoben, wie dies durch wirklichen Zwang geschieht9.
Den in dieser Situation auftretenden Druck als Zwang
zu bezeichnen beschränkt unzulässig den Bereich,
über den Personen autonom entscheiden können.
Schliesslich kann drittens erwähnt werden, Doping
habe immer Auswirkungen auf andere. Auch wenn
Personen sich selbst Risiken aussetzen dürften, sei
Doping unzulässig, weil damit anderen Personen Opfer
8
9
Das «Staatsdoping» im sog. früheren «Ostblock» ist davon
auszunehmen.
Vgl. hierzu Norman Fost, Banning Drugs in Sports: A Sceptical View, in: Judth Andre & David James, Rethinking College Athletes, Philadelphia 1991, Temple University Press.
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Rippe · «Leistungssport oder Ethik – da müssen Sie sich entscheiden!»
und die Übernahme von Folgekosten abverlangt werden10. In der Tat können durch Doping anderen Personen oder der Gesellschaft Unkosten entstehen. Das
Gesundheitssystem wird durch diese Handlungen belastet. Allerdings müsste, soll Kohärenz gewährt sein,
dann auch ein Verbot von Alkohol, riskantem Freizeitverhalten, Heimwerken oder Arbeiten im Haushalt verlangt werden. Denn auch mit diesen riskanten Tätigkeiten verursachen Personen Folgekosten und verlangen
Opfer von Dritten ab. Obwohl diese Handlungen die
Gesellschaft allein aufgrund der Unfallhäufigkeit
­stärker belasten als Doping, werden sie aber dennoch
als Tätigkeiten angesehen, die Personen frei ausüben
dürfen. An dieser Stelle bestehen zwei Möglichkeiten:
Diese Handlungen müssten entweder ebenfalls moralisch verurteilt werden oder aber es müsste eingeräumt
werden, dass diese Auswirkungen auf andere moralisch irrelevant sind.
Soll sich das Argument, auch die Freiheit anderer sei
berührt, spezifisch auf Doping beziehen, könnte auf
Auswirkungen auf andere Sportler verwiesen werden.
Doch damit würde vom Argument der Selbstschädigung zu Fairplay-Argumenten übergegangen. Diese
können aber – wie oben gesehen – nur im Rahmen
eines gegebenen Dopingverbots vorgebracht werden,
nicht aber als Begründung eines solchen Verbots.
Insgesamt erweisen sich die gängigen ethischen Argumente für ein Dopingverbot als nicht überzeugend.
Aus ethischer Sicht besteht kein Zweifel, dass Doping
dann unkorrekt ist, wenn Personen ohne deren autonome Zustimmung leistungssteigernde Mittel gegeben
wird. Jedoch gibt es weder ein schlüssiges Argument,
warum Personen verboten werden soll, sich autonom
dazu zu entscheiden zu dopen, noch ein solches, weshalb die Praxis des Sports notwendig auf ein Dopingverbot angewiesen sein soll. Zu diesem Schluss kommt
auch die Sportethikerin Laura Morgan11, die dann aber
gleichzeitig fortfährt, sie halte dennoch an der Forderung eines Dopingverbots fest12. Da hier nicht nur die
Haltung einer einzelnen Autorin betrachtet wird, sondern eine allgemeine Einstellung, muss ausgeführt
werden, worin ein zusätzlicher Grund liegen könnte.
4.
auf ein modernes Ethikverständnis rekurriert, bei dem
Moral zwischenmenschliches Leben reguliert. Fragen
der individuellen Lebensführung werden der Freiheit
des Einzelnen überlassen. Moral zieht – mit seltenen
Ausnahmen – nur dort eine Grenze, wo der einzelne
bei der Befolgung seiner Freiheiten die Freiheit anderer
verletzt; Einschränkungen der individuellen Freiheit
sind begründungsbedürftig.
Dieses Modell ist vor fünfhundert Jahren während
des englischen Bürgerkriegs entstanden. Den Levellers
kommt das Verdienst zu, als Erste eine solch moderne
Position vertreten zu haben13. Dagegen stehen Positio­
nen, die Aussagen darüber machen, wie Menschen
konkret ihr Leben führen sollten. Sie setzen bei einer
Konzeption gelingenden menschlichen Lebens ein. Gebote der zwischenmenschlichen Moral erwachsen hier
letztlich aus Überlegungen, wie Menschen ihr eigenes
Leben führen sollten. Heute wird von Theorien des
«guten Lebens» gesprochen, wobei diese von Theorien
des Moralischen unterschieden werden.
Das Dopingverbot macht in der Tat Sinn, wenn davon ausgegangen wird, dass dem Sport eine spezielle
Konzeption des guten Lebens zugrunde liegt, und zwar
eine spezielle Auffassung menschlicher Exzellenz. Der
Mensch soll sich durch sich selbst und durch die Anleitung anderer formen. Dem Sport kommt demnach eine
Bildungs- und Selbsterziehungsfunktion zu; es geht
dabei nicht nur um die Vervollkommnung körperlicher
Eigenschaften, sondern auch um die Charakterbildung.
Entscheidend ist gemäss dieser Konzeption, dass bis an
die Grenze des eigenen Leistungsvermögens gegangen
wird; die stetige Überwindung seiner selbst und der
Ansporn zu neuen Höchstleistungen kommen hinzu.
10
11
12
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Eine Möglichkeit besteht darin, dass hier nicht moralische Vorstellungen i.e.S. eine Rolle spielen, sondern
Konzeptionen eines guten Lebens. Bisher wurde hier
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13
So etwa in Nicole Arndt, Andreas Singler & Gerhard
Treutlein, Sport ohne Drogen – Argumente und Entscheidungshilfen, Frankfurt am Main, Deutsche Sport-Jugend,
S. 30.
Laura Morgan, Enhancing Performance in Sports: What
is Morally Permissable, in: Jan Boxill, Sport Ethics. An
Anthology, London 2003, Blackwell, p. 182.
Morgan führt im Weiteren aus, Doping schädige den Sport
selbst. Ihre Überlegungen fügen sich – wie hier nicht weiter
ausgeführt werden kann – in die unten dargestellte Überlegung ein, dass sich das Dopingverbot auf einer Konzeption
eines gelingenden Lebens abstützt.
Vgl. zu diesem Punkt Alasdair MacIntyre, A Short History of History, London 1967, Routledge, (Second Edition
1998), ch.11.
239
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Um an die eigenen persönlichen Grenzen zu gelangen,
ist es erforderlich, sich mit den Besten messen zu können. Fehlt es jedoch an ernst zu nehmenden Konkurrenten, müssen andere geschult und gefördert werden.
Der Hochspringer Dwight Stones gilt hier als Vorbild.
In einem Wettbewerb half er Konkurrenten, ihren Absprungpunkt zu optimieren. In diesem speziellen Wettbewerb verlor Stones, dennoch handelte er weiterhin
auf diese Weise und half Mitstreitern. Denn nur so
würde er dazu gebracht, besser zu werden, meinte er.
In diesem Sinne ist dann eine Teilnahme wichtiger als
ein Sieg14.
Wird diese Auffassung von Selbstüberwindung und
Selbstperfektionierung gewählt, wird verständlich,
welche Mittel zur Leistungssteigerung erlaubt sind und
welche nicht. Es geht hier nicht, wie oft argumentiert
worden ist, darum, dass «unnatürliche» Mittel im Gegensatz zu «natürlichen» verboten sind. Denn was
wäre an wissenschaftlichen Trainingsmethoden «natürlich»? Die Verwendung der Begriffe «Natur» und
«natürlich» führt hier – wie auch in anderen ethischen
Kontexten – in die Irre. Sinnvoller ist es, von dem eben
eingeführten Gedanken auszugehen, dass dem Sport
eine sog. perfektionistische Konzeption des Guten zugrunde liegt. Der Perfektionismus geht von der These
aus, dass körperliche und charakterliche Exzellenz etwas in sich Gutes ist15. Gelingendes Leben zeichnet
sich dadurch aus, dass Menschen ihre angeborenen
Talente und Fähigkeiten zu entfalten suchen. Auch
wenn die moderne Sportbewegung auf eine harmonische Entfaltung der Fähigkeiten verzichtet, wie sie
etwa Humboldt einforderte, bleibt ein Element des Perfektionismus bestehen: die Entfaltung von körperlichen
wie charakterlichen Eigenschaften. Sport soll Körper,
Geist und Seele bilden. Wird der Sport mit einer perfektionistischen Konzeption verbunden, werden die
leistungssteigernden Mittel unterschiedlich bewertet
werden.
So wären jene Mittel erlaubt, welche vom Einzelnen
Selbstüberwindung und Disziplin fordern und damit
neben der physischen Leistung auch den Willen stärken. Sie sind integrale Bestandteile der sportlichen
Betätigung, dies sind die sog. asketischen Mittel (von
Askese: sich befleissigen, üben).
Dagegen sind jene nicht erlaubt, bei denen eine physische Leistungssteigerung ohne willentliche Anstrengung möglich ist. Hier fehlen die Elemente der Disziplin, des Fleisses und des Verzichts, also alles das, was
240
Training – sprich Askese – kennzeichnet. Es sind einfache Wege, über sich hinauszugelangen. Mit dem
griechischen Wort für «aus sich heraus treten», können
diese Formen der Leistungssteigerung unter dem Begriff «ekstatisch» zusammengefasst werden16.
Asketische wie ekstatische Mittel zielen darauf ab,
die Muskelkraft zu steigern, den Zeitpunkt der Erschöpfung hinauszuschieben oder das Gewicht zu reduzieren. Gleichermassen werden sie eingesetzt, um
das individuelle Leistungsvermögen zu steigern. Aber
nur Erstere genügen der Konzeption des Guten, welche
die Praxis des Sports kennzeichnet. Diese Aufteilung
erhellt bestehende Auffassungen, was im Sport erlaubt
ist und was nicht. Versuche, die eigene Leistung durch
gezielte Ernährung zu steigern, sind eine asketische
Massnahme – und dies auch dann, wenn es sich um
«künstliche» Sportlernahrung handelt. Ebenfalls ist es
asketisch, wenn Sportler sich schmerzlindernde Mittel
geben lassen, um trotz einer Verletzung an einem Spiel
oder Wettbewerb teilnehmen zu können. Aufputschmittel, Sexualhormone oder Anabolika sind dagegen
ebenso Beispiele ekstatischer Leistungssteigerung wie
die Transfusion mit Eigen- oder Fremdblut. Gendoping
wäre paradigmatisch für eine Leistungssteigerung, die
ohne Willensanstrengung und Charakterübung Wettbewerbschancen erhöht17.
14
15
16
17
Genau dies ist die Kernidee Pierre de Coubertins, die er wie
folgt umschreibt: «Das Wichtigste bei den Olympischen
Spielen ist nicht, zu gewinnen, sondern teilzunehmen; das
Wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der
Einsatz dafür. Essenziell ist nicht, gesiegt zu haben, sondern
gut gekämpft ...».
Vgl. zu dieser Theorie insbesondere Thomas Hurka, Perfectionism, Oxford 1993, Oxford UP.
Ekstase ist eigentlich der umfassendere Begriff. Askese
ist lediglich ein Weg, Ekstase zu erreichen. Auch wenn
vielleicht exakter von nichtasketischen Ekstasemitteln gesprochen werden sollte, ist der Ausdruck «ekstatisch» in
der modernen Umgangssprache ein Gegenbegriff zu «asketisch». Zudem sind Askese und Ekstase Lehnworte aus dem
Griechischen, welche den englischen Ausdrücken Training
und Doping entsprechen.
Anti-Doping und Anti-Drogenkampagnen haben ein gemeinsames Anliegen, was das Engagement des Deutschen
Fussballbundes oder der Swiss Olympic Association erklärt.
Tabak, Alkohol, Cannabis, Ecstasy und andere Suchtmittel
sind, wie Letztere formuliert, mit Sport nicht vereinbar.
Dass eine Bierbrauerei gleichzeitig die Schweizer Fussballnationalmannschaft sponsert, müsste separat diskutiert
werden.
causa sport 3/2005
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Um die derzeitige Dopingpraxis zu erklären, muss
also auf eine besondere Form gelingenden menschlichen Lebens zurückgegriffen werden. Es existieren
starke Argumente, welche für den Perfektionismus und
gegen konkurrierende Theorien wie den Hedonismus
vorgebracht werden können. Allerdings ist der Status
solcher Theorien des gelingenden Lebens zu beachten.
Theorien gelingenden Lebens haben einen pädagogischen Sinn, mehr noch nennen sie dem einzelnen
Menschen Gründe, was gut für ihn selbst ist. In Theorien gelingenden Lebens geht es damit um das prudentielle, nicht um das moralische Sollen. Hat dies so seine
Gültigkeit, steht es im Spannungsverhältnis dazu, dass
Dopingregeln nicht Empfehlungen sind, sondern mit
Sanktionen behaftete Vorschriften.
Leicht zu erklären ist zumindest das Bestehen von
Dopingregeln als einer Konvention. Sport bedarf neben
jenen Regeln, welche für die einzelnen Sportarten gelten, einer kohärenten Regelung, welche leistungssteigernden Mittel erlaubt sind und welche nicht. Ob sich
Sportverbände für oder wider Doping aussprechen, ist
in dieser Hinsicht allerdings beliebig. Es ist genauso
wenig moralisch rechtfertigungsfähig oder rechtfertigungspflichtig wie der Umstand, dass Fussballmannschaften über elf statt über dreizehn Spieler verfügen
können. Es bedarf einfach einer Regelung, die für alle
gilt. Die perfektionistische Theorie erklärt, warum sich
Sportverbände für das Dopingverbot entschieden haben, sie begründen das Dopingverbot jedoch nicht.
Problematisch wird die Situation jedoch dadurch,
dass das Dopingverbot eine moralische Forderung ist
und Dopingvergehen auf andere Weise verurteilt werden als die Auswechslung eines vierten Spielers in
einem Champions-League-Spiel. Dieser Schritt zu
einer moralisch sanktionierten Norm ist, wenn überhaupt, nur unter einer Bedingung legitim: Alle betroffenen Personen müssen diese Konzeption des Guten
explizit oder implizit anerkennen. Vereinigungen
Gleichgesinnter können und dürfen sich intern auf moralische Normen einigen. Wer sich diesen Verbänden
anschliesst, bekennt sich damit entweder zu der spezifischen Konzeption des guten Lebens oder nimmt die
mit dieser Konzeption verbundenen Regeln freiwillig
auf sich, weil er Vorteile geniessen will, die mit der
Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft verbunden sind.
Sportethik ist ein typisches Beispiel einer Theorie, die
auf einem letztlich weltanschaulichen Binnenkonsens
basiert.
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Sport International
Wird Sportethik derart rekonstruiert, ist klar, dass
alle Vertreter dieser Ethik von einer Disanalogie zwischen der Welt des Sports und der Welt der Wirtschaft
ausgehen. Erstere ist demnach eine Praxis, in der eine
spezifische Konzeption des guten Lebens verwirklicht
werden soll, die zweite eine Welt, die sich gegenüber
unterschiedlichen Konzeptionen des Guten neutral verhält. Die anfängliche Überlegung, dass Moral in beiden Bereichen die gleiche Bedeutung zukommen solle,
wird von Vertretern dieses spezifischen Sportethos zurückgewiesen werden. Allerdings muss noch geklärt
werden, ob es gut ist, Sportethik auf diese Weise zu
konstruieren.
5.
Die Quadratur des Kreises
Auch eine auf einer Binnenmoral aufbauende Ethik
muss dem Funktionalitätskriterium genügen. Ob dies
der Fall ist, hängt nicht zuletzt davon ab, ob der Zwang
zur Wettbewerbsfähigkeit nicht das spezielle, perfektio­
nistische Ethos unterhöhlt.
Die Welt des Sports sieht sich interessanterweise
nicht stets als Ausdruck einer modernen Leistungsgesellschaft, sondern oftmals als deren Korrektur: Der
Wettbewerb soll im Sport moralisch gezähmt werden18.
Hier hat die moderne Sportbewegung eine auffällige
Umverteilung von Werten versucht. In der christlich
geprägten Tradition gilt Wettbewerb per se als etwas
Schlechtes. Im Konkurrenzkampf werden die Akteure
von egoistischen Antrieben beherrscht. Der moralisch
gebotene Gedanke an Kooperation tritt zurück, weil
jede Person nur auf den eigenen Vorteil ausgerichtet ist.
Aggression und Gier werden geweckt. Zudem wird der
Konkurrent als Feind gesehen, der mit allen Mitteln
und um jeden Preis besiegt werden muss. Konkurrenz
erzeugt so eine Haltung, die im Gegensatz zum Geist
der Kooperation steht. Der Geist der Liebe wird ausgeschaltet, welche das menschliche Verhalten prägen soll.
Der moderne Sport im Allgemeinen und die Olympischen Spiele der Neuzeit im Besonderen versuchten
hier die Quadratur des Kreises. Eine – dem Wettbe-
18
Vgl. zu diesem Punkt und zur moralischen Beurteilung
des Wettbewerbs Jan Boxill, The Ethics of Competition,
in: Jan Boxill, Sport Ethics, London 2003, Blackwell, S.
107–115.
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Sport International
Rippe · «Leistungssport oder Ethik – da müssen Sie sich entscheiden!»
werb gegenüber eher kritisch eingestellte – Moral wird
in ein Wettbewerbssystem übertragen. Der Wettbewerb wird als Mittel genutzt, um die eigenen Leis­
tungsgrenzen zu erproben und zu durchbrechen. Moralische Tugenden sollen in einem System geweckt
werden, das eigentlich die Unmoral gebiert.
Wettbewerb und Moral sind nicht prinzipiell unvereinbar. Im Gegenteil: Die Sportart Schach ist nicht
zufällig eines der Beispiele, anhand deren MacIntyre
den Begriff der Praxis erläutert19. Auch das frühe
­Chris­tentum beschreibt den sportlichen Wettbewerb
positiv, indem die Streiter von moralischer Tugend und
Askese getragen werden20. Aber weder MacIntyre noch
frühes Christentum bezogen sich auf den modernen,
professionell betriebenen Leistungssport. Die Frage
ist nicht, ob Sport eine Praxis ist oder nicht, sondern
ob und inwieweit Leistungssport eine solche sein
kann. Denn Leistungssport hat bewusst eine exzessive
Tendenz21. Die Quadratur des Kreises liegt darin, den
Wettbewerb einerseits entfesseln, andererseits aber
zähmen zu wollen.
Für das Funktionalitätsargument ist nicht entscheidend, wie gut den Verbänden diese Quadratur des
Kreises gelingt, sondern ob die beteiligten Personen
auf Grundlage dieser Normen leben können. Da dem
Sport eine spezielle Konzeption des guten Lebens zugrunde liegt, scheint diese Frage auf den ersten Blick
nur positiv beantwortet werden zu können. Die sport­
ethischen Regeln zielen schliesslich darauf ab, dass
Personen ein gelingendes Leben führen. Sie sind so
aufgebaut, dass Athletinnen und Athleten als Vorbilder
dienen – und dies selbst dann, wenn die nacheifernden
Personen sich ausserhalb der Praxis des Sports bewegen.
Zudem kann argumentiert werden, die Funktionalitätsbedingung sei stets auf eine Konzeption des guten
Lebens angewiesen. Denn wie kann gesagt werden,
dass etwas zum Funktionieren gemeinschaftlichen Lebens beiträgt, wenn nicht zugleich erklärt wird, was
ein gelingendes Leben ausmacht? Aber in diesem Sinne
ist die Funktionalitätsbedingung nicht zu verstehen.
Diese gibt nur eine Minimalbedingung an und fordert
auf, dysfunktionale Normen abzubauen. Sie prüft, ob
moralische Normen überhaupt geeignet sind, gemeinschaftliches Leben zu regulieren. Das rigoristische Lügenverbot z.B. ignoriert die Urteilskraft des Einzelnen.
Viele Personen sehen nicht ein, weshalb eine Lüge auch
dann verboten sein soll, wenn diese die Situation aller
242
Betroffenen verbessert. Das rigoristische Verbot musste also unterhöhlt werden, es sei denn, die Individuen
werden gezwungen, auf den Gebrauch der eigenen Urteilskraft zu verzichten. Auf Dauer ist Letzteres aber
ebenso wenig möglich wie die Unterdrückung anderer
Elemente der menschlichen Natur.
Im Zusammenhang mit der Sportethik geht es weniger darum, ob einzelne Normen diese Funktionalitätsbedingung erfüllen oder nicht, sondern vielmehr
muss geprüft werden, ob die Verflechtung von moralischen Normen mit dieser speziellen perfektionistischen Lehre dem Funktionalitätskriterium genügt.
Für den Bereich des Leistungssports scheint dies nicht
der Fall zu sein. Das Problem ist, dass die Athleten
nicht in eine Lebensweise hineingeführt werden, sondern in zwei. Sie werden in eine Zwiespältigkeit hin­
eingezwungen, in welcher Handlungsgründe und
Handlungsmotive in permanente Widersprüche geraten.
Die Athleten folgen auf der einen Seite den inhärenten Regeln des Sports, indem sie ein Leben führen,
das durch Askese – Verzicht, Fleiss und Schmerz­
überwindung – gekennzeichnet ist. Auch wenn der
Beginn eines solchen Lebens eine freiwillige Entscheidung war, wird das Leben in der Welt des Sports doch
stets von einer paternalistischen Führung durch andere
geprägt. Die Verflechtung mit einer speziellen Konzeption des guten Lebens heisst nichts anderes, als dass die
Verbandsleitung entscheiden muss, was im Sinne dieser Konzeption das Beste für alle Akteure ist. Andere
bestimmen, welche Risiken der Einzelne auf sich nehmen darf und welche nicht.
Auf der einen Seite bewegen sich Athleten in einem
Wettbewerbssystem, das von ihnen verlangt, die eigenen Leistungen permanent zu verbessern. Um wettbewerbsfähig zu sein, ist es für sie prudentiell geboten,
19
20
21
Vgl. Alasdair MacIntyre 1987: 252.
«Jeder Wettkämpfer aber übt gänzliche Enthaltsamkeit; jene
tun es, um einen vergänglichen Kranz zu erlangen, wir aber
einen unvergänglichen» (1 Kor 9,25).
«Der Sport strebt nach grösserer Geschwindigkeit, grösserer
Höhe und stärkerer Kraft – immer nach mehr. Das ist sein
Nachteil, meinetwegen – im Hinblick auf das menschliche
Gleichgewicht. Doch das ist auch sein Adel – seine Poesie».
Pierre de Coubertin, Schule, Sport, Erziehung. Gedanken
zum öffentlichen Erziehungswesen, Stuttgart 1972, S. 113.
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Rippe · «Leistungssport oder Ethik – da müssen Sie sich entscheiden!»
alle erlaubten wissenschaftlichen und medizinischen
Hilfen einzusetzen, um aus dem eigenem Potenzial
möglichst viel herauszuholen. Wettbewerb hat eine insgesamt ekstatische Wirkung, was mit einer höheren
Professionalität einhergeht. Eine höhere Professionalität ist aber wiederum mit dem Anspruch – und sehr oft
mit dem Vermögen – verbunden, Entscheidungen über
das eigene Leben selbst zu fällen. Das Wettbewerbs­
system hat somit auch ein gesteigertes Bedürfnis auf
Selbstbestimmung zur Folge.
Während die Praxis des Sports auf der einen Seite
durch Askese und Paternalismus gekennzeichnet ist,
weckt der Wettbewerb zunehmend ekstatische und autonome Elemente. Die Verbindung zwischen einem
asketischen Perfektionismus und der Idee eines Wettbewerbs der Besten macht die Faszination des Sports
aus. Auf der anderen Seite entwickeln sich Tangentialkräfte, welche eine Beschränkung auf einen bloss asketischen Perfektionismus aufheben. Der Leistungssportler ist durch widersprüchliche Motive und
Handlungsgründe geprägt. Es muss ihm unter diesen
Voraussetzungen schwer fallen, die eigene Integrität zu
wahren.
Die Sportler müssen also entweder lernen, diese
Zwiespältigkeit zu ertragen, oder sie werden sich für
eine Seite entscheiden. Angesichts der zunehmenden
Professionalisierung wird dies selten die Welt der Praxis sein. Dass die inhärenten Güter des Sports der
Hauptantrieb für Leistungssportler sein sollten, verdrängt, dass diese Personen ihren Lebensunterhalt mit
dem Sport verdienen. Die extrinsischen Anreize (Preisgelder, Verträge, Sponsorengelder, Werbeeinkünfte
usw.) müssen für die Sportler zählen, denn sie sind
immer auch Wirtschaftsakteure. Die extrinsischen
­Güter zählen für den Sportler umso mehr, da sie darauf
angewiesen sind, in einer kurzen Zeitspanne ihres
­Lebens eine Massierung von Erfolgen erzielen zu können. Sie nehmen es in einem kleinen Zeitfenster auf
sich, sich im Wettbewerb mit anderen zu messen, die
ähnliche Hochleistungen erbringen. Sportler gleichen
hier einem speziellen Segment von Akteuren der Wirtschaft, nämlich Führungspersonen und Managern.
Ist diese Diagnose richtig, ist die Grundstruktur der
modernen Sportethik destabil. Dann stellte sich in der
Tat die Frage, ob sich nicht die Verantwortlichen zwischen Sport und Ethik zu entscheiden haben. Sie können entweder versuchen, das Sportethos zu bewahren.
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In diesem Falle müssen sie die Tangentialkräfte beherrschen. Oder sie können versuchen, das Sportethos
in Richtung moderne Moral zu reformieren. Dies hiesse, dass sie darauf verzichten müssten, eine spezifische
Konzeption des gelingenden Lebens erzwingen zu
wollen. Athleten wären dann als autonome Personen zu
behandeln. Ihre Freiheit endete erst dort, wo die Freiheit anderer betroffen ist. Im letzteren Falle würden
Athleten wie Wirtschaftsakteure behandelt. Dies ist
nicht gleichbedeutend mit einer Demoralisierung des
Sports. Auch wenn unklar ist, ob Wirtschaft eine aris­
totelische Praxis ist, so ist doch unbestritten, dass auch
Wirtschaftsakteure an Regeln der Moral gebunden
sind. In der Wirtschaftswelt besteht eine Neutralität
bez. Konzeptionen des guten Lebens, aber es gibt
­moralische Normen, deren Geltung unbestritten ist:
Wirtschaftsakteure haben nach Treu und Glauben zu
handeln.
Dies heisst nicht, dass Karl Kraus irrte. Sein Zitat
ist vielmehr nur vor dem Hintergrund eines speziellen
Verständnisses von Moral und Ethik verständlich.
Nach dieser allgemeinen These besteht ein Widerspruch zwischen dem in der Wirtschaftswelt üblichen
genuin egoistischen Motiv der Profitmaximierung und
moralischem Handeln. Überspitzt formuliert, handeln
nach dieser Dichotomie Personen, die Gewinne zu steigern versuchen, unmoralisch.
Die These, Profitmaximierung sei etwas moralisch
Verwerfliches, ist aber unplausibel. Profitmaximierung
als solche ist nämlich kein morali­scher, sondern ein
aussermoralischer ökonomischer Leitwert. Gewiss,
Profite können für moralisch bedenkliche oder gar verwerfliche Zwecke verwendet werden, etwa wenn sie
zur Perpetuierung von Abhängigkeitsverhältnissen
eingesetzt werden oder um andere weiter auszubeuten
usw. Aber das liegt nicht in der Maximie­rung des Profits als solcher, sondern eben in dessen Verwendung.
Zudem können bei der Profitmaximierung unerlaubte
Mittel verwendet werden. Aber das Ziel, möglichst viel
Gewinn zu erwirtschaften, ist ein aussermoralischer
Wert. Als solcher steht er nicht im Widerspruch zur
Moral.
Im Widerspruch zur Moral steht der Egoismus der
Wirtschaftsakteure nur, wenn Wirtschaft mit jenen,
dem Wettbewerb misstrauenden Augen betrachtet
wird, die Profitmaximierung mit Gier gleichsetzen.
Kraus hatte also eine spezifische Auffassung von Ethik
243
Sport International
Rippe · «Leistungssport oder Ethik – da müssen Sie sich entscheiden!»
im Sinne, als er dem Studenten der Wirtschaftsethik
antwortete – eine, in der Moral und Ethik notwendig
mit einer Konzeption des guten Lebens verbunden
sind. Wird von diesem Ethikverständnis ausgegangen,
muss in der Tat zwischen Wirtschaft und Ethik entschieden werden. Freilich liegt dasselbe Ethikverständ-
244
nis auch der derzeitigen Sportethik zugrunde. In dem
Sinne ist Karl Kraus’ Diktum also sehr wohl zu übertragen. Nur müsste seine Bemerkung nicht an die
Sportler adressiert werden, sondern an die Verbände.
An diese richteten sich die Worte «Leistungssport oder
Ethik – da müssen Sie sich entscheiden!».
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Rippe · «Leistungssport oder Ethik – da müssen Sie sich entscheiden!»
The Austrian social critic Karl Kraus supposedly
took the view that one could not study business ethics,
one had to decide on the one or the other, business or
ethics. Nobody would say the same with regard to
sport ethics. Sport seems to be an Aristotelian practice. A practice is a coherent and complex form of
socially established co-operative human activity
through which goods internal to that form of activity
are realised in the course of trying to achieve those
standards of excellence which are appropriate to, and
partially definitive of, that form of activity. But other
authors argue that business is also a practice. So Karl
Kraus’ view could be true of both practices or of
none.
If sport is a practice, we have to look closer at the
ethical norms in this field. Ethical norms have to
fulfil two criteria, the criterion of justification and the
criterion of functionability. According to the criterion
of justification, you can enforce moral norms only if
you can give the other person a reason to act in a
certain way. According to the criterion of function­
ability it should be possible for people to live in
accord­ance with the rule. Morality is a means to better social life. If a moral norm cannot be abided by in
practice it has to be abolished or redefined. A rigoristic prohibition of lying would be an example of a
norm which does not fulfil the criterion of functionability. In societies where such a rigoristic prohibition
was implemented following generations formulated
options to avoid breaking the rule. As s result only
naïve or careless people broke the rule against lying,
others found ways to lie without breaking the prohibition to lie. Cynical people will say that the rule against
doping is another example of a rule which does not
fulfil the criterion of functionability.
If this is true it would be important to give persons
good reasons to follow the rule. If a doping ban exists,
it is a question of justice that all people obey the rule
against doping. But doping is only wrong because it
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is forbidden. There is no sound argument why it
should be forbidden. From an ethical point of view
doping is a harm to oneself. But people can choose
autonomously to harm themselves.
There is no ethical argument which justifies a ban
on doping. There are, however, considerations for a
doping ban which can be derived from a certain theory of the good life. The practice of sport is connected with a perfectionist theory. This theory claims
that it is good if people try to reach psychic and
physical excellence. Accordingly, all means which
help promote this excellence are good, all means
which hinder its promotion are bad. The ban on
­doping follows this argument. In doping people use
means which are ecstatic improving the physical capacities without effort. Doping contradicts the perfectionistic good. Means which are ascetic are allowed.
Under certain conditions it can be legitimate to enforce rules which are based on a theory of the good
life. One condition is that all participants agree as to
which theory of the good life is the best one.
If such an agreement existed, there would be a difference between the fields of business and sport.
Business is neutral regarding theories of a good life.
Sport is connected with a perfectionist theory. As a
consequence, all competitive athletes have to live in
two worlds: in the practice of sports where they follow a perfectionist theory and in a business world
where they can choose autonomously the means to
reach competitiveness.
As a result, the athletes have competing motives
and reasons, a threat to personal integrity. Further, we
have to consider that there are strong forces threatening the perfectionistic ideal and therefore the stability
of the Aristotelian practice.
If people want a stable ethics of sport they have to
choose, between perfectionism and neutrality. This is
the same choice Kraus has in mind when he asks us
to decide between business and ethics.
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