Obdachlosenhilfe St. Bonifaz München
Transcription
Obdachlosenhilfe St. Bonifaz München
Obdachlosenhilfe St. Bonifaz München Jahresbericht 2014 Unser Team – Unser Projekt 3.000 km Hoffnung auf ein besseres Leben Menschen Interview mit der Leiterin unserer Arztpraxis, Frau Dr. Irene Frey-Mann Aktionen Chiemgauer Fastensuppe für das Haneberghaus 2 | | 3 Liebe Freunde des Haneberghauses, wir haben uns bemüht, den Jahresbericht 2014 wieder abwechslungsreich und informativ zu gestalten. Wir hoffen, Sie gewinnen manche neuen Einblicke in unsere Arbeit und haben Freude beim Lesen. Ganz herzlichen Dank für Ihre großzügige Unterstützung unserer Arbeit – vor allem natürlich im Namen der von uns betreuten Gäste. Um Portokosten zu sparen, haben wir uns wie immer entschlossen, auch diesen Jahresbericht ohne Anschreiben zu versenden. Wir hoffen, Sie haben dafür Verständnis. Der Eingang des Haneberghauses mit der Bronzebüste des Ordensgründers der Benediktiner (Benedikt von Nursia, ca. 480-547) von Josef Henselmann Foto: Frater Matthias Leidenberger OSB 4 | Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 5 Grußwort Abt Johannes 6 Vorwort Frater Emmanuel UNSER TEAM – UNSER PROJEKT 8 Das Team der Obdachlosenhilfe St. Bonifaz 10 3.000 km Hoffnung auf ein besseres Leben 12 Die Farben der Obdachlosigkeit 14 Im Reich der Armen – Leben im Abseits 15 Mord im Klosterhof 16 Gutes tun – ganz wie Abt Bonifatius 17 Unterstützen Sie unsere Arbeit – dauerhaft 18 In memoriam 19 Wir gratulieren von Herzen 20 Ruhe auf der Kirchenbank 22 Herzlichen Dank allen Sachspendern! 23 Bewegte Zeiten für Kirche und Staat MENSCHEN 24 „Wir haben hier einfach viel mehr als ein normales DoktorPatienten-Verhältnis“ – Interview mit Dr. Irene Frey-Mann 27 Kein Platz – alles voll 31 Die Nonne von der Alimaus AKTIONEN 35 Chiemgauer Fastensuppe für das Haneberghaus 36 Marmelade direkt aus dem Garten 37 Andechser am Dom für das Haneberghaus 38 Vielfältige Aktionen zugunsten unserer Arbeit 39 Ein Herz für Obdachlose 40 Für 170 Gäste warme Nächte 41 Presseecho STATISTIK 43 Die Arztpraxis arbeitet am Limit 48 Wieder mehr Sozialberatungen 51 Impressum Grusswort Abt Johannes | 5 Liebe Förderer und Freunde des Haneberghauses, Wasser ist in unseren nördlichen Breitengraden fast schon zu einem selbstverständlichen Gut geworden. Tagtäglich sind wir es gewohnt uns zu duschen, zum Zähneputzen den Hahn aufzudrehen oder nach der Wasserflasche in der Küche zu greifen. Erst Einschränkungen wie ein Wasserrohrbruch machen uns bewusst, welches kostbare Gut das Wasser darstellt. Dies ist auch die Erfahrung des Volkes Israel. Auf seiner Wanderung durch die Wüste wird es von Durst gequält. Murrend über die missliche Lage wendet es sich von Gott, seinem Befreier, ab. Erst als Mose auf Gottes Weisung hin mit dem Stab gegen den Felsen schlägt und sprudelndes Wasser hervortritt, findet das Volk erneut zum Glauben zurück. Dr. Johannes Eckert OSB, Abt der Abtei St. Bonifaz in München und Andechs Wüstenstrecken in unserem Leben wecken Durst. Das erfahren wir auch immer wieder in der Begegnung mit den Gästen in unserem Haneberghaus. Vieles erscheint in ihrem Leben verwüstet. Oft genug bringen sie ihren Durst nach Heimat, Anerkennung und Angenommensein ins Wort. Wir sind daher unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr dankbar. Mit ihrer tatkräftigen Unterstützung kann dieser Lebensdurst ein wenig gestillt werden. Das Haneberghaus wird so für viele zur Oase, in der sie neue Lebenskraft für ihren Alltag schöpfen. So sei an dieser Stelle auch allen unseren Spenderinnen und Spendern gedankt, mit deren Hilfe wir bildlich gesprochen „das Wasser sprudeln lassen“ können. Momentan sind wir dabei, die sanitären Anlagen, vor allem die Duschen im Haneberghaus zu erneuern. Das ist freilich mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Doch diese Investition lohnt sich, denn: Frisch geduscht, fühlt man sich wie neu geboren! So hoffen wir, dass wir auch zukünftig mit Ihrer Hilfe neues Leben wecken können. Mit herzlichen Grüßen Ihr 6 | Vorwort Frater Emmanuel Liebe Freundinnen, liebe Freunde unserer Obdachlosenhilfe im Haneberghaus, „Der Christliche Glaube unterstreicht, dass die Menschen im Tiefsten eine gemeinsame Natur haben, ein gemeinsames Wesen, ein Gewissen, das unterscheiden kann zwischen Gut und Böse, dass eben alle Ebenbilder Gottes sind. Das ist die Grundlage unseres Miteinanders, die sich auch ausdrückt im Konzept der Menschenrechte und der Menschenwürde. Aber diese Botschaft hat zutiefst religiöse Fundamente. Sie ist ohne die revolutionären Worte der Bibel kaum zu verstehen. Und diese Botschaft muss auch zur konkreten Tat werden.“ Diese Stelle aus dem Hirtenbrief zur Fastenzeit 2015 von Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hat mir so sehr aus der Seele gesprochen, dass ich ihn an den Anfang meines Vorwortes für unseren diesjährigen Jahresbericht stellen möchte. In der Tat können wir diese Botschaft für unser Haus übernehmen. Eine Art von Heimat Auch im letzten Jahr konnte unsere Obdachlosenhilfe im Haneberghaus vielen Menschen eine Art von Heimat, ein – wenn auch vielleicht nur kurzes – Gefühl der Geborgenheit geben, so gut es ging die Würde eines jeden einzelnen unserer Besucher wahren. Egal aus welchen Beweggründen Menschen unsere Einrichtung aufgesucht haben, sie konnten es, ohne dass sie irgendwelche Vorleistungen erbringen mussten. Unsere Arbeit mit unseren „Gästen“, wie wir sie nennen, hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Sie verlangt unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel an Bereitschaft zu Veränderungen ab, an Bereitschaft sich von Gewohnheiten zu verabschieden, Dinge aus völlig anderer Perspektive zu betrachten, eigene Einstellungen zu hinterfragen und auch zu ändern. Dies ist ein Prozess, der noch lange andauern oder nie ein Ende finden wird. Für diese Bereitschaft und Fähigkeit zur Veränderung möchte ich allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ob im Hauptoder Ehrenamt tätig, meinen großen Respekt zollen und mich bei ihnen allen herzlich bedanken. Nur durch das Engagement eines jeden Einzelnen von ihnen war es uns als Konvent möglich, die Aufgabe, die unsere Obdachlosenhilfe darstellt, in dieser Form zu bewältigen. Natürlich möchte ich mich an dieser Stelle, wie jedes Jahr, auch bei Ihnen allen bedanken, die Sie uns unermüdlich Ihre Treue halten und unserer Arbeit Ihre Verbundenheit zuteilwerden lassen. Ich möchte mich nicht nur für die vielen Geldund Sachspenden bedanken, die Sie der Obdachlosenhilfe im letzten Jahr zukommen ließen, sondern auch für die Wertschätzung, die unserem Dienst von Ihrer Seite entgegengebracht wurde. Freilich haben die Veränderungen, denen sich unsere Obdachlosenhilfe gegenüber sah und auch weiterhin sieht, auch manchen Spender derart verunsichert, dass er seine Unterstützung einstellte, da er sich wegen des massiven Anstiegs der Zahl nichtdeutscher Besucher nicht mehr voll mit unserer Arbeit identifizieren konnte. Reale Wanderungsbewegungen Es scheint für manchen schwer nachvollziehbar, warum wir uns im Haneberghaus auch und gerade um die Menschen kümmern, die nach Deutschland kommen und in Not leben, auch wenn sie hier (noch) nicht zu Hause sind. Dies ist kein „Betriebsunfall“, sondern Ausdruck unserer tiefsten, benediktinisch geprägten Überzeugung und unseres „niedrigschwelligen“ Konzeptes. Ob es uns allen nun gefällt oder nicht, die weltweiten Wanderungsbewegungen, seien sie verursacht durch Arbeitsimmigration aus Süd- und Osteuropa oder durch die Flucht vor Krieg und Verfolgung, sie sind eine Realität. Eine Realität, Frater Emmanuel Rotter OSB, Gründer und Leiter der Obdachlosenhilfe St. Bonifaz Vorwort Frater Emmanuel | vor der wir unsere Augen nicht verschließen dürfen und können. Natürlich fällt auf, dass die Lebenssituation obdachloser Menschen, die schon lange hier leben, in der Presse und der Politik, wenn überhaupt, nur noch am Rande auftaucht. Die Schlagzeilen beherrschen die katastrophale Situation der Asylbewerber in unserem Land und die Not mancher Arbeitsimmigranten aus Südosteuropa, die hier in einem Kreislauf aus Ausbeutung und Elend gefangen sind. Wie aber schon erwähnt, gehören auch diese Besucher/Gäste zu unserer Arbeit, auch sie sind, wie man heute so gern sagt, unsere „Zielgruppe“. Am Erfolg ersticken? Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen, dass wir unser Augenmerk auch weiterhin auf unsere „Stammkunden“ richten, sie sind ja nicht aus der Stadt oder aus dem Haneberghaus verschwunden, genauso wenig wie die Armut und Obdachlosigkeit Einheimischer aus unserer Stadt verschwunden sind, nur weil ihnen weniger öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwerden. Ganz im Gegenteil, die Rahmenbedingungen verschlechtern sich weiter. Die Landeshauptstadt hat auf absehbare Zeit jedes Jahr einen Zuzug in der Größenordnung einer mittleren Stadt zu verkraften, ohne dass Wohnungsbau und Infrastruktur Schritt halten könnten. Die Stadt München scheint an ihrer wirtschaftlichen Attraktivität und ihrem Erfolg zu ersticken. Dies ist gerade für arme und obdachlose Menschen, seien sie nun von hier oder Zuwanderer, eine katastrophale Entwicklung, denn sie können in dieser Goldgräberstimmung nicht Schritt halten. Es sind aber nicht nur arme Menschen, denen es immer schwerer fällt, in München einigermaßen über die Runden zu kommen, auch für Normalverdiener ist es aufgrund der Situation auf dem Wohnungsmarkt und der hohen Lebenshaltungskosten oft genug ein Problem, ein materiell einigermaßen gesichertes Leben zu führen. Wie Sie sehen, unsere Arbeit wird nicht weniger, ja es geht uns fast so wie der Stadt im Ganzen, auch uns erscheint es oft so, dass wir in unserem eigene „Erfolg“ ertrinken. Wobei wir auf diese Art von Erfolg auch gerne verzichten würden, ist der verstärkte Zulauf doch nur ein Beweis dafür, dass das soziale Gleichgewicht in unserer Gesellschaft sich stetig zu einer ernsthaften Schieflage hinneigt. Viele der Menschen, die uns aufsuchen, wüssten nicht, an wen sie sich sonst wenden sollten, auch und gerade die Zuwanderer aus Ost- und Südeuropa. Für uns ist die Niedrigschwelligkeit, dieses sich um Menschen in Not zu kümmern, ohne nach deren Nationalität oder rechtlichen Ansprüchen zu fragen, lebendiger Ausdruck unserer Regel, die uns vom Heiligen Benedikt vor fast 1500 Jahren gegeben wurde. Von Herzen Dank ... Umso wichtiger ist für uns Ihre Unterstützung, für die ich mir hier nochmals bei Ihnen allen ganz herzlich bedanken will. Besonders möchte ich diesmal die „Strickerinnen“ der Katholischen Frauengemeinschaft Albaching erwähnen, die schon seit Jahren auf dem dortigen Adventsmarkt selbstgestrickte Schals, Mützen etc. zugunsten unserer Obdachlosenhilfe verkaufen. Ebenso gilt mein besonderer Dank den Erlinger Landfrauen, die ebenfalls seit Jahren beim Andechser Familientag 7 selbstgebackenen Kuchen und anderes Süßgebäck verkaufen und den Erlös unserer Arbeit zukommen lassen. Weitere Aktionen in diesem Jahr zugunsten unserer Obdachlosenhilfe können Sie ab Seite 38 nachlesen. Alle anderen Spender und Spenderinnen möchte ich bitten, sich nicht zurückgesetzt zu fühlen, die Aufzählung aller, die unsere Arbeit unterstützt haben, würde nicht nur den Rahmen dieses Vorworts, sondern wohl auch des gesamten Jahresberichts sprengen. Ihnen allen nochmals ein herzliches Vergelt‘s Gott ! Mit einem weiteren Ausschnitt aus dem Fastenbrief 2015 des Erzbischofs, der mir aus der Seele spricht, möchte ich mein Vorwort beschließen: „Wird es uns gelingen, eine Gesellschaft zu werden, in der Menschen mit verschiedenen Überzeugungen, Weltanschauungen und Religionen friedlich zusammenleben? Werden wir unseren christlichen Glauben, der unser Land geprägt hat, so leben, dass wir auch den neu zu uns Kommenden und denen, die diese christliche Identität nicht teilen, mit Respekt, ja mit Nächstenliebe begegnen? Das ist unsere Aufgabe, unser Beitrag in Wort und Tat für eine zukunftsfähige Gesellschaft.“ So verbleibe ich mit den besten Wünschen und Gottes reichem Segen für Ihr Leben in dieser unserer Welt! Ihr 8 | Unser Team – Unser Projekt Das Team der Obdachlosenhilfe St. Bonifaz im Haneberghaus Träger Benediktinerabtei St. Bonifaz München / Andechs Hausleitung Fr. Prior Emmanuel Rotter OSB (Stand Juni 2015) Aktuell Bedarf nach Ehrenamtlichen Im Augenblick haben wir wieder Bedarf nach Ehrenamtlichen in allen Bereichen des Haneberghauses: Bei der Infothek, in der Arztpraxis, der Essensausgabe, der Kleiderausgabe und in unserer neu gestalteten Bäderabteilung. Wichtig sind uns eine längerfristige zeitliche Verfügbarkeit am Morgen bzw. Vormittag, große Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit. Hilfreich ist es, wenn Sie sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen und idealerweise sogar noch Sprachkenntnisse haben. Ein Glücksfall wären für uns ehrenamtliche Krankenschwestern, die vielleicht frisch pensioniert sind. Bei Interesse melden Sie sich bitte bei Frater Emmanuel Rotter OSB, Kontaktdaten siehe Impressum S. 51. Unser Team – Unser Projekt | Infothek Essensausgabe Kleiderausgabe Herbert Becke Peter Döbbeler Frauke Vineta Bülow Nathalie Bentenrieder Sara Bürkle Gaudensia Degenhardt Robert Grünewald Angela Heckenbücker Hans Heidelck Andreas Knüpffer Heinrich Kohler Elke-Anna Müller Marcus Rumpf Maria Rumpf Sebastian Schuster Evi Weger Esther Wissel Günther Wissel Monika Wissel Roman Krivsky Dr. Hubert Bauer Hendrik Bernau Daniel Erdmann Sr. Dolore Fischbacher Manfred Karch Kasim Mehmedovic Sozialdienst Robert Greiner (Stellvertretende Hausleitung) Sr. Monika Plank CS Arztpraxis Dr. Irene Frey-Mann Maria Fichtinger Sr. Ogmunda Gabler Sr. Dr. Antonia Hippeli Irmgard Hüttinger Prof. Dr. Hans Lauter Kirstin Lucia Bernadette Riederer Waltraud Stettner Prof. Dr. Roswitha Thurmayr Dr. Gabriele Zöllner Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der Obdachlosenhilfe St. Bonifaz beim Jubiläumsausflug iin Kloster Weltenburg Bäderabteilung Eduard Bielesch Georg Neudecker 9 10 | Unser Team – Unser Projekt 3.000 km Hoffnung auf ein besseres Leben Viele unserer Gäste haben nichts. Sie hoffen auf Arbeit und ein gutes Leben – Omar* aus Marroko ist einer von ihnen Obdachlose sieht man oft mit Tüten durch die Straßen der Großstadt ziehen. Omar hat keine Tüten – denn er hatte nichts und ist auch mit nichts nach München gekommen. Viele der Obdachlosen in Deutschland sind Ausländer. Sie hofften auf Arbeit und ein gutes Leben, doch bald wird ihnen klar: Sie werden wohl auch mit nichts wieder gehen. Ein libyscher Schleuser, 380 Passagiere, 1.000 Euro, ein Boot – „Das Boot des Todes, so nenne ich es seitdem“, sagt Omar und versteckt sein Kinn in der blauweißen Kapuzenjacke. Der schlaksige 26-Jährige tritt von einem Bein auf das andere, ihm scheint kalt zu sein. Er steht im Innenhof der Obdachlosenhilfe im Haneberghaus von St. Bonifaz in München. In Omars marokkanischer Heimatstadt Khouribga hat es zu dieser Zeit um die 20 Grad. Von dort reiste er im Juli 2014 nach Libyen, um nach Europa zu kommen. Obwohl das für ihn als Marokkaner ein Umweg ist, hat ihn der Preis von umgerechnet 1.000 Euro für die Überfahrt überzeugt. Nach dem Sturz Gaddafis hätten libyische Schleuserbanden die instabilen Verhältnisse für sich genutzt, erzählt Omar. Heute reicht ihr Ruf bis nach Eritrea, Somalia und eben auch bis nach Khouribga. Während er spricht, stecken seine Hände in einer verwaschenen Jeans. Er trägt eine Kappe mit dem Logo des Baseball-Teams der New York Yankees auf dem Kopf. Ob er das weiß? Er hat sie aus der Kleiderkammer, meint er schulterzuckend. Ihm scheint es unangenehm zu sein. In Marokko hat Omar Literatur studiert, aber wie die meisten Jugendlichen in seinem Land war er danach arbeitslos. „Es gab keine, wirklich gar keine Arbeit“, sagt er auf Arabisch. Bislang spricht er noch kein Wort Deutsch. Es klingt wie eine Rechtfertigung, als er das sagt. Er zieht seine Kappe zurecht, eine schwarze Locke springt in seine Stirn. Einfach ein paar Stunden sein Ohne die Obdachlosenhilfe von St. Bonifaz hätte Omar nicht gewusst, wo er so früh am Morgen hin soll. Hier darf er duschen, etwas essen und sich Kleidung holen. Das Haneberghaus von St. Bonifaz ist das Lebenswerk von Frater Emmanuel Rotter. In seinem Büro steht eine gemütliche Sitzecke, durch die Fenster im Erdgeschoss scheint die Morgensonne. Er trägt das schwarze klösterliche Gewand, einen Habit, seine klaren blauen Augen blicken aus den runden Brillengläsern. Er lebt seit 25 Jahren in München und kommt ursprünglich aus Wasserburg am Inn. Anfang der Neunziger hat er mit einem anderen Benediktiner die Gegend rund um den Königsplatz, den Botanischen Garten und die Innenstadt abgesucht und Obdachlose nach ihren Grundbedürfnissen befragt Die meisten von ihnen klagten darüber, dass sie keinen Ort finden, Unser Team – Unser Projekt | 11 an dem sie „tagsüber für ein paar Stunden sein können“, erzählt Frater Emmanuel. Mit diesen Erkenntnissen ausgestattet begann er die Obdachlosenarbeit. 2001 schließlich wurde das Haneberghaus eröffnet. Seitdem können Obdachlose hier von sieben bis zwölf Uhr dreißig kostenlos eine warme Mahlzeit zu sich nehmen, duschen und bei Bedarf kostenlos eine Arztpraxis aufsuchen. Mehr als 200 Obdachlose nehmen pro Tag das Angebot in St. Bonifaz an. Um die große Nachfrage stemmen zu können, hat Frater Emmanuel acht ehemalige Obdachlose fest angestellt. 75 Prozent der Obdachlosen, die zu ihm kommen, sind Ausländer, erzählt Frater Emmanuel. „Die müssen von daheim weg, weil sie dort keine Arbeit mehr finden. Die Behörden sagen: ‚Die gibt’s nicht!´“, erklärt Rotter die Situation vieler ausländischer Obdachloser. Der Zugang zu sozialen Einrichtungen sowie privaten Obdachlosenheimen bleibt Ausländern aus sogenannten negativen Drittstaaten, also nicht EU-Mitgliedsstaaten, oft verwehrt. Länder wie Marokko und Tunesien gelten trotz der prekären wirtschaftlichen Lage nicht als Krisengebiet. Dementsprechend aussichtslos ist ihre Chance auf ein Asylverfahren. „Der Staat sagt: ‚Nein nein nein, es werden nur die gefördert, die hier gelebt und Aufenthaltsraum im Haneberghaus gearbeitet haben´“, erzählt Frater Emmanuel. Er schüttelt den Kopf. Zumindest im Winter hat die Stadt München einen Kälteschutz eingerichtet. „Eine Stadt wird sich nie so blamieren wollen, dass da einer erfriert, egal woher er auch kommt“, sagt Frater Emmanuel. Im Haus 12 der Bayernkaserne dürfen Obdachlose im Winter übernachten. Im Sommer müssen Menschen wie Omar wahrscheinlich wieder auf der Straße schlafen. Keinen Cent in der Tasche Die vergangene Nacht hat der unverheiratete Marokkaner nicht draußen geschlafen, es ist zu kalt. Dabei ist er es gewöhnt, draußen zu schlafen. Die ersten Tage in München verbrachte er auf der Straße. Auch in Italien, seiner ersten Station in Europa, schlief er bereits unter freiem Himmel. Während der 26-Jährige die letzten Monate Revue passieren lässt, bleibt sein Ton unverändert. Er erzählt es geradezu nebenbei, als wäre es die Geschichte eines anderen. „Heute habe ich in der Kaserne geschlafen. Jeden Tag um sieben Uhr müssen wir das Gebäude verlassen. Dann nehmen wir die U-Bahn und fahren hierher“, sagt er und zeigt auf den Speisesaal von St. Bonifaz. Ein Ticket habe er nicht, die Frage scheint ihn zu amüsieren. „Ich habe keinen Cent in der Tasche“, sagt er und grinst dabei, sein großer Mund wird dabei immer größer. Mit „wir“ meint er seine Bekanntschaften. Männer aus Tunesien, Marokko, Palästina und Ägypten, die hierher gekommen sind, um nach Arbeit zu suchen. „Es heißt doch immer, es gibt hier so viel Arbeit, aber davon spüre ich nichts“, er redet sich in Rage, nimmt die Hände aus der Hosentasche. „Alle wollen Papiere, Papiere. Gebt mir doch welche, und ich arbeite!“, hilflos wirft er die Hände in die Luft. Ob er sich Sorgen um seine Zukunft macht? „Bislang – Gott sei Dank – wurde ich wegen meiner Papiere noch nicht erwischt. Ich vertraue auf Gott, dass sie mich nicht zurückschicken.“ Ein befreundeter Palästinenser möchte ihn offenbar beruhigen und bietet ihm einen Zug von seiner Zigarette an. Omars Zukunftspläne? Sein palästinensischer Freund kommt dem jungen Marokkaner zuvor, lacht zynisch und antwortet dann grinsend: „Er plant hier Medizin zu studieren. Na, was soll er schon vorhaben?“ Der 26-Jährige zögert, nimmt einen letzten, kräftigen Zug von der Zigarette. Er weiß nur, dass er morgen wieder im Innenhof des Haneberghauses sein wird. Ohne Plastiktüten. Und ohne einen Plan. Dann hebt er seinen Kopf gen Himmel und pustet den warmen Rauch in die kalte, bayerische Luft. Dunja Ramadan * Namen von der Red. geädert Foto: Margret Paal 12 | Unser Team – Unser Projekt Die Farben der Obdachlosigkeit Tagsüber Arbeit suchen, nachts überleben: Obdachlose Migranten überwinden ihre Schmerzgrenze – für die Zukunft ihrer Familien 6 Uhr, Samstagmorgen: Die Autoscheiben sind noch vereist, die Straßenlaternen leuchten und München schläft. Nur auf der Karlstraße bewegt sich etwas. Menschenmengen vor St. Bonifaz. Er warte schon seit einer Stunde, sagt Aiman*. Er weiß; spätestens um 7 Uhr öffnet das Kloster seine Pforten. Dann gibt es warme Speisen und Getränke, wie jeden Tag seit 25 Jahren. Eine Tasse Tee im Aufenthaltsraum, ein Gespräch mit Bekannten, die Zeitung. „Wir erfüllen Grundbedürfnisse für unsere Gäste“ sagt Frater Emmanuel Rotter OSB, Gründer und Leiter der Obdachlosenhilfe. Die Menschen wirken erschöpft, aber sie lächeln, wenn sie die Mitarbeiter sehen. „Guten Morgen“ auf Deutsch, Rumänisch, Arabisch, Ungarisch. Café International, gefüllt mit bewegenden Einzelschicksalen. Obdachlosigkeit für die Zukunft der Familie Aimans Geschichte beginnt in Italien. Oder eigentlich noch früher, zu Hause in Tunesien, wo er auf dem Gymnasium war und später die Prüfung als Masseur ablegte. „Meine Kinder sind die Nummer eins in meinem Leben“, sagt er. „Sie sollen eine gesicherte Zukunft haben“. 25 Jahre lang war er in Italien, um den Lebensunterhalt für seine dreiköpfige Familie zu finanzieren. Dann kam die Arbeitslosigkeit. Seit zwei Monaten ist Aiman jetzt in Deutschland. Auf nach München, auf ins Paradies. Arbeit finden und vielleicht auch Unterstützung. Sein Tag beginnt seitdem im Kloster. Sich stärken und dann ins Arbeitsamt, stundenlang. Auf Veränderung hoffen. Was macht er nachts? Bedrückt schaut Aiman auf den Boden und murmelt, dass er sich schmutzig fühle und sich schäme. Erst seit drei Tagen hat er einen sogenannten „Bettzettel“ für die Bayernkaserne. Vorher war seine Unterkunft die Straße. Überleben während der Wintermonate Aiman ist kein Einzelfall. Armutszuwanderer wie er, die keine Sozialleistungen beziehen können, sind zahlreich in München. Schiller 25 ist eine ganzjährige Migrationsberatung für Menschen, welche überhaupt keine Sozialansprüche haben, seien es Wohnungs- oder finanzielle Ansprüche, und somit nicht in das reguläre Sozialsystem integriert werde können. „Wir haben einen Dauerbestand von 600 bis 700 Klienten, die das akut betrifft“, bestätigt Franziska Liegl, die Sozialwissenschaftlerin der Einrichtung. Hauptklientel seien Roma-Bürger, wobei diesen Winter die Arabisch-Stämmigen zunähmen. Seit drei Jahren betreibt Schiller 25 von November bis Ende März eine Notunterkunft, damit Menschen auf der Straße nicht erfrieren müssen. Nach einem Beratungsgespräch bekommen Betroffene ein Bett für eine oder mehrere Nächte. In diesem Winter Unser Team – Unser Projekt | 13 In der Kleiderkammer im Haneberghaus Foto: Margret Paal sind es etwa 500. Die Lage ist prekär, da auch die Bayernkaserne an ihre Grenzen stößt. Bei Überfüllung tritt die „0-Grad-Regelung“ in Kraft: Bei 0 Grad aufwärts und voller Unterkunft wird zugemacht. 12 bis 20 fremde Menschen in einem Raum Zurück ins Kloster. Draußen am Brunnen sitzt Radu*. Vor einem Jahr ist der Rumäne nach München gekommen, um seine Familie finanziell zu unterstützen, hat jedoch nach sieben Monaten seinen Arbeitsplatz verloren und schläft seit kurzem in der Bayernkaserne. „Gestern hat ein Mann einfach in unser Zimmer gepinkelt. Es wurde zwar gesäubert, aber der Gestank bleibt. Die Luft ist für uns zwölf erstickend.“ Trotzdem lächelt er. Musik ertönt aus seinem Handy und Radu singt mit. Er ist dankbar für die Hilfe von St. Bonifaz. „Ich bin hier für den Traum von meinem Sohn.“ Radu möchte dessen fußballerische Talente fördern und hier ein gesichertes Leben für sich und seine Familie aufbauen. Mit einem Wörterbuch bewaffnet macht er sich täglich auf die Suche. Deutsch hat er sich selbst beigebracht und spricht mittlerweile fast problemlos. „Wer arbeiten möchte, muss die Sprache sprechen und wer will, kann sie auch lernen.“ Nicht allen Obdachlosen ist die Initiative des Klosters bekannt, auch Lukovich* nicht. Der Slowake sitzt täglich auf der Straße und bittet um Essen. Er zittert und hat traurige Augen. „Eine Woche noch“, sagt er. Auf die Frage, was in einer Woche passiert, erhellt sich schlagartig sein Gesicht und ein weites Lächeln breitet sich aus. „Arbeit! In einer Woche darf ich arbeiten und kann Geld für meine Familie verdienen!“ Momentan ist auch er nachts in einer Notunterkunft geschützt. Der Traum von Arbeit Die instabilen Verhältnisse und die hohe Arbeitslosigkeit verleiten viele Menschen, nach Deutschland zu kommen. Frater Emmanuel ist beeindruckt: „Ich würde mich das nicht trauen, einfach in ein Land zu gehen, dessen Sprache ich nicht einmal spreche.“ Ihre Motivation ist häufig die gleiche: Die Liebe für ihre Familie und die Chance, ihnen eine Zukunft zu bieten. Doch was passiert nach dem 1. April, wenn die Notunterkünfte geschlossen sind? Auch Aiman fürchtet sich vor diesem Tag. Wieder auf die Straße, weiter die Familie im Stich lassen, wenn der Traum von Arbeit noch nicht wahrgeworden ist. Nadine Cibu * Namen von der Red. geändert 14 | Unser Team – Unser Projekt Im Reich der Armen – Leben im Abseits In der Serie stationen.dokumentation berichtete das Bayerische Fernsehen im Juni 2014 über die Obdachlosenhilfe St. Bonifaz Eine 76-jährige Rentnerin, die an Krebs erkrankt ist und der zum Leben nur 150 Euro im Monat bleiben; ein türkischstämmiger Junge, der kein eigenes Zimmer hat und sich wertlos fühlt; ein Obdachloser, dessen einziger Freund ein Bernhardinerhund ist. Sie haben eins gemeinsam: für das Nötigste zum Leben, Wohnung, Kleidung und Essen, sind sie auf fremde Hilfe angewiesen. Sie leben am Rande der Gesellschaft, laut Definition sind sie arm. Obwohl die deutsche Wirtschaft boomt, steigt die Zahl der Armen. Zwölf Millionen Menschen gelten hierzulande als armutsgefährdet. Das heißt, sie haben weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung. Die paritätischen Wohlfahrtsverbände stellen in ihrem Armutsbericht 2011 fest, dass jeder siebte Bürger in Deutschland von Armut bedroht ist. Leben mit der Armut Doch wie fühlt es sich an, in einer Gesellschaft des Wohlstands, in der es um Erfolg, Geld und Status geht, arm zu sein? Welches Schicksal haben die Menschen erfahren, bevor sie in Armut gerieten? Ist Armut nur schlecht oder verbirgt sich in ihr auch ein innerer Wert? Wie leben Mönche, die sich in ihren Gelübden bewusst für Armut entschieden haben? Wieviel Reichtum braucht der Mensch? Menschenschicksale Zu Wort kommen Menschen aus München und Berlin, die erzählen, wie sie mit wenig Geld und wenig Zuwendung zurechtkommen. Nicht alle sehen ihre Lage nur Szene aus stationen.Dokumentation des Bayerischen Fernsehens negativ, sie zeigen auch, wie wichtig Menschlichkeit und Solidarität sind. Ein Beispiel dafür ist der Berliner Jesuit Christian Herwartz, der seinen Alltag, seine Wohnung und sein Geld mit Armen teilt. Er ist überzeugt, die Kluft zwischen Arm und Reich auszugleichen, ist der einzige Weg zu Frieden und Menschlichkeit. Die Dokumentation stellt auch private Initiativen vor, die armen Menschen helfen, nicht im Abseits zu stehen, sondern ihnen neue Perspektiven eröffnen. Dorit Vaaring Unser Team – Unser Projekt | 15 Mord im Klosterhof München – Kommissar Wilfling ermittelte im Bayerischen Fernsehen. Die tz stellte die Originalfälle vor, auf denen die Filmkrimis basieren. Es bleibt spannend: Das Bayerische Fernsehen setzt die insgesamt vierteilige Sendereihe „Lebenslänglich Mord“ fort. In der vierten und letzten Folge werden heute die letzten drei von insgesamt zwölf authentischen Mordfällen des ehemaligen Chefs der Münchner Mordkommission und Erfolgsautors Josef Wilfling gezeigt. Alle vier Folgen werden vom 14. Nov. bis 5. Dez. 2014 jeweils freitags um 21 Uhr noch einmal wiederholt. Die Fälle wurden in Teilen verfilmt und werden von Josef Wilfling persönlich erläutert. Nach 42 Jahren Polizeiarbeit – 22 davon bei der Münchner Mordkommission – ist der berühmte Ermittler überzeugt: „Jeder kann zum Mörder werden.“ In den Filmen wird Wilfling von dem Nürnberger Schauspieler Klaus Meile dargestellt. Ein Darsteller, vom dem Wilfling sagt: „Er spricht und denkt wie ich. Manchmal dachte ich, ich bin es selbst.“ Die tz stellte die Originalfälle vor, auf denen die Filmkrimis basieren. Dorita Plange Eine weiße Siamkatze namens Puma war im Sommer 1999 der Auslöser für ein Morddrama, dessen Auswirkungen Josef Wilfling zuweilen am Verstand der Menschen – speziell gewisser Damen der Gesellschaft – zweifeln ließen. Die Katze und noch dazu ein Hütehund namens Wolf gehörten dem charismatischen Weltenbummler Steve T. (50, Name geändert), der mit seinen Tieren bettelte, an manchen Tagen bis zu 400 D-Mark (200 Euro) bekam und dennoch stets unter freiem Himmel lebte. Ein Asket aus Kanada, der nur von Tomaten und Wasser lebte und im Englischen Garten spirituelle Lesungen hielt. Die Damen der Gesellschaft hingen an seinen Lippen. An einem stürmischen AugustAbend suchte Steve T. wegen seiner Tiere Schutz im Klosterhof von St. Bonifaz in der Karlstraße. Er wurde von anderen Obdachlosen verjagt und ging zurück in den Englischen Garten. In der Nacht verschwand Puma. Von Hunden zerrissen, wurde die Katze später gefunden. Steve T. schrie vor Trauer. Am Abend des 25. August 1999 soll er im Klosterhof den schlafenden Obdachlosen Thomas S. (35) mit einem Rambomesser nahezu enthauptet haben. Zwei Zeugen hatten Steve und den Hund am Tatort gesehen, doch vor Gericht waren sie sich nicht mehr sicher. Mangels Beweisen wurde der Kanadier freigesprochen. Seine Anhängerinnen jubelten – und Wilfling sagt heute: „So funktioniert der Rechtsstaat. Unter diesen Umständen war das Urteil richtig.“ T. kehrte zurück in die kanadischen Wälder. Wochen nach dem Prozess fanden Gärtner im Englischen Garten ein halb vergrabenes Rambo-Messer. Daran haftete noch das Blut des Mordopfers und die DNA des Kanadiers … TZ, 7. November 2014, S. 8 Ende August 1999 wurde auf dem Gelände von St. Bonifaz tatsächlich ein Obdachloser ermordet. Ein Verdächtiger, ebenfalls wohnungslos, wurde vor Gericht angeklagt, aber mangels Beweisen freigesprochen. Erst später fand man seine Tatwaffe mit den verräterischen Spuren. Der „Klostermord“ war einer von zwölf portraitierten Fällen in einer Sendereihe des Bayerischen Fernsehens über authentische Mordfälle, die der ehemalige Leiter der Münchner Mordkommission und erfolgreiche Autor Josef Wilfling vorstellte. Steve T. nach dem Freispruch im Gericht (Foto Unfried/TZ) 16 | Unser Team – Unser Projekt Gutes tun – ganz wie Abt Bonifatius Ziel der Bonifatius-Haneberg-Stiftung ist eine langfristige Absicherung der Obdachlosenarbeit im Haneberghaus Die Anfänge der Betreuung von Obdachlosen durch die Abtei St. Bonifaz liegen schon mehr als 100 Jahre zurück. Da die Lebenssituation von Menschen ohne Obdach in München aber immer schlimmer wurde, begannen Frater Emmanuel und ein Mitbruder 1990, die Arbeit für die Obdachlosen zu intensivieren. Bereits Ende 1994 wurde dann durch zwei Münchner Unternehmer die BonifatiusHaneberg-Stiftung gegründet. Daniel Bonifatius Haneberg, der Namensgeber unserer Stiftung, war 1854-72 zweiter Abt der Abtei St. Bonifaz in München und Andechs und später (1872-76) Bischof von Speyer. Haneberg kümmerte sich wegweisend um die zahlreichen Waisenkinder und die vielen Obdachlosen, die schon damals auf Münchens Straßen lebten Alleiniges Ziel unserer Stiftung ist es, die soziale Arbeit der Abtei St. Bonifaz zu unterstützen. Dazu benötigen wir aber Geld. Ihr Geld! Eine solche Zuwendung kann durch ein Spende an unsere Stiftung geschehen oder aber durch eine Schenkung, eine Zustiftung, ein Vermächtnis (ein bestimmter Vermögensgegenstand aus einem Nachlass) oder eine Erbschaft. So haben wir in den vergangenen Jahren von einer großzügigen Münchner Gönnerin ein Mietshaus in Sendling mit 13 Wohnungen geschenkt bekommen. Ein Ehepaar hat uns in seinem Testament mit einer Eigentumswohnung in München bedacht. Abt Dr. Daniel Bonifatius Haneberg OSB (Gemälde in der Klausur des Konventes) Aber: Eine gemeinnützige Stiftung darf nur das Geld ausgeben, das durch Geldanlage oder wie in den geschilderten Fällen durch Mieteinnahmen erwirtschaftet wird. Bei den derzeit extrem niedrigen Zinsen ist das fast nichts. In Abstimmung mit der Stiftungsaufsicht investieren wir inzwischen auch in die Renovierung der Mietobjekte, soweit dies möglich ist, d.h. wenn eine Wohnung leersteht. Selbstverständlich arbeiten Stiftungsrat und -vorstand komplett ehrenamtlich, auch sämtliche Sachkosten wir Papier, Porto etc. werden übernommen. So ist sichergestellt, dass jeder Cent Ihrer Spende oder sonstigen Zuwendung dem Stiftungszweck zukommt. Vielen Dank! Peter Haslacher Peter Haslacher, Vorstand der BonifatiusHaneberg-Stiftung zugunsten der Obdachlosenarbeit im Haneberghaus Unser Team – Unser Projekt | 17 Unterstützen Sie unser Arbeit – dauerhaft Stärken Sie die Bonifatius-Haneberg-Stiftung mit Ihrer Zustiftung oder Spende – oder bedenken Sie unsere Obdachlosenarbeit in Ihrem Testament Mit Ihrer Zuwendung können Sie dazu beitragen, unsere Arbeit mit obdachlosen und armen Menschen auf eine wirtschaftlich dauerhaft verlässliche Grundlage zu stellen – mit einer Zustiftung, einer Spende oder indem Sie unsere Obdachlosenarbeit in Ihrem Testament bedenken. Sollten Sie in Erwägung ziehen, sich durch eine Zuwendung an der BonifatiusHaneberg-Stiftung zu beteiligen, so wenden Sie sich bitte an die beiden Vorstände Peter Haslacher oder Tel.: 089 – 300 1819 [email protected] Fr. Prior Emmanuel Rotter OSB Tel.: 089 – 55 17 10 [email protected] die Ihnen gerne jederzeit für ein völlig unverbindliches, ganz persönliches Informationsgespräch zur Verfügung stehen. Die Bonifatius-Haneberg-Stiftung ist als gemeinnützig anerkannt, so dass alle Zuwendungen steuerlich absetzbar sind. Wir freuen uns über jede Zuwendung auf unser Konto, jede Summe ist uns willkommen. Bitte vergessen Sie für eine Zuwendungsbestätigung nicht Ihren Absender (Name + Adresse) im Textteil. Bonifatius-Haneberg-Stiftung Konto 99 525 99 bei der Kreissparkasse München Starnberg BLZ 702 501 50 IBAN BIC DE56 7025 0150 0009 9525 99 BYLADEM1KMS Haben Sie von Herzen Dank für Ihre großzügige Unterstützung! Als Vorstände der BonifatiusHaneberg-Stiftung fungieren: Peter Haslacher Vorstand Fr. Prior Emmanuel Rotter OSB Stellvertretender Vorstand Dem Stiftungsrat gehören an: Abt Dr. Johannes Eckert OSB Dr. Jürgen Hanreich Gerhard Johann Huber Jürgen Langer Fr. Marcus Riemer OSB Treppenhaus des an die Bonifatius-Haneberg-Stiftung geschenkten Hauses in der Alramstraße in München-Sendling 18 | Unser Team – Unser Projekt In memoriam – wir gedenken Verstorbene Gäste des Haneberghauses in 2014 Der Auferstandene , Holzplastik in St. Bonifaz Foto: Fr. Emmanuel Am 14. Februar 2014 verstarb nach langer Krankheit Herr Diakon Horst Thomas Esterer, Ehrenpräfekt der Marianischen Männerkongregation Maria Verkündigung am Bürgersaal zu München. Herr Diakon Esterer leitete zwölf Jahre lang die Geschicke der MMK und war ein treuer Freund und Förderer der Obdachlosenhilfe St. Bonifaz im Haneberghaus. Wir gedenken seiner im Gebet. Andrzej Augustynek Waldemar Wroblewski Bernd Haase Helmut Schwarz Anna-Maria Breu Werner Reindl Else Linseisen Dorin Vasilescu Jon Udeanu Alfred Haag Klaus-Peter Fischer Bruno Runge Erich Haala Victor Ugulava Dragica Wodissch Dennis Hellex Franz-Josef Frank Manrico-Adalbert Pitoni Uwe Fuchs Grzegorz Kusik Lisbeth Geldhauser Meinolf Lutter Jerzy Chlipala Ivo Tomic 67 Jahre 57 Jahre 68 Jahre 49 Jahre 68 Jahre 56 Jahre 62 Jahre 50 Jahre 53 Jahre 58 Jahre 66 Jahre 69 Jahre 70 Jahre 66 Jahre 61 Jahre 37 Jahre 63 Jahre 59 Jahre 56 Jahre 48 Jahre 74 Jahre 71 Jahre 50 Jahre 73 Jahre Unser Team – Unser Projekt | 19 Wir gratulieren von Herzen ... ... zum 60. Geburtstag von Georg Neudecker, Küche und Bäderabteilung Im März wurd‘ 60 Jahre alt der Schorsch, dabei ist er noch rüstig, fit und forsch, obwohl ihn manchmal zwickt die Hand oder der Arm und auch der Rücken hat zu wenig warm. So ist der Schorsch trotz aller dieser Plagen zur Stelle immer hier, an allen Tagen, und fängt sein Tagwerk früher auch noch an als für ihn vorgesehen ist im Plan. So ist die Küche vorbeireitet mit der nöt’gen Ruh, denn Hektik kommt gleich reichlich auf ihn zu. Kaum, dass für die Gäste öffnet sich das Tor, so kommt es leider manchmal bei uns vor, da wird ein Streit dann sehr schnell absehbar, wer heut‘ der Erste in der Schlange war. Da bricht es dann schon los, das Donnerwetter, und auch der Schorsch ist gar nicht mehr ein Netter, nein, klar wird angesagt, im Notfall auch gedroht, mit baldigem und auch mit striktem Hausverbot. Denn anders als die Fische, sein Sternzeichen, tut er doch eigentlich dem Löwen gleichen. Der Schorsch, der schafft stets zuverlässig und mit Fleiß, bis ihm oft tropfet von der Stirn der Schweiß. Drum ziehen wir den nicht vorhand’nen Hut, und wünschen, dass das neue Lebensjahr wird gut. Auf dass er zukünftig manchmal hat sein Ruh‘, was er noch braucht, gibt ihm der liebe Gott dazu: Gesundheit, Zufriedenheit und Glück soll’s sein, da er so alt nun – wie sein Lieblingsverein. Roman Krivsky Neue Duschen auch in Rom Sein Ordnungsruf, mit starker Stimme vorgetragen, schnell haben alle Kontrahenten sich vertragen, und jeder Streit wird umgehend zur Nebensach‘, unter den Gästen herrscht kein weit’res Ungemach. So geht es munter in der Küche und im Bad, ja, mit dem Schorsch, da ist es niemals fad. Er ist nicht leise und schon gar nicht stumm, ja, bei ihm, da ist es eher andersrum. Geburtstagskind Georg Neudecker Mobile Duschcontainer auf dem Petersplatz Nicht nur in der Obdachlosenhilfe von St. Bonifaz wurden in 2014 Vorbereitungen für die Installation neuer Duschgelegenheiten getroffen. Konrad Krajewski, Almosenmeister des Vatikan und Sozialbeauftragter des Papstes, hat auf Bitten von Papst Franziskus am Petersdom sowie in zehn weiteren römischen Pfarreien die Pilgertoiletten um Duschcontainer erweitert. „Wir geben diesen Menschen, die sich waschen können, ein Stück Würde zurück.“ Die Zahl der Obdachlosen in Rom wird auf knapp 8000 geschätzt. Dazu kommen jährlich Millionen von Pilgern. Auch die Badeabteilung im Haneberghaus wird gerade um- und ausgebaut. Mehr darüber erfahren Sie im nächsten Jahresbericht 2015. 20 | Unser Team – Unser Projekt Ruhe auf der Kirchenbank In der katholischen Kirche Saint Boniface in San Francisco dürfen sich Obdachlose den Tag über aufhalten und schlafen Patron unserer Abtei ist der heilige Bonifatius, der im 8. Jahrhundert einer der bekanntesten Missionare und der wichtigste Kirchenreformer im Frankenreich war. Seine geschichtliche Bedeutung wird je nach Blickwinkel unterschiedlich gesehen. Bonifatius war wohl eher Latein-Gelehrter als bedeutender Theologe, aber er verband missionarischen Eifer mit einer seltenen Begabung für Organisation und Administration. Selbst in England als „Wynfreth“ geboren und in Benediktinerklöstern erzogen, trat er in den Orden ein, wurde Priester, Abt, später Missionserzbischof, päpstlicher Legat für Germanien, Bischof von Mainz und zuletzt Bischof von Utrecht. Und er hat mehrere Klöster gegründet, darunter Fulda. Apostel der Deutschen Wegen seiner umfangreichen Missionstätigkeit im damals noch überwiegend heidnischen Germanien wird Bonifatius seit dem 16. Jahrhundert als „Apostel der Deutschen“ verehrt, wobei ein Schwerpunkt zunächst im Umfeld des Amtssitzes Mainz und des Klosters Fulda lag, wo sich das Grab des Märtyrers befindet. Erst im 19. Jahrhundert verbreitete sich die Verehrung des heiligen Bonifatius deutschlandweit und so kam auch unsere Abtei bei ihrer Gründung in 1835 zu ihrem Patron. Aus katholischer Sicht gilt er als ein wichtiger Gründervater der europäischen Idee, dessen Todestag am 5. Juni inzwischen mehr als 100 Kirchen in unserem Land als Patronatstag feiern. Nicht nur in England und den Niederlanden ist er vereinzelt Kirchenpatron, auch noch weiter entfernt, z.B. in der katholischen Kirche Saint Boniface in San Francisco, Kalifornien. Und auch hier wird in seinem Namen besonders viel Gutes für Obdachlose getan. Wie Franz von Assisi Seit 2004 hat Saint Boniface im Rahmen von „The Gubbio Project“ seine Türen geöffnet, damit den Tag über, wenn alle Nachtunterkünfte geschlossen sind, Obdachlose sich in Ruhe aufhalten und auch schlafen können. Die 1902 erbaute neoromanische Franziskanerkirche in der Golden Gate Avenue im kulturell vielfältigen, aber auch von großen sozialen Problemen geprägten Stadtviertel Tenderloin ist die älteste deutsche katholische Kirche in San Francisco. Heute versteht sie sich nicht nur als eine Oase für die Mitglieder ihrer englisch-, spanisch- und vietnamesischsprachigen Gemeinde. Ganz im Sinne von Franz von Assisi will sie auch Schutzbereich sein für die Armen ganz am Rande unserer Gesellschaft. Das Gubbio-Projekt wurde nach der italienischen Stadt in Umbrien benannt, in der eine der bekanntesten Legenden von Franziskus spielt. Dort verursachte ein großer, aggressiver Wolf Angst und Schrecken, und alle Versuche, Saint Boniface Church in San Francisco Foto: Wikimedia Commons Gäste von „The Gubbio Project“ Fotos: Jeanette Antal Unser Team – Unser Projekt | 21 ihn zur Strecke zu bringen, waren vergeblich. Doch Franz von Assisi stimmte nicht in den allgemeinen Ruf „Schlagt den Wolf tot“ ein. Er suchte ihn ohne Waffen auf, nannte ihn „Bruder Wolf“, zähmte ihn und verschaffte ihm einen Futterplatz, denn er war eigentlich nur hungrig. Aus dem Feind wurde ein Freund und als der Wolf Jahre später starb, trauerten die Menschen um ihn. 100 schlafen auf Kirchenbänken Der Innenraum der St. Boniface Church ist heute ein sicherer, einladender und wunderschöner Ort für täglich um die 100 Menschen, um sich auszuruhen und zu schlafen. Ganz wie bei unserer Obdachlosenhilfe ist es ein niedrigschwelliges Angebot, das von Montag bis Freitag, 6 h bis 13 h geöffnet hat. Neben den Kirchenbänken zum Schlafen gibt es saubere Toiletten und Duschgelegenheiten, eine Kleiderkammer und Sozialberatung. Eine Handvoll von Festangestellten, außer der Projektleiterin einige ehemalige Gäste und junge Leute, wir würden sagen FSJ-ler, wird von vielen Ehrenamtlichen unterstützt, die für ein ordentliches Frühstück sorgen. Diese Morgenmahlzeit wird von wechselnden Freiwilligen-Gruppen vorbereitet und gemeinsam mit den bedürftigen Gästen eingenommen, so dass es viele Möglichkeiten zu Gespräch und Begegnung gibt. Fundraising-Events wie eine Reihe von Jazz-Frühstücken oder Vorträgen mit berühmten Künstlern stellen gemeinsam mit Anträgen bei Stiftungen und viel Öffentlichkeitsarbeit sicher, dass alle Kosten abgedeckt sind. Schlichtheit und Schönheit Das Gubbio-Projekt hat sich in den elf Jahren seit seiner Gründung stetig weiterentwickelt und kooperiert eng mit zahlreichen anderen Einrichtungen und Stellen. Es kann die Gründe von Obdachlosigkeit nicht bekämpfen, aber es trägt dazu bei, die Schlafende in den Kirchenbänken der Saint Boniface Church in San Francisco, Kalifornien Lebenssituation der Betroffenen gerade in Zeiten schlechten Wetters, das ist in San Francisco auch im Sommer häufig der Fall, spürbar zu verbessern. Vor allem aber hilft „The Gubbio Project“, die Obdachlosen mitten in die Gemeinde zu holen und damit Stigmata und Ausgrenzung zu überwinden. Gefragt, was die Gründe für den Erfolg des Projektes ausmache, antwortet Laura Slattery, die Projektleiterin, mit zwei Begriffen: „Es ist die Schlichtheit, denn es macht einfach Sinn, den Leuten einen Raum zu geben, der geheizt und in dieser Zeit nicht anders genutzt wird. Und die Schönheit, denn nicht nur der Innenraum der Kirche ist schön, auch in Ruhe und Sicherheit schlafende Menschen sind ein schönes Bild.“ Vera Schäfer mit Material von www.saintbonifacesf.org und www.thegubbioproject.org Foto: Jeanette Antal 22 | Unser Team – Unser Projekt Herzlichen Dank allen Sachspendern ... Die Obdachlosenhilfe erhält von zahlreichen Sachspendern vielfältige Unterstützung – ihnen wollen wir danken Im vergangenen Jahr hatten wir im Jahresbericht 2013 die Namen unserer Sachspender genannt, um ihnen allen von Herzen zu danken. Doch wie es manchmal leider so kommt: Einige Spender waren nicht erwähnt worden, weil uns ihre Sachspende vielleicht nicht im Kalenderjahr erreichte, andere wollten doch lieber nicht genannt werden und einige wenige hatten wir wohl einfach übersehen – kurz: Wir haben uns entschieden, diesmal keine Namen zu nennen, sondern uns nur von ganzem Herzen zu bedanken. Auch Ihr Beitrag ist entscheidend für das Gelingen der Obdachlosenarbeit im Haneberghaus. Darum ein herzliches „Vergelt‘s Gott“! Wir freuen uns immer über saubere gebrauchte Herrenbekleidung, vor allem über neue Unterwäsche und Socken, aber auch über Körperpflegeartikel und (bitte nur nach Absprache) über Lebensmittel- und Medikamentenspenden. Fr. Emmanuel Rotter OSB Wir danken insbesondere ... • den zahlreichen Stiftungen, Vereinen und kommunalen Organen • einer Reihe von Unternehmen für ihre Sachspenden • befreundeten Klöstern v.a. für ihre Kleiderspenden • den Spendern von Kleiderspenden im großen Stil und den vielen kleinen Spendern • unseren Freunden und Förderern für Brot, Gebäck, Kuchen und Gemüse • und allen unseren sonstigen Sachspendern Haneberghaus und Benediktus-Brunnen im Frühjahr 2015 Foto: Fr. Matthias Leidenberger OSB Unser Team – Unser Projekt | 23 Bewegte Zeiten für Kirche und Staat Die Sommerakademie 2014 widmete sich dem Thema „Reformation und Gegenreformation – das Zeitalter der Glaubensspaltung in Bayern“ Seit 2011 ist ein Höhepunkt der jährlichen Bildungsveranstaltungen in St. Bonifaz die „Sommerakademie“, die vom Kuratorium der Freunde von St. Bonifaz unter der Leitung und Organisation von Herrn Prof. em. Dr. HansMichael Körner, Ludwig-Maximilians-Universität, ins Leben gerufen wurde. Rahmenthema einer Akademie ist jeweils eine im Hinblick auf das Verhältnis von Staat und Kirche in Bayern besonders interessante Phase. Spannende Vorträge Ging es im Sommer 2011 um die Säkularisation von 1803 und ihre Folgen, im Jahr 2012 um die Katholische Kirche und den Nationalsozialismus und 2013 um dem Kulturkampf in Bayern, so hatte man sich für den Frühsommer 2014 wieder ein spannendes Thema vorgenommen: Reformation und Gegenreformation – das Zeitalter der Glaubensspaltung in Bayern. Den Zyklus begann Prof. Dr. Manfred Eder, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte an der Universität Osnabrück, mit dem Vortrag „Das Profil der spätmittelalterlichen Kirche in Bayern“, bevor Prof. em. Körner zu „Die bayerische Entscheidung gegen Luther“ sprach. Im Anschluss stellte Prof. Dr. Klaus Unterburger, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Regensburg, „Herzog Albrecht V. von Bayern“ ins Zentrum seiner Betrachtungen (1528-1579, reg. Herzog ab 1550). Es folgte der Vortrag von Dr. Tobias Appl, Bezirksheimatpfleger der Oberpfalz sowie Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Landesgeschichte der Universität Regensburg, der zum Thema „Zwischen Staatsraison und persönlicher Frömmigkeit – Kirchenpolitik Herzog Wilhelms V.“ sprach. Wilhelm V. lebte 1548 -1626 und war 1579-1597 Herzog von Bayern. Dessen Nachfolger Maximilian I. (*1573 +1651), seit 1597 Herzog von Bayern und ab 1623 Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches, widmete Dr. Gerhard Immler seinen Vortrag, Leitender Archivdirektor des Bayerischen Staatsarchives. Schließlich sprach Dr. Katharina Weigand vom Historischen Seminar der LMU und rundete den Zyklus mit ihrem interessanten Vortrag zu „Reformationsjubiläen und LutherDenkmäler“ ab. Bitte um Spenden Auch 2014 hat Fr. Emmanuel im Rahmen der Sommerakademie immer wieder die Gelegenheit genutzt, die Obdachlosenarbeit vorzustellen und bei den zahlreichen Zuhörern um Spenden zu bitten, denn nur so kann im Haneberghaus jeden Tag des Jahres unseren ärmsten Mitmenschen geholfen werden. So wird deutlich, dass in St. Bonifaz nicht nur der Dreiklang von Kirche, Wissenschaft und Kunst gelebt wird, welchen sein Gründer, Ludwig I., für das Bauensemble rund um den Königsplatz im Sinn hatte. Kloster Andechs, Stich von Merian um 1644 Vielmehr nimmt auch die tätige Nächstenliebe im Haneberghaus längst einen zentralen Platz im Wirken unserer Abtei ein. Vom 23. Juni bis zum 28. Juli 2015 findet unter dem Rahmenthema „Das barocke Bayern“ schon zum fünften Mal jeweils dienstags um 20 h die Sommerakademie der Freunde von St. Bonifaz statt. Sollten Sie sich für dieses Programm, für das Colloquium Benedictinum (z.B. die Vortragsreihe „Wie heute von Gott sprechen – aus der Sicht von drei großen Ordensfrauen“ im November 2015) oder andere Bildungsveranstaltungen unserer Abtei interessieren, so finden Sie unter www.sankt-bonifaz.de oder in der Tagespresse stets aktuelle Hinweise. Vera Schäfer 24 | Menschen „Wir haben hier einfach viel mehr als ein normales Doktor-Patienten-Verhältnis“ Die Ärztin Dr. Irene Frey-Mann über ihre Arbeit im Haneberghaus Mit Leidenschaft und vollem Einsatz für ihre Patienten: Die gebürtige Heidelbergerin Dr. Irene Frey-Mann ist Leiterin der Arztpraxis der Obdachlosenhilfe von St. Bonifaz. Schon während ihres Medizinstudiums setzte sie sich für notleidende Menschen in Tansania ein. Anschließend arbeitete sie als Allgemeinärztin in verschiedenen Städten und konnte so Erfahrungen in unterschiedlichen medizinischen Bereichen sammeln. Dabei begleitete sie ständig der Wunsch, mehr für die Menschen tun zu können. Als berufliche Veränderungen ihres Mannes Frau Dr. Seit 19 Jahren arbeiten Sie nun in der Arztpraxis im Haneberghaus und sind schon lange deren Leiterin. Wie ist es dazu gekommen? Das war eigentlich ein glücklicher Zufall. Als ich nach München gezogen war, habe ich mir die BISS-Zeitung gekauft und bin beim Lesen auf eine mir bekannte Ärztin gestoßen, die in der ObdachlosenPraxis des Klosters arbeitete. Diese Ärztin habe ich dann gleich angerufen und gesagt, dass mich die Tätigkeit interessieren würde. Nach einigen Vertretungen habe ich die Praxis ein Jahr lang alleine geleitet, als meine Kollegin im Mutterschutz war. Und so bin ich nach und nach einfach reingewachsen. Wieso hat Sie besonders diese Tätigkeit interessiert? Was ist Ihr Beweggrund? Ich hatte schon den Drang, etwas Sinnvolles zu machen. Ich dachte früher, dass ich in die Frey-Mann nach München führten, weckte ein Artikel der BISS-Zeitung über die Praxis des Klosters ihr Interesse. Nicht nur medizinische Versorgung bieten, sondern mit ihrer Arbeit zusätzlich Gutes bewirken – dieses Prinzip setzen Frau Dr. Frey-Mann und ihr Team seit 19 Jahren in unserer Arztpraxis um. Patienten erhalten eine medizinische Versorgung, aber auch weitere Unterstützung. Es ist ein Gesamtpaket. Das Haneberghaus ist auch durch Dr. Irene Frey-Mann viel mehr als nur eine Obdachlosenspeisung, eine Kleiderkammer oder Arztpraxis. Es ist eine echte Anlaufstellte für Hilfsbedürftige. Entwicklungshilfe gehen würde, weil ich auch mal ein Vierteljahr während des Studiums in Afrika gearbeitet habe und mir das große Freude gemacht hat. Hier im Hahneberghaus habe ich wieder das Gefühl, dass ich etwas zutiefst Sinnvolles mache. Das Ziel Ihrer Arbeit ist, …? Dass wir mehr als normale Medizin für die Menschen machen, die zu uns kommen. Diese haben oft keine Möglichkeit, woanders medizinisch versorgt zu werden. Wir sind ihre Anlaufstellte. Jeder kann hier herkommen, auch wenn er nicht aus dem Ei gepellt ist oder sich nicht Dr. Irene Frey-Mann, Leiterin der Arztpraxis im Haneberghaus, mit einem Patienten Menschen | 25 gut ausdrücken kann, jeder soll sich angenommen fühlen. Menschen antreiben muss, dass sie das auf sich nehmen. Gibt es Vorgaben oder Einschränkungen vom Kloster? Keiner macht mir große Vorschriften – weder das Kloster von innen, noch die Bürokratie von außen. Das Kloster ist sehr liberal und tolerant. Dadurch kann ich für meine Patienten machen, was ich für wichtig und gut halte. Wie ist der Zustand ihrer Patienten, wenn sie das erste Mal kommen? Das ist ganz gemischt. Wir haben viele Patienten, die nicht nur eine, sondern vielerlei Krankheiten haben. Und diese sind oft so schlimm, wie ich es früher in der Allgemeinpraxis noch nie gesehen habe, insbesondere bei Hautkrankheiten. Gibt es Schwierigkeiten bei Ihrer Arbeit? Die Sprache ist ein riesiges Problem. Wir können kein Rumänisch oder Bulgarisch. Ich habe in meinem Computer ein Übersetzungsprogramm. Wenn es gar nicht geht, dann muss ich darauf zurückgreifen. Das ist aber sehr zeitraubend. Ich versuche dann auch andere Patienten zu finden, die mir helfen können. Ich spreche zwar Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch – aber leider keine osteuropäischen Sprachen. Somit behandeln Sie viele ausländische Patienten. Kennen Sie deren Beweggründe nach Deutschland zu kommen? Die Menschen kommen aus den schlimmsten Zuständen her. Es ist immer noch besser hier in München auf der Straße, als beispielsweise in Rumänien auf der Müllkippe zu leben. Es gibt Anlaufstellen für Essen und Kleidung. Wenn man Glück hat, kann man auch duschen. Das muss man sich mal vorstellen, dass die Bedingungen im Herkunftsland so schlimm sind, dass man lieber in ein Land kommt, dessen Sprachen man nicht spricht und versucht sich durchzuschlagen. Ich frage mich auch immer, was die Können Sie sich erklären warum? Auf der Straße gibt es viele Dinge, die man zuerst klären muss, bevor man an die Gesundheit denken kann. Die Menschen haben dadurch andere Prioritäten. Zum Beispiel: „Wo kriege ich einen Platz zum Schlafen her oder etwas zum Essen?“. Diese Hürden führen dazu, dass die Patienten oft sehr spät im Verlauf ihrer Erkrankung kommen. Wie ist Ihr Verhältnis zu den Patienten? Ich vertrage mich mit den Patienten sehr gut, auch wenn ich streng bin. Das erkennen die Patienten aber auch an. Einer sagte mal zu mir „Du hast dich so aufgeregt, da habe ich das Gefühl gehabt, ich bin dir wichtig!“ Können Sie sich auf Ihre Patienten verlassen? Leider kann man sich auf gar nichts verlassen, besonders nicht auf eine regelmäßige Einnahme von Medikamenten. Wir bieten den Patienten eine Wochenschachtel an, in der wir tageweise die Medikamente portionieren und Foto: Margret Paal 26 | Menschen sagen ihnen, wann sie diese holen müssen. Aber auch diese Schachtel liegt oft wochenlang bei uns und wird nicht abgeholt, teilweise bei lebenswichtigen Medikamenten. In der Arztpraxis im Haneberghaus Was war einer der einprägsamsten Momente für Sie? Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Alkoholpatient. Ja, damals wusste ich, dass er sterben wird. Ich hatte ihm so oft gesagt „Geh doch nochmal zur Entgiftung. Ich möchte nicht zu deiner Beerdigung gehen“. Alle Bemühungen haben nichts geholfen. Irgendwann wurde er tot in der Wohnung gefunden. Ganz furchtbar. Kurz darauf kam seine Schwester zu uns, obwohl er gesagt hatte, dass es keinen Kontakt zu seiner Familie gibt. Sie wollte von uns seine Geschichte hören, da sie ihn seit Jahren nicht gesehen hatte. Ich habe ihr von unserem guten Verhältnis erzählt und dass ihm leider nicht zu helfen war. Jetzt kommt diese Frau jede Weihnachten, seit bestimmt zehn Jahren, und bringt uns 50 Euro Spende, damit wir den Leuten auch mal etwas kaufen können. Wir haben hier einfach mehr als ein normales Doktor-PatientenVerhältnis. Somit werden Ihre Patienten nicht nur körperlich versorgt, sondern auch moralisch unterstützt. Wir gehen auf verschiedene Bedürfnisse ein, wenn es uns möglich ist. Ich habe auch schon Patienten zu Hause oder im Gefängnis besucht. Natürlich auch im Krankenhaus, wenn wir wissen, denen geht es nicht gut. Einfach mal schauen, braucht er noch etwas wie Hausschuhe oder eine Jacke für später. Ist der Patient dann Fußballfan von 1860, muss die Jacke natürlich blau sein, bei Bayern-Fans rot. Wir freuen uns, wenn wir neben der medizinischen Versorgung noch etwas Gutes tun können. Was wäre Ihr Wunsch für die Zukunft? Dass die Menschen nicht mehr aus ihrer Heimat wegmüssen. Dass die Situationen vor Ort besser werden. Dass es einfach in den Ländern nicht so schrecklich ist. Und für Ihre Praxis? Ich hoffe, dass wir einen Nachfolger oder Nachfolgerin für mich finden. Meine Kollegin, Sr. Dr. Antonia Hippeli, ist sehr gut, aber sie kann es nicht alleine schaffen. Wir suchen jemanden, der auch sein Herzblut reinhängt. Wenn es etwas gäbe, dass Sie ändern könnten, dann..? Da müssten wir uns – Sr. Ogmunda und mich – 20 Jahre jünger machen, dann könnten wir nochmal 20 Jahre länger arbeiten! Und gibt es einen Leitspruch, der Sie täglich motiviert? Tatsächlich hängt einer an meinem Computer: „Ich weinte, weil ich keine Schuhe hatte, bis ich jemanden sah, der keine Füße hatte.“ [Helen Keller]. Interview: Nadine Cibu Menschen | 27 Kein Platz – alles voll Im Winter, wenn kalter Wind weht und die Temperaturen unter null Grad fallen, haben es Wohnungslose besonders schwer. • Immer mehr Menschen in Deutschland haben keine Bleibe, weil Wohnraum knapper und teurer wird. • Momentan sind bundesweit etwa 280 000 Menschen ohne Wohnung, bald sind es 100 000 mehr. • Auch zunehmend junge Leute sind betroffen. Harald Schnett weiß nicht, wohin mit sich. Wenn andere morgens die Wohnungstür zuschlagen und sich auf den Weg zur Arbeit machen, schlägt Harald Schnett nur eine Autotür zu. Doch nicht mal die gehört ihm. Seit mehreren Wochen lebt der 56-Jährige in einem geparkten Kleinbus, ohne Heizung, ohne Strom. Eine Bekannte hatte ihm das Auto geliehen, als Schnett wegen eines Streits mit anderen Bewohnern sein Zimmer in einem Münchner Obdachlosenheim verlor. „Dabei konnte ich da nichts dafür, schon wieder“, sagt Schnett, und es klingt, als hätte er diesen Satz schon viele Male in seinem Leben gesagt. Ob er immer stimmt, ist eine andere Frage. Eine von vielen. Denn wie lange Schnett keine Wohnung mehr hat, weiß er heute nicht mehr: acht, zehn, oder waren Gäste im Aufenthaltsraum des Haneberghauses es doch elf Jahre? Er verlor damals seinen Hausmeisterjob, kurz danach war auch die Wohnung weg. „Na toll“, sagt Schnett, wenn er darüber spricht. Er versucht den Gram in seinem Gesicht wegzulächeln. Es misslingt. Auf der Straße geschlafen habe er so gut wie nie, immer bekam er am Ende einen Schlafplatz bei Bekannten, in einer Notunterkunft oder später einem Wohnheim. Aber eine Wohnung? Nein, die war nie in Aussicht, antwortet er. Kein Geld, keine Arbeit, keine Wohnung - keine Wohnung, kein Job. Arme als auch reiche Städte trifft es gleichermaßen 4500 akut Wohnungslose zählt München momentan, nach Angaben des örtlichen Amtes für Wohnen und Migration kommen jeden Monat 40 bis 60 Menschen Foto: Margret Paal hinzu. Trotz wirtschaftlicher Stärke schafft die Stadt es nicht, all ihre Bewohner unterzubringen. Denn Wohnungslosigkeit ist schon lange nicht mehr nur ein Problem der wirtschaftsschwachen Städte, wie zum Beispiel Athen. Dort ist aufgrund der jahrelangen Rezession im Land und der hohen Arbeitslosigkeit die Zahl der Wohnungslosen seit 2009 um 25 Prozent gestiegen. Mittlerweile liegt sie Schätzungen zufolge bei mehr als 10 000 Menschen. Die wohlhabenden Städte aber stehen vor den gleichen Herausforderungen, wenn auch aus anderen Gründen: Hier sind es der Reichtum und das Wachstum, die dafür verantwortlich sind, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, eine Wohnung zu haben. Arme als auch reiche Städte trifft es gleichermaßen, in ganz Deutschland nimmt die Zahl der Wohnungslosen zu. Im Jahr 2012 waren den jüngsten Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zufolge etwa 280 000 Menschen wohnungslos, bis 2016 soll die Zahl noch mal um 100 000 ansteigen. Wohnungslosigkeit ist allerdings nicht gleich Obdachlosigkeit. Als obdachlos gilt, wer auf der Straße schläft, also „Platte macht“. Akut wohnungslos ist, wer keine durch einen 28 | Menschen Mietvertrag abgesicherte Wohnung und keine Eigentumswohnung besitzt. Nordrhein-Westfalen führt bisher als einziges Bundesland eine Statistik, offizielle Erhebungen für die gesamte Bundesrepublik gibt es deshalb nicht. In die Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe fließen unterschiedliche Faktoren mit ein, zum Beispiel Mietpreise oder Zwangsräumungen. Die kleinen Wohnungen wollen nicht mehr nur diejenigen mit kleinem Einkommen Die Zahl der Wohnungslosen nimmt zu, weil Wohnraum immer knapper und teurer wird. Nicht nur in den Großstädten, sondern auch in Klein- und Mittelstädten fehlt es an preiswerten, kleinen Wohnungen. „Gerade bei denen gibt es eine besondere Konkurrenzsituation: Die wollen nicht mehr nur diejenigen mit geringem Einkommen – sondern auch die Singles, die gut verdienen“, sagt Werena Rosenke von der Bundesarbeitsgemeinschaft. Vor allem Hartz-IV-Empfängern würden die hohen Mieten wegen der Mietobergrenzen zusetzen – werde die Mieterhöhung vom Job-Center als nicht angemessen eingestuft, müsse sie der Arbeitslose aus eigener Tasche zahlen. Oder sich eine neue, günstigere Wohnung suchen. Harald Schnett, der in Wirklichkeit anders heißt, doch anonym bleiben möchte, hätte gerne wieder eine solche günstige Wohnung, irgendwann. Das Auto ist nur eine Übergangslösung, in ein paar Wochen will die Bekannte es zurück. Momentan beginnt jeder seiner Tage früh und endet früh, wie damals in seiner Jugend, als er während der Lehre mitten in der Nacht in der Backstube stand. Heute verlässt der 56-Jährige gegen vier Uhr den Bus, steigt auf sein Rad und fährt seine gewohnte Route ab, von Container zu Container. Flaschen sammeln, um die Sozialhilfe von monatlich etwa 390 Euro aufzubessern. Eine Etappe endet, wenn der Rucksack voll ist. Schnett selbst sagt, dass er beim Amt für Wohnen und Migration schon lange auf einer Warteliste für eine Sozialwohnung stehe – doch bisher trotz generellen Anspruchs immer vertröstet wurde. Der Boom der Städte Ein Besuch in der Franziskanerstraße an einem anderen Tag, an einem anderen Abend. Die meisten Mitarbeiter sind bereits auf dem Nachhauseweg, die Gänge sind leer, doch Rudolf Stummvoll, Leiter des Münchner Amts für Wohnen und Migration, sitzt noch immer in seinem Büro im vierten Stock. Der 60-Jährige blickt aus dem Fenster, während er spricht. Fast, als wolle er seine leisen, bedächtig klingenden Worte an die Stadt richten und nicht an seinen Besucher: „Dieses Amt ist mehr als 100 Jahre alt. Wenn du Geld hattest, konntest du in dieser Stadt schon immer gut leben, auch heute – aber sonst? Irgendwann wird München an seinem eigenen Erfolg ersticken, wenn es nicht gelingt, das Wohnungsproblem zu lösen.“ Es klingt nicht verbittert, wenn Stummvoll das sagt. Nur ehrlich. Wenn man den Erfolg einer Stadt daran misst, ob sie für Menschen attraktiv ist, dann hat München Erfolg: Der Nettozuzug – die Fortzüge sind von diesen Zahlen schon abgezogen - liegt derzeit bei Im Haneberghaus Foto: Margret Paal Menschen | 29 25 000 bis 30 000 Menschen im Jahr. Sie alle drängen in die Stadt, in die Wohnungen und Häuser. Doch wer zu wenig Geld hat, um die Kaltmiete von im Schnitt mehr als zehn Euro pro Quadratmeter zu zahlen oder sich gar eine eigene Wohnung zu kaufen, hat es schwer: 90 Prozent der Münchner Wohnungen sind in Privatbesitz. 10 Prozent bleiben der Stadt. Zu wenig. Die Stadt als Projektionsfläche in einer individualisierten Gesellschaft Immer und immer wieder zu wenig. Stummvoll blickt aus dem Fenster. Wäre die Wohnungsnot in Städten wie München weniger groß, wenn mehr Leute bereit wären, in den Randgebieten zu wohnen? Nein, sagt Stummvoll und schüttelt den Kopf. Wer bei ihm durch die Tür tritt, muss bereits bis weit in den Speckgürtel hinein nach Wohnungen gesucht haben, muss Absagen und Annoncen vorweisen, sein gesamtes Einkommen offenlegen. Erst dann bringt die Landeshauptstadt einen unter, oder besser gesagt, versucht es: 20 000 Menschen haben sich in diesem Jahr beim Amt um eine Wohnung bemüht, 13 000 von ihnen haben die Anforderungen erfüllt und eine Vormerkung erhalten, 9000 davon waren besonders dringlich. Doch nicht einmal für die Hälfte all dieser dringenden Fälle haben die Wohnungen gereicht: „3500 geförderte Wohnungen haben wir in diesem Jahr vergeben“, sagt Stummvoll. Er weiß, es reicht nicht. Dass die Städte boomen, während auf dem Land immer mehr Häuser leerstehen, liegt nicht nur an den wirtschaftlichen Vorteilen, die die Städte bieten: mehr Unternehmen, mehr Arbeitgeber. Sondern auch am subjektiven Lebensgefühl, das die Großstädte verheißen, sagt der Stadtsoziologe Florian Schmidt. Er ist Mitgründer der Initiative „Stadt neu denken“ in Berlin und seit Kurzem Atelierbeauftrager der Hauptstadt: „Das Individuum findet in den Städten eine Vielfalt von Lebensentwürfen, an denen es sich orientieren kann. Die Städte werden zur Projektionsfläche der individuellen Sinnsuche in unserer Konsumgesellschaft. Deshalb drückt vor allem die Wissens- und kreative Elite in die Innenstädte – und verdrängt andere.“ Auch Berlin, das lange für billige Mieten bekannt war, kämpft wie so viele deutsche Städte mit der Wohnungslosigkeit: Die Nettokaltmieten sind im vergangenen Jahr doppelt so stark gestiegen wie im Bundesdurchschnitt. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sind momentan etwa 12 000 Menschen ohne Wohnung. Nicht alle leben in Heimen, manche auch in Pensionen oder Hostels. Während der kalten Monate richten die Bezirke der Stadt jedes Jahr bis zu 500 Notschlafplätze ein, in diesem Jahr sollen es 600 sein. Noch reicht das, da die Temperaturen relativ milde sind. Doch das kann sich schnell ändern. „Das Wohnungsproblem hat massiv zugenommen. Immer mehr Menschen kommen in unsere Beratungen, all unsere Einrichtungen sind nahezu voll ausgelastet“, sagt Kai GerritVenske, Referent der Berliner Caritas für Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe. In der Hauptstadt bietet die Caritas unter anderem betreutes Einzelwohnen an; Menschen im Anschluss eine Wohnung zu vermitteln, werde allerdings immer schwieriger. „Unsere Mitarbeiter sind mittlerweile mitunter mehr Makler als Sozialarbeiter“, sagt Venske. Eigentlich habe Berlin zwar ein sehr dichtes Netz, von Streetwork bis hin zur stationären Betreuung. Aber das System komme an seine Grenzen. Das zeige das veränderte Stadtbild, sagt Venske: „Unter den S-Bahn-Brücken schliefen früher ein paar Einzelne, heute sind es ganze Gruppen.“ Noch in der Ausbildung, schon wohnungslos In München merken die Sozialarbeiter und Ehrenamtlichen der Teestube „Komm“ ebenfalls, dass sich etwas verändert hat. An diesem Nachmittag ist wie so oft jeder Tisch besetzt, manche der Gäste haben ihren Kopf in den verschränkten Armen verborgen und versuchen ein wenig Ruhe zu finden, andere gehen von Tisch zu Tisch und grüßen mit vertrautem Handschlag. Wer keine Wohnung hat, der kann sich hier in der In der Kleiderkammer Foto: Margret Paal 30 | Menschen Teestube aufwärmen, eine warme Mahlzeit zubereiten, Kleidung waschen. Dass die Listen für Küche und Dusche voll sind, ist kein neues Phänomen. Doch viele, die sich auf diesen Zetteln eintragen, sind neu: „Es kommen mittlerweile immer mehr zu uns, die erst vor Kurzem wohnungslos geworden sind, also nicht nur die typischen Obdachlosen mit Rauschebart, die man sich gemeinhin so vorstellt“, sagt Franz Herzog, der die Einrichtung des Evangelischen Hilfswerkes leitet. Zunehmend junge Leute seien dabei, die noch während der Ausbildung ihre Wohnung verloren haben oder arbeitslos und damit auch wohnungslos geworden sind. Gerade die würden sich oft nicht immer trauen, die eigene Notsituation vor Freunden zuzugeben, sagt Herzog. Vor der Küche wartet wenig später eine junge Frau, die dunklen Haare hat sie zum Zopf nach oben gebunden. Auch hier innen trägt sie trotz Wärme eine dicke Steppjacke, ihre Essensausgabe im Haneberghaus Stofftasche mit Topf und Pfanne drückt sie fest gegen ihren Bauch. Den Blicken der anderen weicht sie aus. Wer sie anspricht, hört: „Ist jetzt ganz schlecht, ist jetzt schlecht, ich bin gerade beschäftigt.“ Ihre Stimme zittert dabei, ihre Tasche umklammert sie noch ein wenig fester. Ausgespuckt von der Großstadt Momentan bleiben Herzog zufolge viele länger in den Obdachlosenheimen als nötig, da keine Wohnungen frei werden. Eine bedenkliche Entwicklung, die sich auch in anderen Städten abzeichnet, sagt Stadtsoziologe Florian Schmidt: „Gerade diejenigen, die zahlungsschwach oder in den schönen Wohnwelten nicht gern gesehen sind, haben es nun besonders schwer. Sie werden von den Großstädten wieder ausgespuckt.“ Doch eine Stadt lebt von einer Mischung, von Vielfalt statt Uniformismus. Wenn sich nur noch eine bestimmte Klientel das Leben in der Stadt leisten kann, führt das zu einer klaren Trennlinie quer durch die Gesellschaft. „Bedenklich“, sagt Schmidt. Diese Trennlinie spürt Harald Schnett schon jetzt. Noch immer wohnt er in seinem geparkten Kleinbus. Er fürchtet die Kälte, die in den kommenden Wochen hereinbrechen könnte. „Ich habe Angst, dass mir die Füße wegfrieren.“ Er hofft, dass er irgendwann wieder ein Türschloss zu seiner eigenen Wohnung aufsperren wird. Mit seinem eigenen Schlüssel. „Das wäre das Größte“, sagt er. Doch noch ist das sehr weit weg. Noch weiß Schnett nicht einmal, was passiert, wenn er den Bus verlassen muss. Er weiß noch immer nicht, wohin mit sich. Pia Ratzesberger Mit freundlicher Genehmigung der Süddeutsche Zeitung, dort erschienen Weihnachten, 24./25./26. Dezember 2014, Nr. 296, S. 22 Foto: Margret Paal Menschen | 31 Die Nonne von der Alimaus Mitten in Hamburg-Altona sichern Freiwillige das Überleben von Obdachlosen. Die Einrichtung ist auch Rettungsanker für Gestrandete aus Osteuropa. Hamburg, 11 Uhr. Zum späten Frühstück kommen an diesem Montag die unterschiedlichsten Gäste: Torsten Wöhler, der im Park nebenan schläft, sich bereits einen Liter Weißwein reingeschüttet hat. Raducanu Viorel, der mit seiner hochschwangeren Frau und seiner zweieinhalbjährigen Tochter in einem schrottreifen Campingbus haust, ohne Strom und ohne Wasser. Ana Maria Yoldaş, die ihren sechs Wochen alten Säugling in einer Tragetasche mitschleppt und andere Mütter um Windeln anfleht. Oase im Großstadtdschungel Willkommen im Speisesaal der Alimaus, dem Treffpunkt für alle, denen es in Hamburg dreckig geht. Das rote Holzhaus mit den blauen Fensterläden und den Blumenstauden drum herum steht mitten in Altona, eine Oase im Großstadtdschungel, neben der S-Bahn-Station am Nobistor. Die Reeperbahn mit ihren Theatern, Bordellen und Neppläden liegt nur 200 Meter entfernt, und zum Hafen, wo die Kreuzfahrtschiffe festmachen, ist es auch nicht weit. Das Haus mit der putzigen Bezeichnung, benannt nach dem Kosenamen einer früh verstorbenen Tochter der Gründerin, ist für seine Besucher oft der einzige Fixpunkt in ihrem Dasein. Und für viele geht es schlicht ums Überleben. Rund 500 Menschen werden hier jeden Tag kostenlos verköstigt und Die Alimaus Foto: Julia Janssen teilweise auch eingekleidet, mehr als in jeder anderen Einrichtung der Hansestadt. Rund 150 Freiwillige, darunter viele sozial engagierte Jugendliche, Rentner, Hausfrauen, kaufen ein, kochen, servieren, putzen. Der Hilfsverein St. Ansgar, der keinerlei öffentliche Gelder erhält, finanziert sich ausschließlich aus Spenden. „Der dachte, ich wäre tot.“ Roy, der Jazzer, kommt dreimal pro Woche. Mehr als 35 Jahre lang spielte er in Kapellen die Trompete, lebte drei Jahre im Mekka des Jazz, in New Orleans, musizierte als einziger Weißer in schwarzen Bands. Heute ist er übergewichtig und krank, die Schachtel mit den Herztabletten ragt aus seiner Hemdtasche. Seine Rente, meist war er nicht versichert, liegt unter hundert Euro, dazu bekommt er Stütze. Als er kürzlich für mehrere Wochen in die Klinik musste und keiner wusste, wo er war, ließ der Verwalter seines Eineinhalb-Zimmer-Apartments kurzerhand die Tür aufbrechen und die Einrichtung auf den Müll karren. „Der dachte, ich wäre tot“, berichtet Roy. Weil alle Zeugnisse seiner Lebensgeschichte vernichtet sind, die Jazzbücher, die Fotos, die alten Instrumente, erzählt er beim Essen ständig Anekdoten aus seiner Vergangenheit. Auch Torsten Wöhler hat seine Wohnung verloren. Seit sie abgebrannt ist – sein Mitbewohner schlief mit der Zigarette ein – , pennt der 52-Jährige, der mindestens zehn Jahre älter aussieht, auf Parkbänken und in Hauseingängen. Morgens, wenn er seinen Rausch ausgeschlafen hat, setzt er seine St.Pauli-Kappe auf und schleppt sich zu Aldi, um den ersten Literkarton Weißwein zu kaufen. „Den hau ich mir vor dem Frühstück rein“, sagt der Hartz-IV-Empfänger, „wenn ich gut drauf bin, schaff ich vier Kartons am Tag.“ Im Rausch vergisst er nach und nach seine Kindheit in mehreren Heimen, seine Knastaufenthalte, seine drei gescheiterten Ehen und den Umstand, dass er schon zwei Herzinfarkte hatte und seit ein paar Monaten mit einem Bypass herumläuft. Ohne die regelmäßigen Mahlzeiten im Holzhaus, glaubt er, „wäre ich schon tot“. Seit 1993 gibt es die Alimaus. 32 | Menschen Bis 1999 diente ein ausrangierter Zirkuswagen als Zufluchtsort, es gab Kaffee, Kuchen und Hilfestellung beim Überleben auf der Straße. Besucher wie Roy und Torsten Wöhler waren damals in der Überzahl: Trinker, Junkies, Obdachlose aus ganz Deutschland, dazu Punks und Strichjungen. Inzwischen bevölkern den Speisesaal mehrheitlich Hilfesuchende aus anderen Regionen, darunter vereinzelte Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und aus Afrika. Vor allem aber Arbeitsuchende und mittellose Familien aus Osteuropa. Arbeit, egal welcher Art Montag, 14 Uhr. Vor der Alimaus fahren ein Dutzend Autos mit bulgarischen Kennzeichen vor. Aus alten Lieferwagen und gebrauchten Pkw klettern rund 30 abgekämpft wirkende Männer in verschwitzten Unterhemden und T-Shirts, packen Plastiktüten, Müllsäcke und alte Koffer mit ihren Habseligkeiten aus, auch ein paar Matratzen. Mehr als 20 Stunden waren die Männer unterwegs, in Hamburg suchen sie Arbeit, egal welcher Art. Arbeit, die sie in ihrer Heimat nicht finden. Die Männer wissen, dass es hier kostenlos zu essen und zu trinken gibt. Und sie wissen auch, dass hier montags diverse Kleinunternehmer aufkreuzen, meist Türken, aber auch einige Deutsche, die billige Arbeitskräfte für Baustellen suchen. Schwarz, versteht sich. Mehr als drei Euro pro Stunde sind nicht drin, auf diesem Markt gibt es keinen Mindestlohn. Nach vier Wochen wollen die Bulgaren zurück, dann werden sie von der nächsten Karawane aus ihrem Dorf abgelöst. Wer nicht viel Geld mitbringen kann, traut sich kaum heim. Andere haben nicht mal Geld für den nächsten Tag. „Ich besitze noch 1,50 Euro“, sagt Raducanu Viorel aus Rumänien, „wir können keine Milch für die Kleine kaufen.“ Der 47-jährige Mann, klein, kurz geschnittene Haare, düstere Miene, deutet auf Ariane, seine zweieinhalbjährige Tochter mit dem dunklem Lockenkopf, die umherspringt, dabei ständig auf den Fahrradweg läuft, heute schon fast überfahren wurde. Die hochschwangere Mutter, eine zierliche Frau mit verhärmten Zügen und einem riesigen Bauch, kann sich nicht mehr schnell genug bewegen, das Kind nicht ständig festhalten. Aber die Tochter den ganzen Tag einsperren, das will sie auch nicht. Leben im alten Campingbus Als Unterkunft dient der Familie seit Wochen ein ausrangierter, vergammelter Campingbus, der auf einem Parkplatz vor der Alimaus steht und nicht mehr fahrtüchtig ist. Die Nummernschilder sind Schwester Clemensa Foto: Julia Janssen abmontiert, in den Reifen ist kaum noch Luft, auf der Karosserie liegt eine Staubschicht. Sobald die Sonne scheint, wird es im Innern unerträglich stickig. Der bulgarische Vorbesitzer habe ihm die Karre verkauft, erzählt Raducanu Viorel, für 200 Euro, Raducanus letztes Geld. Trotzdem sei er froh, dass seine schwangere Frau und seine Tochter ein Dach über dem Kopf hätten. Aber für wie lange? Polizisten, die den abgemeldeten Wagen kontrollierten, drohten schon mehrfach mit dem Abschleppdienst, klebten gelbe Warnzettel an die Windschutzscheibe. Das Ehepaar lebt deshalb in ständiger Angst. „Nehmt doch das Kind gleich mit“, empörte sich der Familienvater bei der letzten Kontrolle. Er kann nicht verstehen, dass Verkehrsgesetze wichtiger sein sollen als das Schicksal seiner Angehörigen. In Ploieşti, einer Industriestadt nördlich von Bukarest, malochte er jahrelang in einer Raffinerie, bevor er entlassen wurde. Landsleute hätten ihm von tollen Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland vorgeschwärmt. Doch ohne Deutschkenntnisse – Viorel kann nur wenige Brocken – und ohne Beziehungen gibt es kaum Chancen. Manchmal putzt der Rumäne an einer Ampelkreuzung die Frontscheiben von Autos, das wirft, wenn es gut läuft, ein paar Euro ab. Den Aufenthalt in Deutschland hatte er sich ganz anders vorgestellt. Und staatliche Unterstützung? „Ich weiß nicht, wo ich die beantragen soll“, sagt Viorel. Obwohl die Familie auf die Lebensmittel in der Alimaus angewiesen ist, kommt es zu Konflikten, Viorel legt sich öfter mit den Helfern an. Verbittert über Menschen | 33 seine Situation, fühlt er sich schnell übervorteilt und zurückgesetzt, diskutiert mit Händen und Füßen. Warum gibt es kein Obst für seine Tochter? Wieso bekommt seine Frau keine Schwangerschaftsklamotten? 77 Jahre alt, aber unerschütterlich Schwester Clemensa, die mit bürgerlichem Namen Agnes Möller heißt, tritt dazwischen. Sie holt ein paar Äpfel für die Kleine, beruhigt den Vater, sorgt dafür, dass die werdende Mutter nochmals in der Kleiderkammer stöbern kann. Die Schwester, die das Haus mithilfe von drei weiteren Nonnen leitet, strahlt Autorität aus. 77 Jahre ist sie alt, klein, schmächtig, aber unerschütterlich. Seit sie vor mehr als 50 Jahren in den Franziskanerorden eintrat, ist sie ständig mit Elend konfrontiert: In Heimen betreute sie misshandelte und verlassene Kinder, in Wärmestuben kümmerte sie sich um verwahrloste Alkoholiker, in Obdachlosenunterkünften versorgte sie gescheiterte Berber. Seit fünf Jahren bemüht sich Schwester Schwester Clemensa Foto: Julia Janssen Clemensa täglich um die Mittellosen und Ausgehungerten im reichen Hamburg. „Ich gehe dorthin, wohin man mich schickt“, sagt sie. Die Nonne, die mitten auf dem Kiez wohnt, hat es sich längst abgewöhnt, über andere zu urteilen. Jemand trinkt, jemand spritzt Heroin, jemand klaut – na und? „Die Realität ist, wie sie ist“, sagt sie. „Ich kann sie nicht ändern. Aber ich kann das Schicksal der Leute erleichtern.“ Wenn sie spätabends über die Reeperbahn zu ihrer Wohnung radelt, trifft sie manchmal auf alte Bekannte: Türsteher von Rotlichtschuppen, die mittags noch in der Alimaus gegessen haben, laden sie zu einem Drink ein. „Ich freue mich, aber bisher habe ich immer abgelehnt“, sagt sie. Im Umgang mit aggressiven oder alkoholisierten Besuchern behält die Nonne ebenso Ruhe und Übersicht wie bei Massenandrang. Das war im Frühjahr besonders nötig, die Schlangen vor dem Speisesaal wurden täglich länger. Grund: die Ankunft obdachloser Familien mit Kindern aus Osteuropa, die auf den Parkwiesen gegenüber Zelte aufschlugen und, weil sie ausgehungert waren, keine Mahlzeit versäumten. „Erst haben die Männer gegessen, dann die Frauen“, beobachtete Schwester Clemensa, „es gab ständig Unruhe.“ Die Neuankömmlinge zofften sich mit anderen Gästen und dem Personal, meist ging es nur um kleine Vorteile, um die Größe von Portionen, um die besten Plätze. „Es sind Menschen, die ständig ums Überleben kämpfen müssen“, zeigt die Schwester Verständnis, „die fühlen sich ganz schnell mies behandelt oder verachtet.“ Nachts versuchten jüngere weibliche Familienmitglieder, auf dem Straßenstrich Geld zu verdienen, am Tag wurden die Kinder zum Betteln geschickt. Als Bewohner der angrenzenden Hochhäuser gegen Lärm, Dreck und Gestank protestierten, als die Stimmung kippte, Anrainer und Camper aufeinander losgingen, ließ das Bezirksamt HamburgAltona den Zeltplatz mithilfe der Polizei räumen; die Reisenden gingen schließlich freiwillig. Doch inzwischen lagern im Park wieder Familien mit kleinen Kindern. „Alles wird gut.“ Montag, 15.30 Uhr. Schwester Clemensa betet wie vor jeder Mittagsmahlzeit ein Vaterunser, im Saal wird es ganz still. Alle stehen auf: die Muslime, die Christen, auch die Verbitterten, die längst aufgehört haben, an irgendeinen Gott zu glauben. „Eine Minute Einkehr tut allen gut“, findet die Schwester. Ihren eigenen Glauben habe die tägliche Konfrontation mit der Not nicht erschüttert, versichert sie, Gott sei für sie immer gegenwärtig. Allerdings: „An manchen Tagen spürt man seine Gegenwart weniger als an anderen.“ Auf den Holztischen, dekoriert mit Blumen, stehen Teller mit belegten Broten, zum Mitnehmen. Als Hauptgericht gibt es wahlweise Spinatauflauf mit Fleisch oder alternativ, für Vegetarier, Nudeln mit Tomatensoße, zum Nachtisch Obstsalat. An der Wand hängt eingerahmt ein optimistischer Spruch: „Alles wird gut.“ Kommen kann jeder, der sich an die wenigen Regeln hält: kein 34 | Menschen Alkoholkonsum, keine Zigaretten, keine Tiere. Niemand muss seine Bedürftigkeit nachweisen wie in anderen Einrichtungen. Eine Gruppe Afrikaner hat sich einen eigenen Tisch gesichert, auch mehrere Rumänen wollen unter sich bleiben, scheuchen einen älteren Mann im Bademantel und an Krücken mit barschen Gesten weg, auch seine Begleiterin, eine ängstlich wirkende Frau mit Kopftuch, wird fortgeschickt. Ein deutscher Obdachloser, der heftig zittert, packt sich mit steifen Fingern fünf belegte Brote in den Rucksack, guckt sich dabei mehrfach um, eigentlich ist nur eines erlaubt. Als Ana Maria Yoldaş zum Essen kommt, zum zweiten Mal an diesem Tag, drückt das Personal ein Auge zu, auch zum zweiten Mal. Eigentlich sollen Kinder nicht in den Speisesaal, wegen der vielen rauen Gesellen, der manchmal rüden Atmosphäre. Doch die Frau mit den rötlich gefärbten Haaren und dem traurigen Gesicht hat ihren sechs Wochen alten Säugling dabei, wer will da auf Vorschriften pochen? Das Kind schläft. Die Rumänin ist gerade mal 23, hat aber neben dem Baby noch einen vierjährigen Sohn und eine zweijährige Tochter. Keiner der drei Väter kümmert sich, Ana Maria muss sich allein durchschlagen, irgendwie. „Kinder sind wichtig, Männer nicht“, sagt sie. Und versucht, sich das Notwendigste zum Überleben zu besorgen: „Kein Geld, keine Arbeit, drei Kinder, bitte.“ Seit 20 Monaten lebt sie in Deutschland, ohne Einkommen, ohne festen Wohnsitz, ohne Krankenversicherung. Das Baby ist in Hamburg zur Welt gekommen, nach einer Risikoschwangerschaft per Kaiserschnitt. Zur Geburt reiste noch Ana Marias Mutter aus Rumänien an. Die Stadt hat die Familie befristet in einem Billighotel am Stadtrand untergebracht, fünf Personen auf ein paar Quadratmetern. Zwischen dem Mobiliar, bestehend aus einem großen Bett und einer Babywippe, stapeln sich Kleider, Koffer, Plastiktüten, Essensvorräte. Wenn Ana Maria mit dem Baby in die Stadt fährt, bleibt die Mutter, die kein Wort Deutsch spricht, mit ihren beiden Enkeln allein im Hotel, schaltet den Fernseher ein. Versuche der Familie, in Hamburg dauerhaft Unterstützung zu beziehen, sind gescheitert: Ana Maria Yoldaş kann nicht nachweisen, dass sie nach Deutschland eingereist ist, um zu arbeiten. Eine Einwanderung direkt in die deutschen Sozialsysteme soll es jedoch nicht geben – es ist schon strittig, ob jemand, der ausschließlich zur Arbeitssuche kommt, hier Hartz IV beziehen soll. Im Herbst will der Europäische Gerichtshof darüber entscheiden. Abseits aller juristischen Feinheiten steht fest: Ana Maria und ihre Familie brauchen Kleidung, Geld für Lebensmittel, Wohnraum, Fürsorge für die Kinder. Ihr Schicksal wirft unbequeme Fragen auf: etwa die, ob die deutsche Gesellschaft bereit ist, Menschen zu helfen, die dafür erst mal keinen Gegenwert bieten können. Im Fall von Ana Maria Yoldaş und ihren Kindern muss diese Frage womöglich nicht mehr beantwortet werden. Ihre Bekannten haben seit Tagen nichts mehr von ihr gehört. Ob die Familie zurück nach Rumänien gereist oder in einer anderen deutschen Großstadt untergetaucht ist, weiß niemand. Im Speisesaal der Alimaus wurde die junge Frau nicht mehr gesehen. Die Alimaus liegt in Hamburg-St. Pauli in unmittelbarer Nähe der Reeperbahn und ist das zentrale Projekt des Hilfsvereins St. Ansgar e.V. Der Verein wurde 1993 von der Gemeindereferentin Gabriele Scheel und Pastor Alfons Rohtert gegründet und finanziert sich ausschließlich durch Spenden. Schon früh wurden in die Arbeit des Projkets Ordensgemeinschaften eingebunden, um die Kontinuität zu sichern. Leiterin der Alimaus ist die Thuiner Franziskanerin Schwester Clemensa Möller, die von weiteren Schwestern und 200 Ehrenamtlichen unterstützt wird. Die Alimaus bietet nicht nur Aufenthaltsraum und Essensausgabe für mittellose Menschen, es gibt auch Kleider- kammer, medizinischen Dienst und Sozialberatung. Es existieren also viele Parallelen zwischen dem Haneberghaus und der Alimaus, deswegen wollten wir diesen eindrucksvollen Artikel gerne abdrucken. Unbequeme Fragen Bruno Schrep Mit freundlicher Genehmigung des Spiegel, dort erschienen am 18. 8. 2014, Nr. 34/2014, S. 42 Nähere Informationen erhalten Sie unter www.alimaus.de Aktionen | 35 Chiemgauer Fastensuppe für das Haneberghaus In Wildenwart bei Prien fand das traditionelle Fastensuppen-Essen am Palmsonntag 2014 zugunsten unserer Obdachlosenhilfe statt. Wildenwart ist ein kleines Dorf in den Chiemgauer Voralpen und gehört zur Gemeinde Frasdorf. Hier steht etwas außerhalb des Dorfes die weithin sichtbare Pfarrkirche Christkönig mit ihrem achteckigen Grundriss und dem charakteristischen Zwiebelturm, die zusammen mit Pfarrheim, Pfarr- und Friedhof ein schönes Ensemble bildet. Vor allem aber gibt es in Wildenwart, einem Teil des Pfarrverbundes Prien, ein aktives und buntes Gemeindeleben, auf das Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung stolz sind. Vielfältige Gruppen von Gläubigen aller Altersgruppen engagieren sich und tragen dazu bei, die Feste im Kirchenjahr gebührend zu feiern. Ein wichtiger Tag in Wildenwart ist der Palmsonntag, mit dem die „Heilige Woche“ begonnen wird. Umrahmt von der Blaskapelle Wildenwart segnet der Pfarrer in der Schule die Palmbuschen und Zweige, die an den Einzug Jesu in Jerusalem erinnern. Nach Verlesung des Evangeliums formiert sich die Palmprozession zur Pfarrkirche Christkönig, wo die heilige Messe gefeiert wird. Danach lädt der Wildenwarter Pfarrgemeinderat traditionell zum Essen der Fastensuppe ins Pfarrheim ein. Die meisten Gottesdienstbesucher lassen sich an voll besetzten Tischen eine der vielen selbstgemachten Suppen schmecken und kein Gast muss hungrig nach Hause gehen. Am Palmsonntag 2014 ging der Erlös für die Fastensuppen in Höhe von 540 Euro an die Obdachlosenhilfe von St. Bonifaz. Mit weiteren 460 Euro aus dem Verkauf von selbstgebastelten Osterkerzen kam so eine Spende von insgesamt 1.000 Euro zusammen, die bei einem persönlichen Besuch in München überbracht wurde. Drei Mitglieder vom Pfarrgemeinderat Wildenwart (Sieglinde Fuihl, Rosemarie Anner und Rosi Hötzelsperger) waren gemeinsam mit Franz Riesinger als Vertreter der Kirchenverwaltung nach St. Bonifaz gekommen. Frater Emmanuel bedankte sich von Herzen für die Spende, zeigte den Chiemgauer Gästen das Haneberghaus und berichtete von der wichtigen Arbeit, die auch dank ihrer finanziellen Unterstützung Tag für Tag für die Obdachlosen von St. Bonifaz geleistet wird. Es wäre schön, wenn noch mehr Pfarrgemeinden und andere Gruppen das Haneberghaus mit Aktionen wie dem FastensuppenEssen unterstützen könnten. Vera Schäfer Fastensuppen-Essen am Palmsonntag in Wildenwart Rosi Hötzelsperger, Sieglinde Fuihl, Fr. Emmanuel, Rosemarie Anne, Franz Riesinger (v.l.n.r.) 36 | Aktionen Marmelade direkt aus dem Garten Herr Dr. Müller, ein pensionierter Kinderarzt aus München, spendet uns seit Jahren die köstlichsten Marmeladen aus seinem Garten im Bayerwald. „Jo-Qui-Mar-Gel“ – Was ist denn das? So etwas könnte auf einem der zahlreichen Marmeladengläser stehen, die Herr Dr. Müller im Laufe der Jahre schon ins Haneberghaus gebracht hat. Hinter der scheinbaren Geheimformel verbirgt sich die Abkürzung für eine Marmeladen-Gelee-Mischung aus Johannisbeeren und Quitten. In dem großen Garten im Bayerischen Wald, in dem der Quittenbaum und die vielen Johannisbeersträucher stehen, reifen auch noch andere Früchte, darunter Stachelbeeren, Himbeeren, Brombeeren und Jostabeeren. Bis vor Kurzem stand da auch noch ein Zwetschenbaum neben der Mirabelle. Die Johannisbeersträucher tragen klingende Namen wie „Heinemanns Rote Spätlese“, „Rolonda“, „Traubenwunder“ und mehr. 1978 hat Herr Dr. Müller angefangen, seinen Garten anzulegen. Zwei Jahrzehnte lang hat Herr Dr. Müller und seine Enkelin Cordula er ihn nur an den Wochenenden und im Urlaub versorgen können und hat doch über die Jahre ein Gartenparadies geschaffen, in dem es vom Frühjahr an immer blüht. Im Juni sind es allein neun verschiedene Arten von Pfingstrosen, rote, gelbe und weiße, frühe und späte, gefüllte und gesprenkelte. Er hat die Mühen gerne auf sich genommen, der Garten war ihm willkommener Ausgleich zu seiner Arbeit als Kinderarzt. Vierzig Jahre lang kümmerte er sich in seiner Praxis in der Münchner Maxvorstadt zusammen mit seiner Frau um kranke Kinder und war auch für die Katholische Jugendfürsorge und deren Heime tätig. Seit er 1998 seine Praxis aufgegeben hat, lebt Herr Dr. Müller im Bayerischen Wald. Die tägliche Gartenarbeit hält ihn jung. Lange ist er dem Rasen ausschließlich mit seinem zuverlässigen Spindelmäher zu Leibe gerückt; erst seit letztem Jahr greift er auch zu einem Akkumähgerät. In seinem Bayerwald-Paradies gibt es zwar keine Schlangen, aber dafür sind Wühlmäuse und Werren am Werk, die Blasenläuse an den Johannisbeersträuchern und die Schnecken im Gemüsebeet. Der Quittenbaum, der schief wuchs, wird gestützt, dass er sich wieder aufrichten kann. Die schöne Forsythie daneben, die dem Obstbaum zu viel Wasser wegnimmt, muss weichen – strahlend gelbe Frühjahrspracht hin oder her. Herr Dr. Müller setzt sich ein für seine Früchte und Früchtchen! Bis wir sie als süße Marmelade genießen können, ist es ein gehöriges Stück Mühe. Aber Herr Dr. Müller nimmt sie gerne und aus Überzeugung auf sich – mir geht es so gut hier, da möchte ich, dass andere auch etwas davon haben! Angela Demattio Aktionen | 37 Andechser am Dom für das Haneberghaus Festgottesdienst in St. Bonifaz – über 12.000 Euro für die Obdachlosenarbeit der Abtei: Der Andechser am Dom wird 20 und Sepp Krätz wird 60. Sein 20-jähriges Jubiläum feierte der Andechser am Dom Mitte Oktober 2014 mit einem Festgottesdienst in St. Bonifaz, den Pater Valentin Ziegler zusammen mit vielen Gästen und Freunden der Andechser Gastlichkeit in München feierte. Zugleich wurde auch der 60. Geburtstag von Sepp Krätz begangen und so schloss sich ein gemütliches Beisammensein im Andechser am Dom an. Anstelle von Geschenken zeigten sich die Geburtstagsgäste und die Familie Krätz großzügig. Über 12.000 Euro kamen insgesamt für die Obdachlosenhilfe im Haneberghaus der Abtei Sankt Bonifaz zusammen. Fr. Emmanuel Rotter, Leiter der Obdachlosenhilfe, zeigte sich beeindruckt: „Das ist ein deutlich sichtbares Zeichen der Verbundenheit der Gäste des Andechsers am Dom mit unseren Gästen in der Obdachlosenhilfe. Dieses Zeichen hilft uns helfen, das Leben für Menschen ohne Obdach in München Tag für Tag ein klein wenig menschenwürdiger und erträglicher zu machen.“ Bei seiner Predigt in Sankt Bonifaz spannte Pater Valentin mit Blick auf das Evangelium „Vom Herrschen und Dienen“ (Lk 22) den Bogen zwischen Jesus, der den Jüngern und der Tischgemeinschaft dient, und der Geschichte des Andechsers am Dom: „Christus selbst ist unter uns wie einer, der bedient. Und er gibt uns damit ein untrügliches Zeichen mit auf den Weg, dass auch wir immer wieder zum Dienst an den Tisch gerufen sind, dass wir als Christen auch niemals die vergessen dürfen, die am Rande stehen, die ausgegrenzt worden sind oder sich selbst ausgegrenzt haben. (…)“ Nach dem Gottesdienst in Sankt Bonifaz wurde im Andechser am Dom auf die beiden Jahrzehnte Andechser Gastlichkeit im Einladung zum Geburtstagsfest zugunsten des Haneberghauses Herzen der Isarmetropole ebenso angestoßen wie auf den 60. Geburtstag von Sepp Krätz. Pater Valentin, Frater Emmanuel und viele Freunde des Andechsers am Dom konnten sich an diesem Tag von der herzlichen Gastfreundschaft von Stefanie Krätz und ihrem Team überzeugen. Gerade im Rückblick auf die erfolgreichen 20 Jahre, in denen der Andechser am Dom zu einem der wichtigsten Gastronomiestandorte des Klosters gewachsen ist, sieht die Klosterbrauerei die Entwicklung des Andechsers positiv. Der Neustart unter der Leitung von Stefanie Krätz als alleiniger Geschäftsführerin des Andechsers am Dom hat sich gelohnt: „Wir waren vor einem Vierteljahr überzeugt und sind es heute nach wie vor: In dieser Konstellation sind optimale Voraussetzungen geschaffen, so dass unsere Gäste auch in Zukunft die typische Andechser Gastlichkeit in München genießen können“, so Christian Rieger, kaufmännischer Leiter der klösterlichen Wirtschaftsbetriebe. Stefanie Krätz, Geschäftsführerin des Andechser am Dom: „Mein Vater hat in 20 Jahren der Andechser Gastlichkeit in München ein unverwechselbares Gesicht gegeben. Das ist eine schöne Verpflichtung für unser ganzes Team. Ich bin mir sicher, dass die Erfolgsgeschichte des Andechser am Dom gemeinsam mit dem Kloster Andechs und seiner Brauerei weitergehen wird.“ 38 | Aktionen Vielfältige Aktionen zugunsten unserer Arbeit Engagierte Firmlinge, die großzügige Weitergabe eines unverhofften Gewinns oder fleißige Handarbeiterinnen – es gibt vielfältige Formen, uns zu helfen Die Firmlinge der Pfarreiengemeinschaft Anhausen und Willishausen-Deubach (Dekanat Augsburg-Land) haben an Ostern nach dem Gottesdienst selbstgefärbte Brotzeiteier verkauft und dafür 245,50 Euro erlöst, die sie der Obdachlosenhilfe St. Bonifaz gespendet haben. Dafür danken wir Franziska, Josephine, Nele, Regina und Veronika von Herzen! Großes Gewinnspiel bei Galeria Kaufhof „Wünsche werden wahr!“ Herzenswunsch von Rudolf Schmelzer: ein regenundurchlässiger Anorak, Hauptgewinnerin Monika Peiker bat um Unterstützung unserer Obdachlosenhilfe mit 5.000 Euro. Rudolf Schmelzer, Undine Weidener, Geschäftsführerin der Galeria Kaufhof Stachus, Monika Peiker und Abt Johannes (v.l.n.r.) 1.000 Dank, Frau Peiker! Die StudentInnen vom „Diakonischen Kaffeekränzchen“ am Ausbildungszentrum für PastoralreferentInnen der Erzdiözese M und FS haben gemeinsam mit einer Gruppe aus Simbach am Inn fleißig für unsere Gäste gehandarbeitet. So konnten Katharina Eiblmeier und Christina Binder an Weihnachten 2014 zahlreiche warme Socken sowie farbenfrohe Mützen bringen. Von Herzen Dank, gerne wieder! Aktionen | 39 Ein Herz für Obdachlose Das Gasthaus Boschner in Maitenbeth vermittelt ein Gefühl von Weihnachten – ein Festessen, ein Päckchen und ein paar vergnügte Stunden Frater Emmanuel Rotter von der Obdachlosenhilfe St. Bonifaz im Haneberghaus in München hatte als Initiator angefragt und Andi Dichtler, Wirt vom Gasthaus Boschner in Maitenbeth (Landkreis Mühldorf), hatte spontan zugesagt, Obdachlose aus München am Heiligabend kostenlos zu verköstigen. Das ortsansässige Busunternehmen V.I.M übernahm den Transport von München nach Maitenbeth und zurück. Die katholische Frauengemeinschaft, das Seniorenteam, die Nachbarschaftshilfe und die Abteilung Fitness des FC Maitenbeth organisierten für alle Weihnachtspäckchen. Gegen Mittag trafen die 53 Obdachlosen aus München dann ein und wurden mit Leberspätzlesuppe, Schweinsbraten und Getränken bewirtet. Charlie Willnhammer sorgte mit seiner Ziehharmonika für musikalische Umrahmung, die Showtanzgruppe „Sweet Devils“ vom Schützenverein Alpenblick Weihnachtsfeier für Obdachlose von St. Bonifaz im Gasthof Boschner, Maitenbeth präsentierte als Überraschung ihr Faschingsprogramm. Es war schon beindruckend, die Dankbarkeit, Herzlichkeit und Freude erleben zu dürfen, welche diese oft als Außenseiter unserer Gesellschaft abgestempelten Menschen ausstrahlten und rüberbrachten. Es war jedem einzelnen förmlich anzusehen, wie sehr er diesen Hauch von Weihnachten genoss, ehe alle wieder den Weg zurück in ihre gewohnte Umgebung antreten mussten. Gegen 14:30 Uhr bekam dann jeder noch eines der vorbereiteten Weihnachtspäckchen ausgehändigt, das alle sichtlich gerührt entgegennahmen und dann ging es wieder zurück nach München. Was blieb, war bei allen Beteiligten jede Menge Stoff zum Nachdenken und Diskutieren und eine völlig andere Sicht auf Menschen, welche, aus welchen Gründen auch immer, in diese Situation hineingeraten sind. 40 | Aktionen/Presseecho Für 170 Gäste warme Nächte Das Haneberghaus war schon zum dritten Mal lokaler Partner in München für die „Kältehilfe-Aktion“ der Firma Globetrotter Ausrüstung Schon zum dritten Mal wurde bei Globetrotter München im Dezember Wärmendes für unsere Obdachlosenhilfe gesammelt: 170 Schlafsäcke, dazu Isomatten, Schuhe und sechs Säcke voller warmer Kleidung. Wir danken von Herzen für diese Unterstützung! Presseecho | 41 Viel Unterstützung auch im Haneberghaus für die deutschen Jungs bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien 42 | Presseecho Alle Jahre wieder: Geschenke für unsere Gäste von den Kindern des Katholischen Kindergartens St. Barbara in Pliening – Von Herzen Dank! BILD München, 20. März 2014, S. 13 Statistik | 43 Die Arztpraxis arbeitet am Limit Wieder 5.000 Behandlungen an über 1.700 Patienten – 76% sind Männer, die meisten zwischen 40 und 60 Jahre alt , Anzahl der Patienten: Anzahl der Behandlungen: 1.737 4.999 Entwicklung Die Gesamtzahl der Patienten und Behandlungen ist etwa gleich hoch wie im Vorjahr und zeigt, dass wir an unserer Kapazitätsgrenze angelangt sind. Immer wieder müssen wir deshalb Patienten an andere Stellen der medizinischen Versorgung weiterverweisen. Mehr als drei Viertel unserer Patientien sind Männer. Die Patienten kommen aus allen Altersgruppen, der Schwerpunkt liegt aber zwischen 40 und 60 Jahren. Geschlecht Männer Männer 76% 76% Frauen Frauen Frauen 24% 24% 24% Männer 76% Anzahl Patienten Altersverteilung 550 489 499 450 350 271 250 229 150 129 98 50 3 19 0-10 11-20 -50 Das Team der Arztpraxis (v.l.n.r.): Maria Fichtinger Irmgard Hüttinger Sr. Dr. Antonia Hippeli Dr. Irene Frey-Mann Bernadette Riederer Waltraud Stettner Sr. Ogmunda Gabler Prof. Dr. Roswitha Thurmayr (verdeckt) Fr. Stettner sen. Prof. Dr. Hans Lauer 21-30 31-40 41-50 51-60 61-70 >70 44 | Statistik 45% unserer Patienten leben auf der Straße, 40% von ihnen sind ohne jede Versicherung – 55% kommen aus dem Ausland Unterkunftsstatus 45% 55% Haben Schlafgelegenheit Leben auf der Straße Versicherungsstatus 40% 60% Mit Krankenversicherung oder durch Sozialamt Nicht versichert Staatsangehörigkeit 55% 55% Foto: Margret Paal 45% 45% Deutschland Deutschland Ausland Andere Länder Statistik | 45 Immer mehr ohne Obdach, unversichert und aus anderen Ländern – die Struktur unserer Patienten hat sich grundlegend verändert Entwicklung Unterkunft 100% 80% 30% 25% 70% 75% 2006 2007 17% 22% 25% 29% 27% 71% 73% 2011 2012 41% 45% 59% 55% 2013 2014 60% 40% 83% 78% 75% 20% 0% 2008 2009 Bett 2010 Straße Entwicklung Versicherungsstatus 100% 12% 13% 17% 80% 22% 24% 24% 28% 78% 76% 76% 72% 2009 2010 2011 2012 39% 40% 61% 60% 2013 2014 60% 40% 88% 87% 83% 20% 0% 2006 2007 2008 Versichert Nicht versichert Entwicklung Staatsangehörigkeit 100% 80% 25% 27% 27% 31% 33% 33% 40% 50% 55% 50% 45% 2013 2013 2014 2014 60% 40% 75% 73% 73% 20% 20% 0% 0% 2006 2006 2007 2007 2008 2008 69% 67% 67% 60% 2009 2009 2010 2010 2011 2011 2012 2012 Deutschland Ausland Deutschland Andere Länder Entwicklung Ein Blick auf die Veränderung im Zeitverlauf zeigt, dass die Struktur unserer Gäste sich grundlegend verändert hat: Heute leben 2,5-mal so viele unserer Patienten auf der Straße wie in 2008, verglichen mit 2006 sind mehr als 3-mal so viele ohne Versicherung und 2014 hatten erstmals deutlich über der Hälfte der Menschen, die in unserer Arztpraxis behandelt wurden, eine ausländische Staatsangehörigkeit. Diese tiefgehende Veränderung der letzten Jahre ist zum Großteil auf Zuwanderer aus (Süd-)Osteueropa zurückzuführen, viele von ihnen aus Ländern der letzten EU-Erweiterung, die in öffentlichen Statistiken nicht erscheinen, da sie nirgends registriert sind. Die Texte weiter vorne in diesem Jahresbericht, z.B. S. 6, 10, 12 oder 34, erzählen ihre Geschichten. 46 | Statistik Unverändert großer Schwerpunkt bei inneren Krankheiten, aber auch Haut-, Sucht-, chirurgische und psychische Probleme Diagnosestatistik 2014 Anzahl Innere Krankheiten Herz-Kreislauf, Blut Diabetes, Fett, Gicht Lunge Magen, Darm Leber, Galle, Pankreas Adipositas Schilddrüse Niere Infektionskrankh., Grippe Onkologisch Rheumatisch 2.208 582 427 223 215 213 191 168 77 59 28 25 Hautkrankheiten 669 Sucht 576 Chirurgische Krankheiten 480 Psychisch 423 Neurologisch 222 Urologisch 123 Gynäkologisch Weitere Diagnosen HNO Augenerkrankung Zahnprobleme Kopfschmerzen 27 362 211 83 40 28 Irmgard Hüttinger und Fr. Dr. Irene Frey-Mann im Einsatz Foto: Margret Paal Statistik | 47 Schließlich spielen vielfältige Pflegemaßnahmen in der Arztpraxis des Haneberghauses eine wichtige Rolle Pflegestatistik 2014 Fälle Pflegeversorgung 453 374 Einreibung Fußpilzbehandlung Kompressionsverband 421 139 349 Handbad Fußbad Fußpflege Unterschenkelbad Vollbad selbstständig Vollbad mit Hilfe Hilfe beim An- und Ausziehen Entlausung Krätze-Behandlung Haare waschen Haare schneiden Bart schneiden Rasur Kleider richten, auch für KH Socken Schuhe Brille Medikamente richten Entwurmung Ohrspülung 102 387 149 3 54 36 24 7 10 32 7 6 3 243 433 206 65 356 1 12 Besuch im KH, Altenheim u.a. Besuch ‚zu Hause‘ Suchen auf der Straße Briefe ins Gefängnis, KH u.a. Telefongespräch in KH u.a. Verbandmaterial mitgegeben Foto: Margret Paal 827 Große Wundbehandlung Kleine Wundbehandlung Behandlungsort außer Haus Allerhand Utensilien in der Arztpraxis Anzahl 189 30 0 6 0 15 130 48 | Statistik Wieder mehr Sozialberatungen Mehr als 11% Zunahme bei den Beratungen des Sozialdienstes – und immer mehr Gäste mit unklarem Unterkunftsstatus Anmerkungen 2014AnteilVerände- absolut in % rung gegen- über 2013 Postadresse Aufgrund der Vorgaben Anzahl beratener Gäste 926 + 11,3% Kontoliste 136 + 2,3% Postadresse 632+ 15,1% Nationalität Deutsch 34236,9+ 14,8% EU, Mittel-/Osteuropa 395 42,7 + 4,5% davon Bulgarien 107 Rumänien 99 Polen 91 Ungarn 55 Sonstige 43 Sonstige EU 59 6,4 Sonstige 130 14,0 Unterbringungen 14 Unterkunftsstatus Mit Unterkunft29031,3 + 7,0% Überwiegend obdachlos30132,5 – 2,1% Unterkunftsstatus unklar33536,2 + 45,2% des Jobcenters München werden Privatadressen bei anderen Personen nicht als Postadressen akzeptiert. Dies führt dazu, dass auch Personen, die im eigentlichen Sinne nicht akut wohnungslos sind, in unserer Einrichtung eine Postadresse haben. Unterkunftsstatus Unter ‚unklar‘ sind alle Personen aufgeführt, über die aufgrund von Sprachproblemen, wechselnder Unterkunftssituation oder mangelndem Informationsstand keine eindeutigen aktuellen Aussagen getroffen werden können. Altersstrukur bis 25 47 5,1 26 - 2515616,8 26 - 5038741,8 51 - 6022324,1 ab 6111312,2 Geschlecht Männlich78885,1 Weiblich13814,9 Bemerkungen zur Statistik des Sozialdienstes • Nur ein kleiner Teil der Besucher des Haneberghauses (< 20%) will eine Sozialberatung. • In dieser Statistik ist nur enthalten, wessen Grunddaten erfasst wurden, weil er beim Sozialdienst zur Beratung war. • Im Servicebereich des Haneberghauses (Essen, Bäder, Kleiderkammer) liegt der Anteil von Gästen aus dem Ausland, v.a. Süd-/Osteuropa, erheblich höher, vermutlich bei etwa 80%. Notizen | 49 __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________ 50 | Werbung Impressum | 51 Impressum Das Haneberghaus ist eine Einrichtung der Benediktinerabtei St. Bonifaz Karlstr. 34, 80333 München Tel. 089/55 171 – 300 Fax 089/55 171 – 302 E-Mail: [email protected] Homepage: www.sankt-bonifaz.de Herausgeber Benediktinerabtei St. Bonifaz Vertreten durch Frater Prior Emmanuel Rotter OSB Redaktion und Layout Frater Prior Emmanuel Rotter OSB, Dr. Vera Schäfer Fotos Margret Paal (auch Titelbild), Benediktinerabtei St. Bonifaz Frater Matthias Leidenberger OSB Unser besonderer Dank gilt Allen Autoren sowie für den Druck: Agentur Beckenbauer mit F & W Mediencenter Finanzielle Unterstützung, die natürlich steuerlich abzugsfähig ist, erbitten wir auf das Spendenkonto Liga-Bank eG München Konto Nr. 22 14 300 BLZ 750 903 00 IBAN BIC DE94 7509 0300 0002 2143 00 GENODEF1M05 Kennwort OFW (ohne festen Wohnsitz) + Kontoinhaber-/Adressinformationen für Zuwendungsbestätigung Öffnungszeiten des Haneberghauses Pforte des Haneberghauses Speisesaal Ausgabe warmes Essen Kleiderausgabe* Bäderabteilung* Arztpraxis* Sozialdienst/-beratung* * = außer an Feiertagen Täglich 7 – 15 h Täglich 7 – 12.30 h Täglich 8 – 10 h Mo/Di/Do/Fr 8 – 11.40 h Mo/Di/Do/Fr 8.30 – 11.40 h Mo/Di/Do/Fr 8.30 – 11.30 h Mo – Fr 7 – 15 h Wir haben keine Vorschriften zu machen, sondern Türen aufzutun. Frater Prior Emmanuel Rotter OSB Kat h.-v on- Bor a-S tr. Obdachlosenhilfe im Haneberghaus Benediktinerabtei St. Bonifaz Karlstr. 34 80333 München Tel. 089 /55171 – 300 [email protected] www.sankt-bonifaz.de