Separation Procs

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Separation Procs
BLICKPUNKT FLEISCHINDUSTRIE
Eine ehemalige Putenzerlegerin erzählt
14 Stunden
am
Fließband
MOIN DETTE N
Der Friseur-Montag
W
arum Friseure montags geschlossen haben, will
meine Tochter wissen. „Weil die samstags arbeiten
müssen“, antworte ich. Sie hält dagegen: „Da arbeiten doch mehr, die könnten im Schichtdienst Haare
schneiden, um am Montag zu öffnen.“ Stimmt, also suche
ich nach anderen Gründen und werde bei den Historikern
fündig: In christlichen Regionen hatten Friseure schon früher montags geschlossen. Vor allem Frauen ließen sich
samstags die „Haare machen“, um am Sonntag zur Messe
gut auszusehen. Montags nach der Messe hatten die Friseure nichts zu tun – solange hielten die Frisuren. ras
Melinda Tikvicki arbeitete bei Fine Food
EMSDETTEN. Lohndumping,
Schwarzarbeit und Ausbeutung – die EV berichtete immer wieder über die Kritik an
der Fleischfirma Fine Food.
Jetzt bekommen Fakten und
Vorwürfe ein Gesicht: Wir
sprachen mit einer Serbin, die
als Putenzerlegerin für Fine
Food arbeitete. Sie macht ihre
Geschichte öffentlich, weil sie
auf die Missstände hinweisen
will. Auch hofft sie, hier einen
neuen Job zu finden.
„Wie wir als
Christen Schule gut
gestalten können“
Als Melinda Tikvicki in Emsdetten ankam, weinte sie.
Denn nichts war so, wie sie es
sich vorgestellt hatte. In einer
Stellenanzeige war ihr, so erzählt sie, ein eigenes Zimmer
und ein deutscher Arbeitsvertrag versprochen worden. Sie
bekam gar keinen Vertrag.
Sie wohnt bis heute mit 13
Menschen in einer Drei-Zimmer-Wohnung, teilt sich mit
zwei anderen Frauen ein Zimmer. Sie ist allein, über 1400
Kilometer von der Heimat
entfernt, ohne Geld, getrennt
von ihrem Mann und ihren
Söhnen. Melinda Tikvicki ist
39 Jahre alt und kommt aus
Serbien. In ihrer Heimat – in
Subotica, der fünftgrößten
Stadt Serbiens – fand sie keine Arbeit. Ihr Mann und ihre
Söhne leben noch in Serbien.
Mittlerweile ist auch ihr
Mann arbeitslos, muss jeden
Tag damit rechnen, dass die
Familie die Wohnung verlassen muss. Der eine Sohn ist
14, der andere gerade mal
zwei. Melinda Tikvicis einzige
Hoffnung:
Sie
will
in
Deutschland Geld verdienen
und es nach Serbien schicken.
Interview mit dem neuen Schulseelsorger
EMSDETTEN. Pastoralreferent
Markus Hachmann verlässt
zum 1. Februar die katholische Kirchengemeinde St.
Martinus in Reckenfeld. Der
39-Jährige wird Schulseelsorger in Emsdetten. Redakteur
Christian Bödding sprach mit
ihm über seine zehnjährige
Tätigkeit in Greven und die
Aufgaben in Emsdetten.
Warum zieht es Sie beruflich
nach Emsdetten?
Ich hatte Ende 2012 vom
Plan gehört, in Emsdetten die
Stelle eines Schulseelsorgers
einzurichten. Das habe ich
damals aber noch nicht auf
mich bezogen. Das ist mir erst
in den Monaten danach klar
geworden. Ich bin jetzt seit
zehn Jahren Pastoralreferent
in Greven. Nach zwölf Jahren
gibt es ein Einsatzgespräch
mit der Bistumsleitung. Wir
Pastoralreferenten sind ja bistumsweit einsetzbar. Da steht
auch die Frage einer Versetzung an. Wenn ich mit dem
Fahrrad zur Arbeit fahren
kann, ist das eine super Alternative. Unsere Kinder können
hier weiter zur Schule gehen.
Wir können hier wohnen bleiben.
Muss man als Schulseelsorger Schüler, Lehrer und Eltern gleichermaßen mögen?
Man muss Menschen mögen. Ich verlasse ein wenig
das Binnenkirchliche und wage mich etwas weiter raus. In
der Schule habe ich deutlich
mehr mit kirchlich distanzierteren Menschen zu tun. Auf
Markus Hachmann ist der
neue Schulseelsorger für
Emsdetten.
Foto prf
der anderen Seite geht es
bei der Schulseelsorge um
Menschen, die Hilfe brauchen und Beratung und
Spiritualität erwarten.
Werden Sie auch unterrichten?
Wir haben festgelegt,
dass ich nicht unterrichte.
Sonst komme ich in eine
Doppelrolle. Ich bin externer Ansprechpartner für
vier weiterführende Schulen: für das Gymnasium
Martinum, die Geschwister-Scholl-Realschule, die
Käthe-Kollwitz-Realschule
und die Marienhauptschule. Mein Büro ist in der
Frauenstraße, direkt am
Marktplatz.
Worauf freuen Sie sich mit
Blick auf die neue Stelle?
Ich werde es genießen,
dass ich klarere Arbeitszeiten habe. Es wird nur wenig Abendtermine geben,
wenn überhaupt. Ich bin
dann
hobbykompatibel,
das ist etwas Schönes. Dazu kommen freie Wochenenden, die hatte ich bisher
auch nicht immer.
Gibt es Berührungspunkte
zwischen einem Schulseelsorger und einem Schulsozialarbeiter?
Es gibt schon Schnittmengen, insbesondere im
beraterischen Teil. Mein
Blick geht dahin, wie wir
als Christen Schule gut gestalten können. Wie leben
wir hier in Frieden und Gerechtigkeit? Ich bin sicher
Vertrauensperson und Ansprechpartner. Denn ich
gehe zwar ins Lehrerzimmer, bin aber kein Lehrer.
Welche konkreten Aufgaben können auf Sie zukommen?
Es gibt kein fertiges Konzept für meine Arbeit in
Emsdetten. Wir schauen
erst einmal, was sinnvoll
ist. Ich komme nicht als
Missionar und sage: So
geht katholisch. Sonst
schrappe ich ganz schnell
an der Lebenswelt der
Schüler und Eltern vorbei.
Meine Maxime ist ´Wir
machen das gemeinsam.´
Es kann darum gehen, wie
Weihnachten an der Schule gefeiert wird oder wie
die Advents- und Fastenzeit gestaltet werden soll.
Wie gestalten wir das
Schulleben, wenn einer der
Schüler oder die Eltern von
Schülern versterben?!
EU-Taxi nach Emsdetten
Melinda Tikvicki lacht gerne. Wenn sie aber an ihren Ehemann
und ihre Söhne denkt, wird sie traurig. Sie sind weit weg und –
ohne Arbeit, ohne Geld – kann sie ihnen nicht helfen. Ihre einzige Chance ist, hier einen neuen Job zu finden.
EV-Foto Wolter
Jetzt sitzt sie am Küchentisch
einer ungarischen Familie im
Wohnblock an der Taubenstraße und erzählt ihre Geschichte. Es gibt Kaffee und
Knabberzeug. Die Atmosphäre ist freundschaftlich, herzlich. Die Wohnung ist verlebt
– Wasserflecken prangen an
der Küchenwand – die Einrichtung macht einen sauberen, ordentlichen Eindruck.
Ein Sohn der Familie, dem
Melinda Tikvicki offensichtlich vertraut, versteht ihre
Sprache und übersetzt. Me-
linda Tikvicki hatte Geld gespart. 100 Euro. In Serbien ist
das sehr viel Geld. Ende November entdeckte sie auf einem Internetportal die Stellenanzeige, drei Tage später
fuhr sie mit einem „EU-Taxi“
nach Emsdetten. Die 100
Euro gab sie für die Fahrt aus.
Etwa vier Wochen arbeitete
sie für das ungarische Unternehmen. Als es Insolvenz anmeldete, wurde ihr gekündigt. Bis dahin verdiente sie
200 Euro, 50 Euro pro Woche. 100 Euro schickte sie ihrer Familie, 100 Euro behielt
sie für sich.
Anstrengende Arbeit
Pro Tag arbeitete sie bei Fine
Food, so berichtet sie, 12 bis
14 Stunden am Fließband.
Sie häutete Putenbrust, putzte sie, schnitt sie klein – eine
monotone, körperliche anstrengende Arbeit. „Der ganze Oberkörper tut weh“, erzählt sie. „Auch ist die Luft
dort sehr kalt, sodass man
friert.“ Wer nicht schnell genug arbeite oder mit anderen
kommuniziere, werde ausgeschimpft oder bestraft, bekomme weniger Geld.
Melinda Tikvici lebt weiter
in der Taubenstraße. „Sie hat
kein Geld, um nach Serbien
zurückzufahren“, sagt der
„Dolmetscher“. Bei Fine Food
will sie nicht wieder anfangen. Aber sie will in Deutschland bleiben, hier eine neue
Arbeit finden und ihre Familie nach Emsdetten holen.
Denn die Lage in Serbien erscheint ihr hoffnungslos. Im
April sollen auch noch die 25
Euro Kindergeld (pro Monat,
pro Kind) wegfallen.
„Nur die Situation hier ist
schlecht“, übersetzt der Ungar. „Aber Deutschland ist
gut, wenn Melinda hier eine
neue Arbeit findet.“ Vieles
würde die 38-Jährige, die eine theoretische Ausbildung in
der Textilbranche hat und
schon mal in einer Küche arbeitete, machen. Die Stellenanzeige, erzählt Melinda, stehe noch im Internet. „Viele
wissen, dass die Arbeit hier
schlecht ist. Viele wissen es
aber nicht.“ Darum kämen
immer noch neue Arbeiter
nach Emsdetten.
Inga Wolter
Letzte
Chance ohne
Drogen
EMSDETTEN. Wegen der Einfuhr von 7,7 Gramm Marihuana am 19. Juni 2013 muss
ein 20-jähriger Angeklagter
aus Emsdetten für ein Jahr
und sechs Monate ins Gefängnis. Allerdings gab das Gericht ihm die Chance, sich eine Bewährung innerhalb der
nächsten sechs Monate mit einem straffreien Leben und
absoluter Drogenabstinenz zu
verdienen. Außerdem muss
er eine ambulante Drogentherapie beginnen, mit der er
sich zuvor einverstanden erklärt hatte. Hintergrund dieser harten Strafe war ein Urteil vom 22. Oktober 2012
wegen Computerbetrugs, bei
dem er zu einem Jahr und
sechs Monaten mit Bewährung verurteilt worden war.
Dieses floss in die neue Einheitsjugendstrafe ein.
Im November 2013 kam es
bei dem Angeklagten zu einem „Absturz“ nach einem
schweren Konflikt mit seinen
Eltern. Er wurde wohnungslos und beantragte die Unterbringung in einer Wohngemeinschaft. Bis zur Bewilligung schlief er bei Freunden,
schwänzte die Schule und
kiffte verstärkt, wie sowohl
die Bewährungshilfe als auch
die Jugendgerichtshilfe gegenüber dem Gericht äußerten. Als der Richter den Angeklagten auf seinen Konsum
ansprach, sagte er: „Am Wochenende rauche ich auf Partys zwei oder drei Joints, an
Videoabenden weniger“.
Das Gericht verdeutlichte
ihm, dass „jede Tat strafbar
ist“. Der Richter fragte: „Was
wollen Sie mit Ihrem Leben
machen?“ „Arbeiten, Kinder,
Familie“, antwortete der 20Jährige. Eindringlich hielt
ihm der Vorsitzende vor Augen, dass seine Freiheit bei
seiner augenblicklichen Lebensweise gefährdet sei. „Ich
mache mir Sorgen. Sie haben
das Potenzial, etwas aus Ihrem Leben zu machen. Das
Problem sind die Drogen und
Ihre Einstellung dazu“, begründete der Richter das Urteil.
Weil der Angeklagte vor einigen Tagen zurück zu seinen
Eltern ging, bekam er die
Chance, sich die Bewährung
mit einem drogen- und straffreien Leben zu verdienen.
Wenn nicht, geht er für 18
Monate in den Knast. Das ist
nun amtlich. mok
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Dunkle Häuser
Taubenstraße: Licht funktioniert nicht, Türen und Fensterscheiben sind kaputt
EMSDETTEN. In manchen
Wohnungen an der Taubenstraße leben – auf nur drei
Zimmer verteilt – 14 Menschen.
Das erfuhr die EV von Melinda Tikvicki und Alina Müller, die sich mit dem Offenen
Antirassistischen
Treffen
(OAT) für die Arbeiter aus
Osteuropa einsetzt. Die EV
wollte sich selbst ein Bild von
diesen Wohnungen machen.
Doch zu groß war die Angst
der Bewohner. Als unsere Zeitung einige Bewohner fragte,
ob wir uns selbst einen Eindruck von den Wohnungen
machen könnten, lehnten sie
ab. Sie befürchteten, dass sie
nach einem Zeitungsbericht
aus ihren Wohnungen auf die
Straße gesetzt würden. Schon
beim Gang durch einige Flure
in einem der Wohnblocks fie-
Zerstörte Türen und Klingeln: So sieht der Eingang eines Taubenstraßen-Hauses aus (links). Rechts: In diesem Treppenhaus
fehlt eine große Fensterscheibe.
EV-Fotos Wolter
len Schäden auf: In Treppenhaus fehlte zum Beispiel eine
große Fensterscheibe, sodass
es im Flur zog. In mehreren
Fluren und Treppenhäusern
funktionierte das Licht nicht.
„Ein schwarzer Fleck in Emsdetten“, nannte einer der Bewohner dieser Häuserblocks
während des Rundgangs.
Kurzzeitig befürchteten die
Bewohner, ihre Wohnungen
verlassen zu müssen. Das war
bisher offensichtlich jedoch
nicht der Fall. Das Offene Antirassistische Treffen bemüht
sich um einen Rechtsbeistand, der eventuelle Arbeitsverträge eines neuen Subunternehmens prüfen könnte.
Auch bekommen Bewohner
Hilfe beim Eröffnen von Konten und Beantragen von Sozialhilfe. Essen liefere, so Alina
Müller, weiter die Tafel. iwo
NOTIZE N
Kinderkarneval
der Hollinger
EMSDETTEN. Der Kinderkarneval der Hollinger Schützengesellschaft findet am Sonntag, 23. Februar, statt. Erstmalig wird auch der Spielmannszug der Hollinger mitmachen. Alle Kinder, die Lust
haben, beim Kinderkarneval
mitzumachen, sind zur ersten
Probe am Sonntag, 26. Januar, um 11 Uhr eingeladen. Sie
findet im Saal der Gaststätte
Wältermann an der Nordwalder Straße statt. Wer vorab
Fragen hat, darf sich gerne
unter Tel. (0 25 72) 8 00 38 19
melden.