Das ZDF Studio Washington Barack Obama, Wall Street oder Lady

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Das ZDF Studio Washington Barack Obama, Wall Street oder Lady
Das ZDF Studio Washington
Barack Obama, Wall Street oder Lady Gaga: Jeden Tag erreichen uns Nachrichten aus
den USA. Was in den Vereinigten Staaten passiert, ist in Deutschland von ungemeinem
Interesse. Kein Wunder also, dass das Land den größten Anteil an der
Auslandsberichterstattung deutscher Medien hat.
Um diesen Anspruch gerecht zu werden, unterhält das ZDF gleich zwei Auslandsstudios
in Nordamerika: Das Studio New York berichtet aus der größten Stadt des Landes und
fokussiert sich dabei vor allem auf die Wall Street und die Vereinten Nationen. Um
einiges größer ist das Studio Washington, welches für die Berichterstattung des ganzen
Landes sowie Mittelamerika verantwortlich ist.
Das Studio Washington liegt im historischen Stadtteil Georgetown. Hier sind drei
Korrespondenten stationiert: Studioleiter Ulf-Jensen Röller sowie Heike Slansky und
Christoph Röckerath. Unterstützt werden sie von einem ehrgeizigen Team aus
Producern, Technikern, dem Sekretariat und der Verwaltung. Alles in allem sind damit
im größten Auslandsstudio des ZDF etwa 30 Leute beschäftigt. Da einige angestellte USBürger sind, wird in der Regel Englisch gesprochen.
Voraussetzungen und Erwartungen
Als ich die Zusage für mein Praktikum bekam, ging für mich in kleiner Traum in
Erfüllung. Schon seit meiner Schulzeit arbeite ich als Journalist. Zunächst begann ich bei
meiner lokalen Tageszeitung in Krefeld. Bei zahlreichen Praktika und
studienbegleitenden Jobs habe ich mich bislang vor allem auf den TV-Journalismus
konzentriert und konnte so schon bei einigen namhaften Unternehmen Erfahrung
sammeln, zum Beispiel bei ProSiebenSat.1, dem WDR und N24. Auch beim ZDF in Mainz
habe ich bereits ein Praktikum absolviert. Die interne Struktur des Senders war mir also
schon bestens bekannt. Das Praktikum im Studio Washington sollte mir nun die
Gelegenheit bieten, die Arbeit eines Auslandskorrespondenten näher kennen zu lernen
und dabei eine Menge neuer Erfahrungen zu sammeln.
Unmittelbar vor meinem Praktikum habe ich bereits mein Auslandssemester in
Washington D.C. verbracht. An der American University studierte ich "Journalism & New
Media". Studienbegleitend absolvierte ich ein Praktikum bei NBC Washington. Bei
meinem Praktikumsbeginn kannte ich die US-Hauptstadt also schon sehr gut, was sehr
nützlich war.
The Iowa Caucus - Der Praktikumsbeginn
Direkt mit meinem Praktikumsbeginn steht das erste politische Großereignis des Landes
an: Am 2. Januar 2012 finden im Bundesstaat Iowa die ersten Vorwahlen um die
Präsidentschaftskandidatur der Republikaner statt. Mitt Romney gewinnt mit nur acht
Stimmen Vorsprung vor Rick Santorum - auch wenn sich hinterher noch herausstellen
wird, dass Stimmen falsch ausgezählt wurden und der eigentliche Gewinner Santorum
heißt. Für den Moment ist das aber egal. Mit Iowa hat in Amerika das Wahljahr 2012
begonnen.
Die amerikanischen "Campaigns" verdeutlichen, dass in den USA eine andere politische
Kultur herrscht als in Deutschland. Der Wahlkampf für das höchste Amt im Staat fängt
hier schon Monate vor der eigentlichen Wahl an. Das hat natürlich seinen Grund:
Immerhin sind die USA um einiges größer und vielfältiger als die BRD. Auch in Europa
würde man wohl einen längeren Wahlkampf benötigen, wenn ein Kandidat aus den
höhen Skandinaviens gegen Kontrahenten von der iberischen Halbinsel und dem
ehemaligen Ostblock antritt.
Erstaunlich ist auch die Aufmerksamkeit, welche die Medien der ersten Vorwahl in Iowa
entgegenbringen. Jedes TV-Network, jede Zeitung berichtet - das Thema läuft rauf und
runter. Dabei ist die eigentliche Bedeutung des Iowa-Caucus eher klein. Für die
Delegierten ist er nämlich gar nicht bindend. Noch dazu hat das kleine Iowa mit seinen
gerade einmal drei Millionen Einwohnern sowieso kein starkes politisches Gewicht im
Riesenreich Amerika. Deshalb geht es in Iowa eher um die Signalwirkung. Ein
erfolgreicher Start in Iowa kann eine Kampagne beflügeln oder sie vernichten. Das ist
aber nicht zwingend. Immerhin haben die letzten drei US-Präsidenten; Clinton, Bush
und Obama, allesamt ihre erste Vorwahl in Iowa verloren.
Guantanamo
Das umstrittene Gefangenenlager Guantanamo ist ein weiteres Thema, mit welchem ich
mich beschäftige. Am 11. Januar existiert das Camp schon seit 10 Jahren.
Menschenrechtsgruppen protestieren deshalb mehrere Tage in Washington. Ein
besonderes Ärgernis ist für sie der National Defense Authorization Act (NDAA). Dieses
neue Gesetz lässt US-Ermittlern weitere Freiheiten im Kampf gegen internationale
Terroristen und macht es in der Praxis quasi unmöglich, Guantanamo in absehbarer
Zukunft zu schließen. Da Obama damit aller Voraussicht nach sein Wahlversprechen
nicht halten kann, bedient er sich eines kleinen Tricks: Er unterschreibt das unbeliebte
Gesetz am Silvesterabend und hofft, dass dem Thema neben Silvesterraketen und viel
Sekt möglichst wenig Aufmerksamkeit zu Teil wird.
Ganz unter den Teppich kehren kann er das Gesetz aber nicht - dafür sorgen die
zahlreichen Demonstrierenden in Washington. Ich fahre mit einem Kamerateam zum DC
Courthouse, wo schon seit Tagen diverse Menschenrechtsgruppen gegen Guantanamo
protestierten. Wir begleiten ihren Protestmarsch durch DC. In orangen
Gefängnisuniformen schreiten sie die National Mall in aller Stille rauf und runter. Am
Ende der Demonstration entfalten Sie ein riesiges Transparent: "Shut Down
Guantanamo". Für die spätere Berichterstattung sammele ich ein paar Vox-Pops. Es ist
faszinierend zu sehen, welche Bürden manche Menschen auf sich nehmen um für mehr
Menschenrechte zu demonstrieren: Viele kommen nicht aus Washington D.C., sondern
haben eine lange Anreise hinter sich und teilweise sogar Urlaub genommen, um für die
Schließung von Guantanamo zu protestieren.
Praktikantenalltag
Ein typischer Praktikumsalltag beginnt um 9 Uhr mit der Morgensitzung. Hier ist das
ganze Studio versammelt um die Themen des Tages zu besprechen. Wichtigstes Thema
sind hierbei die anstehen Stücke, also TV-Beiträge, welche produziert werden müssen.
Dabei gibt es in der Regel zwei Möglichkeiten: Entweder gibt eine ZDF-Redaktion in
Mainz den Auftrag für ein Stück, oder das Studio bietet selbständig etwas an.
Dabei ist vor allem der Zeitunterschied eine große Herausforderung: Wenn zum Beispiel
die heute Nachrichten um 19 Uhr ein Stück bestellt haben, bleiben von der Sitzung
morgens um 9 Uhr nur knapp vier Stunden Zeit (6 Stunden Zeitverschiebung). Gerade
hier wird deutlich, warum drei Korrespondenten ein Team von 30 Mitarbeitern
benötigen: In kürzester Zeit müssen die passenden TV-Bilder gesucht werden entweder aus dem Archiv oder dem VoD (Video on Demand) System. Der
Korrespondent muss einen Text schreiben, schneiden und schließlich muss das ganze
pünktlich nach Mainz überspielt werden.
Auch Praktikanten können hier eigene Beiträge erstellen, die dann im Hauptprogramm
gesendet werden. Die "großen und wichtigen" Stücke für z.B. die heute-Nachrichten sind
natürlich den Korrespondenten vorbehalten. Als Praktikant hat man mit bunten und
leichten Themen eher eine Chance. Hauptabnehmer sind zum Beispiel Sendungen wie
"hallo Deutschland" oder das "morgenmagazin".
Eigene TV-Beiträge erstellen ist natürlich etwas ganz besonderes. Doch zu diesem
Privileg gehörten auch gewissen Praktikantenpflichten, zum Beispiel die Archivarbeit.
Jeden Abend werden die Hauptabendnachrichten von CBS und NBC aufgenommen und
am nächsten Tag archiviert. Mit beiden Sendern, sowie mit CNN, unterhält das ZDF
Partnerverträge. Der Praktikant hilft dabei, dass alles Material sauber archiviert wird,
sodass es in Zukunft bei Bedarf schnell wieder gefunden werden kann.
Dirk Nowitzki im White House
Das erste Highlight des Praktikums lässt nicht lange auf sich warten: Am 9. Januar
empfängt Barack Obama den deutschen Basketball-Superstar Dirk Nowitzki im Weißen
Haus. Mit den Dallas Mavericks hatte Nowitzki in der vergangenen Saison den Titel in
der nordamerikanischen Profiliga NBA geholt. Es gehört zur Tradition, dass der
Präsident das Siegerteam persönlich empfängt.
Dabei wird vor allem deutlich, dass Barack Obama mehr Aufgaben zu betreuen hat, als
die deutsche Kanzlerin. Als Präsident ist er Regierungschef und Staatsoberhaupt
zugleich und muss deshalb auch beide Aufgaben wahrnehmen. In Deutschland wäre
diese Aufgabe wahrscheinlich dem Bundespräsidenten zu Teil geworden. So aber freue
ich mich, endlich auch einmal den Präsidenten zu sehen.
Für die deutschen Medien in Washington ist das Treffen natürlich eine enorm wichtige
Story. Mit Reporterin Heike Slansky bekomme ich die begehrte Akkreditierung für das
Weiße Haus. Wenig später stehe ich im East Wing und höre Obama bei seiner Lobrede
über "Nowinskis" Basketballkünste zu. Ja, er sagte wirklich "Nowinski", also No - Win ski - und das mehrfach: Ein Spitzname, den sich Superstar Nowitzki in seiner
erfolgloseren Zeit bei den Mavericks verdient hatte. Bei Obama scheint er wohl hängen
geblieben zu sein.
Wenig später treffen wir Nowitzki noch für ein Interview im Keller des Weißens Hauses.
Er lobt die Basketballkünste des Präsidenten, der sich als bekennender Fan des Sports
einen eigenen Platz im Garten der Weißen Hauses hat einrichten lassen. Als krönenden
Abschluss des Tages treffe ich auf dem Weg nach draußen noch den letzten Promi: Bo,
den Hund der Obamas und ganz offiziell "First Dog" der USA.
Der Hundekackesammler - Mein erster Beitrag
Schon bald darauf bekomme ich die Möglichkeit, meinen ersten eigenen TV-Beitrag zu
realisieren. Er handelt vom "pooper scooper" - einem Mann in Kalifornien, der durch das
Aufsammeln von Hundekot in privaten Gärten Geld verdient. Immerhin 3.500 Dollar im
Monat verdient er mit der Arbeit, für die sich reiche Kalifornier zu schade sind - und das
als Zweitjob. Ich produziere den Beitrag der später bei "Hallo Deutschland" gesendet
wird. In der Redaktion macht schnell das Wort die Runde, dass mein erster Beitrag sei ja
"echt scheiße" gewesen sei. Natürlich ist das immer mit einer guten Prise Humor und
viel Lob verbunden.
Pill Mills und Doctor Shopping
Ein Korrespondent muss heutzutage natürlich viel mehr leisten als nur die kurze Schalte
in den Abendnachrichten. Dank des Internets, 24 Stunden Newscycle und
professionellen Nachrichtenagenturen weiß die Heimatredaktion sogar oft schon vor
dem Korrespondenten über die neuesten Entwicklungen Bescheid. Wozu braucht man
da eigentlich noch den Journalisten vor Ort?
Der moderne Korrespondent ist nicht wie früher einfach nur Bote für Nachrichten. Er
muss sie vor allem erklären, einordnen, interpretieren: Wie ist die Stimmung im Land?
Wie sind die Reaktionen? Was könnte das für die Zukunft heißen?
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden produzieren Korrespondenten beim ZDF auch
längere Beiträge bis hin zu ganzen Dokumentationen.
So produziert Heike Slansky einen sehr interessanten Beitrag über
Medikamentenmissbrauch in den USA. Seit dem Herbst 2011 ist dieser so stark
angestiegen, dass eine Überdosis an verschreibungspflichtigen Pillen mittlerweile die
unnatürliche Todesursache Nummer Eins in Amerika ist. Jedes Jahr sterben hier also
mehr Menschen an Pillen als an Heroin oder Kokain.
Ich helfe bei der Recherche, vereinbare Interviews und suche Statistiken. Der Großteil
der Geschichte wird wenig später in Florida gedreht, da das Problem hier am Größten ist.
Aufgrund der Kosten kann ich natürlich nicht mitreisen. Bei einem Interview mit einer
ehemaligen Drogensüchtigen in Washington kann ich aber assistieren.
Der Beitrag wird ein paar Wochen später im auslandsjournal gesendet. Der plötzliche
Tod von Whitney Houston, der eine Medikamentenabhängigkeit nachgesagt wurde, gibt
dem ganze eine dramatische Aktualität.
SOPA und PIPA
Eine Debatte hat die USA erfasst. Dem Kongress liegen zwei neue Gesetzentwürfe vor;
der Stop Online Piracy Act (SOPA) und dem Protect-IP Act (PIPA). Diese sollen
Raubkopierern im Internet ihr Handwerk erschweren und Urheberrechte besser
schützen. Gegner der beiden Vorlagen argumentieren dagegen mit der Gefahr einer
Zensur im Internet und damit einer grundlegenden Einschränkung des Menschenrechts
auf freie Meinungsäußerung.
Aus Protest gegen SOPA und PIPA geht am 18. Januar die englischsprachige Version des
Internetlexikons Wikipedia für 24 Stunden offline. Auch andere Internetdienste wie
Google.com oder reddit.com beteiligen sich an dem Protest.
Zu dem Thema interviewe ich einen Internetexperten im American Institute. Er wird
hinterher dem Zuschauer erklären, was genau SOPA und PIPA denn so machen. Warum
das Thema so kontrovers ist, zeigen dann die Vox-Pops aus einem Internetcafé. Hier
frage ich Internetnutzer nach ihrer Meinung in der Diskussion.
Interessant ist auch die Berichterstattung der US-Medien zu diesem Thema. Wann
immer zum Beispiel CNN darüber berichtet, wird darauf hingewiesen, dass der Sender
zum Time Warner Konzern gehört. Der Medienriese unterstützt die neuen
Gesetzesvorlagen ausdrücklich, genau wie viele andere US-Medienunternehmen.
Trotzdem möchte man sich in den Redaktionen natürlich keine Parteilichkeit vorwerfen
lassen und achtet auf eine möglichst objektive Berichterstattung zu dem kontroversen
Thema.
Später helfe ich ein paar Symbolbilder zu filmen. Ich bediene den Computer, während
der Kameramann die schwarze Startseite der Wikipedia abfilmt. In den heuteNachrichten erkenne ich meine Hand an der Maus. Ob das schon als "ich war im
Fernsehen" gilt?
Der Widerstand gegen SOPA und PIPA zeigt Erfolg: Nach den massiven Protesten
werden die beiden Vorlagen vorerst zurückgezogen, "until there is a wider agreement of
solution", wie es offiziell heißt. Interessanterweise passiert wenig später in Europa
exakt dasselbe mit ACTA. Die Frage, wie man Urheberrechte besser schützen kann ohne
dabei die Freiheit des Internets einzuschränken sucht damit nach wie vor nach einer
Antwort.
Iran
Während meines Praktikums nehmen die Spannungen zwischen den USA und Iran zu.
Die USA verdächtigen Iran ein Atombombe zu bauen. Gleichzeitig droht Iran damit, die
Straße von Hormuz, eine der wichtigsten Seehandelsrouten der Welt, zu blockieren.
Auch beim ZDF in Mainz wird die Situation aufmerksam beobachtet. Die Kollegen
bemerken, dass die US-Flotte immer mehr Flugzeugträgerverbände in der Golfregion
zusammen zieht. Die Eskalation des Konflikts scheint immer wahrscheinlicher.
Ich fahre zum Atlantic Council, wo eine Podiumsdisskussion zu dem Thema stattfindet.
Anschließend interviewe ich ein paar Iran Experten. Sie erzählen mir relativ unverblümt,
dass sie fest mit einem Krieg rechnen. Dabei ist vor allem die Rolle Israels entscheidend,
denn die USA fürchten dessen Alleingang gegen den Iran. In diesem Fall würde Amerika
automatisch in einen militärischen Konflikt hineingezogen werden.
Guido Westerwelle zu Besuch in Washington
Ende Januar besucht der deutsche Außenminister Guido Westerwelle die US-Hauptstadt.
Als oberster Diplomat auf Staatsbesuch hat er natürlich einen randvollen Terminplan,
und die deutschen Medien in Washington haben damit so ihre Schwierigkeiten.
Nachdem Westerwelle morgens eine Rede im Brookings Institute hält, besucht er direkt
im Anschluss das neue Martin Luther King Memorial. ARD und ZDF arbeiten deshalb
zusammen. Die ARD übernimmt die Berichterstattung vom Brookings-Institute, ich
fahre später mit einem Kamerateam zum MLK-Memorial um Westerwelles Besichtigung
zu filmen. Anschließend tauschen beide Sender ihr Material aus.
Der Besuch Guido Westerwelles ist ein schönes Beispiel für die alltägliche Arbeit im
Studio. Oft nämlich kommt es vor, dass Sachen gedreht werden, obwohl sie hinterher nie
gesendet werden. So hatte der Besuch Westerwelles keine große politische Signifikanz
und wurde nur aus reiner "Sicherheit" von den deutschen Medien begleitet. Ganz getreu
dem Motto: Es könnte ja etwas passieren und vielleicht brauchen wir die Bilder ja später
noch einmal. Ähnlich läuft später der Besuch von Verteidigungsminister de Maizière
Ende Februar im Pentagon ab. Auch hier wird politisch nichts bahnbrechendes
vermeldet, aber immerhin war ich mal im Pentagon. Das ist ja auch was.
SOTU
Am 23. Januar gibt Präsident Obama seine jährliche Rede an die Nation ("State of the
Union Address"). Für die Berichterstattung fahre ich mit dem Team zur Georgetown
University. Hier haben sich über 150 Studenten versammelt um die Rede zu hören. Es
herrscht Party-Stimmung, sogar Cola und Pizza gibt es umsonst. Für einen Deutschen
scheint diese Art der politischen Partizipation junger Menschen völlig ungewohnt. Ich
kann mir nach wie vor nicht vorstellen, dass sich in der LMU so viele Leute verabreden,
um eine Rede von Bundeskanzlerin Merkel zu schauen.
Die SOTU gilt als Obamas großer Einstieg ins Wahljahr 2012. Ich frage die GeorgetownStudenten deshalb, ob Obama ihrer Meinung nach eher als Präsident der USA oder als
Kandidat der Demokraten im Wahlkampf spricht. Die Meinung der jungen Menschen ist
Studioleiter Ulf Röller besonders wichtig. Immerhin war es die Generation Facebook, die
2008 maßgeblich zum Sieg von Barack Obama ("Yes we can!") beigetragen hat.
Der Tag an der Georgetown University verdeutlicht auch, dass Journalismus kein Job ist,
der sich nach der Stechuhr richtet. An diesem Tag arbeite ich von morgens um 8 bis
abends weit nach Ende der Rede um 12 Uhr nachts. Im Gegensatz dazu gibt es aber auch
Tage, an denen nichts spannendes passiert und man ein wenig früher nach Hause gehen
kann. So zum Beispiel, als in Deutschland Bundespräsident Wulff zurücktritt. Daraufhin
folgen im Studio Washington ein paar sehr ruhige Tage. Nachrichten aus den USA
schaffen es neben dem Top-Thema Wulff einfach nicht in die Sendungen.
Haditha
Anfang Februar spricht ein amerikanisches Militärgericht das letzte Urteil im Prozess
zum Massaker von Haditha: 2005 töteten US-Soldaten in einem irakischen Dorf wahllos
24 Zivilisten - darunter Frauen, Kinder und selbst einen alten Mann im Rollstuhl.
Durch Schlamperei der Justiz kommen alle verantwortlichen Soldaten ohne Strafe davon.
Ihr Vorgesetzter, Sgt. Wuterich, bekommt eine Bewährungsstrafe für 3 Monate.
Das Urteil ist natürlich skandalös. Noch erstaunlicher sind allerdings die Reaktionen in
den USA. Kaum ein TV-Network berichtet über das Urteil, der Schrei der Empörung
bleibt aus. Selbst die Vertreter von Human Rights Watch, die ich interviewe, äußern sich
nur zurückhaltend.
Ulf Röller erklärt die Reaktionen in seinem Beitrag für das heute-journal: Die USA sind
kriegsmüde, wollen den Irakkonflikt und all seine Hässlichkeit endlich hinter sich lassen.
Zu lange hat er gedauert, zu viele Leben gekostet. In Amerika schaut man jetzt nach
vorne und beschwert sich nicht mehr über die Vergangenheit.
CPAC
Kurz vor Ende des Praktikums wartet ein weiteres Highlight auf mich: CPAC 2012 - Das
jährliche Treffen der konservativen Republikaner in Washington. Bei der riesigen
Konferenz, die mehrere Tage dauert, sprechen auch fast alle Bewerber für die
republikanische Präsidentschaftskandidatur.
Die Veranstaltung ein riesiges Meet & Greet. Während die Ultra-Konservativen ihre Sicht
auf die Welt unter lautem Jubel verbreiten, buhlen zahlreiche Lobbygruppen um die
Aufmerksamkeit des Politetablissements: Auf der Bühne plädiert Rick Santorum für
mehr Kirche im Staat, während am Stand der Waffenlobby NRA ein kleines Mädchen
virtuelle Vögel auf einer Video-Leinwand erschießt. "Only in America", bemerkt Ulf
Röller.
Fazit - Der Drogenspürhund zum Mieten
Zum Ende meines Praktikums kann ich noch ein paar weitere Beiträge realisieren. Dabei
geht es zum Beispiel über den mietbaren Drogenspürhund, den besorgte Eltern
anheuern, um die Kinderzimmer ihrer Liebsten zu kontrollieren. Von der Idee über die
Recherche und Interviews bis zum eigentlichen Schnitt und der Vertonung kann ich
mittlerweile alles selbst machen.
Dabei merke ich, dass ich in meinen zwei Monaten beim ZDF Washington nicht nur eine
Menge gesehen, sondern vor allem eine Menge gelernt habe. Die Kenntnisse des
politischen Systems der USA, die ich auch durch mein Studium gewonnen habe, waren
hier extrem wertvoll.
Ich habe einen tollen Einblick in die Arbeit eines TV-Korrespondenten erhalten und bin
mir sicher, dass ich diesen Karriereweg weiter gehen möchte. Dabei würde ich mich in
bester Gesellschaft befinden: Von den drei ZDF Korrespondenten im Studio Washington
haben zwei dort auch einmal als Praktikanten angefangen.