Millionenbetrug mit Schrottimmobilien - Jean

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Millionenbetrug mit Schrottimmobilien - Jean
TAGESZEITUNG FÜR BREMEN UND NIEDERSACHSEN
D O N N E R S T A G , 1 0 . F E B R U A R 2 0 1 1 | 6 7 . J A H R G A N G | NR. 34 | E I N Z E L P R E I S 1 , 1 0 €
Wer soll das denn schaffen?
Radio Bremen trennt
sich von Dirk Hansen
Der seit zehn Jahren amtierende
Programmdirektor des Senders
erhält keinen neuen Vertrag. Seite 20
METROPOLREGION
Streit um Denkmal
Verden. Soll in Verden ein Reichsbahnwaggon als Denkmal für die Zwangsarbeiter
während der NS-Zeit aufgestellt werden?
Die Parteien sind zerstritten. Die CDU forSeite 13
dert einen Bürgerentscheid.
WIRTSCHAFT
Raumfrachter startet zur ISS
Bremen. Der zweite in Bremen gefertigte
Raumtransporter ATV ist bereit für den
Start ins All. Am Dienstag soll „Johannes
Kepler“ mit Nachschub für die InternatioSeite 15
nale Raumstation ISS abheben.
SPORT
Hühnersuppe, Stockfisch, Braunkohl, Kalbsbraten (von links) sowie Rigaer Butt, Chester- und Rahmkäse (großer Teller) bilden beim großen Brudermahl von Haus Seefahrt die Speisenfolge. FOTO: KOCH
Bremen. Wer sich die Speisenfolge und
den Zeitplan der Schaffermahlzeit genau
ansieht, ahnt es bereits: Die rasche Abfolge
von der Bremer Hühnersuppe um 14.38
Uhr über Stockfisch mit Senfsauce und
Salzkartoffeln, Seefahrtsbier, Braunkohl
mit Pinkel, Rauchfleisch und Maronen,
Kalbsbraten mit Katharinenpflaumen so-
wie Rigaer Butt, Chester- und Rahmkäse
nebst Fruchtkorb bis hin zum wohl verdienten Mokka um 19.06 Uhr hat es in sich. Die
300 Gäste nehmen beim Essen rund um die
Reden im Rathaus morgen so viele Kalorien
zu sich, dass selbst Bauarbeiter oder andere körperliche Schwerstarbeiter damit
Bericht Seite 7
auskommen würden.
Deutschland 1:1 gegen Italien
Dortmund. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat in einem unterhaltsamen
Testspiel gegen Italien nur ein – aus deutscher Sicht letztlich etwas unglückliches –
Seite 21
1:1-Unentschieden erreicht.
WESER-KURIER.DE
KRITIK ZUM BREMER TATORT
Sonntag läuft der neue Bremer Tatort, der
hauptsächlich in einem Hochhaus spielt.
Fesselnd ist weniger die Geschichte als die
Atmosphäre. Kritik und Fotostrecke:
www.weser-kurier.de/bremen
FORTBILDUNGSPROJEKT
Frauen in technischen Berufen
Das Bremer Fortbildungsprojekt „Fit in
MINT“ will Frauen helfen, den Wiedereinstieg in naturwissenschaftlich-technische
Berufe zu finden.
www.weser-kurier.de/bremen
GLÜCKSZAHLEN
13 14 23 39 41 46
Zusatzzahl: 24 · Superzahl: 3
Spiel 77:
0506277
Ohne Gewähr
Super 6:
862883
DAS WETTER
Nachts
Niederschlag
8°
5°
Später etwas Regen
80%
Im Nordwesten macht sich am Nachmittag
ein Tief mit dichten Wolken und erstem Regen bemerkbar. Ausführliches Wetter Seite 6
INHALT
Familienanzeigen
Fernsehen
Leserforum
Rätsel & Roman
Veranstaltungsanzeigen
Verbraucher
27
24
27
26
25
18
KONTAKT
Telefonzentrale: 04 21 / 36 71 0
Abonnenten-Service: 04 21 / 36 71 66 77
Anzeigenannahme: 04 21 / 36 71 66 55
H 7166 • 28189 BREMEN
40006
4 194176 301101
Ermittlungsverfahren gegen Bremer Rechtsanwälte
VON J EAN- CHARLES FAYS
U N D M A RV I N OPPON G
Packendes Kammerspiel
Tagsüber
Millionenbetrug mit
Schrottimmobilien
Bremen. Bremen, Bremerhaven und Cuxhaven liegen im Zentrum „einer der größten Immobilienbetrügereien in Niedersachsen und Bremen“. Das gab der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade, Kai Thomas Breas, gestern auf Nachfrage bekannt. Der im Zusammenhang mit dem
Verkauf sogenannter Schrottimmobilien
entstandene Gesamtschaden belaufe sich
auf mindestens vier Millionen Euro. Die
Ermittlungen richten sich gegen 76 Beschuldigte. Bei einem der Hauptverdächtigen handelt es sich nach Recherchen dieser Zeitung um den ehemaligen Bremer
Anwalt Klaus Dieter K.
Unter den Beschuldigten sind aber auch
noch praktizierende Notare sowie mindestens ein Immobilienmakler aus Bremen.
Dem Netzwerk wird gewerbsmäßiger und
bandenmäßiger Betrug vorgeworfen. Die
Beschuldigten sollen rund 130 Immobilien
in Norddeutschland an meist einkommensschwache Käufer verkauft haben.
Bei den Banken sollen die beschuldigten
Immobilienmakler, Rechtsanwälte, Notare
und Finanzvermittler für die Finanzierung
der Schrottimmobilien gesorgt haben. Den
wahren Wert der zu finanzierenden Immobilien und die Zahlungsfähigkeit der Käufer sollen die Beschuldigten gegenüber
den Banken vorgetäuscht haben. Insgesamt rund 20 Internetbanken, Bausparkassen und Sparkassen hätten somit Sicherheiten für das ausgegebene Darlehen gefehlt.
„Die Käufer konnten angesichts ihrer Einkommens- und Vermögenssituation die
Darlehen regelmäßig nicht bedienen“,
sagte Breas.
Den Kreditnehmern sei indes vorgegaukelt worden, Mieten zu erzielen, die sie niemals erzielen konnten. So hätte der Eindruck entstehen können, dass sich das Darlehen durch die Mieteinnahmen von selbst
trage und man sich beiläufig „eine tolle Altersvorsorge“ sichern könne.
Fusion zur größten
Börse der Welt
Frankfurt·New York. Die beiden Börsenbetreiber Deutsche Börse und NYSE Euronext planen eine Fusion zur größten Aktienbörse der Welt. Es gebe fortgeschrittene
Verhandlungen für einen möglichen Zusammenschluss, aber noch keine Einigung,
bestätigten die Institute gestern. Mehrheitspartner bei der Fusion würden mit einem
rund 60-prozentigen Anteil die Deutschen
werden. Beide Konzerne wollen ihr Geschäft im Rahmen eines Aktientauschs und
mit Hilfe einer neu gegründeten Gesellschaft bündeln. Diese Gesellschaft soll ihren Sitz in den Niederlanden haben. Gestern Vormittag hatten bereits die Börsen in
London und Toronto ihre Fusion bekannt
Bericht Seite 15
gegeben.
Die Ermittlungen gegen die Beschuldigten laufen wegen der Größe und Komplexität dieses Verfahrens bereits seit rund drei
Jahren. Die geschädigten Käufer stammen
überwiegend aus Bremen, Bremerhaven
und Niedersachsen. Besonders viele Fälle
soll es in Cuxhaven geben. Den größten
Teil des Schadens von mindestens vier Millionen Euro sollen aber die Banken haben,
die auf ihren Krediten sitzenblieben.
Der beschuldigte ehemalige Bremer Anwalt Klaus Dieter K. saß vor rund 20 Jahren
wegen Betrugs in Haft und verlor seine Zulassung als Rechtsanwalt. Nach seiner Haftstrafe arbeitete er als Büroleiter für einen
anderen Rechtsanwalt in der Bremer Innenstadt. Klaus Dieter K. gilt als Kopf der „Pegasus Immobilien und Verwaltungs
GmbH“ in Hagen im Bremischen. Eine
Gruppe von zehn Hauptbeschuldigten soll
laut Staatsanwaltschaft für diese Immobiliengesellschaft gearbeitet haben. Anwohner in der Samtgemeinde wollen ein entsprechendes Firmenschild nie gesehen haben und sprechen von einer Briefkastenfirma. Seit Ende 2010 steht das Haus, in
dem „Pegasus Immobilien“ ansässig gewesen sein soll, leer. Aus einer Pflichtmitteilung der Staatsanwaltschaft im Bundesanzeiger geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft Stade mehr als eine Million Euro bei
„Pegasus Immobilien“ vorläufig sichergestellt hat. Klaus Dieter K. war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Mehrere der betroffenen Immobilien befinden sich laut Staatsanwaltschaft in Bremerhaven. Auch einige Darlehensnehmer
aus der Seestadt werden beschuldigt, weil
sie im Verdacht stehen, den Banken bewusst falsche Zahlen geliefert zu haben.
Die ersten beiden der 76 Verdächtigen sind
beim Amtsgericht in Syke wegen Kreditbetrugs angeklagt. Weitere Anklageerhebungen sollen folgen. Die Staatsanwaltschaft
Stade ermittelt seit April 2008, weil die
Steuerfahndung bei der Überprüfung einer
Immobilienfirma Verdacht geschöpft und
die Behörde eingeschaltet hatte.
Hartz IV: Länder entscheiden
Merkel hofft auf Überraschungserfolg im Bundesrat
Berlin. Nach dem Scheitern der Hartz-IVVerhandlungen setzt Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) auf einen Überraschungserfolg der Koalition im Bundesrat. Doch die
möglichen Wackelkandidaten in der Ablehnungsfront der Länder winken bereits ab.
Ein Jahr nach dem Verfassungsurteil für
eine Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze
ist damit völlig offen, wann die 4,7 Millionen Langzeitarbeitslosen und 2,5 Millionen Kinder aus armen Familien höhere
Leistungen bekommen.
Die Bundesregierung warb für ihr Paket.
„Es wird am Freitag den Ministerpräsidenten vorgelegt, und die mögen es mit Blick
auf die betroffenen Menschen und auf ihre
Verantwortung prüfen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern in Berlin.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen
(CDU) sagte im ZDF: „Jetzt ist der Tag der
Entscheidung gekommen.“ Nach rund sieben Wochen war die Kompromisssuche in
der Nacht zu gestern in gegenseitigen Vorwürfen geendet. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat billigte die Vorschläge von Union und FDP daraufhin mit schwarz-gelber Mehrheit. Nun
liegen die Pläne von der Leyens zur Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils am
Freitag der Länderkammer vor. Mangels
Mehrheit für Union und FDP dürfte das Paket dort durchfallen – es sei denn, zum Beispiel die schwarz-gelb-grüne Koalition an
der Saar oder Schwarz-Rot in Sachsen-Anhalt oder Thüringen stimmen zu. Doch aus
diesen Ländern hieß es, wenn sich die Regierungspartner nicht einig seien, bleibe es
bei einer Enthaltung. Dies kommt einer Ablehnung gleich.
Laut von der Leyen gab es Einigkeit
beim Bildungspaket für bedürftige Kinder,
der Entlastung der Kommunen und der Einführung weiterer Mindestlöhne. Beim Regelsatz für Hartz-IV-Bezieher seien die Positionen unvereinbar geblieben. Die Koalition will den Satz um fünf Euro auf 364
Euro anheben, SPD und Grüne hatten elf
Euro mehr verlangt und zuletzt eine ganz
neue Berechnungsmethode vorgeschlagen. Sozial- und Wohlfahrtsverbände wie
VdK, Kinderschutzbund, Caritas, Diakonie
und Paritätischer Wohlfahrtsverband reagierten enttäuscht und riefen Betroffene zu
Klagen auf. Kommentar Seite 2·Thema Seite 3
Netzausbau treibt Strompreise
EU-Kommissar: Steigerung um ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde
Brüssel·Bremen. Der vorgesehene Ausbau
der Energienetze in der EU wird nach Einschätzung von Energiekommissar Günther
Oettinger zu einer spürbaren Steigerung
der Strompreise für die Verbraucher führen. Laut Oettinger geht es dabei um ein
bis zwei Cent pro Kilowattstunde. Die Modernisierung der Energie-Infrastruktur hatten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei ihrem jüngsten Gipfel in Brüssel beschlossen. Nach Oettingers
Darstellung können die Energiekonzerne
den Netzausbau nur bewältigen, wenn sie
die Kosten teilweise an die Verbraucher
weitergeben. Trifft die Prognose des EUKommissars zu, müsste eine Familie mit einem jährlichen Stromverbrauch von 4500
Kilowattstunden rund 90 Euro mehr zahlen. Ein Hauptgrund für die Modernisierung der Netze ist der zunehmende Anteil
von Energie aus erneuerbaren Quellen,
etwa Wind und Sonne. Deren Produktion
ist aber schlecht planbar. Vor diesem Hintergrund warnte Oettinger, dass der zunehmende Anteil von Windkraft die Versorgungssicherheit gefährde: „Daher brauchen wir perfekte Netze, die Schwankungen ausgleichen können.“
Für den Versorger swb, dem die Netze
im Bremer Stadtgebiet gehören, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien kein Problem. „Was hier zugebaut wird, kann das
vorhandene Netz ohne Extrainvestitionen
verkraften“, sagte ein swb-Sprecher.
Wenn durch einen Ausbau des Verbundnetzes jedoch die Gebühren für die Netznutzung stiegen, treffe das auch die swb
und deren Kunden: „Eine solche Verteuerung schlägt sich sicher auch auf unsere
Verbrauchspreise nieder.“
Bremen-Wahl: Erste Hochrechnung ab 21.45 Uhr
verteilt und einzelnen Bürgerschaftsbewerbern direkt zugeBremen. Noch ist nicht alles
ordnet werden. Damit wird die
klar, aber Konturen des WahlAuszählung zeitraubender.
abends am 22. Mai zeichnen
Es soll dabei bleiben, dass die
sich inzwischen ab. „Ich hoffe,
Meinungsforscher um 18 Uhr
dass wir zur ,Tagesthemen-exeine Prognose zum Ausgang der
tra’-Sendung um 21. 45 Uhr die
Wahl veröffentlichen. Sie stützt
erste Hochrechnung liefern könsich auf Befragungen nach der
nen,“ erklärte Jörg SchönenStimmabgabe im Wahllokal.
born, WDR-Chefredakteur und
„Schwieriger ist vorherzusaWahlmoderator der ARD. Dies
gen“, so Schönenborn, „wann
sei aber „im Moment noch nicht Jörg Schönenborn
wir genau eine erste Hochrechmehr als ein ehrgeiziges Ziel“.
FOTO: VON DOLLEN nung zeigen können.“ Sie baHintergrund für eine Zurücksiert auf tatsächlichen Ergebnishaltung bei allen Beteiligten ist das neue
sen. Vorgesehen ist, dass zunächst 70
Wahlrecht, das es bei der Landtagswahl im
Stimmbezirke, die für Bremen repräsentaMai erstmals erlaubt, fünf Stimmen abzuge- tiv sind, ausgezählt werden. Weil der geben. Sie können auch parteiübergreifend
naue Zeitpunkt der Hochrechnungen noch
VON W IGBERT GERLING
nicht klar ist, stehen auch die Planungen
noch nicht fest, wann es für die Spitzenpolitiker sinnvoll und vertretbar sein könnte,
am Abend vor die Medien zu treten, um die
Lage zu bewerten. Angepeilt wird offenbar
eine erste Runde am Rande der „Tagesschau“. Regierungssprecher Hermann
Kleen sagte, Bürgermeister Jens Böhrnsen
würde sich nach Veröffentlichung einer
Prognose ab 18 Uhr gegenüber seiner Partei äußern. Die Sozialdemokraten versammeln sich im Lokal „Ständige Vertretung“
in der Böttcherstraße.
Parlamentspräsident Christian Weber erklärte, das Interesse der Medien, die aus
dem Parlament berichten wollten, sei ungebrochen. Ab 12. Mai würden Festsaal, Plenarsaal und Flure für die Arbeit der Medienvertreter frei gemacht.

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