Klimaschutz und Flugverkehr

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Klimaschutz und Flugverkehr
Klimaschutz und Flugverkehr
Positionspapier der Wiener Umweltanwaltschaft; Februar 2008
1. Einleitung
Der internationale Flugverkehr trägt durch seine massive Zunahme um etwa 50 % in
den letzten 10 Jahren immer stärker zum Klimawandel bei. Dabei sind die CO2Emissionen nicht die alleinige Ursache der Klimawirksamkeit des Flugverkehrs,
sondern auch der Ausstoß von Stickoxiden, Feinpartikeln und Wasserdampf – wobei
die Emission in großer Höhe deren Wirkung verstärkt. Ebenfalls relevant ist Ozon,
das unter der Mitwirkung von Stickoxiden durch Sonnenstrahlung entsteht, sowie
Kondensstreifen und die Bildung von Zirruswolken aus Wasserdampf. Gemäß neuen
Zahlen des IPCC gehen ForscherInnen davon aus, dass die Emissionen des
Flugverkehrs in den oberen Atmosphärenschichten im Jahresmittel eine um 2,3 bis
5 Mal höhere Treibhauswirkung haben, als das am Boden produzierte CO2
alleine.
Seit 1990 hat sich der CO2-Ausstoß des Luftverkehrs fast verdoppelt. Nach
Schätzungen des IPPC beläuft sich der Anteil des Luftverkehrs an den
gesamten von Menschen verursachten Klimaauswirkungen auf 3,5 %. Bis 2050
wird dieser Anteil voraussichtlich auf 5 % anwachsen.
Kurzstreckenflüge unter 500 km stellen die größte Umweltbelastung dar und können
je 100 Passagierkilometer oft doppelt so viel Kerosin verbrauchen, wie
Langstreckenflüge. Dies ist im hohen Treibstoffverbrauch bei Start- und
Landevorgang begründet.
Zum jetzigen Zeitpunkt muss der Luftverkehr keinerlei Maßnahmen zum Klimaschutz
setzen, da Emissionen aus dem Luftverkehr nicht vom Kyoto-Protokoll umfasst sind.
Die einzelnen Fluggesellschaften sind demnach auch nicht verpflichtet, im Rahmen
der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation Emissionen zu reduzieren.
2. Situation in Österreich
In Österreich haben sich die Passagierzahlen in den letzten 15 Jahren verdoppelt
und am Flughafen Wien fast verdreifacht. Die österreichweite CO2-Freisetzung durch
den Flugverkehr hat sich seit 1990 etwa verfünffacht.
Dieses enorme Wachstum, das mit einer Zunahme von massiven Lärmbelastungen
für die Bevölkerung und hohen Klimabelastungen verbunden ist, wird noch zusätzlich
durch Steuerbefreiungen begünstigt und so von der Allgemeinheit direkt und indirekt
subventioniert. 2006 war der Flugverkehr in Österreich für etwa 2,1 Mio. Tonnen CO2
verantwortlich. Multipliziert man dies mit einem konservativ angesetzten Faktor 2,7
für die Klimawirksamkeit, so entspricht das 5,7 Mio. Tonnen bodennah freigesetztem
CO2 und damit 6,2 % des gesamten österreichischen Ausstoßes an Treibhausgasen
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von 2004. Damit ist das Fliegen klimarelevanter als der LKW-Verkehr in Österreich,
der sich – nach Abzug des Tanktourismus – mit 4,9 Millionen Tonnen zu Buche
schlägt. Oder zum Vergleich: Der gesamte Verkehr auf Österreichs Straßen
verursacht etwa 16,5 Millionen Tonnen CO2.
Das macht deutlich, dass die Treibhauswirkung des Flugverkehrs in Österreich im
Vergleich zu den gesamten Verkehrsemissionen bereits einen nicht unerheblichen
Anteil ausmacht, welcher in Zukunft noch ansteigen wird.
3. Folgende Maßnahmen zum Klimaschutz im Bereich der Luftfahrt wären
daher dringend notwendig
Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel
Derzeit ist der Flugverkehr vom Emissionshandel ausgenommen. Über den
Emissionshandel werden die Klimaschutzkosten überwiegend von der Industrie und
der Energiewirtschaft getragen.
Die EU plant ein Emissionshandelssystem speziell für den Flugverkehr. Österreich
sollte dieses Vorhaben aktiv unterstützen. Dieses System legt die jährliche
Maximalmenge an Treibhausgasen fest, die beim Flugverkehr anfallen darf, und stellt
für diese Menge Emissionszertifikate aus, die dann gehandelt werden können. Nur
wer Emissionszertifikate besitzt, darf die entsprechende Menge Treibhausgase
verursachen.
Ein solches System ist grundsätzlich dazu geeignet, die Sitzauslastung weiter zu
verbessern, effizienteren Triebwerken zum Durchbruch zu verhelfen aber auch den
Anreiz zu steigern, dass das Flugmanagement weniger Umwegmeilen und
Warteschlaufen verursacht. Wie effizient ein solches System wirklich ist, hängt aber
von dessen Ausgestaltung und insbesondere von der Festlegung der maximalen
Emissionsmengen ab, was Gegenstand eines politischen Verhandlungssprozesses
sein wird, (der wahrscheinlich noch für viele Jahre Wachstum zulassen wird) .
Das EU-Emissionshandelssystem wird hilfreich sein zur Stabilisierung der CO2Emissionen aus dem Luftverkehr. Es wird voraussichtlich aber nicht zu einer
Reduktion von CO2 unter das heutige Niveau beitragen und auch nicht zu einer
Minderung der Lärmsituation für lärmgeplante AnrainerInnen. Es ist aber trotzdem
derzeit der einzige realistische Weg, um den Klimaeffekt der internationalen Luftfahrt
zu begrenzen. Wichtig wäre, dass die maximale Emissionsmenge möglichst tief
angesetzt wird und dass damit nicht nur die CO2-Emission, sondern die tatsächliche
Klimawirkung kompensiert wird.
Mehrwertsteuer auf Flugtickets
Nach Zahlen des Umweltbundesamtes hat sich das Passagieraufkommen auf
österreichischen Flughäfen in den letzten 10 Jahren von 7,7 Mio. auf über 14 Mio.
Passagiere verdoppelt. Der Flugverkehr ist somit der Verkehrsträger mit den im
Vergleich größten Steigerungsraten. Dennoch ist dieser Sektor mit zahlreichen
Privilegien ausgestattet, die ihn insbesondere gegenüber umweltfreundlicheren
Transportmitteln wie der Bahn besser stellen. Internationale Flugtickets sind von der
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Mehrwertsteuer befreit, während bei Bahntickets ein Mehrwertsteuersatz von 10 %
eingehoben wird.
Besteuerung von Kerosin
Eine weitere ungerechtfertigte Begünstigung und Subventionierung des Flugverkehrs
ergibt sich aus dem Umstand, dass Flugbenzin (Kerosin) generell von der
Besteuerung ausgenommen ist, während für Benzin, Diesel, Heizöl und Elektrizität
Steuern eingehoben werden. Beispielweise muss auch für den Betrieb von
Diesellokomotiven Mineralölsteuer abgeführt werden.
Da der Anteil der Kosten für Kerosin an den Betriebskosten bei Billigfliegern höher
ist, würde diese Maßnahme auch eine stärkere Verteuerung der Billigflüge mit sich
bringen und so die starke Steigerung dieses Marktsegmentes einbremsen.
Entfernungsabhängige CO2-Abgabe
Kurzstreckenflüge haben – da sie zum erheblichen Teil aus Start und Steigflug
bestehen – einen besonders hohen CO2-Ausstoß pro Kilometer. Außerdem werden:
Kurzstreckenflüge unter 1.000 km vielfach mit kleinerem Fluggerät ausgeführt,
welches in Relation zu den Passagieranzahlen wiederum mehr Treibstoff verbraucht
und oft weniger gut ausgelastet ist. Der Verbrauch an Kerosin je 100
Passagierkilometern kann bei Kurzstreckenflügen doppelt so hoch sein wie bei
Langstreckenflügen. Bei Kurzstreckenflügen bis zu 500 km verbraucht das Flugzeug
fünf- bis sechsmal soviel Energie wie die Bahn, bei mittleren Distanzen sind es je
Fluggast immer noch bis zum Dreifachen mehr.
Eine höhere CO2-Abgabe (oder Besteuerung von Tickets) für Flüge unter 1.000 km
erscheint somit sinnvoll. Andere Verkehrsmittel wie die Bahn können bei diesen
Distanzen – bei entsprechender Infrastruktur – attraktive Alternativen bieten.
Gestaltung der Landegebühren nach lärm- und klimarelevanten Kriterien
Die verschiedenen Flughäfen in Europa, haben bereits unterschiedliche mehr oder
weniger wirksame Regelungen zu lärmabhängigen Landegebühren eingeführt. Am
Flughafen Wien wird derzeit im Dialogforum an einem lärmabhängigen
Landegebührenmodell gearbeitet, das leisere Flugzeuge begünstigen soll. Hier
sollten als weiteres Kriterium auch die klimarelevanten Emissionen der
Flugzeugtypen mit einfließen.
Prinzipiell sollte sich Österreich stark machen, dass EU-weite einheitliche und
wirksame Regelungen für solche lärmabhängigen und klimarelevanten
Landegebühren eingeführt werden. Damit könnten der Austausch und die
Weiterentwicklung von sowohl leiseren als auch schadstoffärmeren Flugzeugen
wesentlich effektiver unterstützt und gefördert werden.
Verbesserung der öffentlichen Verkehrsanbindung an den Flughafen
Die hohen Abgasbelastungen durch Feinstaub und Stickoxiden in der Umgebung von
Flughäfen werden einerseits durch die Start- und Landevorgänge, andererseits durch
das hohe Verkehrsaufkommen rund um die Flughäfen verursacht. Daher sollten
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Maßnahmen gesetzt werden, die dazu beitragen, dass die An- und Abreise zum
Flughafen verstärkt mit dem öffentlichen Verkehr erfolgen. Nur 25 % der Fluggäste
des Flughafens Wien nutzen die öffentlichen Verkehrsanbindungen.
Am Flughafen Wien ist zwar mit der Schnellbahn und dem Flughafenzug CAT eine
leistungsfähigen Bahnverbindung für die Fluggäste möglich, aber die Intervalle der
Zugsverbindungen könnten noch besser auf die Spitzenzeiten des Flugverkehres
abgestimmt werden (Intervallverdichtung zu Spitzenzeiten, bessere
Nachtverbindungen).
Darüber hinaus sollte jedes Flugticket auch als Fahrschein für eine Fahrt nach Wien
und zurück gelten (Fahrscheinpreis sollte im Flugticket enthalten sein).
Leistungsfähige öffentliche Bus- und Bahnverbindungen im Einzugsbereich des
Flughafens für die Beschäftigten am Flughafen. Eventuell sollte auch der Flughafen
betriebseigene Sammelbusse einrichten.
Der Beitrag des Flugverkehrs zum Klimawandel wird immer größer, während
man sich in allen anderen Bereichen zur Reduzierung von CO2- Emissionen
verpflichtet. Von einer Kostenwahrheit im Flugverkehr ist man weit entfernt.
Neben regionalen und nationalen Maßnahmen im Nahbereich von Flughäfen ist
hier allerdings die EU aufgerufen, dieses Problem auf internationaler Ebene
durch ein entsprechendes Maßnahmenbündel wirkungsvoll anzugehen.
Österreich hat hier seine politische Verantwortung wahrzunehmen und sich
massiv für entsprechende Regelungen einzusetzen.
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Quellenangaben und weiterführende Links
Austria's National Inventory Report 2007 (UNFCCC-Berichtspflicht)
Achter Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamtes
Fokus Flugverkehr - Folgen des Wachstums (2007) - Publikation des VCÖ
Die Abgabe auf Flugtickets – Ein Beitrag zur Solidarität und zum Klimaschutz_
Ökosoziales Forum Europa
Luftverkehr und Klima: Elmar Uherek - Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
(http://www.atmosphere.mpg.de/enid/8a398c272aa76f87182ce2028332e559,0/Nr2J
uneO5_Research_5s2.html)
Flugverkehr heute und morgen: Elmar Uherek - Max-Planck-Institut für Chemie,
Mainz
(http://www.atmosphere.mpg.de/enid/653fbdb3373438a064f7316b8367778e,0/1__D
ynamik___Flugverkehr/-_Flugverkehr_1nb.html)
Euro-Activ: Luftfahrt und Emissionshandel
(http://www.euractiv.com/de/verkehr/luftfahrt-emissionshandel/article140030#summary)
Anmerkung: Diese Seite bietet umfangreiche weiterführende Links zu
Stellungnahmen, Informationen und Papieren der EU-Kommission, des EUParlaments und zu zahlreichen anderen Organisationen!
Commission (DG Environment): Aviation and climate change
Commission (press release): Climate change: Commission proposes bringing air
transport into EU Emissions Trading Scheme
Commission (memo): Questions & Answers on aviation & climate change (20 Dec.
2006
Für Rückfragen:
Wiener Umweltanwaltschaft
DI Alfred Brezansky
1190 Wien, Muthgasse 62
Tel.: +43-1-37979- 88986
E- Mail: [email protected], [email protected]
www.wua-wien.at
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