Die Apotheke An Der ecke

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Die Apotheke An Der ecke
Die Apotheke an der Ecke
Chancen und Herausforderungen im Wettbewerb
Sandra Altmeyer [11055612]
Diplom 2. NT: Service Design
Betreuerin: Prof. Birgit Mager
Köln International School of Design
2008
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Die Apotheke an der Ecke
Chancen und Herausforderungen im Wettbewerb
Sandra Altmeyer [11055612]
Diplom 2. NT: Service Design
Betreuerin: Prof. Birgit Mager
Köln International School of Design
2008
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3
VORWORT
Früher kannten sich Apotheker und Kunden meist mit Namen. Der
persönliche Kontakt wurde groß geschrieben und damit auch das
Vertrauen beim Medikamentenkauf.
Mittlerweile hat sich jedoch der Preiswettbewerb bei freikäuflichen
Medikamenten verschärft. 2004 wurde der Versand-Arzneihandel
erlaubt – seitdem können beispielsweise über das Internet
Medikamente erworben werden.
Die vollständige Liberalisierung des Apothekenmarktes ist momentan
ein brisantes Spannungsfeld. Fällt in den kommenden Monaten
das Mehr- und Fremdbesitzverbot bei Apotheken, wäre der Weg
für große Apothekenketten frei. Während schon seit einiger Zeit
Drogeriemärkte und Lebensmittelhändler eigene Abteilungen für
rezeptfreie Medikamente eingerichtet haben, werden diese nach dem
Fall des Verbots auch rezeptpflichtige Arzneien verkaufen können.
Nach Informationen der Financial Times Deutschland prognostizieren
Experten bereits das Aus von 4000 bis 6000 der insgesamt 21.500
deutschen konventionellen Apotheken.
Die vorliegende Arbeit soll besonderes Augenmerk auf den
Konsumenten legen. In welcher Position sieht sich der Patient (und
damit Konsument) hinsichtlich dieser Thematik? Welche Ansprüche
und Erwartungshaltungen stellt er bei der Selbstmedikation? Können
Drogeriemärkte mit Medikamenten zu Schnäppchenpreisen Vertrauen
schaffen?
Weiterhin soll geklärt werden, welche Änderungen auf die örtliche
Apotheke im Zuge der verstärkten Liberalisierung zu kommen. Wie
reagieren die Apotheken, um den neuen Marktgegebenheiten gerecht
zu werden? Gibt es bereits Service-Strategien, die es den traditionellen
Apotheken ermöglichen, sich von der Konkurrenz abzuheben und sich
beim Kunden zu behaupten?
4
5
INHALTSVERZEICHNIS
1. Aufbau und ziel der arbeit
2. Der deutsche Pharmamarkt
6
9
2.1 Der Markt pharmazeutischer Produkte
4.2 Ergebnisse
33
4.2.1 Studentin
4.2.2 Junge Familie
36
4.2.3 Selbstständiger
38
2.1.1 Abgrenzung des Arzneimittelbegriffs
10
4.2.4 Familie
40
2.1.2 Klassifikation der Arzneimittel
11
4.2.5 Ehepaar
42
14
4.2.6 Rentner
44
2.2 Stakeholder
2.2.1 der staat
15
2.2.2 Die pharmazeutische industrie
2.2.3 Krankenversicherungen
16
2.2.4 Ärzte
17
2.2.5 Apotheker
18
2.2.7 GroSShändler und Einzelhändler
2.3 Beziehung und Kommunikation
4.3 Touchpoints
4.3.1 Vor Einkauf: Motivation und Information
4.3.2 Während und nach dem Einkauf
5. Customer Journeys
21
5.2 Persona 2: Medikamente aus dem Drogeriemarkt
3.1 Die Liberalisierung im Apothekenmarkt
3.2 Konkurrierende Einkaufsplattformen
3.2.1 Internet: Medikamente per mausklick
3.2.2 Apothekenkooperationen
3.2.3 Neu: Drogeriemärkte
48
52
22
6. Herausforderungen und chancen
3. Zukunft der klassischen Apotheke
46
5.1 Persona 1: medikamente aus dem Internet
2.2.6 Patienten / Konsumenten
57
25
6
.1 Konklusion der Konsumentenbefragung
27
6.2 In jeder Herausforderung liegen Chancen
58
6.3 Fazit
59
und der Customer journey
29
7. Designperspektiven
60
7.1 Spezialisierung vor generalisierung
4. Konsumentenbefragung
31
4.1 Ziel der befragung
7.2 Neue Beziehungs-Netzwerke
61
7.3 Innovative Technologien
62
4.1.1 Auswahl der Zielpersonen
4.1.2 Fragenkatalog
4.1.3 Untersuchung der Hausapotheke
33
Quellenverzeichnis
64
Versicherung
67
6
7
1. Aufbau und ziel der arbeit
Um einen ersten Einstieg in das Thema zu geben ist es notwendig,
die wesentlichen Grundlagen des deutschen Pharmamarktes zu
umfassen (2.). Hierzu gehören Daten zur Branchenstruktur und
zur Pharmaproduktion. Darauf aufbauend wird zum einen die
Begrifflichkeit des Arzneimittels abgegrenzt (2.1.1) und klassifiziert
(2.1.2). Daraufhin folgt eine Übersicht über die wichtigsten Interessengruppen (Stakeholder) auf dem Pharmamarkt und deren Beziehung zueinander (2.2).
Ausgehend von den Ergebnissen der Befragung folgt eine Customer Journey durch die unterschiedlichen Berührungspunkte, die
ein Konsument auf der Suche nach einem passenden Medikament
(z.B. Infobroschüren oder Internetforen mit Erfahrungsberichten),
bis hin zum letztendlichen Kauf (z.B. eine klassische Apotheke, ein
Drogeriemarkt, eine Internet-Apotheke) durchläuft (4.3). Diese
werden mithilfe unterschiedlicher Personen wiedergegeben (z.B.
einem chronisch Kranken, einem Rentner, einer Studentin etc.).
Als weitere Grundlage wird näher auf den Begriff der Selbstmedikation eingegangen. Hierzu wird die aktuelle Thematik „Liberalisierung im Apothekenmarkt“ angesprochen (3.1) und in diesem
Kontext die wichtigsten Orte bzw. Plattformen vorgestellt, die zur
Beschaffung rezeptfreier Medikamente dienen (3.2).
Zusammenfassend soll die Customer Journey und die Konsumentenbefragung Schwächen im bisherigen Service aufweisen und
mögliche Hürden, die dem Konsumenten den Weg zum richtigen
Medikament versperren, rechtzeitig sichtbar machen. (6.)
Daraufhin folgt der praktische Teil der Arbeit in Form einer Konsumentenbefragung (4.). Unterschiedliche Personen werden innerhalb ihres privaten Umfelds besucht und befragt. Dabei wird
außerdem deren Hausapotheke unter die Lupe genommen (4.2),
um die Kaufgewohnheiten des Konsumenten sichtbar zu machen
(enthält seine Hausapotheke zum Beispiel eher Originalprodukte
oder Generika?).
Die Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Informationsplattformen werden aus Kundensicht ermittelt. Es wird untersucht,
welche Leistungsdimensionen die Konsumenten besonders hoch
gewichten und wie sie dementsprechend ihr Kaufverhalten und
Vertrauen ausrichten. Wie ist zum Beispiel die Erwartungshaltung
im Bezug auf Service? Welche Entscheidungskriterien (eventuelle
Meinungsbildner) bestehen hinsichtlich Einkaufsort und letztendlicher Produktauswahl?
Abschließend erfolgt ein Ausblick (7.). Es werden mögliche Designperspektiven erörtert. Dies geschieht anhand angedachter Konzepte, welche den Kundenbedürnissen bestmöglich entsprechen.
8
9
2. Der deutsche Pharmamarkt
Der Pharmamarkt wird von einer Vielzahl von Untergliederungen sowie regulatorischen Rahmenbedingungen geprägt. Durch strenge Gesetze und Vorschriften, sowie durch besondere Beziehungen zwischen
den Marktteilnehmern, grenzt sich der deutsche Pharmamarkt stark
vom Konsumgütermarkt ab.1
Wirtschaftlich gesehen ist er ein sehr bedeutender Markt. Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2007 achten mittlerweile
33 Prozent der deutschen Bevölkerung sehr stark auf ihre Gesundheit,
und fast jeder Zweite (47 Prozent) geht regelmäßig zu einer medizinischen Vorsorgeuntersuchung.2 So machte der deutsche Pharmamarkt
im Jahr 2007 einen Umsatz von 26,8 Mrd. Euro. Davon erreichte allein
der Apothekenmarkt ein Umsatzvolumen von 23 Mrd. Euro.3
2.1 Der Markt pharmazeutischer Produkte
Pharmazeutische Produkte stehen im Allgemeinen für Produkte, die
medizinischen Zwecken dienen und zur Erhaltung der Gesundheit oder
zur Linderung von Schmerzen und Leiden eingesetzt werden.
Der Begriff „pharmazeutische Produkte“ steht umfassend für Arzneimittel, Verbandstoffe, Desinfektionsmittel und medizinisch-technische
Geräte.4
1
2
Vgl. Stada Arzneimittel: Der Pharmamarkt. Definitionen im Zusammenhang erläutert. o.J.
<http://stada.de/unternehmen/investoren_service/glossar/definitionpharmamarkt.asp>
(Stand: 13.03.2008)
Vgl. INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH: MEHR GESUNDHEITSBEWUSSTSEIN IN DER
BEVÖLKERUNG. 2007 / Nr. 13 <http://www.ifd-allensbach.de/pdf/prd_0713.pdf>
(Stand: 14.03.2008)
3 Vgl. IMS Health: Entwicklung des Pharmamarktes im Dezember und im Jahr 2007. 14. Februar
2008 <http://www.imshealth.de/sixcms/media.php/16/Pharmamarkt%20Dezember_2007.pdf>
(Stand: 13.03.2008)
4 Vgl. Symposion: Arnim Jost. Computer Aided Selling im Pharma-Kundenmanagement. 1998
<http://www.verkauf-aktuell.com/fb_cas.htm> (Stand: 15.03.2008)
10
11
2.1.1 Abgrenzung des Arzneimittelbegriffs
Der Arzneimittelbegriff lässt sich nach rechtlichen, anwendungsgebietsorientierten und produktspezifischen Kriterien definieren.
Der Arzneimittelbegriff ist gesetzlich festgelegt und wird wie folgt
definiert:
„(1) Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu
bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper
1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen,
2. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers
oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
3. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe
oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen,
4. Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder
5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers
oder seelische Zustände zu beeinflussen.“5
Rechtlich zu unterscheiden ist der Begriff des Fertigarzneimittels. Fertigarzneimittel sind industriell hergestellte Medikamente und werden
als gebrauchsfertige Arzneizubereitungen in einer Endverbraucherpackung in den Handel gebracht.
Im Gegensatz zu Fertigarzneimitteln werden so genannte Rezepturarzneimittel in Apotheken individuell für einen Patienten hergestellt
(beispielsweise angemischte Salben oder Tinkturen). Gründe für diese
Verordnung sind Allergien oder Nebenwirkungsreduzierung spezieller
Wirkstoffe, die in dieser Menge oder Zusammensetzung nicht im Handel erhältlich sind. Rezepturarzneimittel sind in der Regel nicht konserviert und nur begrenzt haltbar.6
Medikamente. Umgangssprachlich wird das Wort Arzneimittel jedoch
häufig synonym mit Medikament verwendet.
Abzugrenzen sind zudem Hilfs- und Heilmittel. Nach dem Gesetz sollen Hilfsmittel Behinderungen ausgleichen, gesundheitlichen Schäden
entgegenwirken oder die Rehabilitation unterstützen. Dazu gehören
beispielsweise Rollstühle oder Hörgeräte. Heilmittel werden zur äußerlichen Behandlung angewendet. Die Heilmittel-Richtlinien beschreiben
diese als Maßnahmen der Physiotherapie und der Physikalischen Therapie, der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie und der Ergotherapie.7
Als Generika werden Arzneimittel bezeichnet, die eine wirkstoffgleiche
Kopie eines Erstanbieterprodukts - also eines Originalpräparats - sind.
Das Generikum entspricht dem Originalpräparat bezüglich Wirksamkeit, muss jedoch nicht zwingend die gleichen Inhaltstoffe enthalten
und identischen Herstellungstechnologien entstammen. In der Regel
sind Generika preisgünstiger als Arzneimittel des Erstanbieters, da hier
keine Entwicklungskosten zur Produktion des Wirkstoffs anfallen. Generika können jedoch erst dann produziert werden, wenn der Patentschutz des Originalpräparats abgelaufen ist.8
2.1.2 Klassifikation der Arzneimittel
Das Arzneimittelgesetz entscheidet zwischen dem Verordnungsmarkt
(verschreibungspflichtige Arzneimittel) und dem OTC-Markt (frei verkäufliche Arzneimittel). Dabei ist der Verordnungsmarkt das deutlich
größere Marktsegment, da neue Wirkstoffe in der Regel zunächst für
mehrere Jahre einer automatischen Verschreibungspflicht unterliegen,
bis ihr Risikopotenzial hinreichend abschätzbar ist.
Der Begriff Arzneimittel schließt alle Medikamente ein, geht aber über
den Begriff eines Medikamentes hinaus. Blutpräparate oder Diagnostika wie beispielsweise Kontrastmittel sind zwar Arzneimittel, aber keine
Verschreibungspflichtige Arzneimittel (auch ethische Arzneimittel genannt) dürfen in Apotheken nur gegen eine ärztliche Verordnung bzw.
ein ärztliches Rezept an Patienten abgegeben werden. Freiverkäufliche
Arzneimittel sind aufgrund ihres günstigen Risiko-Nutzen-Verhältnisses
für die Selbstmedikation geeignet und ohne Verschreibung erhältlich.
Sie sind so genannte OTC-Präparate. OTC (Over the counter = über
5
6
7 Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen nach § 92 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB V
8 Vgl. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Arzneimittel im Fokus. Ausgabe 1 / 2005. PDF
<http://www.kbv.de/startseite_fachbesucher.html> (Stand: 16.03.2008)
Vgl. Bundesministerium der Justiz: Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln.
§2 AMG Abs. 1 Satz 1-5 <http://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/__2.html>
(Stand: 14.03.2008)
Vgl. Meyers Lexikonverlag: Fertigarzneimittel
<http://lexikon.meyers.de/meyers/Fertigarzneimittel> (Stand: 15.03.2008)
12
13
den Ladentisch) lautet das internationale Kürzel für Medikamente zur
Selbstmedikation.
Unter dem Begriff Selbstmedikation werden laut Definiton des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) alle „eigenverantwortlichen Maßnahmen mit rezeptfreien Arzneimitteln zur Erhaltung
der Gesundheit und zur Behandlung von Gesundheitsstörungen“
verstanden. Die Arzneimittel werden bei der Selbstmedikation vom
Verbraucher selbst gekauft und bezahlt und nicht zu Lasten der Krankenversicherung verordnet. Das schließt mit ein, dass der Patient bei
geringfügigen gesundheitlichen Beschwerden eine Eigendiagnose stellt
und selbst die Entscheidung über die Behandlungsmaßnahme trifft. 9
Die Anwendung von Medikamenten im Sinne der Selbstmedikation
umfasst viele Krankheitssymptome und dementsprechend auch unzählige Produktangebote. Hierzu gehören auch Arzneitees, Vitamine in
Tablettenform oder zum Auflösen, Mineralstoffe wie Magnesium und
Calcium oder Mittel zur Wundversorgung wie Pflaster, Binden und Salben. Diese Produkte können in Apotheken, Drogerien oder Supermärkten erstanden werden.
Außerdem werden teilweise auch Nichtarzneimittel, wie Medizinprodukte und Gesundheitsmittel, zum OTC-Markt hinzugezählt. Die
Zuordnung einzelner Wirkstoffe zu den einzelnen Segmenten erfolgt
dabei auf der Basis nationaler Gesetzgebung und kann damit von Land
zu Land differieren. Die Distributoren freiverkäuflicher und apothekenpflichtiger freiverkäuflicher Arzneimittel bilden den Selbstmediktionsmarkt.
Abschließend werden Arzneimittel nach ihrer Erstattungsfähigkeit klassifiziert. Es wird unterschieden zwischen erstattungsfähigen Arzneimitteln, deren Kosten von dem jeweiligen nationalen Sozialversicherungssystem übernommen werden (in Deutschland so genannter GKV-Markt)
und den nicht erstattungsfähigen Arzneimitteln, die der Patient selbst
auswählt und bezahlt (Selbstmedikationsmarkt).10
Der OTC-Markt kann weiter nach zwei Kategorien untergliedert werden: ob die Arzneimittel zwingend in Apotheken abgegeben werden
müssen, da sie einer Beratung bedürfen (apothekenpflichtige Arzneimittel) oder ob diese auch außerhalb von Apotheken, beispielsweise
in Drogerien oder Reformhäusern, vertrieben werden dürfen (frei verkäufliche Arzneimittel).
Seit neuesten Liberalisierungen ist es auch Drogeriemärkten gestattet,
rezeptpflichtige Medikamente zu vergeben. Jedoch erfolgt dies immer
noch über eine zuständige ausländische Versandapotheke. Drogeriemärkte können ihren Kunden also nur einen Bestell- und Abholservice
anbieten (mehr dazu in 3.2).
9 Vgl. Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH): Der Arzneimittelmarkt in Deutschland
in Zahlen. <http://www.bah-bonn.de/index.php?id=zahlen> (Stand: 19.03.2008)
10 Vgl. Stada Arzneimittel: Der Pharmamarkt. Definitionen im Zusammenhang erläutert. o.J.
<http://stada.de/unternehmen/investoren_service/glossar/definitionpharmamarkt.asp>
(Stand: 13.03.2008)
14
15
2.2 Stakeholder
2.2.1 Der Staat
Der Pharmamarkt ist durch eine große Anzahl an Marktteilnehmern
gekennzeichnet, die in unterschiedlicher Beziehung zueinander stehen.
Die wichtigsten Marktteilnehmer sind der Staat, Krankenversicherungen, die pharmazeutische Industrie, Ärzte, Apotheker, Großhändler,
Einzelhändler und Patienten.
Der Staat ist für die die Erarbeitung von Gesetzesentwürfen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zuständig. Zu den zentralen
Aufgaben zählen die Entwicklung, Sicherung und Erhaltung einer
leistungsfähigen gesetzlichen Krankenkasse sowie der Pflegeversicherung. Die Reform des Gesundheitswesens ist eine der wichtigsten Aufgaben des Ministeriums mit dem Ziel, unabhängig von wirtschaftlichen
und sozialen Faktoren ein finanzierbares und soziales Gesundheitssystem zu sichern.
Des Weiteren werden folgende Aufgaben gestaltet:
- Rahmenvorschriften für die Sicherung der Arzneimittelversorgung
(Herstellung, klinische Prüfung, Zulassung, Vertriebswege und Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, um den hohen Anforderungen an Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gerecht
zu werden).
- Einschränkung des Arzneimittelmissbrauchs (Prävention der Drogenund Suchtgefahr)
- Verbraucherschutz (Schutz des Menschen in seiner Rolle als Verbraucher und Berufsgesetze. Einschließlich entsprechende Ausbildungsregelungen, um die Qualität der entsprechenden Berufsausübung und
damit auch der Versorgung zu gewährleisten)
Um den Wissensstand in Bezug auf das Gesundheitswesen kontinuierlich zu verbessern, werden dazu notwendige Informationen im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung erarbeitet.11
2.2.2 Die pharmazeutische Industrie
Die pharmazeutische Industrie umfasst alle Unternehmen, die sich mit
Forschung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb von pharmazeutischen Produkten befassen – in Deutschland sind das ca. 1045 Unternehmen.12 Dabei weist sie eine gemischte Struktur mit kleinen, mittleren
und großen pharmazeutischen Unternehmen auf. Gemessen an der
Wertschöpfung und auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung gilt die pharmazeutische Industrie als eine der leistungsstärksten
und produktivsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Im Vergleich zu
11 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit - ein Kurzporträt <http://www.bmg.bund.de/cln_040/
nn_600120/DE/Ministerium-BMG/Aufgaben/aufgaben-node,param=.html__nnn=true>
(Stand: 17.03.2008)
12 Vgl. Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI): Pharma-Daten 2007, Kompakt.
<http://www.bpi.de/UserFiles/File/download/pharmadaten_07_komp.pdf>
16
17
anderen Industriezweigen werden der Pharmabranche von 34 analysierten deutschen Wirtschaftszweigen die besten Zukunftsaussichten
prognostiziert - sie profitiert sehr stark von den erwarteten technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen und hat eine der besten
Wachstums- und Entwicklungsperspektiven.13
Die Interessen der pharmazeutischen Industrie werden durch wichtige
deutsche Verbände vertreten: Dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI),14 dem Verband forschender Arzneimittelhersteller
(VFA),15 dem Verband aktiver Pharmaunternehmen (VAP) und dem
Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH).16
2.2.3 Krankenversicherungen
Im deutschen Pharmamarkt gibt es zwei Arten von Krankenversicherungen: Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die Private
Krankenversicherung (PKV).
Die gesetzliche Krankenversicherung ist Teil der Sozialversicherung.
Der Beitragssatz basiert auf staatlich festgelegten Leistungen. Ziel und
sozialer Auftrag ist es, einen vollen Versicherungsschutz unabhängig
von der finanziellen Leistungsfähigkeit der einzelnen Mitglieder zu gewährleisten. Dies setzt ein Umlageverfahren voraus, wodurch Personen
mit mittlerem Einkommen zu Gunsten geringer Verdienender belastet
werden und beispielsweise Familienangehörige ohne eigenes Einkommen beitragsfrei mitversichert sind. Dabei werden die Leistungen nach
dem „Sachleistungsprinzip“ erbracht – Versicherte müssen zum Beispiel
bei einem Arztbesuch nicht in Vorleistung treten.
Heute sind laut GKV 90 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung
gesetzlich versichert. Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind
die gesetzlichen Krankenkassen. Die Kontrolle wird durch gewählte
Vertreter der Versicherten und der Arbeitgeber ehrenamtlich ausgeübt.
Insgesamt gibt es sieben Kassenarten und zurzeit etwa 237 Krankenkassen, die bundesweit oder regional organisiert sind. Für den Selbstmedikationsbereich ist die GKV jedoch irrelevant, da der Verbraucher
seine Medikamente selbst bezahlt.17
13 Vgl. Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.: Statistics 2007. Die Arzneimittelindustrie in
Deutschland. <www.vfa.de> (Stand: 14.03.2008)
14 Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) <http://bpi.de>
15 Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) <http://www.vfa.de>
16 Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) <http://www.bah-bonn.de>
17 Vgl. Gesetzliche Krankenversicherung (GKV): Aufgaben
<http://www.gkv.info/gkv/index.php?id=72> (Stand: 18.03.2008)
Die Private Krankenversicherung (PKV) basiert auf individuellen Leistungsbeiträgen der Versicherungsnehmer – je nach Leistungspaket der
Krankenkasse und (neben anderen Parametern) Alter und gesundheitlicher Konstitution des Versicherungsnehmers. Im Gegensatz zur GKV ist
die Beitragsfinanzierung risikobezogen und einkommensunabhängig,
und der Versicherte schließt mit dem Arzt einen Behandlungsvertrag
ab, aus dem sich dann der Vergütungsanspruch des Arztes gegenüber
dem Patienten ergibt.18
2.2.4 Ärzte
Der Arzt tritt im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel
als Vermittler und im Bereich der Selbstmedikation als Berater und
Empfehler auf. Unter das Aufgabenfeld eines Arztes fallen mitunter
Gesundheitsberatung, Krankheitsvorsorge und -früherkennung, sowie
Wiedereingliederung (Rehabilitation) Kranker und Behinderter in die
Gesellschaft. Vermehrte Spezialisierung und Technisierung innerhalb
der Medizin, sowie Gesetzgebung und Verwaltungen haben das Berufsbild des Arztes in den letzten Jahren stark verändert.
Der Arzt hat gegenüber seinem Patienten eine „Aufklärungspflicht“.
Das heißt, er muss patientengerecht und verständlich alle mit der
Behandlung verbundenen Gefahren erläutern. Zudem besteht eine
„Dokumentationspflicht“. Hierzu gehören Aufzeichnungen zur Anamnese, Diagnostik und Behandlung. Um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu garantieren, unterliegen alle Befunde und
Informationen über persönliche Lebensumstände des Patienten, der
„Schweigepflicht“. Über gesetzliche Ausnahmen entscheidet die
„Meldepflicht“, beispielsweise bei bestimmten Infektionskrankheiten,
Schwangerschaftsabbrüchen, Geburten und Berufskrankheiten.19
Alle Ärzte, die zur Behandlung von Kassenpatienten zugelassen bzw.
berechtigt sind, werden durch Interessenverbände wie der „Kassenärztlichen Vereinigung“ (KV) vertreten. Diese verhandeln mit den Krankenkassen, über Arzneimittelbudgets, Honorare und sonstige Bereiche der
Leistungserbringung.20
18 Vgl. Verband der privaten Krankenversicherung (PKV)
<http://www.pkv.de/zahlen/zahlenbericht_2006_2007.pdf> (Stand: 19.03.2008)
19 Vgl. Meyers Lexikonverlag: Arzt. 27 Februar 2007.
<http://lexikon.meyers.de/index.php?title=Arzt&oldid=109845> (Stand: 19.03.2008)
20 Vgl. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein – Dienstleister im Interesse der Gesundheit.
<http://www.kvno.de/ueberuns/index.html> (Stand: 19.08.2008)
18
19
2.2.5 Apotheker
In einer öffentlichen Apotheke arbeiten ausschließlich Arzneimittelfachleute. Die Apotheke unterliegt zahlreichen gesetzlichen Regelungen (beispielsweise dem Arzneimittelgesetz, der Apothekenbetriebsordnung und dem Sozialgesetzbuch). In §20 ABO sind die Hauptaufgaben bzw. -funktionen des Apothekers definiert. Demnach hat der
Apotheker einer Beratungs- und Kontrollfunktion folge zu leisten, um
damit die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Die
Beratungsfunktion zielt größtenteils auf den Selbstmedikationsmarkt
ab. Das schließt mit ein, dem Patienten oder Kunden eine ausführliche
Beratung zu geben, ihn über Nebenwirkungen aufzuklären und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten aufzuzeigen. Des
Weiteren ist die Aufgabe des Apothekers die Prüfung, Herstellung und
Abgabe von Arzneimitteln nach ärztlichem Rezept oder im Handverkauf und seine Rolle als Ansprechpartner für Ärzte, wenn es um fachliche Fragen aus dem Bereich Arzneimittel geht.21
Um einen Arztbesuch zu vermeiden, bei dem eine Praxisgebühr fällig
wird und rezeptfreie Arzneien in der Regel ohnehin nicht von den
Krankenkassen übernommen werden, versorgen sich immer mehr
Deutsche selbst mit Arzneimitteln.24
Zusätzlich steht die Verbesserung durch Vorbeugung im Vordergrund,
wie beispielsweise gesunde Ernährung und Fitness oder Einnahme
von Vitamintabletten. Gesundheit bedeutet heute körperliches und
seelisches Wohlbefinden und Wohlfühlen, für das man selbst viel tun
kann. Es geht nicht mehr nur um Medizin und Krankheit, sondern auch
um Wellnessprodukte und Lifestyle-Trends.25 Mit dieser neuen Eigenverantwortlichkeit wird der einzelne Mensch zum „Konsumenten“. Im
weiteren Verlauf der Arbeit werden deshalb die Begriffe Verbraucher
oder Kunde verwendet, da sie den Gesundheitsbewussten sowie den
Patienten einschließen.
Die Apotheken werden von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) vertreten – einem Zusammenschluss der LandesApotheker-Kammern und der Landes-Apotheker-Verbände.22
Im Jahr 2006 kam die Zahl der Apotheken in Deutschland auf 21.551
und auf jede Apotheke 3.825 Einwohner.23
2.2.6 Patienten / Konsumenten
Als Endverbraucher von Arzneimitteln wird der einzelne Mensch
im Falle einer Krankheit und der damit zusammenhängenden
Konsultation eines Arztes, als „Patient“ tituliert.
Seit den 60er Jahren erfährt jedoch die Selbstmedikation eine rasante
Entwicklung: Das Verhältnis der Menschen zur eigenen Gesundheit
verändert sich. Die professionelle Beratung und Rezeptverschreibung
durch einen Arzt, nimmt nicht mehr unbedingt den größten Stellenwert ein.
22 ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. <http://www.abda.de>
23 E.b.d. Zahlen und Fakten. <http://www.abda.de/zahlen_daten_fakten.html> (Stand:15.03.2008)
24 Vgl. Universität Göttingen: Bardeck, Maik-Andre: Selbstmedikation und die Rolle des Hausarztes
– eine wissenschaftliche Telefonbefragung. PDF.
<http://www.sub.uni-goettingen.de/ebene_1/diss/dissmed.html> (Stand: 18.03.2008)
25 Vgl. Marketing-Gesellschaft Deutscher Apotheker mbH.: Beratung in der Apotheke
<http://www.mgda.de/beratung-in-der-apotheke.htm> (Stand: 18.03.2008)
20
21
Die Selbstmedikation hat sich zu einer wichtigen Säule des Gesundheitssystems entwickelt: Die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2007 belegt eine verstärkte Tendenz zu mehr Selbstverantwortung und Selbständigkeit. Demnach kaufen 67 Prozent der Bevölkerung bei Bedarf rezeptfreie Arzneimittel ohne einen Arzt zu konsultieren - nur 23 Prozent fühlen sich erst nach einer Arztkonsultation sicher,
auch wenn sie nichts Ernstes vermuten.
Laut einer Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK greift jeder Versicherte zu selbst gekauften Präparaten – pro Jahr sind es sechs
Arzneimittel pro Person. Auch Soziodemografische Unterschiede spielen eine erhebliche Rolle: Mit dem Einkommen und dem Bildungsgrad
steigt die Eigenmedikation und der Frauenanteil beim Konsum freiverkäuflicher Medikamente und Heilmittel überwiegt deutlich gegenüber
dem der Männer.27
2.2.7 GroSShändler und Einzelhändler
Wichtigster Verteiler zwischen Hersteller, Apotheke und Konsument ist
der pharmazeutische Großhandel. Aufgaben sind der sichere, schnelle
und kontinuierliche Vertrieb von Medikamenten, sowie verschiedene
Servicefunktionen (beispielsweise die Beratungsfunktion zur Hilfe bei
Produktplatzierung in der Apotheke, Schaufenstergestaltung oder
Müllentsorgung). Dabei unterliegt der Großhandel gesetzlich festgelegten Leistungsvorgaben, wie der Arzneimittelsicherheit, der ständigen Verfügbarkeit aller Arzneimittel, der flächendeckenden Versorgung, sowie der Gewährleistung der Therapiefreiheit des Arztes.28
Zu den größten Unternehmen gehören beispielsweise ANZAG, Sanacorp, die Gehe AG und Europas größter Pharma-Großhändler Celesio.
Weitere Distributionskanäle bilden Einzelhändler wie Drogeriemärkte
und Reformhäuser, die ihre Warensortiment mit pharmazeutischen
Produkten erweitern und den Kunden als gesundheitsbewussten Verbraucher ansprechen (siehe hierzu 3.).
Die meistverkauften OTC-Produkte sind nach Schmerzmitteln
(48 Prozent), Mittel gegen Erkältungen (32 Prozent). Vitamine,
Mineralstoffe und Stärkungsmittel bilden einen weiteren Schwerpunkt bei der Selbstmedikation.26
26 Vgl. INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH: MEHR GESUNDHEITSBEWUSSTSEIN IN DER
BEVÖLKERUNG. 2007 / Nr. 13 <http://www.ifd-allensbach.de/pdf/prd_0713.pdf>
(Stand: 14.03.2008)
27 Vgl. Wissenschaftliches Institut der AOK: Arzneimittelmarkt: Selbstmedikation im Fokus. Ergebnisse einer Repräsentativ-Umfrage unter 3.000 GKV-Versicherten. WIdO-monitor 2006; 3(1):1–7
<http://wido.de/uploads/media/wido_mon_selbstmed_0506.pdf> (Stand: 17.03.2008)
28 Vgl. Consumer Business: Der pharmazeutische Großhandel: Fit für einen veränderten Markt
<http://www.lz-net.de/studien/pdf/105.pdf> (Stand: 16.03.2008)
22
23
2.3 Beziehung und Kommunikation
Alle Marktteilnehmer werden durch folgende Faktoren beeinflusst:
1. politsch-rechtliche Einflüsse
(z.B. Gesetze oder Verordnungen)
2. technologische Einflüsse
(z.B. neue Produktionsverfahren oder Forschungsmethoden)
3. gesellschaftliche Einflüsse
(z.B. allgemeine Anforderungen oder Werthaltungen)
4. ökologische Einflüsse
(z.B. Umweltschutzmaßnahmen hinsichtlich Produktionsverfahren)
Interaktion und Austausch der Stakeholder untereinander erfolgen auf
dem Pharmamarkt indirekt:
Die pharmazeutische Industrie ist für die Produktion zuständig. Dabei
werden die produzierten Arzneimittel hauptsächlich durch Großhändler an Apotheken weitergegeben. Drogeriemärkte werden teilweise
direkt vom Hersteller beliefert, meist über einen ausländischen Versandhandel. Von der Apotheke oder dem Drogeriemarkt gelangen die
Medikamente zum Konsumenten, der im Falle eines verschreibungspflichtigen Medikaments ein ärztliches Rezept vorlegt. Zusätzlich zahlt
er bei Verschreibungspflicht die so genannte Zuzahlung. Die Apotheke
reicht das Rezept bei der Krankenkasse ein und erhält von dieser den
Gegenwert in Euro.
Übersicht der Beziehungen und Kommunikation im Verordnungsmarkt:
24
25
3. Zukunft der klassischen Apotheke
3.1 die Liberalisierung im Apothekenmarkt
Der deutsche Arzneimittelmarkt hat sich in den letzten Jahren stark
verändert. Dabei verschieben sich die Machtverhältnisse zwischen Herstellern und Händlern. Vor allem die Zukunft des deutschen Apothekenmarkts ist unsicher. Wettbewerb und Konkurrenzfähigkeit nehmen
heute einen immer wichtigeren Stellungswert ein.29
Die klassischen Apotheken haben bereits durch die vergangenen Veränderungen im Markt mit neuen Herausforderungen zu kämpfen: Das
GKV-Modernisierungsgesetz, mit dem Ziel, die Kosten des öffentlichen
Gesundheitswesens zu reduzieren und die Beiträge zu den Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) auf ca. 13% des Bruttogehalts zu senken,
brachte 2004 die Erlaubnis zum Versandhandel mit apothekenpflichtigen Medikamenten, unabhängig davon, ob dieser durch inländische
Apotheken oder Apotheken aus anderen Mitgliedstaaten der EU erfolgt. Demnach können Patienten bzw. Konsumenten ihre Arzneimittel
auch per Internet oder telefonisch bestellen, mit der Voraussetzung,
dass sie bei verschreibungspflichtigen Medikamenten ein Rezept von
ihrem Arzt vorweisen. Daraufhin traten zahlreiche Online-Apotheken
in Konkurrenz mit der klassischen Apotheke.30
Während lange Zeit nur studierten Pharmazeuten der Besitz von
maximal vier Apotheken gestattet wurde (eine Hauptapotheke und
drei Filialen) und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände heftig für das Fremd- und Mehrbesitzverbot, und damit gegen eine
vollständige Liberalisierung des Apothekenmarktes gekämpft hat,31 ist
seit Mitte März 2008 der Versandhandel mit Medikamenten durch das
Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich erlaubt und Brüssel hat ein
Verfahren eröffnet, um auch in Deutschland Apothekenketten zuzulassen.32 Das Betreiben einer Apotheke wird damit gerade für den Großhandel und neue Marktteilnehmer zu einem interessanten Geschäfts-
29 Vgl. Medikamente aus dem Supermarkt? 28. Februar 2008.
<http://www.handelsblatt.com/news/_pv/_p/200040/_t/ft/_b/1397389/default.aspx/index.html>
(Stand: 16.03.2008)
30 Vgl. Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker. GKV Modernisierungsgesetz 01.01.2004 <http://
www.dav-awa.de/archiv/2004.html> (Stand: 16.03.2008)
31 Vgl. Ärzte Zeitung: Konventionelle Apotheken sehen ihre Nase vorn. 11.03.2008
<http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/arzneimittelpolitik/?sid=486334>
(Stand: 16.03.2008)
32 Vgl. SWR2 Geld, Markt, Meinung: Die Angst vor der Kette. Deutschlands Apothekenmarkt vor
der Liberalisierung. 15.03.2008. <http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/geld-marktmeinung/-/id=658972/nid=658972/did=3122742/th6snq/index.html> (Stand: 17.03.2008)
26
27
modell: Es gibt bereits zahlreiche Apothekenkooperationen auf Franchisebasis, hinter denen vor allem Pharmagroßhändler wie die Celesio
AG stehen. Diese könnten schon bald zu Deutschlands erster großen
Apothekenkette umgewandelt werden.33
Des Weiteren hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden – und damit der Klage eines Drogeriemarktbetreibers stattgegeben – dass auch
Drogeriemärkte und Lebensmittelhändler rezeptpflichtige Arzneien
verkaufen dürfen.34
Kritiker der Liberalisierung befürchten, dass dies für fast 4000 der
21 000 unabhängigen Apotheken das Aus bedeutet.35 ABDA-Präsident
Heinz-Günter Wolf verkündete in einer Pressemitteilung: „Das ist ein
schwarzer Tag für den Verbraucher- und Patientenschutz. […] Es geht
darum, die Verbraucher aktiv zu schützen und ihnen ein qualitatives
Höchstmaß bei der Arzneimittelversorgung und -sicherheit zu garantieren […].“36 Die drohenden Billigangebote und Rabattaktionen
wrden als eine gefährliche Entwicklung angesehen: „Medikamente
werden ‚zum Produkt der normalen Verbrauchbarkeit’.“37
Zwar würde dies laut Expertendiskussion nicht sofort auf die deutsche
Marktordnung durchschlagen und nicht automatisch eine komplette
Umstrukturierung des bewährten Distributionskanals zur Folge haben,
aber eine Monopolisierung der Vertriebsstrukturen (und damit bedingt
der Aufbau von Key-Account Strukturen (Zentraleinkauf), Listinggebühren, eigene Regalpflege im Sicht- und Freiwahlbereich und der Aufbau von Handelsmarken) würde langfristig gesehen auch viele pharmazeutische Hersteller überfordern. Das wirtschaftliche Überleben einer
Vielzahl kleinerer, hoch spezialisierter pharmazeutischer Unternehmer
wäre gefährdet, da sich die Anzahl der im Markt befindlichen Produkte
allein auf die dominierenden Indikationen beschränken würde.38
33 Vgl. Wyeth: Apothekenrecht: EU fordert Stellungnahme der Regierung. 04.02.2008 <http://
www.wyeth.de/News_Presse/News_Details.aspx?newsid=1202125387> (Stand: 13.08.2008)
34 Vgl. Tagesschau: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Drogerien dürfen in Arzneiversandhandel
einsteigen. 13.03.2008 <http://www.tagesschau.de/wirtschaft/medikamentenhandel2.html>
(Stand: 14.03.2008)
35 Vgl. Presseportal: Öffnung des Apothekenmarktes: Umbruch mit Nebenwirkungen? EUROFORUM-Konferenz “Handel und Wandel in Apotheken” 11. und 12. März 2008, München.
12.02.2008 <http://www.presseportal.de/pm/6625/1134835/euroforum_deutschland_gmbh/>
(Stand: 14.03.2008)
36 Die Bundesvereinigung Deutscher Apotheken e.V.: Schwarzer Tag für den Verbraucherschutz:
Apotheker fordern nach “dm”-Urteil Politik zum Handeln auf. 13.03.2008
<http://www.apothekenkammer.de> (Stand: 14.03.2008)
37 Vgl. WDR: Erste “Billig-Apotheke” in NRW eröffnet in Essen: Medikamente für die Hälfte.
02.03.2007. <http://www.wdr.de/themen/gesundheit/pharmazie/easyapotheke/index.jhtml>
(Stand: 14.03.2008)
38 Pharmareport: 10. BPI-Unternehmertag: „Pharmamärkte in Bewegung“. Herausforderungen
annehmen – Lösungen finden. Ausgabe 6. 12/2007. <http://www.bpi.de/UserFiles/File/bpi/pharma_report/PR_0607_72dpi.pdf> (Stand: 14.03.2008)
3.2 Konkurrierende Einkaufsplattformen
3.2.1 Internet: Medikamente per Mausklick
Die GfK ermittelte bereits 2005 in ihrer „Online Shopping Survey“, dass
jeder zweite Deutsche zwischen 14 und 69 Jahren über das Internet
kauft. Demnach waren im Jahr 2004 Medikamente die größten Wachstumsmärkte beim E-Commerce. Im Jahr 2004 hatten aufgrund der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Online-Apotheken in Deutschland 1,7 Millionen Internet-Nutzer Medikamente online bestellt.39
Aktuelle Ergebnisse der Forschungsgruppe Wahlen zeigen, dass der
Kauf rezeptfreier Medikamente im Internet auch in den letzten zwei
Jahren stetig zugenommen hat und weiterhin ein beachtliches Entwicklungspotenzial birgt: Demnach nutzten im IV. Quartal 2007 9 Prozent aller Deutschen ab 18 Jahren das Internet zum Kauf rezeptfreier
Medikamente. Bezogen auf die Gruppe der Internet-Nutzer sind dies
14 Prozent (Ende 2006 waren es noch elf Prozent und 2005 sechs Prozent). Vor allem hat bereits jeder fünfte Internet-Nutzer ab 60 Jahren
online Medikamente gekauft.40
3.2.2 Apothekenkooperationen
Easy-Apotheke: Medikamentenkauf als Shoppingerlebnis
Mit der „Easy-Apotheke“ wurde in Essen die landesweit erste „BilligApotheke“ eröffnet. Das Konzept bietet den Kunden durch Verzicht
auf Zugaben wie Seifenproben, Tees und Taschentücher, frei verkäufliche Medikamente für fast die Hälfte des normalen Preises. Im Eingangsbereich stehen wie in einem Drogeriemarkt Einkaufskörbe für
den „Ladenbummel“. Beratungsbereich und Bezahlung sind getrennt.
Nur an der Theke stehen Apotheker und an der Kasse Pharmazieassistenten. Zudem gibt es keine Schubladen mehr, sondern die Medikamente kommen per Knopfdruck aus einem automatisierten Schacht.41
39 Vgl. ENIGMA GfK: Pressemitteilung: Ergebnisse des Online Shopping Survey 2005. 28.04.2008
<http://www.enigma-gfk.de/download/pd-OSS-05-04-28-fin.pdf> (Stand: 18.03.2008)
40 Vgl. Forschungsgruppe Wahlen. Internet-Strukturdaten. Repräsentative Umfrage - IV. Quartal
2007. 08.01.2008. <http://www.forschungsgruppe.de/Studien/Internet-Strukturdaten/>
(Stand: 18.03.2008)
41 Vgl. WDR: Erste “Billig-Apotheke” in NRW eröffnet in Essen: Medikamente für die Hälfte.
02.03.2007. <http://www.wdr.de/themen/gesundheit/pharmazie/easyapotheke/index.jhtml>
(Stand: 18.03.2008)
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29
Doc-Morris-Apotheke: Medikamente zu Schnäppchenpreisen
Europas größter Pharmahändler, die Stuttgarter Celesio AG, hat im Jahr
2007 die damals noch kleine Versandapotheke „DocMorris“ gekauft.
Mittlerweile ist DocMorris mit 100 Apotheken in Deutschland zu einer
starken Dachmarke geworden. Lokale Apotheken folgen dem Franchising-Prinzip und tauschen ihr rotes Apothekenlogo gegen das grüne
DocMorris-Kreuz ein. Die Celesio AG plant, bei vollständiger Liberalisierung im Apothekenmarkt Deutschlands erste Apothekenkette zu gründen: Dies soll nach Vorbild der Brillenkette Fielmann erfolgen, die sich
durch Schnäppchenpreise und trotzdem guten Service auszeichnet.43
Linda-Gruppe: Rabatt-Aktionen mit Bestpreis-Garantie
Die Linda-Gruppe bietet ein Payback-Bonusprogramm, Gewinnspiele,
das „Linda-Magazin“ mit Fernsehprogramm und Geschenke für Kunden, die beispielsweise zwei statt einer Sonnencreme kaufen. Zudem
erhält ein Kunde ein bestimmtes Präparat, das er in einer Nicht-Partner-Apotheke zu einem niedrigeren Preis entdeckt hat, zum gleichgünstigen Preis. 42
3.2.3 Neu: Drogeriemärkte
dm
Nach jahrelangem Rechtsstreit mit der Stadt Düsseldorf, die einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz sah, darf die Drogeriemarktkette
dm seit Mitte März 2008 ihren Medikamentenverkauf fortsetzen. Inzwischen betreibt dm in Nordrhein-Westfalen innerhalb 86 Filialen einen sogenannten „Pharma-Punkt“ in Form eines Apotheken-Terminals.
42 Vgl. Monster: Apothekenmarkt im Wandel 11.06.2007
<http://healthcare.monster.de/13321_de-de_pf.asp> (Stand: 16.03.2008)
43 Vgl. SWR2: Geld, Markt, Meinung: Die Angst vor der Kette. Deutschlands Apothekenmarkt vor
der Liberalisierung. 15.03.2008. <http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/geld-marktmeinung/-/id=658972/nid=658972/did=3122742/th6snq/index.html> (Stand: 16.03.2008)
30
31
4. Konsumentenbefragung
Dort können Kunden Bestellscheine und auch Rezepte abgeben, die
dann an eine Apotheke in den Niederlanden weitergeleitet werden.
Diese sendet die Arzneimittel in einem verschlossenen Umschlag an die
jeweilige Niederlassung zurück oder auf Wunsch auch direkt zum Kunden nach Hause. Jedoch dürfen die Drogerie-Mitarbeiter keine Auskünfte zu den Medikamenten erteilen, da das Gericht klarstellte, dass
sich der Beitrag der Drogerie auf logistische Leistungen beschränken
muss.44 dm fungiert somit lediglich als Briefkastenfirma und setzt dies
als Service-Angebot zur Kundengewinnung ein.45
4.1 Ziel der Befragung
Ziel ist, durch einen Besuch im persönlichen Umfeld herauszufinden,
welche Erwartungen oder Bedürfnisse der Konsument beim Einkauf
von rezeptfreien Arzneimitteln hat und welche Leistungen er besonders schätzt. Zudem soll in Erfahrung gebracht werden, welche
Einkaufs-Plattformen er nutzt und warum er diese bevorzugt. Im Ergebnis soll abgeleitet werden, inwiefern die klassische Apotheke den
Herausforderungen des liberalisierten Arzneimittelmarktes mit einem
entsprechend gestalteten Service begegnen kann.
4.1.1 Auswahl der Zielpersonen
Die ausgewählten Personen sollen verschiedene Altersschichten abdecken und ihre subjektive Meinung zur bestehenden Marktsituation äußern. Dadurch wird der Aspekt der Arzneimittelbeschaffung nochmals
aus einem persönlicheren Blickwinkel beleuchtet.
4.1.2 Fragenkatalog
Das Interview besteht aus offenen Fragen. Hier geht es ausschließlich
um „rezeptfreie“ Arzneimittel, also Produkte die bei der Selbstmedikation zum Einsatz kommen, ohne vorher einen Arzt zu Rate gezogen zu
haben:
Schlecker und Rewe
Auch der Drogerie-Discounter Schlecker und die Rewe-Group planen
über eine ausländische Versandapotheke ihren Kunden verschreibungsfreie Medikamente und Apotheken-Artikel mit bis zu 40 Prozent Rabatt anzubieten.46
44 Vgl. Tagesschau: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Drogerien dürfen in Arzneiversandhandel
einsteigen. 13.03.2008 <http://www.tagesschau.de/wirtschaft/medikamentenhandel2.html>
siehe auch: Oberverwaltungsgericht: Bestell- und Abholservice von Medikamenten ist rechtens.
MDR Tagesschau 17:00 Uhr, 13.03.2008
<http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video289414.html> (Stand: 14.03.2008)
45 Vgl. Tagesschau: Medikamentenmarkt im Umbruch: Beruhigungsmittel aus dem Supermarkt?
15.02.2008 <http://www.tagesschau.de/wirtschaft/arzneimittel8.html> (Stand: 15.03.2008)
46 Vgl. Handelsblatt: Rewe peilt eigene Apotheken an. 27.02.2008. <http://www.handelsblatt.com/
News/Unternehmen/Handel-Dienstleistungen/_pv/grid_id/1206554/_p/200040/_t/ft/_b/1396868/
default.aspx/rewe-peilt-eigene-apotheken-an.html> (Stand: 14.03.2008)
Auswahlkriterien Ort
1.
Einkaufsort: Wo kaufen Sie in der Regel Ihre Medikamente ein?
2.
Besuchshäufigkeit: Wie oft besuchen Sie diese Einkaufsplattform?
3.
Besuchsgrund Ort: Warum wählen Sie diesen Einkaufsort?
4.
Besuchsgrund Einkauf: Kommen Sie wegen eines Rezepts, wegen
akuter Beschwerden, Auffrischung Ihrer Hausapotheke, spontanem
Einkauf etc.?
5.
Besuchsgrund Einflussnehmer: Was oder wer hat Sie auf den Einkaufsort aufmerksam gemacht?
32
33
Einkaufskriterien
4.1.3 Untersuchung der Hausapotheke
6.
Preisbewusstsein: Inwiefern hängt Ihre Kaufentscheidung vom Preis
eines Medikaments ab?
7.
Markenbewusstsein 1: Wie wichtig ist Ihnen die Marke bzw. der Bekanntheitsgrad eines Medikaments?
8.
Markenbewusstsein 2: Wechseln Sie öfter die Marken im Sortiment
Ihrer Hausapotheke oder bleiben Sie eher bei den gleichen Medikamenten?
Um eine Übersicht über das bestehende Produkt-Sortiment zu bekommen werden die befragten Personen aufgefordert, einen Einblick in
ihre Hausapotheke zu gewähren. Durch einen Vergleich mit den anderen Hausapotheken können Unterschiede oder Gemeinsamkeiten festgestellt werden, beispielsweise welche Produkte oder Medikamente
überwiegend gekauft wurden.
9.
Informationsbeschaffung: Wissen Sie schon vor Einkauf welches Produkt Sie wollen?
4.2 Ergebnisse
4.2.1 Studentin
10. Informationsbeschaffung und Orientierung: Woher nehmen Sie ihre
Informationen?
Dominique Balaton, 24 Jahre
alt, studiert Werbung- und
Marktkommunikation.
11. Vertrauen und Glaubwürdigkeit 1: Wie stark vertrauen Sie allgemein
auf diese Vielzahl an Informationsquellen? Was halten Sie von den
Einzelnen?
12. Vertrauen und Glaubwürdigkeit 2: Wie sehr vertrauen Sie der Qualität
von Medikamenten, die Sie über eine Online-Apotheke bestellen oder
in einem Drogeriemarkt kaufen können?
13. Vertrauen und Glaubwürdigkeit 3: Inwiefern sind Sie schon einmal in
Ihren Erwartungen an ein Produkt enttäuscht worden? Sei es durch
schlechte Beratung in der Apotheke oder aufgrund falscher Informationsquellen.
Service
14. Leistungskompetenz 1: Wie zufrieden sind Sie mit der Qualität und
Kompetenz der Apotheker oder der Freundlichkeit des Personals?
15. Leistungskompetenz 2: Nutzen Sie Informations- oder spezielle Serviceangebote (z.B. Angebote für spezielle Beratungen und medizinische Tests, wie „Osteoporose-Test“/Blutdruckmessung etc. oder Vergünstigungen durch Bonuskarten oder -münzen)?
16. Informationsbedürfnis: Sind Ihnen diese Informationen immer ausreichend?
17. Orientierung Ort: Finden Sie sich immer gut zu recht?
Auswahlkriterien Ort
Ich kaufe meine Medikamente in der Apotheke und im Drogeriemarkt.
Dabei hängt es von meinem gesundheitlichen Zustand ab, wie oft ich
dort einkaufe – vielleicht ein Mal in zwei Monaten. In der letzten Zeit
war ich häufiger in der Apotheke und seltener in der Drogerie. Zur
Apotheke komme ich auf Grund eines Rezeptes oder einer akuten Beschwerde. Ich finde, dass die Apotheke besser ist, da sie mir immer eine
kompetente Beratung bietet. Viele Produkte und Hersteller kenne ich
bereits seit meiner Kindheit. Somit spielt auch die Erfahrung mit den
Produkten durch mich und durch meine Mutter bzw. durch Freunde
und Bekannte eine große Rolle. Zusätzlich gefallen mir die Proben und
Produktbeigaben. Wirklich aufmerksam gemacht hat mich auf die Apotheke niemand. Auch gehe ich nicht nur in eine Apotheke, sondern in
verschiedene.
In die Drogerie kann mich auch eine spontane Laune führen (Vitamine
kaufen …), oder ich brauche dringend etwas gegen die „ersten Anzeichen“ wie Halskratzen und es ist keine Apotheke in der Nähe. Beim
Drogeriemarkt ist für mich außerdem das Preis-Leistungs-Verhältnis
entscheidend. Dort gibt es Produkte, bei deren Kauf man „nichts falsch
machen kann“. Oftmals sind diese im Vergleich zur Apotheke auch
günstiger.
34
35
Einkaufskriterien
Preisbewusstsein
Da ich Studentin bin, achte ich auf den Preis. Gerne nehme ich die
günstigere Variante, wenn eine gleiche bzw. sehr ähnliche Leistung zu
erwarten ist. In besonderen Fällen, in denen z.B. eine schwerere Erkrankung vorliegt, darf es auch mehr kosten. Im Endeffekt geht es um
die eigene Gesundheit, und da darf man auch mehr ausgeben.
Markenbewusstsein
Da ist mir dann auch die Marke eines Medikaments im Grunde nicht
sehr wichtig. Ich vergleiche eher nach den Inhaltsstoffen oder der Zusammensetzung. Nur in besonderen Fällen vertraue ich aber auf die
Marke, z.B. bei einer schwereren Krankheit oder einer besonderen
Situation. Wie kurz vor einem Urlaub, wenn ich merke, dass ich krank
werde und zu verhindern versuche, dass die Krankheit ausbricht. Auch
wenn es schnell gehen muss, tendiere ich zur Marke, da ich aus Erfahrungsgründen rasch weiß, was ich mit dem Kauf des Produktes habe.
Bin ich mit mehr oder weniger bekannten und unbekannten Marken
zufrieden, dann bleibe ich diesen meist treu. Dies erleichtert mir den
Einkauf bei bekannten Symptomen. Erfahrungen von Freunden können mich jedoch dazu bewegen, eine andere Marke zu versuchen.
Auch eine Empfehlung der Verkäuferin kann mich dazu bewegen, eine
andere Marke zu testen.
Informationsquellen
Bei Medikamenten weiß ich anfangs eher nicht, welches ich kaufen
werde. Ich lasse mich da gerne beraten. Sagt mir die Verkäuferin, welche Medikamenten-Art bei meinen Symptomen geeignet wäre, dann
weiß ich allerdings meist Produkte dieser Medikamenten-Kategorie,
die ich dann aus Bekanntheitsgründen bevorzuge.
Mein Wissen über bestimmte Medikamente oder was bei Krankheiten
hilft, bekomme ich oft von Familie, Freunden oder Bekannten. Ich
nutze aber auch das Internet zur Informationsbeschaffung und zum
Vergleich von Marken, Herstellern und Produkten. Dazu besuche ich
Internetforen mit Erfahrungsberichten. Seiten mit Tipps und Tricks und
auch Seiten, welche dem Preisvergleich dienen, beachte ich bei meiner
Recherche – obwohl ich mir bewusst bin, dass es sich dabei um subjektive Meinungen handelt. Das Internet ist oftmals verwirrend – besonders
Blogs und Foren bombardieren einen regelrecht mit Meinungen. Deshalb schenke ich dieser Infoquelle weniger Vertrauen.
Ich wurde auch bereits enttäuscht – durch Beratung von Bekannten
und durch Foren-Beiträge. Mit der Beratung durch Apotheker habe ich
oft gute bis sehr gute Erfahrungen gemacht und mir dadurch häufig
den Arztbesuch erspart.
Service
Mit der Kompetenz der Apotheker bin ich sehr zufrieden. Die der
Drogerie-Verkäufer lässt zu wünschen übrig. Zudem würde ich mir
dort mehr kompetente Beratung wünschen – sei es durch Personal,
oder durch einen Computer, in den ich meine Symptome eingeben
kann, und welcher mir entsprechende Produkte empfiehlt, die gegen
diese Symptome wirken. Ich nutze auch keine speziellen Serviceangebote, weil es mir bereits zu viele Serviceangebote in allen möglichen
Bereichen gibt. Da sich mein Bedarf in Grenzen hält, lohnt sich meiner
Meinung nach solch ein Kundenbindungsprogramm bei mir nicht. Ansonsten sind die Informationen im Grunde ausreichend. Ich würde mich
aber über Möglichkeiten freuen, welche den Vergleich mit gleichen
bzw. sehr ähnlichen bis verwandten Produkten vereinfachen würde.
Auch Produkte die noch eher unbekannt sind und vielleicht in anderen
Ländern verwendet werden. Ich finde mich auch immer gut zu Recht,
denn Apotheken haben meist ein ähnliches Aufbauschema. Suchen ist
mir allerdings zu aufwändig. Wenn ich etwas Bestimmtes möchte, frage ich nach und lasse mich beraten.
Online finde ich meist ein Chaos vor – weshalb sich meine Kaufbereitschaft auf Apotheken und Drogeriemärkten beschränkt. Die Menüführung ist oft verwirrend. Meist muss ich lange suchen, bis ich finde, was
ich möchte. Oder ich verirre mich auf einer Seite. Die Übersicht und
Vergleichsmöglichkeit sollte verbessert werden.
Blick in die Hausapotheke
36
37
4.2.2 Junge Familie
Stefanie Knebel, 32 Jahre alt,
Diplom-Biologin und DiplomBetriebswirtin und Sven Knebel, 35 Jahre alt, Informatiker,
mit Tochter Lillia, 16 Monate.
Service
Mit der Kompetenz der Apotheker waren wir bisher immer zufrieden.
Aber wir nutzen dort keine weiteren Leistungsangebote. Ich finde, das
ist meist zusätzliche Geldmacherei und ich verspreche mir nicht viel
davon. Auch die Warenpräsentation in der Apotheke ist mir nicht so
wichtig, da bei den meisten Produkten keine Selbstbedienung möglich
ist. Die Informationen sind aber fast immer ausreichend. Falls nicht,
informiere ich mich über das Internet. Wobei man da auch nicht immer
weiß, woran man ist. In Drogeriemärkten hingegen finde ich die Anordnung zweckmäßig – sie ist übersichtlich und einfach. Dort frage ich
auch deshalb weniger nach Hilfe, weil das Personal meiner Meinung
nach wenig Ahnung hat.
Auswahlkriterien Ort
Blick in die Hausapotheke
Wir kaufen unsere Medikamente in der Apotheke, aber auch manchmal im Drogeriemarkt. Meist ist das alle zwei Wochen und hauptsächlich wegen akuter Beschwerden. Apotheke und Drogeriemarkt sind
beide nur 3 Minuten zu Fuß entfernt, und wir bekommen dort die Medikamente, die wir brauchen.
Apotheken sind eh fast immer gleich oder ähnlich gut ausgestattet. Da
gibt es immer ein Grundvertrauen – egal in welcher Stadt oder in welchem Stadtteil man sich aufhält.
Einkaufskriterien
Preisbewusstsein
Im Grunde kaufen wir nicht auf Vorrat, sondern nur was wir akut benötigen. Da wir eine kleine Tochter haben, ist uns der Preis für ihre
Gesundheit nicht wichtig.
Markenbewusstsein
Wir achten zumindest nicht bewusst auf Marken und wechseln selten
unsere Produkte. Deshalb wissen wir auch oft schon im Vorhinein, was
wir einkaufen werden.
Informationsquellen
Bei unserer Tochter informieren wir uns am liebsten direkt beim Arzt
oder Apotheker. Mit Empfehlungen von Bekannten sind wir da eher
kritischer. Da ich mich durch mein Studium mit Konzentrationen von
Inhaltsstoffen etc. etwas auskenne, kann ich auch selbst überprüfen,
wie sinnvoll die Medikamente sind. Die Enttäuschung war schon oft
groß bei Medikamenten, die in der Werbung gepriesen werden und
dann nicht gewirkt haben.
38
39
4.2.3 Selbstständiger
David Jäger, 28 Jahre, Geschäftsführer einer Werbeagentur.
Markenbewusstsein
Siehe oben – obwohl mir grundsätzlich bei Medikamenten die Marke
weniger wichtig ist, als etwa bei Kleidung, reagiere ich dennoch positiv
auf das Markenversprechen angesehener Hersteller, wie z.B. Bayer.
Informationsquellen
Als Informationsquelle dient mir in allererster Linie die Empfehlung des
Arztes (denn aus Eigeninitiative kaufe ich maximal Kopfschmerztabletten, nicht mehr). In zweiter Linie beachte ich den Rat des Apothekers,
etwa wenn ich frage, was es gegen Hustenreiz gibt.
Auswahlkriterien Ort
Ich kaufe meine Medikamente bisher ausschließlich in der Apotheke,
lokal vor Ort. Obwohl ich aufgrund meines Asthmas regelmäßig, etwa
einmal im Monat, zur Apotheke muss, habe ich noch nie online Medikamente gekauft, es sei denn, es handelte sich um spezielle Produkte,
die nur online erhältlich waren (z.B. Kosmetika, die nicht in Deutschland vertrieben werden).
Obwohl ich grundsätzlich sehr Internet affin bin, bin ich eher skeptisch,
was das Kaufen von Medikamenten übers Internet angeht. Dies kann
ich weniger sachlich begründen, vielmehr ist es eine Grundhaltung.
Besonders hervorzuheben ist bei der Wahl „meiner“ lokalen Apotheke, dass ich mich hierbei in keiner Weise von Argumenten wie Preis
oder persönlicher Beratung leiten lasse. Vielmehr stehen für mich der
persönliche Umgang, also gewissermaßen die „Soft Skills“ im Vordergrund, die in der Vergangenheit des Öfteren sehr wichtig für mich waren. Zum Beispiel hat mir der Apotheker schon oft ein rezeptpflichtiges
Medikament ausgehändigt, und zwar ohne, dass ich ein Rezept dabei
hatte – an sich ein Gesetzesverstoß. Dies tat der Apotheker in dem Wissen, dass ich als chronisch Asthmakranker regelmäßig auf dieses Medikament angewiesen bin und in dem Vertrauen darauf, dass ich das
Rezept zeitnah nachreichen werde.
Einkaufskriterien
Preisbewusstsein
Der Preis spielt bei Medikamenten, ähnlich wie bei Lebensmitteln, eine
untergeordnete Rolle. Ich habe nichts dagegen, für ein Markenprodukt, von dessen Qualität ich überzeugt bin, einen höheren Preis zu
zahlen. Die „Sparfuchsmentalität“ liegt mir in diesem Zusammenhang
völlig fern. Nichtsdestoweniger weiß ich es zu schätzen, wenn mich der
Apotheker von sich aus auf preislich attraktivere und qualitativ äquivalente Generika anderer Hersteller aufmerksam macht.
Service
Über die medikamentöse Beratung hinaus gehende Serviceleistungen,
wie etwa Blutdruckmessen oder ähnliches, sind für mich völlig uninteressant. Entweder ich gehe zum Arzt oder ich lasse es ganz bleiben.
Positiv nehme ich das über Medikamente hinausgehende Angebot der
lokalen Apotheken auf. Wenn ich etwa eine Sonnencremé mit hohem
Lichtschutzfaktor suche, kaufe ich gerne in der Apotheke zu einem
höheren Preis, mit dem entsprechenden Qualitätsversprechen im Hinterkopf. In diesem Zusammenhang bin ich eher skeptisch, was den Verkauf von Medikamenten in Drogeriemärkten angeht, da dies für mich
gewissermaßen eine „Aufweichung“ der qualitativen Trennung von
Produkten im freien Verkauf und Produkten aus der Apotheke bedeutet.
Blick in die Hausapotheke
40
41
4.2.4 Familie
Detlef Härtkorn, 43 Jahre alt,
Bankkaufmann. Seine Frau
Sonja, 38 Jahre alt ist Hausfrau
und Mutter mit zwei Kindern,
9 und 6 Jahre alt.
Service
Ich nutze die Bonuskarten meiner Apotheke, da ich hierdurch sparen
kann und mich nicht unnötig gebunden fühle, und da ich ohnehin zur
gleichen Apotheke gegangen wäre. Mit der Freundlichkeit des Personals und den Leistungen der Apotheke bin ich schon zufrieden, finde
die angebotenen Waren jedoch oft zu teuer.
Blick in die Hausapotheke
Auswahlkriterien Ort
Wir kaufen zu rund 80 Prozent in der klassischen Apotheke und zu 20
Prozent in Drogeriemärkten, und zwar mit einer Häufigkeit von etwa
1x pro Woche.
Wir schätzen die Apotheke wegen der zuverlässigen Verfügbarkeit und
dem breit gefächerten Sortiment, sowie der Serviceleistung, dass nicht
vorrätige Medikamente sehr schnell bestellt und geliefert werden können.
Wir gehen insbesondere in die Apotheke, wenn akute Beschwerden
vorliegen. Der Wahl unserer „Stammapotheke“ liegt zugrunde, dass
der Apotheker Kunde der BW Bank ist, bei der ich arbeite.
Einkaufskriterien:
Preisbewusstsein
Bei gleichen Wirkstoffen wählen wir das preiswertere Medikament aus
– insofern achten wir schon darauf.
Markenbewusstsein
Die Marke ist dabei völlig unerheblich, wobei wir bei vertrauten Medikamenten bleiben.
Informationsquellen
Wir achten darauf, wer die Informationen verfasst – egal, ob in Zeitschriften, Zeitungen oder im Internet und haben grundsätzlich ein
gesundes Misstrauen gegenüber der Pharmaindustrie und ihren Vermarktungsstrategien.
42
43
4.2.5 Ehepaar
Johannes Lang, 60 Jahre alt,
ist Pensionär. Seine Frau Monika, 59 Jahre alt, ist Sekretärin.
Service
Mit der Beratung in unserer Apotheke sind wir sehr zufrieden, auch
das Personal ist sehr freundlich und hilfsbereit. Wir nutzen aber keine Serviceangebote. In unserer Apotheke finden wir uns gut zurecht.
Auch unsere Online-Apotheke ist übersichtlich und bedienerfreundlich.
Blick in die Hausapotheke
Auswahlkriterien Ort
Wir kaufen unsere Medikamente entweder in der Apotheke, in einer
Internet-Apotheke oder im Drogeriemarkt. Aber das ist nicht all zu oft,
nur wenn wir etwas benötigen – vielleicht vierteljährlich. Unsere Apotheke und Drogeriemarkt sind direkt am Ort. In die Apotheke gehen
wir wegen eines Rezepts und eventuell Beratung. Die Internet-Apotheke ist natürlich noch bequemer, diese nutzen wir um unsere Hausapotheke aufzufrischen. Darauf haben uns Verwandte aufmerksam
gemacht.
Einkaufskriterien
Preisbewusstsein
Wir kaufen in der Internet-Apotheke, weil die gleichen Medikamente
da meistens billiger angeboten werden.
Markenbewusstsein
Uns sind die Marke und der Bekanntheitsgrad eines Medikaments sehr
wichtig und deshalb bleiben wir auch eher bei den gleichen Medikamenten und Marken.
Informationsquellen
Wir kaufen nie spontan ein, vielleicht im Drogeriemarkt mal einen
Gesundheitstee, aber meist wissen wir schon vor dem Einkauf welches
Produkt wir wollen. Wir lesen gern Gesundheitsmagazine oder fragen
Verwandte oder Bekannte. Manchmal sehen wir auch bestimmte Fernsehsendungen, die in den Dritten Programmen laufen. Beratung durch
den Apotheker ist dann oft nicht mehr nötig, aber natürlich bringen
wir das meiste Vertrauen immer noch der Beratung in unserer Apotheke entgegen. Zur Online-Apotheke haben wir in sofern Vertrauen, als
wir nur Medikamente kaufen, die wir schon kennen. Zumindest hatten
wir bis jetzt keine negativen Erfahrungen gemacht.
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45
4.2.6 Rentner
Rudolf Gold, 71 Jahre
alt und Herta Gold,
74 Jahre alt, beide
Rentner.
Auswahlkriterien Ort
Wir kaufen unsere Medikamente regelmäßig in der Apotheke. Aber
dann hauptsächlich nach einem Arztbesuch zur Rezepteinlösung. Wenn
die Medikamente bekannt sind, machen wir das über unsere Kinder
und Enkel. Sie kaufen uns dann Medikamente in größeren Packungen
in der Internet-Apotheke – diese haben deutliche Preisvorteile. Das ist
ca. vierteljährlich, immer wenn der Vorrat zur Neige geht.
Bei der klassischen Apotheke ist es wirklich wichtig, dass gute Parkmöglichkeiten vorhanden sind. Ansonsten freut man sich, wenn es nette kleine Geschenke wie Taschentücher oder Pflaster gibt.
Wir waren auch schon einmal in einer Doc-Morris-Apotheke, aber dort
sind oft sehr lange Warteschlangen und das ist uns dann eher zu anstrengend.
Wenn wir uns besser mit dem Computer auskennen würden, würden
wir aber bestimmt noch häufiger die Online-Apotheke nutzen. Das ist
einfach bequemer. Besonders wenn man nicht mehr ganz so fit ist.
Einkaufskriterien
Preisbewusstsein
Sehr entscheidenden Aspekt hat für uns der Preis, insbesondere bei
Medikamenten mit hohem Eigenanteil. Wir fragen vor dem Kauf immer nach alternativen kostengünstigeren Medikamenten.
Markenbewusstsein
Entscheidend sind natürlich die Qualität und auch die Verträglichkeit
wegen Nebenwirkungen, aber bei der Hausapotheke verwenden wir
eher die bekannten, bewährten Medikamente.
Informationsquellen
Wir lesen sehr gerne Apothekenzeitschriften, um uns zu informieren. Oder wir fragen Bekannte. Wobei da natürlich jeder anders auf
Wirkstoffe reagiert. Nur gelegentlich lassen wir uns in der Apotheke
beraten. Vollständiges Vertrauen haben wir nur nach Rücksprache mit
unserem Haus- oder Fachärzten.
Service
Für uns steht in der Apotheke der Service im Vordergrund. Wir sind mit
der Qualität der Produkte immer zufrieden gewesen. Auch Serviceangebote nutzen wir gerne, aber meist weiß man gar nicht so recht was
genau angeboten wird. Angebote sind beispielsweise nicht durch Aufsteller ersichtlich oder manche Apotheker empfehlen diese auch nicht
von allein. Nur Standard-Produkte sind je nach Jahreszeit oft gut sichtbar aufgebaut. Gewisse Bonuskarten finden wir nicht interessant und
sie motivieren uns auch nicht zu zusätzlichen Käufen.
Blick in die Hausapotheke
46
47
4.3 TOUCHPOINTS
4.3.1 Vor Einkauf: Motivation und Information
Info-Broschüren
Google
Empfehlung durch Bekannte und Freunde
Werbung
Gesundheitsmagazine
Lokale Apotheke
Beratung durch Fachpersonal
Internetforen mit Erfahrungsberichten
Zeitungsanzeigen
SERVICE-ANGEBOTE:
Fachliteratur
Home-Service
Spezielle Service- oder Sonderangebote
Kundenkarte
4.3.2 Während UNd nach dem einkauf
Einkaufsplattform?
Vermietung von Babywaagen,
Inhalationsgeräten und Milchpumpen
Reise- und Impfberatung
Was tun bei Fragen? Hilfe?
Messung von Blutdruck,
Blutzucker und Cholesterin
Überprüfung der Hausapotheke und Verbandkästen
0180 - Hotline
VersandapothekE
Drogeriemarkt
wIRKSTOFFE gOOGELN
INTERNETFOREN
Pharma-PUNKT
(Computerterminal)
48
49
5. Customer Journey
5.1 Persona 1: Medikamente aus dem Internet
Nach einigem Überlegen beschließt sie, eine Online-Apotheke aufzusuchen. Sie findet etliche (positive und negative) Erfahrungsberichte zu
Online-Versandhändlern, aber ist mit keinem so recht zufrieden.
Dominique Balaton, 24 Jahre alt, Studentin.
Es ist Samstag Abend und Dominique bemerkt, wie sie immer stärkere
Hals- und Kopfschmerzen bekommt. Leider hat sie die Erkältungsmedikamente aus ihrer Hausapotheke vor einiger Zeit aufgebraucht. Eigentlich würde sie jetzt direkt um die Ecke in ihre Stamm-Apotheke gehen,
aber leider hat diese bereits seit 18 Uhr geschlossen. Da sie gerade
ihre Bachelor-Arbeit schreibt und es sich kaum leisten kann, krank zu
werden und auch keine Lust hat, bei der Kälte nach draußen zu gehen,
beschließt sie, nach einer Online-Apotheke zu suchen.
Im Internet gibt sie den Begriff „Notdienst Apotheke Köln“ ein. Während sich eine Vielzahl von Links anbieten, erweisen sich die meisten als
Fehltreffer oder sind nur per Anruf unter einer 0180 – Hotline erreichbar. Trotzdem lässt sie es auf einen Versuch ankommen. Dabei gerät sie
zunächst einmal in eine Warteschleife „Haben Sie einen Moment Geduld, wir sind gleich für Sie da.“ Warum das der Fall ist, kann sie nicht
verstehen: „Nutzen wirklich im Moment so viele Menschen die Hotline,
dass alle Leitungen besetzt sind?“ Verärgert sieht sie ihre Handyrechnung steigen und legt auf.
Internet: 0180-Nummer
Apotheke geschlossen
Versandapotheke
... Kostenfaktor ... Warteschleife
Nach einiger Zeit kommt sie auf „www.aponet.de“. Ein Netzwerk,
durch das örtliche Apotheken am Wohnort des Kunden online beauftragt werden können und scheinbar noch am selben Tag liefern. Die
Seite scheint viel versprechend. Nach mehrmaligem Ändern und Eingeben ihrer Postleitzahl erhält Dominique eine kleinere Auswahl an Apotheken, die einen Home-Service anbieten. Selbst zur Apotheke fahren
will sie nicht, da sie sich immer schlechter fühlt.
Nach einer unkomplizierten Registrierung hat sie die Möglichkeit, ihre
gewünschten Medikamente einzugeben. Das Bestell-Formular ist hingegen schon wieder viel zu umständlich: Sie ist sich nicht sicher, welche
Medikamente sie bestellen soll und wie die Medikamente dann auch
genau heißen. Leider gibt es auf der Seite keine Möglichkeit, Medikamente passend auf eine bestimmte Befindlichkeitsstörung hin auszusuchen.
So macht sie sich wieder auf die Suche nach Möglichkeiten, die ihr auf
einfache und unkomplizierte Suchbegriffe wie „Halsschmerzen“ oder
„Kopfschmerzen“ passende Produkte und Wirkstoffe bieten.
www.aponet.de
... Informationsüberflutung
www.mycare.de
... Bestell-Formular
50
51
Nach weiteren 15 Minuten und unendlichen Angeboten, kommt sie auf
die Versand-Apotheke „www.mycare.de“. Diese schneidet laut Testberichten der „Stiftung Warentest“ sehr gut ab. Hier erhält Dominique
auch auf bestimmte Schlagworte und trotz falscher Buchstabierung
passende Medikamente. Doch der schnellste Versand würde doch tatsächlich 1-2 Werktage dauern.
Da sie jetzt genau weiß, was sie will, versucht sie es noch einmal auf
www.aponet.de. Dort gibt sie den Namen der ausgewählten Produkte
ein und schickt das Bestell-Formular zum Home-Service ab.
Nach einigen Minuten klingelt ihr Handy. Die Apotheke hat noch eine
kurze Nachfrage bei der Bestellung. Sie habe keine Angaben zur Packungsgröße gemacht und zwei der drei bestellten Medikamente wären
im Wirkstoff fast gleich. Sie wird freundlich darauf hingewiesen, dass
es auf jeden Fall vorteilhaft wäre, die größere Packung zu nehmen.
Diese sei preisgünstiger. Da sie nur Medikamente gegen akute Erkältung bestellt habe, gehe der Apotheker davon aus, dass sie die Medikamente parallel anwenden wird und schlägt ihr stattdessen ein anderes,
besser verträgliches Medikament vor. Zudem bietet ihr der Apotheker
an, die bestellten Medikamente noch innerhalb der nächsten halben
Stunde zu liefern, da der Bote bereits unterwegs sei.
Nach dem Gespräch ist Dominique über das positive und persönliche
Feedback der Apotheke sehr zufrieden. Schon eine halbe Stunde später
klingelt der Bote. Neben ihrem bestellten Medikament erhält sie einen
Vitamintee und Taschentücher.
... www.aponet.de
... schnellster Versand 1-2 Tage
ERGEBNIS
Der Medikamente-Lieferservice bei aponet.de ist seriös und kompetent.
Zudem bietet die jeweilige lokale Apotheke während und nach der Bestellung einen persönlichen Service. Nachteil ist, dass die Internetseite
nur für Kunden interessant ist, die schon vorher genau wissen, was sie
wollen und auch den exakten Namen des Produkts kennen.
Die Suchmaschine Google liefert pro Krankheit unendlich viele Fundstellen und was auf den ersten Blick als seriös erscheint, ist oft nicht
sonderlich hilfreich oder verlässlich. Damit wird das Internet allgemein
zu einer komplizierten Angelegenheit für wirklich Kranke, aber auch
für Leute, die nicht sehr internetaffin sind. Das Überangebot kann
schnell überfordern und bedarf eines nicht unerheblichen Maßes an
Konzentration.
Der Online-Versand eignet sich eher für Viel-Besteller, da ein Versand
beispielsweise erst ab 30 Euro entfällt und die Lieferdauer der Medikamente mindestens 1-2 Tage beträgt.
Auch hat die Customer Journey gezeigt, dass persönliche Informationen bei der Bestellung rezeptfreier Medikamente besonders wichtig
sind. Zwar wirbt beispielsweise Doc Morris dafür, dass bestellte Medikamente auf ihre Kombinierbarkeit und Risiken geprüft werden, aber
die Stiftung Warentest hat das Gegenteil bewiesen: Im Test orderte sie
beispielsweise Eisen- und Kalziumtabletten. Diese sollten im Abstand
von mindestens zwei Stunden eingenommen werden. Eisen und Kalzium behindern sich ansonsten bei der Aufnahme im Darm. Im Ergebnis
wies keine Versandapotheke darauf hin. Zudem wurde die Hälfte der
20 getesteten Online-Anbieter im In- und Ausland mit „mangelhaft“
bewertet.47
MEDIKAMENTE
PLUS
SERVICE
47 Stiftung Warentest: Versandapotheken: Jede zweite mangelhaft. 24.02.2005
<http://www.test.de/themen/gesundheit-kosmetik/test/-/1240633/1240633/1241489>
(Stand: 17.03.2008)
52
53
5.2 Persona 2: Medikamente aus dem Drogeriemarkt
David Jäger, 28 Jahre, Geschäftsführer einer Werbeagentur.
Nach Feierabend bummelt Herr Jäger durch die Stadt.
Im Drogeriemarkt „dm“, fällt ihm der neue „Pharma-Punkt“ auf. Herr
Jäger ist Asthmatiker und gibt regelmäßig Geld für seine Medikamente
aus. Anhand der Informationsanzeige stellt er fest, dass jedoch nur bei
rezeptfreien Produkten ein Kostenersparnis von bis zu 40 Prozent möglich ist. Bei rezeptpflichtigen Medikamenten garantiert die Versandapotheke einen Bonus von mindestens 2,50 Euro pro Präparat.
Da er in den nächsten Tagen sowieso seine Hausapotheke auffrischen
wollte, blättert er am Pharma-Point durch den virtuellen Katalog
der Europa Apotheek Venlo, über welche der Medikamente-Versand
stattfinden soll. Der Katalog ist einfach und komfortabel aufgebaut.
Einzelne Rubriken wie „Für Ihn“, „Für Diabetiker“ oder „Erkältung und
Atemwege“ erleichtern dem Kunden die Auswahl. Herr Jäger blättert
auf die Rubrik „Ratgeber Hausapotheke“, mit dem Verweis auf eine
ausführliche Checkliste auf der Umschlagseite des derzeitigen Frühjahrskatalog.
Angeregt von der attraktiven Präsentation und den günstigen Preisen,
beschließt Herr Jäger, ein paar Medikamente zu bestellen. Darunter
sind Schmerztabletten, Mundhygiene-Produkte und Augentropfen.
Da er sich jedoch bei ein paar Medikamenten nicht sicher ist, die Marke
unbekannt erscheint und er kein Risiko mit eventuellen Wirkstoffunverträglichkeiten eingehen möchte, sucht er Beratung.
Nachdem er eine dm-Verkäuferin anspricht, erfährt er erste Nachteile
des Medikamente-Shoppings: Die Arzneimittel in den dm-Märkten
können weder an der Kasse bezahlt werden noch dürfen die DrogerieMitarbeiter Auskünfte zu den Medikamenten erteilen. Bei jeder Bestellung würden aber Gesundheitsexperten der Europa Apotheek Venlo
prüfen, ob die Medikamente miteinander harmonieren. Wer Fragen
zu einem Arzneimittel oder seiner Bestellung hat, könne sich über eine
0180-Nummer für sechs Cent je Anruf aus dem deutschen Festnetz an
die Versandapotheke wenden.
0180-Nummer
Unsicherheit und Fragen
... keine persönliche Beratung
54
55
Als er wieder zum Pharma-Punkt zurückkehrt, ist der Platz besetzt.
Nach 15 Minuten Wartezeit kann Herr Jäger endlich seine Bestellung
vornehmen.
Da er seine Auswahl bereits getroffen hat
geht nun alles schnell und unkompliziert:
Nachdem der Bestellschein ausgefüllt ist,
wird dieser in eine Bestelltasche gesteckt
und in den Pharma Punkt geworfen. So
einfach wie der allseits bekannte FotoBestell-Service.
Als Herr Jäger zwei Tage später seine Bestellung abholen möchte, ist diese leider
noch nicht eingetroffen. Das ist sehr ärgerlich. Denn aufgrund einiger wichtiger
geschäftlicher Termine wird er in den
nächsten Tagen keine Zeit mehr haben,
die Medikamente abzuholen. Die Frage
kommt auf, ob sich das Sparen von ein
paar Euro überhaupt bei solch einer langen Wartezeit lohnt.
... Warteschlange
... Medikamente nicht eingetroffen
Erst in der darauf folgenden Woche kommt Herr Jäger endlich dazu,
seine Bestellung abzuholen. Gegen Vorlage des Abholscheins und des
Personalausweises erhält er endlich seine Ware. Die Bezahlung erfolgt
per Bankeinzug oder Überweisung direkt an die Versandapotheke.
ERGEBNIS
Der Medikamente-Kauf in einem Drogeriemarkt ist nichts für eilige
Käufer. Da der Pharma-Punkt zu langem Verweilen einläd, bilden sich
schnell Warteschlangen. Zudem ist das Stehen und gleichzeitige Lesen
im Produktekatalog nicht für jeden die attraktivste und bequemste
Lösung.
Der Bestell- und Abholservice richtet sich vor allem an chronisch kranke
Menschen oder Konsumenten, die ihren Medikamentebedarf absehen
können und diese nicht akut benötigen. Bei dringenden Fragen steht
nur eine anonyme Hotline ins Ausland zur Verfügung, und die Verkäufer dürfen keine Auskünfte geben.
... zu lange Lieferzeit
56
57
6. Herausforderungen und Chancen
6.1 Konklusion der Konsumentenbefragung
und der Customer Journeys
Durch die weit gehende Marktliberalisierung sieht sich die klassische
Apotheke vor Ort einer Reihe von Herausforderungen gegenüber. Die
auf den neuen Distributionskanälen zutage tretenden klaren Konsumentenbenefits wie ‚unkomplizierte, schnelle Verfügbarkeit’ und
‚niedriger Preis’ scheinen der „Apotheke an der Ecke“ klar überlegen.
Auf den ersten Blick scheint die Marktstellung des Apothekers also
durch die erweiterte Verfügbarkeit von rezeptpflichtigen und -freien
Medikamenten geschwächt zu sein.
Die größten Herausforderer der Apotheke sind zum einen die OnlineShops (vgl. 3.2.1) der großen Apothekenketten, die ihre Distribution
durch reale Filialen ergänzen. Dies gilt umso mehr, als die steigende
Internetaffinität der Konsumenten eine solche Entwicklung befördert:
Mehr als jeder zweite Deutsche zwischen 14 und 69 Jahren kauft über
das Internet ein. (Quelle: ‚Online Shopping Survey2005‘ der GfK.48).
Zum anderen stellen die Drogeriemärkte (vgl. 3.2.3), die seit 15.03.2008
ebenfalls Medikamente (rezeptpflichtig und rezeptfrei) vertreiben dürfen, eine direkte Konkurrenz zur Apotheke dar.
Unabhängig von marketingstrategischen Erwägungen können noch
einige inhaltliche Nachteile der klassischen Apotheke definiert werden.
So ist etwa die bei intimeren Fragestellungen des Kunden notwendige
Diskretion nicht immer gewährleistet: Der Kunde muss jederzeit damit
rechnen, dass andere Kunden zuhören – nicht jedem liegt eine lautstarke Konversation über delikate Themen wie die Wahl oder Anwendung
eines Medikaments gegen Vaginalpilz. Selbstbestimmtes Shoppen und
das Sammeln von Informationen ohne unerwünschte Zuhörer sind somit wichtige Vorzüge von Internetapotheken. Sie beraten online oder
am Telefon und versenden ihre Produkte per Post oder Kurier.
48 Vgl. ENIGMA GfK: Pressemitteilung. Ergebnisse des Online Shopping Survey 2005. 28.04.2008
<http://www.enigma-gfk.de/download/pd-OSS-05-04-28-fin.pdf> (Stand: 14.03.2008)
58
59
Wie die Customer Journey gezeigt hat, werden zudem die zusätzlichen
Serviceangebote der Apotheken nicht oder nur sporadisch genutzt
(wie etwa Blutdruck messen etc.). Gleichzeitig herrscht eine gewisse
Beliebigkeit bei der Wahl der Apotheke – schließlich ist an jeder Ecke
eine; im Zweifel geht der Patient einfach zur nächst gelegenen. Aus
marketingstrategischer Sicht aber ist die zufällige Wahl der Apotheke
ein großer Nachteil, bzw. eine große Schwäche. Denn hieraus lässt sich
ableiten, dass Kundenbindung nicht oder nur unzureichend funktioniert und sich der Kunde leicht davon abbringen lässt, auch in Zukunft
die gewohnte Struktur der „Apotheke an der Ecke“ zu nutzen – sobald
sich eine einfachere, leichtere, günstigere, schnellere Alternative bietet.
zeitung“ unter fünf Versandapotheken mit den konventionellen Apotheken vor Ort vorgenommen hat. Demnach schneiden die inhabergeführten Apotheken hinsichtlich ihrer Kundenberatung deutlich besser
ab als vier von fünf Versandapotheken. Selbst beim Lieferservice liegen
die Apotheken vor Ort vorn. Zudem zeigt die Analyse, dass Versandhändler nicht zwingend günstiger sind als die Apotheke vor Ort und im
Falle von Billigpreisen wichtige Kategorien unterschlagen - Arzneimittel seien erklärungsbedürftig, so dass Patienten und Apotheker immer
über Risiken und Nebenwirkungen sprechen sollten.49
Wie so oft, liegen neben den genannten Schwächen und Herausforderungen, denen sich die Apotheke gegenüber sieht, auch eine Menge
Chancen.
Die Konsumentenbefragung (Vergleiche 4. Konsumentenbefragung)
hat ergeben, dass dem Konsumenten die persönliche und vor allem individuelle Beratung sehr wichtig ist. Und da der Kunde zum Beispiel in
den realen DocMorris-Apothekenfilialen lange Schlangen zu erwarten
hat, kommt schnell das Gefühl der Massenabfertigung auf. Dies zeigen
auch die Erfahrungberichte englischer Apotheker (in Großbritannien
wurde der Markt bereits 2003 vollständig geöffnet): Sie sehen gerade
in der individuellen Beratung und in der dauerhaften Kundenbindung
und -nähe ihre Chancen und Erfolgsmöglichkeiten.50
Zwar können die Patienten im Internet selbstbestimmt Informationen
sammeln und dann (Medikamente) shoppen – gleichzeitig aber haben
die unzähligen Möglichkeiten der Informations- und Medikamentenbeschaffung auch einen verunsichernden Effekt. Das Googeln nach
„Online-Apotheke“ etwa ergibt mehr als 1000 Einträge: Welche ist
nun gut oder schlecht? Die Beliebigkeit – eben noch als Schwäche der
klassischen Apotheke benannt – gilt in diesem Sinne also auch für die
Online-Apotheke.
Auch strukturell ist die Online- und Drogerieapotheke der klassischen
Apotheke unterlegen. Zwar liefern Internetapotheken mitunter auch
im 24h Stunden Service – aber weder sie, noch die Drogerieapotheke
bieten einen Notfallservice. Insofern ist hierdurch nur eine Grundversorgung möglich. Zudem gibt es keine Individualversorgung, etwa
durch individuell hergestellte Medikamente und Rezepturen oder ähnliches. Für Drogeriemärkte und Apothekenketten sind ländliche Standorte darüber hinaus generell weniger attraktiv.
6.2 In jeder Herausforderung liegen Chancen
Die durch die Internetapotheken angebotene Kundenberatung lässt
indes ebenfalls zu wünschen übrig: Oftmals handelt es sich um kostenpflichtige 0180er-Nummern, oder ein Service findet gar nicht statt.
Nicht selten lässt auch die (ältere Zielgruppen bedenkende) benutzerfreundliche Gestaltung zu Wünschen übrig. Im Drogeriemarkt ist eine
Kundenberatung aufgrund fehlenden geschulten Personals sogar gänzlich untersagt.
In diesem Zusammenhang werden die Vorteile der klassischen Apotheke klar erkannt und geschätzt, wie die Customer Journey deutlich
zeigt, sowie ein Vergleich, den die „Frankfurter Allgemeine Sonntags-
6.3 Fazit
Die Gesundheit ist immer noch das Höchste Gut des Menschen!51 Der
Appell an den Konsumenten „Kaufe deine Medikamente billig online oder in der Drogerie“ allein wird nicht ausreichen, die deutsche
Apothekenlandschaft nachhaltig umzukrempeln – insbesondere dann
nicht, wenn die Apotheke Maßnahmen ergreift, ihr Profil und die damit verbundenen Vorteile für den Verbraucher zu schärfen.
49 Vgl. Ärzte Zeitung, 11.03.2008. <http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/arzneimittelp
olitik/?sid=486334> (Stand: 14.03.2008)
50 Vgl. SWR2 Geld, Markt, Meinung: Die Angst vor der Kette. Deutschlands Apothekenmarkt vor
der Liberalisierung. 15.03.2008. <http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/geld-marktmeinung/-/id=658972/nid=658972/did=3122742/th6snq/index.html> (Stand: 16.03.2008)
51 Vgl. SWR2 Geld, Markt, Meinung: Die Angst vor der Kette. Deutschlands Apothekenmarkt vor
der Liberalisierung. 15.03.2008. <http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/geld-marktmeinung/-/id=658972/nid=658972/did=3122742/th6snq/index.html> (Stand: 16.03.2008)
60
61
7. Designperspektiven
Um das Profil und den Service-Zusatznutzen für den Verbraucher zu
schärfen steht eines vorne an: Die Zukunft der Apotheken steht und
fällt mit der Ausweitung des Serviceangebotes. Wirklich neue Dienstleistungskonzepte werden künftig über Blutdruck- und Zuckerspiegelmessung hinausgehen müssen.
Der moderne und gesundheitsbewusste Mensch wird immer mehr zum
Konsument: Er kauft nicht nur, um Krankheiten zu lindern, sondern um
präventive Maßnahmen zu ergreifen und vor allem sein Wohlbefinden
zu steigern.
7.1 Spezialisierung vor Generalisierung
Um der zunehmenden Angebotsvielfalt und der gleichgültigen Haltung des Kunden („alle Apotheken sind gleich“) entgegenzutreten,
sollten sich Apotheken klarer positionieren. Durch das Erkennen von
neuen Trends und Wünschen können Produkte und Informationen
unterschiedlicher Anbieter gebündelt und neue Services geschaffen
werden, die der Kunde nicht vergisst.
Spezialisierung auf Naturheilkunde
Neben den herkömmlichen Arzneimitteln könnten sich Apotheken auf
Naturheilkundeprodukte oder auf fernöstliche Heilkunde spezialisieren. Dementsprechend könnte die gesamte Corporate Identity darauf
ausgelegt werden: Gestaltung der Räumlichkeiten, Kreation einer Eigenmarke etc.
Produkt-Bundles
Eine Apotheke könnte unterschiedliche Produkte und Informationen zu verschiedenen „Gesundheits- oder Wellbeing-Kits“ bündeln.
Hiernach würden beispielsweise für den in der jeweiligen Jahreszeit
typischen Bedarf Produkte zusammengefasst oder diese unter eigenen
Thematiken ähnlich einer Reiseapotheke gestellt. Etwa das „Menstruations-Kit“ mit Tampons/Binden, Schmerztabletten und ein kleines
Wärmekissen oder das „Arbeitsstress-Kit“ mit Erholungstee, Kühlmaske
und Badesalz etc.
7.2 Neue Beziehungs-Netzwerke
Der Konsument bekommt im „Informationszeitalter“ alles, überall,
egal wann er es braucht und will dafür möglichst wenig Zeit, Geld und
Mühen aufbringen. Für spezielle kundenorientierte Angebote und der
direkten Ansprache von Zielgruppen bedarf es eventuell einer Zusammenarbeit mit anderen Apotheken oder Ärzten.
Aus Kunden werden Gäste
Die Apotheke könnte zu einem Life- und Wellness Zentrum werden,
anstatt zu einem Ort der Krankheiten, um dem Kunden ein besonderes
Erlebnis zu bieten, das ihn in seiner Lebenseinstellung und -haltung anspricht. Zum Beispiel könnten Apotheken mit Unternehmen kooperieren, die mit dem Wellness-Aspekt arbeiten. Neben Arzneimitteln und
Drogerieprodukten könnte der gesundheitsbewusste Kunde in einem
integrierten Biofeinkostladen einkaufen gehen, eine Yoga-Stunde im
angebauten Wellness-Center nehmen und danach zur Entspannung
einen frisch gepressten Saft an der Juice-Bar trinken. Wie in einem
Ärztehaus würde eine Art Gesundheitsfarm entstehen, die den Kunden
einlädt, länger zu verweilen und ihm die Apotheke aus einem ganz
anderen Blickwinkel zeigt.
Ein ähnliches erfolgreiches Konzept gibt es bereits in Österreich:
Die „Apotheke zum Löwen von Aspern“ wird zum Ort der sozialen und
kulturellen Begegnung: Im Verkaufsraum finden sich Beratungsinseln
anstelle eines durchgehenden Verkaufspults und zusätzlich ein großer
Selbstbedienungsbereich. Die Kunden können bei der Herstellung von
Salben zusehen und ein Veranstaltungsraum bietet Lesungen mit prominenten Autoren und andere Events. Ein Heilkräutergarten auf dem
Dach der Apotheke wurde nach dem Vorbild der Benediktiner Abtei in
Seligenstadt (BRD) angelegt und die Architektur des ganzen Gebäudes
entspricht nicht mehr einer herkömmlichen Apotheke, sondern wurde
speziell von einem Architektenteam geplant. Seit der Eröffnung hat die
Apotheke eine Umsatzsteigerung von 30 Prozent.52
52 Apotheke zum Löwen bei Aspern <http://www.apo-aspern.at/cgi-bin/TCgi.cgi?target=home>
62
63
7.3 Innovative Technologien
Auch die Entwicklung und Nutzung neuer Technologien kann für Apotheker hinsichtlich internetaffiner Zielgruppen interessanter werden.
Erweiterung www.aponet.de
Durch eine optimiertere Suchfunktion und das Integrieren von Produktfotos und -informationen könnte der komplizierte Weg der Customer Journey (5.1 PERSONA 1) umgangen werden. Hierzu können die
jeweiligen Vorteile der konkurrierenden Versandapotheken genutzt
werden.
Web-Service
Der „Home-Service“ könnte in Zukunft über die Internetseite
www.aponet.de zu einer persönlicheren Kontaktaufnahme weiterentwickelt werden: Beispielsweise das Telefonieren über eine Webcam,
was vor allem für Kunden attraktiv sein könnte, die akut erkrankt sind
oder aufgrund anderer Befindlichkeitsstörungen nicht die Möglichkeit
haben, ein persönliches Beratungsgespräch mit dem Apotheker zu führen.
64
65
Quellenverzeichnis
ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. <http://www.abda.de>
ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände: Zahlen und Fakten.
<http://www.abda.de/zahlen_daten_fakten.html> (Stand:15.03.2008)
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker. GKV Modernisierungsgesetz 01.01.2004
<http://www.dav-awa.de/archiv/2004.html> (Stand: 16.03.2008)
Apotheke zum Löwen bei Aspern <http://www.apo-aspern.at/cgi-bin/TCgi.cgi?target=home>
Ärzte Zeitung: Konventionelle Apotheken sehen ihre Nase vorn. 11.03.2008
<http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/arzneimittelpolitik/?sid=486334>
(Stand: 16.03.2008)
Bundesministerium der Justiz: Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln. §2 AMG Abs. 1 Satz 1-5
<http://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/__2.html> (Stand: 14.03.2008)
IMS Health: Entwicklung des Pharmamarktes im Dezember und im Jahr 2007. 14. Februar 2008
<http://www.imshealth.de/sixcms/media.php/16/Pharmamarkt%20Dezember_2007.pdf>
(Stand: 13.03.2008)
Kassenärztliche Bundesvereinigung: Arzneimittel im Fokus. Ausgabe 1 / 2005. PDF
<http://www.kbv.de/startseite_fachbesucher.html> (Stand: 16.03.2008)
Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein – Dienstleister im Interesse der Gesundheit.
<http://www.kvno.de/ueberuns/index.html> (Stand: 19.08.2008)
Marketing-Gesellschaft Deutscher Apotheker mbH.: Beratung in der Apotheke
<http://www.mgda.de/beratung-in-der-apotheke.htm> (Stand: 18.03.2008)
Meyers Lexikonverlag: Fertigarzneimittel. o.J.
<http://lexikon.meyers.de/meyers/Fertigarzneimittel> (Stand: 15.03.2008)
Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) <http://www.bah-bonn.de>
Meyers Lexikonverlag: Arzt. o.J.
<http://lexikon.meyers.de/index.php?title=Arzt&oldid=109845> (Stand: 19.03.2008)
Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH): Der Arzneimittelmarkt in Deutschland in
Zahlen. <http://www.bah-bonn.de/index.php?id=zahlen> (Stand: 19.03.2008)
Monster: Apothekenmarkt im Wandel 11.06.2007
<http://healthcare.monster.de/13321_de-de_pf.asp> (Stand: 16.03.2008)
Bundesvereinigung Deutscher Apotheken e.V.: Schwarzer Tag für den Verbraucherschutz: Apotheker
fordern nach “dm”-Urteil Politik zum Handeln auf. 13.03.2008
<http://www.apothekenkammer.de> (Stand: 14.03.2008)
Presseportal: Öffnung des Apothekenmarktes: Umbruch mit Nebenwirkungen? EUROFORUM-Konferenz “Handel und Wandel in Apotheken” 11. und 12. März 2008, München. 12.02.2008
<http://www.presseportal.de/pm/6625/1134835/euroforum_deutschland_gmbh/>
(Stand: 14.03.2008)
Bundesministerium für Gesundheit - ein Kurzporträt <http://www.bmg.bund.de/cln_040/
nn_600120/DE/Ministerium-BMG/Aufgaben/aufgaben-node,param=.html__nnn=true>
(Stand: 17.03.2008)
Stada Arzneimittel: Der Pharmamarkt. Definitionen im Zusammenhang erläutert. o.J.
<http://stada.de/unternehmen/investoren_service/glossar/definitionpharmamarkt.asp>
(Stand: 13.03.2008)
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) <http://bpi.de>
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI): Pharma-Daten 2007, Kompakt.
<http://www.bpi.de/UserFiles/File/download/pharmadaten_07_komp.pdf>
Consumer Business: Der pharmazeutische Großhandel: Fit für einen veränderten Markt
<http://www.lz-net.de/studien/pdf/105.pdf> (Stand: 16.03.2008)
ENIGMA GfK: Pressemitteilung: Ergebnisse des Online Shopping Survey 2005. 28.04.2008
<http://www.enigma-gfk.de/download/pd-OSS-05-04-28-fin.pdf> (Stand: 18.03.2008)
Forschungsgruppe Wahlen. Internet-Strukturdaten. Repräsentative Umfrage - IV. Quartal 2007.
08.01.2008. <http://www.forschungsgruppe.de/Studien/Internet-Strukturdaten/>
(Stand: 18.03.2008)
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV): Aufgaben
<http://www.gkv.info/gkv/index.php?id=72> (Stand: 18.03.2008)
Handelsblatt: Medikamente aus dem Supermarkt? 28. Februar 2008.
<http://www.handelsblatt.com/news/_pv/_p/200040/_t/ft/_b/1397389/default.aspx/index.html>
(Stand: 16.03.2008)
Handelsblatt: Rewe peilt eigene Apotheken an. 27.02.2008. <http://www.handelsblatt.com/News/
Unternehmen/Handel-Dienstleistungen/_pv/grid_id/1206554/_p/200040/_t/ft/_b/1396868/default.
aspx/rewe-peilt-eigene-apotheken-an.html> (Stand: 14.03.2008)
INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH: MEHR GESUNDHEITSBEWUSSTSEIN IN DER BEVÖLKERUNG. 2007 / Nr. 13 <http://www.ifd-allensbach.de/pdf/prd_0713.pdf> (Stand: 14.03.2008)
Stiftung Warentest: Versandapotheken: Jede zweite mangelhaft. 24.02.2005
<http://www.test.de/themen/gesundheit-kosmetik/test/-/1240633/1240633/1241489>
(Stand: 17.03.2008)
SWR2 Geld, Markt, Meinung: Die Angst vor der Kette. Deutschlands Apothekenmarkt vor der
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id=658972/nid=658972/did=3122742/th6snq/index.html> (Stand: 17.03.2008)
Symposion: Arnim Jost. Computer Aided Selling im Pharma-Kundenmanagement. 1998
<http://www.verkauf-aktuell.com/fb_cas.htm> (Stand: 15.03.2008)
Tagesschau: Medikamentenmarkt im Umbruch: Beruhigungsmittel aus dem Supermarkt?
15.02.2008 <http://www.tagesschau.de/wirtschaft/arzneimittel8.html> (Stand: 15.03.2008)
Tagesschau: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Drogerien dürfen in Arzneiversandhandel einsteigen. 13.03.2008 <http://www.tagesschau.de/wirtschaft/medikamentenhandel2.html>
(Stand: 14.03.2008)
Universität Göttingen: Bardeck, Maik-Andre: Selbstmedikation und die Rolle des Hausarztes – eine
wissenschaftliche Telefonbefragung. PDF.
<http://www.sub.uni-goettingen.de/ebene_1/diss/dissmed.html> (Stand: 18.03.2008)
Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.: Statistics 2007. Die Arzneimittelindustrie in
Deutschland. <www.vfa.de> (Stand: 14.03.2008)
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Versicherung
Verband der privaten Krankenversicherung (PKV)
<http://www.pkv.de/zahlen/zahlenbericht_2006_2007.pdf> (Stand: 19.03.2008)
WDR: Erste “Billig-Apotheke” in NRW eröffnet in Essen: Medikamente für die Hälfte. 02.03.2007.
<http://www.wdr.de/themen/gesundheit/pharmazie/easyapotheke/index.jhtml> (Stand: 18.03.2008)
Wissenschaftliches Institut der AOK: Arzneimittelmarkt: Selbstmedikation im Fokus. Ergebnisse einer
Repräsentativ-Umfrage unter 3.000 GKV-Versicherten. WIdO-monitor 2006; 3(1):1–7
<http://wido.de/uploads/media/wido_mon_selbstmed_0506.pdf> (Stand: 17.03.2008)
Hiermit versichere ich, dass ich die Arbeit selbstständig
angefertigt habe und keine anderen als die angegebenen
und bei Zitaten kenntlich gemachten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Köln, den 26. März 2008
Wyeth: Apothekenrecht: EU fordert Stellungnahme der Regierung. 04.02.2008
<http://www.wyeth.de/News_Presse/News_Details.aspx?newsid=1202125387> (Stand: 13.08.2008)
Sandra Altmeyer