Geisterstunde in der Jugendherberge
Transcription
Geisterstunde in der Jugendherberge
Artikel vom 11. Mai 2011, 03.21 Uhr (letzte Änderung 11. Mai 2011, 05.02 Uhr) Geisterstunde in der Jugendherberge Bereits zum fünften Mal war das schottische Medium Gordon Smith zu Besuch in Frankfurt Der Auftritt von Medium Gordon Smith im Haus der Jugend war zumindest eindrucksvoll. Ob man dem Geisterbeschwörer seine Botschaften glaubt, ist allerdings Einstellungssache. Frankfurt. Die Stimmung war energiegeladen, aufgekratzt, gespannt. Gleichzeitig hatten viele der Besucher Tränen in den Augen. Gordon Smith stand vor der Bühne und musterte sein Publikum aufmerksam. Plötzlich reckte er das Kinn nach oben, schien einer inneren Stimme zu lauschen. „Ich habe hier einen jungen Mann“, begann Smith, „der bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist.“ Eine junge Frau im Saal wimmerte leise. „Er spricht davon, dass sich jemand ein Tattoo machen lassen will. Und von einem Christian.“ Noch einmal war ein Wimmern zu hören, diesmal etwas lauter. Wenige Sekunden später war die Assistentin bei der jungen Frau. „Christian“, sagte Rubin Debes mit brüchiger Stimme ins Mikrofon, „Christian ist sein Bruder.“ Bereits zum fünften Mal war das bekannte englische Medium Gordon Smith auf Einladung des Frankfurter Rings zu einem Erlebnisabend in der Mainmetropole. Erneut kamen rund 200 Besucher, um live dabei zu sein, wenn der 38-jährige Schotte, der in Großbritannien ein Star ist, den Toten eine Stimme gibt. Glaubt man dem selbsternannten Medium, das seine erste Vision bereits im Alter von sechs Jahren hatte, so war der Saal im Haus der Jugend an diesem Abend gefüllt mit „Geistwesen“. Im Schnitt 15 Minuten nahm Smith sich für jeden Geist Zeit, beantwortete geduldig die Fragen der Hinterbliebenen und sagte deutlich, wenn er keine Antwort geben konnte. Dialog mit dem Jenseits Der Kontakt mit den Toten, so schildert Smith es in zahlreichen Interviews, komme plötzlich zustande und könne nicht beeinflusst werden. Ob es der verstorbene Vater ist, der seiner Tochter ein Geburtstagslied singt, oder die krebskranke Ehefrau, die aus dem Jenseits ausrichten lässt, dass ihr Haar nun wieder wunderschön und voll ist – Gordon Smith konnte auch bei seinem Auftritt in Frankfurt seine Geister genau beschreiben und sie meist sogar beim Namen nennen. Ihm dabei zuzusehen, war kurios. Mit dem kabellosen Mikrofon lief er wenige Schritte hin und her, anscheinend versunken in den Dialog mit den Verstorbenen. „Wirklich, meinst du?“, fragte er einmal ins Leere, ein andermal: „Wohin bringst du mich jetzt?“ Die Übersetzerin hatte aufgrund der Sprunghaftigkeit des charismatischen Schotten Mühe, seine Worte zeitnah ins Deutsche zu übersetzen. Auch der verstorbene Freund von Rubin Debes, der 2007 bei einem Unfall ums Leben kam, bekam durch das Medium die Möglichkeit, zu den Gästen im Saal zu sprechen. „Gordon Smith kannte alle Namen und wusste Einzelheiten, die er gar nicht wissen konnte, er weiß ja nicht, wer wir sind“, sagte die 21-Jährige nach der Seance fassungslos. Ein Detail war, dass bei der Beerdigung des Freundes fast 400 Trauernde anwesend waren. „Kein Wunder, ich war beliebt und gutaussehend“, ließ der Verstorbene, so das Medium, ausrichten. Rubin Debes und ihre Zwillingsschwester Jasmin lachten unter Tränen, als sie das hörten. „Genau so war er, das war sein Humor“, so die jungen Frauen. Und auch, dass sie sich eine Tätowierung machen lassen wollten, hätten sie erst gestern besprochen. Glaube und Skepsis Die beiden Schwestern aus Bonn wurden von ihrer Tante begleitet, die eine überzeugte Anhängerin von Gordon Smith ist. „Ich war vor einiger Zeit schon mal da, damals war gerade mein Vater gestorben“, erzählte sie. „Gordon Smith wusste, dass er am Schluss nicht mehr gut atmen konnte, und das stimmte, er starb an Lungenkrebs.“ Doch unter den Gästen waren nicht nur Anhänger, sondern auch zahlreiche Skeptiker, die das Geschehen im Saal kritisch beäugten. So wie Elio Grasso, der schon im vergangenen November auf einem Vortrag von Gordon Smith war. „Damals war ich schon beeindruckt“, räumt der Italiener ein. „Aber mittlerweile glaube ich, dass das alles Show ist. Der Mann beobachtet sein Gegenüber genau und verwertet die Information, die er aus den Reaktionen bekommt.“ Die Vorsitzende des Frankfurter Rings, Brita Dahlberg, weiß, dass die Herstellung eines Kontakts zwischen Lebenden und Verstorbenen schnell unseriös wirken kann. „Es gibt sicher Leute, die das als Hokuspokus bezeichnen“, räumte sie ein. „Doch dieses Medium ist anders. Gordon Smith scheut keine Tests und geht an die ganze Sache sehr wissenschaftlich heran. Er ist ein bodenständiger Mensch.“ Und den Besuchern versicherte sie in ihrer Einführung: „Das ist keine Show, das ist alles echt.“ Ob man an Kontakt zum Jenseits glaubt, ist letztlich wohl eine private Entscheidung. Fakt scheint aber zu sein, dass für die, die sich darauf einlassen, die Vorstellung enorm tröstlich ist. (aze)