Die goldene Gans - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin

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Die goldene Gans - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin
Pe t e r B r a s c h
Die goldene Gans
frei nach den Brüdern Grimm
© henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH
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© henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2006
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henschel SCHAUSPIEL
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unverzüglich an den Verlag zurückzusenden.
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PERSONEN
1. Erzähler als
Männchen
Bauer
Gutsherr
König
2. Erzähler als
1. Sohn
2. Sohn
Rudolf
2 Wirtstöchter
Prinzessin
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1. Erzähler
Heute erzählen wir das Märchen von dem Mann mit den drei Söhnen …
Es war also mal ein Mann, der hatte drei Söhne.
2. Erzähler
Und der dritte Sohn war ein Dummkopf.
1. Erzähler
Warum verrätst du alles vorher.
2. Erzähler
Ein Sohn ist immer der Dummkopf.
1. Erzähler
Ja, aber red mir nicht weiter dazwischen … Es war also Winter und sehr
kalt. Da schickte der Vater seinen ältesten Sohn zum Holzhacken in den
Wald. Die Mutter buk ihrem Sohn einen feinen Eierkuchen und gab ihm
eine gute Flasche Wein mit auf den Weg. Als der Junge im Wald angekommen war, begegnete ihm ein kleines graues Männchen, das fragte
ihn: (Als Männchen.) Würdest du wohl so freundlich sein, mir ein kleines
Stück von deinem Eierkuchen und einen winzigen Schluck von deinem
Wein abzugeben, sonst verhungere und verdurste ich.
2. Erzähler
Und der Junge hats dem Männchen gegeben.
1. Erzähler
Hat er nicht. Weder Kuchen noch Wein.
2. Erzähler
Also nicht. Er ist ja auch ein kluger und kein dummer Junge. Er hat
gesagt: (Als 1. Sohn.) Kommt gar nicht in Frage. Den Kuchen und den
Wein brauche ich für mich alleine. Scher dich zum Teufel.
1. Erzähler
Genau das hat er gesagt. Und das Männchen ist mit einem Mal verschwunden. Der Junge begann, einen Baum umzuschlagen. Und dabei
schlug er sich in den Arm.
(Hieb.)
2. Erzähler
(Als 1. Sohn.) Aua, aua … schrie der Junge und rannte nach Hause.
1. Erzähler
Und am nächsten Tag schickte der Vater seinen zweiten Sohn in den
Wald.
2. Erzähler
Und wieder gab die Mutter ihm natürlich einen feinen Eierkuchen und
eine Flasche Wein mit auf den Weg. Und wieder erschien das Männchen
und fragte:
1. Erzähler
(Als Männchen.) Würdest du wohl so freundlich sein, mir ein kleines Stück
von deinem Eierkuchen und einen kleinen Schluck von deinem Wein zu
geben, sonst verhungere und verdurste ich.
2. Erzähler
(Als 2. Sohn.) Kommt gar nicht in Frage, den Kuchen und den Wein brau-
che ich für mich selber. Scher dich zum Teufel.
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1. Erzähler
Und wieder verschwand das Männchen, wieder begann der Junge einen
Baum umzuschlagen …
2. Erzähler
… und wieder schlug er sich in den Arm und schrie (Als 2. Sohn.) Aua.
Rannte nach Hause und weinte … Jetzt kommt der dumme Sohn aus
seiner Dummkopfsecke, wo er immer sitzen mußte, damit ihn keiner
sah.
1. Erzähler
Und der Dummkopf sagte:
2. Erzähler
Vater, laß mich in den Wald gehen und Holz schlagen.
1. Erzähler
Aber der Vater lachte nur und die Mutter lachte und die beiden Brüder
lachten.
1. & 2. Erzähler Du bist doch viel zu dumm dazu.
2. Erzähler
Nein, bin ich nicht. Ihr werdet sehen.
1. Erzähler
Und die Mutter gab ihm ein altes, trockenes Brot und eine Flasche
saures Bier und alle lachten hinter ihm her, als er sich auf den Weg in
den Wald machte.
(1. & 2. Erzähler lachen laut.)
2. Erzähler
Der Junge kam in den Wald und wem begegnete er da … Natürlich dem
kleinen grauen Männchen. Und das Männchen fragte:
1. Erzähler
Würdest du wohl so freundlich sein, mir ein kleines Stück von deinem
Eierkuchen und einen kleinen Schluck von deinem Wein abzugeben,
sonst verhungere und verdurste ich.
2. Erzähler
Kommt gar nicht in Frage!
1. Erzähler
Falsch. Ganz falsch.
2. Erzähler
Wieso … Ach, so. Nein. Er ist ja der Dumme. Und er sagte:
(Als 3. Sohn.) Natürlich gern, kleiner Mann. Nur ist das leider kein Eierkuchen, den ich habe, sondern altes Brot, und auch Wein habe ich nicht,
sondern bloß saures Bier.
1. Erzähler
Hihihi, lachte das Männchen. Sieh einmal nach, ob du dich nicht irrst.
(Zaubergeräusch.)
2. Erzähler
Da guckte der Junge in seinen Beutel. Und was fand er da … Na, na …
1. Erzähler
Einen feinen Eierkuchen und eine gute Flasche Wein.
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2. Erzähler
Eine Hühnerkeule für jeden war auch noch drin.
1. Erzähler
Na sowas.
2. Erzähler
Also, die beiden aßen sich satt, bis sie nicht mehr konnten, und als sich
das Männchen den Mund abgewischt hatte, sagte es:
1. Erzähler
Das war aber fein. Und weil du mit mir dein Essen geteilt hast, werde
ich dich belohnen. Dort drüben steht ein alter Baum. Den schlage
um und unter den Wurzeln wirst du etwas finden, womit du glücklich
werden wirst.
2. Erzähler
Das Männchen sagte:
1. Erzähler
Aufwiedersehen!
2. Erzähler
zu dem Dummling, und der Dummling ging zum Baum und schlug ihn
um.
(Geräusch.)
1. Erzähler
Und was fand er unter den Wurzeln, der Dummling?
2. Erzähler
Einen riesengroßen Schatz, Gold und Edelsteine, Diamanten und Brillanten …
1. Erzähler
Falsch. Ganz falsch. Gans.
2. Erzähler
Gans, was Gans?
1. Erzähler
Eine ganze Gans.
2. Erzähler
Interessant. War die Gans geschmort, gebraten oder gekocht?
1. Erzähler
Die Gans war weder geschmort, noch gebraten, noch gekocht. Es war
eine richtige lebendige Gans und sie war ganz aus Gold.
2. Erzähler
Eine richtige goldene Gans also.
1. Erzähler
Ja. Mit goldenen Federn, einem goldenen Kopf und einem goldenen
Schwanz.
2. Erzähler
Und einer goldenen Nase.
1. Erzähler
Eine Gans hat keine Nase.
2. Erzähler
Wieso nicht. Jeder Mensch hat eine Nase.
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1. Erzähler
Eine Gans ist kein Mensch.
2. Erzähler
Ein Affe ist auch kein Mensch und trotzdem hat er eine Nase.
1. Erzähler
Hör jetzt auf damit. Wir wollen das Märchen erzählen und du bringst
mich laufend durcheinander … Wie geht es also weiter.
2. Erzähler
Naknak, sagte die Gans.
1. Erzähler
Die Gans sagte nicht Naknak, sondern war ganz still.
2. Erzähler
Dann nahm der Junge die Gans auf den Arm und ging nach Hause.
1. Erzähler
Er ging eben nicht nach Hause. Er wollte nicht zurück in seine
Dummkopfsecke und dauernd ausgelacht werden.
2. Erzähler
Dann ging er in die weite Welt.
1. Erzähler
Erst mal ging er in ein Gasthaus, denn es war schon dunkel, er war
müde und hatte Hunger.
2. Erzähler
Wenn er dem Männchen nichts gegeben hätte, dann hätte er jetzt
wenigstens sein altes Brot essen können.
1. Erzähler
Ja, aber dann hätte er keine goldene Gans.
2. Erzähler
Das ist wahr.
1. Erzähler
Der Junge aß also einen Happen und legte sich dann in sein Bett.
Und in der Nacht …
2. Erzähler
… in der Nacht kamen die bösen Räuber aus dem Wald und stahlen
ihm die goldene Gans.
1. Erzähler
Nein. In der Nacht kamen die beiden Wirtstöchter, die sehr neugierig
waren. Sie wollten wissen, was der Dummling da wohl unter seinem
Arm getragen hatte.
2. Erzähler
Eine goldene Gans natürlich.
1. Erzähler
Ja, das weißt du. Aber die Mädchen wußten es nicht. Und sie entdeckten die Gans, und die erste Tochter sagte:
2. Erzähler
Oh, wie hübsch diese goldene Gans ist. Ich ziehe mir jetzt eine goldene
Feder aus ihr heraus, und dann stecke ich mir die Feder in die Haare,
dann bin ich das schönste Mädchen im Dorf.
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