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Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Corporate Law Newsletter Neuste Rechtsprechung und aktuelle Entwicklungen aus dem Bereich Corporate Law Inhalt Brennpunkt 3 G arantenpflicht und persönliche Haftung von Organmitgliedern 5 P atronatserklärung: Vermeidung von unerwünschten Nebenwirkun gen und Begleiterscheinungen 7 Insolvenzfestigkeit von Lizenzen – aktuelle Entwicklungen Rechtsprechung aktuell 10 Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern im Fokus der Rechtsprechung 12 E inverständliche Amtsniederlegung und sofortige Wiederbe stellung eines Vorstandsmitglieds 14 Verweigerung einer Auszahlung von gebundenem Kapital nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters 16 Leichter Verschmelzen 18 Erfüllung der 90 %-Schwelle bei übernahmerechtlichem Squeeze-out 21 Corporate Mobility: Kleiderwechsel beim Gang über die Grenze Aktuelle Meldung 23 BFH: Terrorlistenscreening datenschutzrechtlich zulässig 25 Entwurf eines einheitlichen Kapitalanlagegesetzbuches 26 Ist die Erbschaftsteuer verfassungswidrig? 27 Bundeskabinett beschließt Entlastungen für Kleinstkapitalgesellschaften im Bereich der Rechnungslegungs- und Offenlegungspflichten 27 Änderungen bei der steuerlichen Organschaft 28 Ansprechpartner 2 Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Gericht betont besondere Verantwortung von Compliance Officern Brennpunkt Garantenpflicht und persönliche Haftung von Organmitgliedern Ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesell schaft kann gegenüber der Gesellschaft bei Pflichtverletzungen nach Maßgabe von § 93 AktG haften, bei Mitgliedern des Auf sichtsrats kommt eine Haftung nach § 116 AktG in Betracht. Eine persönliche Haftung von Organmitgliedern setzt eine Garantenpflicht voraus, die gegenüber Dritten besteht. Diese Außenhaftung kommt dagegen in seltenen Ausnahme fällen in Betracht. Im Jahr 2009 hatte der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 17.07.2009 (Az.: 5 StR 394/08) eine Garantenpflicht des Leiters einer Rechtsabteilung und Innenrevision zur Verhinde rung von Rechtsverstößen und Straftaten aufgrund dessen besonderem Verantwor tungsbereich bejaht. In diesem Zusam menhang hatte das Gericht auch die besondere Verantwortung von Compliance Officern betont. Mit zwei spannenden Ent scheidungen hat sich die Rechtsprechung nun kürzlich zur Frage der Garantenpflicht von Organmitgliedern geäußert. Keine Garantenpflicht von Vorstandsmit gliedern gegenüber Vertragspartnern der Gesellschaft aufgrund Organstellung Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.07.2012, Az.: VI ZR 341/10 Der Bundesgerichtshof hat sich mit seinem Urteil vom 10.07.2012 mit der Klage eines Vertragspartners einer Aktiengesellschaft gegen zwei Vorstandsmitglieder befasst und klargestellt, dass aus der Organstellung des Vorstandsmitglieds weder eine Garanten pflicht noch eine persönliche Haftung gegenüber Dritten folgt. Im entschiedenen 3 Fall war eine Aktiengesellschaft, bei der zwei Vorstandsmitglieder bestellt waren, in Scheingeschäfte verwickelt, die eines der beiden Vorstandsmitglieder mit dem Geschäftsleiter einer inzwischen insolventen Gesellschaft als Vertragspartner eingefädelt hatte. Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft nahm die beiden Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft persönlich auf Scha densersatz in Höhe von ca. 10 Mio. EUR in Anspruch. Sein Vorwurf: beide würden auf grund von Pflichtverletzungen auch im Ver hältnis zu der von ihm vertretenen Gesell schaft nach § 823 Abs. 1 BGB im Außenver hältnis haften. Dabei legte er dem einen Vorstandsmitglied eine direkte Mitwirkung an den Scheingeschäften zur Last. Das zweite Vorstandsmitglied hatte nach Akten lage zwar keine nachweisliche Kenntnis von den strafrechtlich relevanten Vorgängen, der Insolvenzverwalter vertrat aber den Standpunkt, dass es gegen die Unregel mäßigkeiten hätte einschreiten müssen. Letztendlich wurde dem zweiten Vorstands mitglied der Vorwurf gemacht, es habe die Straftaten des anderen Vorstandsmitglieds verhindern müssen, hierzu sei es – auch im Verhältnis zum Vertragspartner – als Garant verpflichtet gewesen. Genau an dieser Stelle war der Bundes gerichtshof aber anderer Meinung: allein aus der Organstellung ergebe sich keine Garantenpflicht eines Organmitglieds, Schädigungen des Vermögens Dritter zu verhindern. Aus der Organstellung ergebe sich zwar unter Berücksichtigung der §§ 93 AktG, 43 GmbHG eine Pflicht des Organmitglieds, für eine Rechtmäßigkeit des Handelns der Gesellschaft Sorge zu tragen, bei einer Verletzung dieser Pflicht könne aber nur die Gesellschaft und keine Dritten Schadensersatzansprüche gegen das Organmitglied geltend machen. Etwas anderes könne nur gelten, wenn ein Organmitglied selbst eigenhändig Schäden am Eigentum oder sonstigen in den Schutz bereich des § 823 Abs. 1 BGB fallenden Rechtsgütern eines Dritten verursache. In diesem Fall komme nach § 823 Abs. 1 BGB eine persönliche Haftung in Frage. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Haftung eines Organmitglieds bereits bei einer vor sätzlichen unzulässigen Veräußerung von Gegenständen, die im Eigentum eines Dritten stehen, bejaht (BGH, Urteil vom 05.12.1989 – VI ZR 335/88). Auch in eigenen öffentlichen Äußerungen des Auf sichtsratsvorsitzenden einer Aktiengesell schaft, die die Rückzahlung eines Kredits eines Kunden der Bank in Frage stellten, sah der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2006 einen die direkte persönliche Haftung gegenüber dem Kunden begründenden Eingriff in den eingerichteten und ausge übten Gewerbebetrieb (BGH, Urteil vom 24.01.2006 – XI ZR 384/03). Der hier zur Entscheidung stehende Fall war aber anders gelagert, da das Vorstandsmitglied an den schädigenden Geschäften nicht beteiligt war. Da gegenüber Dritten keine rechtliche Verpflichtung bestand, solche Geschäfte zu verhindern, wurde die Klage des Insolvenz verwalters gegen das Vorstandsmitglied abgewiesen. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Brennpunkt Garantenpflicht und persönliche Haftung von Organmitgliedern • Fortsetzung Garantenpflicht und Strafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2012, Az.: Ws 44/12 und Ws 45/12 Das OLG Braunschweig befasste sich in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung mit der Frage einer Garantenpflicht von Auf sichtsratsmitgliedern in Bezug auf die Ver hinderung von rechtswidrigen Auszahlun gen von Sitzungsgeldern an sich selbst. Dabei ging es nicht um gravierende Pflicht verletzungen sondern um ein satzungs widriges Abrechnungsverhalten. Nach Mei nung des Gerichts ist bei Verfahrensweisen, die durch die Satzung vorgegeben werden, jede Pflichtverletzung haftungsbegründend und für eine mögliche Untreue relevant. Dabei bejahte das Gericht eine Garanten stellung von Aufsichtsratsmitgliedern im Sinne des auf den Untreuetatbestand nach § 266 StGB anwendbaren § 13 StGB. Die vom Gericht geforderten Maßnahmen gegen die rechtswidrige Praxis hatten die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder im kon kreten Fall unterlassen. Allein in diesem Unterlassen traf sie aufgrund ihrer Garan tenpflicht eine strafrechtliche Verantwor tung. Demnach war der Aufsichtsratsvor sitzende nach Kenntniserlangung von bevorstehenden, satzungswidrigen Zahlun gen an andere Aufsichtsratsmitglieder ver pflichtet, unverzüglich den Aufsichtsrat gemäß § 110 Abs. 1 AktG einzuberufen, um einen Beschluss zu erwirken, der den Vorstand zur Änderung der rechtswidrigen Vorgehensweise anhält. Das Gericht sah außerdem die einfachen Aufsichtsratsmit glieder in der Pflicht, den Aufsichtsratsvor sitzenden zur Einberufung des Kontrollgre miums zu veranlassen – oder bei Weigerung des Vorsitzenden – den Aufsichtsrat selbst gemäß § 110 Abs. 2 AktG einzuberufen. Diese Maßnahmen hatten die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder unterlassen. Auch das Argument, bei einer Aufsichtsratssit zung wäre die erforderliche Stimmenmehr heit verfehlt worden, ließ das Gericht nicht gelten. Eine Befreiung von der strafrechtlichen Mitverantwortung setze vielmehr vor aus, dass die Aufsichtsratsmitglieder alles Zumutbare unternehmen, um die notwen dige Kollegialentscheidung herbeizuführen. Fazit Die Legalitätspflicht von Organmitgliedern gilt grundsätzlich nur im Verhältnis zur Gesell schaft. Pflichtverletzungen können nur in extrem gelagerten Ausnahmefällen eine per sönliche Haftung von Organmitgliedern gegenüber Dritten begründen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Garantenpflicht von Vorstandsmitgliedern zieht eine wichtige Grenze bei der Organhaftung gegenüber Dritten. Mit dem Urteil des OLG Braunschweig wird – anders als von einigen voreiligen Kommentatoren vermutet – keine allgemeine Garantenpflicht von Aufsichtsratsmitgliedern für die Compliance des Unternehmens begründet. Gleichzeitig nimmt es Aufsichtsratsmitglieder, die Anhaltspunkte für konkrete Pflichtverstöße im Unternehmen haben, sehr stark in die Pflicht und unterstreicht die Notwendigkeit der intensiven Befassung von Aufsichtsgremien mit der unternehmens internen Compliance. Autor Dr. Christian Bosse Rechtsanwalt Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon + 49 711 9881 25772 [email protected] 4 Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Objektive Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft trotz harter Patronatserklärung Brennpunkt Patronatserklärung: Vermeidung von unerwünschten Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen Patronatserklärungen werden häufig bei konzernrechtlichen Konstellationen ver wendet. Bei einer Patronatserklärung gibt eine in der Regel übergeordnete Konzern gesellschaft (sog. Patron) eine Erklärung ab, in der sie gegenüber der Tochterge sellschaft ein bestimmtes Verhalten zusagt. Die häufigste Art der Patronats erklärung ist die Zusage des Patrons, die Tochtergesellschaft bei finanziellen Schwierigkeiten mit finanziellen Mitteln auszustatten. Bei Patronatserklärungen ist einerseits zwischen harten und wei chen Patronatserklärungen und anderer seits zwischen internen und externen Patronatserklärungen zu unterscheiden. Bei einer harten Patronatserklärung räumt der erklärende Patron dem Erklä rungsempfänger einen Rechtsanspruch auf die Leistung ein, wohingegen die weiche Patronatserklärung keinen recht verbindlichen Charakter hat. Die Unter scheidung zwischen interner und exter ner Patronatserklärung differenziert, wem gegenüber die Erklärung abgegeben wird. Diese vielfältigen Gestaltungsmög lichkeiten können oft zu unerwünschten Nebenwirkungen und Begleiterscheinung führen. Im Folgenden werden daher zwei Konstella tionen dargestellt, die kürzlich Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung waren. 5 Kündbarkeit einer harten Patronatserklärung Bei Abgabe einer harten Patronatserklä rung stellt sich die Frage, wie sich der Pat ron wieder von dieser rechtsverbindlichen Verpflichtung lösen kann. In der Entschei dung des BGH vom 20.09.2010 - Az. II ZR 296/08 nimmt der BGH Stellung zu den Kündigungsmöglichkeiten einer Patronats erklärung, die eine Muttergesellschaft gegenüber ihrer in der Krise befindlichen Tochtergesellschaft abgegeben hat. Gibt eine Muttergesellschaft gegenüber ihrer bereits bilanziell überschuldeten Toch tergesellschaft eine Patronatserklärung während des Zeitraums, der zur Prüfung der Sanierungsfähigkeit erforderlich war in der Weise ab, dass sie sich verpflichtet, im Fall der Überschuldung oder Zahlungsunfä higkeit der Tochtergesellschaft fällige Ver bindlichkeiten in dem Umfang zu erfüllen, wie dies zur Beseitigung der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit erforderlich ist, und ist die Patronatserklärung gleichzeitig mit einem Rangrücktritt verknüpft, in dem die Muttergesellschaft bezüglich aller Forde rungen gegen die Tochtergesellschaft, mit hin auch für eventuelle Regressforderungen aufgrund der Befriedigung von Gläubigern der Tochtergesellschaft im Rang zurücktritt und im Falle der Insolvenz der Tochterge sellschaft sogar ganz auf die Forderungen verzichtet, so kann sich die Muttergesell schaft nach Eintritt der Krise wieder von der Patronatserklärung lösen, wenn ein ent sprechendes Kündigungsrecht vereinbart wurde. Der BGH stellte in seiner Entscheidung aus drücklich klar, dass auch bei einer harten Patronatserklärung, die Parteien in Aus übung der ihnen zustehenden Privatautono mie ein ex nunc wirkendes Kündigungsrecht des Patrons vereinbaren können. Keine Anwendbarkeit des Eigenkapital ersatzrechts oder der Grundsätze des Finanzplankredits Ferner stellte der BGH klar, dass das Kündi gungsrecht nicht wegen des Eigenkapitaler satzrechts oder der Grundsätze des Finanz plankredits ausgeschlossen sei. Die Vereinbarung könne nicht als eigenkapi talersetzende Gesellschafterhilfe angesehen werden, da für die Anwendung des Eigen kapitalersatzrechts nur Raum sei, soweit der Gesellschafter eine Leistung tatsächlich erbracht hat. Dies war vorliegend aber nicht der Fall, da die Muttergesellschaft keine Leistung in das Vermögen der Tochterge sellschaft erbracht hat, sondern lediglich die Freistellung von Verbindlichkeiten auf Anforderung der Tochtergesellschaft ver sprochen hat. Des Weiteren sei die Patro natserklärung auch keine Sicherheit für einen in der Krise gewährten Drittkredit gewesen und könne deshalb nicht unter diesem Gesichtspunkt in funktionales Eigen kapital umqualifiziert werden. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Brennpunkt Patronatserklärung: Vermeidung von unerwünschten Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen • Fortsetzung Es bestand auch keine Unkündbarkeit der Patronatserklärung nach den Grundsätzen des sog. „Finanzplankredits“, da es sich bei der Patronatserklärung um keine einlagen ähnliche Darlehenszusage im Sinne dieser Grundsätze gehandelt hat. Maßgeblich sei der Überbrückungscharakter, der mit einer Einlage nicht vereinbar sei. Zudem scheitert die Annahme eines aufschiebend bedingten Darlehensversprechens daran, dass die Muttergesellschaft in der Patronatserklä rung eine Rückzahlungsverpflichtung bei Insolvenz der Tochtergesellschaft ausdrück lich ausgeschlossen hat. Abschließend verneinte das Gericht auch eine wirksame Anfechtung der Kündigung nach § 135 InsO, da die berechtigte Kündigung einer Patronatserklärung keine „Befriedigung“ im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei. Objektive Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft und Kenntnis des Gläubigers trotz harter Patronats erklärung In einem weiteren Urteil vom 19.05.2011 – Az. IX ZR 9/10 hat der BGH entschieden, dass eine harte Patronatserklärung der Muttergesellschaft, die an den Gläubiger der Tochtergesellschaft gerichtet ist, weder die objektive Zahlungsunfähigkeit der Toch tergesellschaft noch die darauf bezogene Kenntnis des Gläubigers beseitigt. Insolvenzreife komme nach Ansicht des BGH erst in Betracht, wenn der Patron seine eingegangene Verpflichtung durch eine Liquiditätsausstattung der begünstigten Gesellschaft tatsächlich erfüllt. Eine externe harte Patronatserklärung der Muttergesellschaft beseitigt somit weder die objektive Zahlungsunfähigkeit der Toch tergesellschaft noch die darauf bezogenen Kenntnis des Gläubigers. Bedeutung für die Praxis Für die Sanierungspraxis bedeutet dies, dass es grundsätzlich möglich ist Patronats erklärungen als Überbrückungsvereinbarun gen auszugestalten. Benötigt die Gesell schaft keine akute Liquidität, so ist die Pat ronatserklärung in der Regel günstiger als der Überbrückungskredit. Eine Risikobe grenzung des Patrons – um nicht für alle während der Laufzeit eingegangen Ver pflichtungen der Gesellschaft einstehen zu müssen – kann durch die Vereinbarung einer Haftungshöchstgrenze erreicht wer den. Zur Vermeidung der objektiven Zahlungsun fähigkeit der begünstigten Gesellschaft und der diesbezüglichen Kenntnis des Gläubi gers ist es des Weiteren erforderlich, dass der Patron seine Erklärung auch gegenüber der begünstigten Tochtergesellschaft (interne Patronatserklärung) abgibt und damit der Tochtergesellschaft ungehinder ten Zugriff auf die versprochenen Mittel ein räumt. Anderenfalls kann die Vermeidung der objektiven Zahlungsunfähigkeit nur erreicht werden, falls der Patron seiner Aus stattungsverpflichtung im Falle von Liquidi tätsproblemen der Gesellschaft tatsächlich nachkommt. Autoren Dr. Christian Bosse Rechtsanwalt Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon +49 711 9881 25772 [email protected] Yasmin von Khurja Rechtsanwältin Diplom-Kauffrau Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon +49 711 9881 13603 [email protected] Die Konzernmuttergesellschaft gab eine harte Patronatserklärung gegenüber dem Gläubiger der Tochtergesellschaft ab. Eine derartige Patronatserklärung ist als externe Patronatserklärung zu verstehen, da sie lediglich gegenüber der Gläubigerin und nicht auch gegenüber der Tochtergesell schaft selbst abgegeben wird. Aufgrund des externen Charakters der Patronatserklärung erlangt die Tochtergesellschaft keinen eige nen Leistungsanspruch gegenüber der Mut tergesellschaft. Deshalb kann eine solche Erklärung für sich genommen die Insolvenz reife der Gesellschaft nicht vermeiden und auch die diesbezügliche Kenntnis des Gläu bigers nicht beseitigen. Die Vermeidung der 6 Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Weitreichende Folgen für Softwarelizenzen bei Insolvenz des Lizenzgebers Brennpunkt Insolvenzfestigkeit von Lizenzen – aktuelle Entwicklungen In so gut wie jedem Unternehmen werden Immaterialgüterrechte genutzt, sei es Software, Marken oder gar Patente. Dabei ist häufig nicht das Unternehmen selbst, sondern ein Dritter Rechteinhaber, der lediglich eine „Lizenz“ einräumt. Die Insolvenz eines solchen Lizenzgebers hat für Unternehmen als Lizenznehmer ggf. schwerwiegende Folgen. Sofern derartige Lizenzverträge zum Zeitpunkt der Insol venz nicht oder nicht vollständig erfüllt sind, unterfallen diese als gegenseitige Verträge § 103 Abs. 1 InsO und damit dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters. Auch bei dauerhaften Patentlizenzen mit Einmalzahlung kann in den jährlichen den Inhaber treffenden Patentgebühren eine unvollständige Erfüllung gesehen werden. Lehnt der Insolvenzverwalter eine Erfül lung des Lizenzvertrages ab, fällt die Lizenz auf den Lizenzgeber zurück. Dem Lizenznehmer bleibt lediglich ein Scha densersatzanspruch wegen Nichterfül lung gem. § 103 Abs. 2 InsO. Als einfache Insolvenzforderung läuft dieser in der Praxis allerdings häufig leer. Entspre chendes gilt, wenn ein Lizenznehmer/geber in der weiteren Rechtekette Insol venz anmeldet. Ausgangssituation Ein Rückfall der Lizenz kann für den Lizenz nehmer gerade bei Patentlizenzen – namentlich in der Automobil- oder Pharmaindustrie – schwerwiegende Folgen haben: Der Lizenznehmer darf ein bestimmtes Verfah ren bzw. eine bestimmte Erfindung mit sofortiger Wirkung nicht mehr verwenden. Zeit für die Entwicklung alternativer Metho 7 den steht regelmäßig nicht zur Verfügung, so dass bestimmte Produkte in Ermange lung der erforderlichen Lizenz ggf. nicht mehr hergestellt werden können und dies bezügliche Investitionen umsonst getätigt wurden. Zudem kann der Insolvenzverwal ter die auf den Lizenzgeber zurückgefallene Lizenz einem Dritten – ggf. auch einem direkten Konkurrenten des Lizenznehmers – einräumen. Häufig kündigen Insolvenzver walter solche Lizenzverträge aber auch nur, um nochmals zusätzliche Vergütungen zu erlangen. Bei Softwarelizenzen kann die Insolvenz des Lizenzgebers ähnlich weitreichende Folgen haben. Die Lizenz an einer (Standard-) Software umfasst regelmäßig nicht die Wei tergabe des für deren Weiterentwicklung erforderlichen Quellcodes. Bei einer Insol venz des Lizenzgebers ist der Quellcode daher als wesentlicher Vermögenswert Teil der Insolvenzmasse. Die Entscheidung über die Erfüllung entsprechender Softwarepfle geverträge obliegt damit dem Insolvenzver walter. Lehnt dieser eine Erfüllung ab, erhält der Lizenznehmer keine Updates der betreffenden Software mehr. Eine erforder liche Anpassung oder Weiterentwicklung ist somit unmöglich. Bei Softwarelizenzen kön nen derartige Folgen allerdings durch den Abschluss sog. „Escrow“-Vereinbarungen in gewissem Umfang gemildert werden. Lizenzgeber, Lizenznehmer und EscrowAgent treffen dazu für den Fall einer Insol venz des Lizenzgebers eine Vereinbarung über die Hinterlegung des Quellcodes bei einem Treuhänder und die Einräumung eines entsprechenden Bearbeitungsrechts. Wird über das Vermögen des Lizenzgebers später tatsächlich das Insolvenzverfahren eröffnet, erhält der Lizenznehmer den Quellcode und kann die erforderlichen Anpassun gen an seiner Software vornehmen. Bei Patentlizenzen bzw. bei Lizenzen an anderen Immaterialgütern – etwa bei urheberrechtlichen Nutzungsrechten oder Mar kenlizenzen – bestehen solche Möglichkei ten nicht. Die Insolvenz des Lizenzgebers ist daher für den Lizenznehmer oftmals mit dem endgültigen Verlust der eingeräumten Lizenz verbunden. Ob diese Folge sich auch auf gewährte Unterlizenzen erstreckt, hatte nun der BGH zu entscheiden. Die Entscheidungen des BGH Die Entscheidungen des BGH „M2Trade“ (GRUR 2012, 916) und „Take Five“ (GRUR 2012, 914) betreffen Fallkonstella tionen aus dem Bereich der Software-Lizen zen („M2Trade“) bzw. aus dem Musikver lagsrecht („Take Five“). Das unmittelbar vom Lizenzgeber abgeleitete Nutzungsrecht („Hauptlizenz“) war dabei aufgrund einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges („M2Trade“) bzw. einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung („Take Five“) zwischenzeitlich jeweils erloschen. Da in beiden Fäl len Unterlizenzen an Dritte erteilt wurden, wurde nach Fortfall der Hauptlizenz über den Fortbestand der Unterlizenz gestritten. Der I. Zivilsenat des BGH hat diesbezüglich entschieden, dass das Erlöschen einer vom Rechteinhaber eingeräumten Hauptlizenz nicht automatisch zu einem Erlöschen der vom Hauptlizenznehmer eingeräumten Unterlizenz führt. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Brennpunkt Insolvenzfestigkeit von Lizenzen – aktuelle Entwicklungen • Fortsetzung Der BGH begründet dies u. a. mit dem im gewerblichen Rechtsschutz geltenden Sukzessionsschutz und einer umfassenden Abwägung der betroffenen Interessen. Aus gangspunkt bildet dabei die Annahme, dass ein vom Rechteinhaber eingeräumtes Nut zungsrecht im Regelfall – d. h., wenn nichts Gegenteiliges vereinbart wurde – mit der Beendigung des Lizenzvertrages „ipso iure“ an diesen zurückfällt. Dies leitet der BGH aus §§ 41 Abs. 5, 42 Abs. 5 UrhG sowie der „exemplarischen“ Vorschrift des § 9 Abs. 1 VerlG ab. Zudem besage der Grundsatz des Sukzessionsschutzes, dass ausschließliche und einfache Nutzungs rechte wirksam blieben, wenn derjenige, der das Nutzungsrecht eingeräumt habe, wegfalle. Entsprechendes gelte gem. § 33 S. 2, 2. Alt. UrhG im Falle eines nach träglichen Verzichts des Rechteinhabers auf das einem Dritten eingeräumte Nutzungs recht. Dem entnimmt der BGH die (allge meine) gesetzgeberische Aussage, dass das Erlöschen eines Nutzungsrechts nicht per se zu dem Erlöschen abgeleiteter Nut zungsrechte führt. Vielmehr solle das Ver trauen des Rechteinhabers in den Fortbe stand seines Rechts geschützt und die Amortisation seiner Investitionen ermög licht werden. Auch ein Erlöschen der Haupt lizenz soll deshalb nicht automatisch zum Erlöschen etwaiger Unterlizenzen führen. Deren Fortbestand sei vielmehr „in aller Regel“ angemessen und interessengerecht. Maßgeblich soll allerdings letztlich das Ergebnis einer Interessenabwägung sein. In den konkret entschiedenen Fällen ergab diese einen Vorrang des Interesses des Unterlizenznehmers am Fortbestand seines Nutzungsrechts. Dieser könne die Ursache für das Erlöschen der Hauptlizenz nicht beeinflussen und auch nicht vorhersehen. 8 Zudem führe das Erlöschen des Nutzungs rechts ggf. zur Vernichtung seiner wirt schaftlichen Existenz. Die Interessen des Rechtsinhabers seien demgegenüber auch bei einem Fortbestand der Unterlizenz gewahrt – zumindest wenn er, was wegen §§ 812 ff. BGB regelmäßig der Fall sei – von dem Hauptlizenznehmer Abtretung etwai ger Lizenzzahlungsansprüche gegen den Unterlizenznehmer verlangen könne. Die Entscheidungen des I. Zivilsenats betreffen spezifisch urheberrechtlich gela gerte Fragestellungen. Der Senat begründet seine Auffassung aber gesetzesübergrei fend und weist zudem darauf hin, dass der für Patentrecht zuständige X. Zivilsenat auf Nachfrage „keine Bedenken“ gegen diese Wertungen gehabt habe. Dies legt die Ein schätzung nahe, dass der BGH seine Auffas sung über die konkrete Fallkonstellation hin aus auch auf andere Erlöschensgründe und auf Lizenzen an anderen Immaterialgütern etwa auf solche im Bereich des Patentrechts übertragen will. Auch sein Hinweis, dass Unterlizenzen bestehen bleiben, wenn die Hauptlizenz „aus anderen Gründen“ als den konkret entschiedenen (Kündigung des Hauptlizenzvertrages wegen Zahlungsver zuges („M2Trade“) bzw. einvernehmliche Aufhebung des Hauptlizenzvertrages („Take Five“)) erlischt, spricht für eine sol che Annahme. Ob die Insolvenz des Hauptli zenznehmers einen solchen „anderen Grund“ darstellt, lässt der BGH offen. Gute Gründe sprechen jedoch dafür: Auch die Insolvenz des Lizenznehmers führt nach herrschender Auffassung zum Erlöschen der eingeräumten Lizenz. Eine solche Kons tellation dürfte daher auch hinsichtlich der Rechtsfolgen (Fortbestand etwaiger Unter lizenzen) den vom BGH angesprochenen „anderen“ Erlöschensgründen gleichzu stellen sein. Gesetzgeberische Aktivitäten Auch die Reformbemühungen des Gesetz gebers gehen dahin, Lizenzen „krisensicher“ zu machen. § 108 Abs. 1 InsO-E des Referentenentwurfes des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen (abrufbar unter http://www.bmj.de/Shared Docs/Downloads/DE/pdfs/RefE_InsoII.pdf?_ blob=publicationFile) sieht daher vor, dass der Lizenznehmer im Falle der Weigerung des Insolvenzverwalters den Lizenzvertrag zu erfüllen, binnen eines Monats den Abschluss eines neuen Lizenzvertrag zu „angemessenen Bedingungen“ verlangen kann. Dieses Recht soll auch gegenüber Rechtsnachfolgern bestehen, also insbeson dere den Fall erfassen, dass der Insolvenz verwalter die zurückgefallene Lizenz zwi schenzeitlich einem Dritten eingeräumt hat. § 108a Abs. 2 InsO-E bestimmt zudem, dass der Unterlizenznehmer bei Insolvenz des Hauptlizenznehmers einen Anspruch gegen den Rechteinhaber auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu „angemessenen Bedingungen“ haben soll. Gem. § 108a Abs. 3 InsO-E soll der Lizenznehmer die ursprüngliche Lizenz dabei bis zum Abschluss eines entsprechenden Lizenzver trages weiter nutzen dürfen – nach Ablauf von drei Monaten jedoch nur bei Zahlung einer angemessenen Vergütung und sofern er nachweisen kann, dass er Klage auf Abschluss eines Lizenzvertrages erhoben hat. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Brennpunkt Insolvenzfestigkeit von Lizenzen – aktuelle Entwicklungen • Fortsetzung Der vorgenannte Gesetzesentwurf sieht eine erhebliche Stärkung der Position des Lizenznehmers vor. Zwar statuiert § 108a InsO-E keine Insolvenzfestigkeit von Lizen zen, gibt dem Lizenznehmer aber zumin dest einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Lizenzvertrages zu „angemessenen Bedingungen“, sofern der Insolvenzverwal ter die Erfüllung des ursprünglichen Lizenz vertrages verweigert. Der Lizenznehmer muss dementsprechend nicht befürchten, seine Lizenz im Falle der Insolvenz des Lizenzgebers zu verlieren, sondern lediglich in Kauf nehmen, dass er bei einem mögli chen Neuabschluss des Lizenzvertrages ggf. nur schlechtere Vertragsbedingungen, also etwa höhere Lizenzzahlungen, aushan deln kann. Fazit Eine endgültige Klärung der Frage nach der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen bleibt ungeachtet der Entscheidungen des BGH dem Gesetzgeber vorbehalten. Mit § 108a InsO-E existiert allerdings ein Entwurf, der zu praktikablen Ergebnissen und einem angemessenen Ausgleich der betroffenen Interessen führt. Für den von ihm entschiedenen Teilbereich der Problematik hat der BGH eine gangbare Lösung aufgezeigt. Der Fortbestand der Unterlizenz trotz Erlöschens der Hauptlizenz schafft für den Unterlizenznehmer dabei ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit: Erfüllt er seine vertraglichen Verpflichtungen, kann er umgekehrt auf eine Wirksamkeit seiner Unterlizenz vertrauen. Autoren Dr. Peter Katko Rechtsanwalt, licencié en droit Ernst & Young Law GmbH, München Telefon +49 89 14331 25951 [email protected] Dr. Sebastian Eckhardt Rechtsanwalt Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon +49 711 9881 25262 [email protected] 9 Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Gericht beanstandet Abwicklung von Verträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern, die aufgrund von § 114 AktG der Zustimmung des Aufsichtsrats unterliegen Rechtsprechung aktuell Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern im Fokus der Rechtsprechung Die Vorschrift des § 114 AktG stellt Ver träge der Gesellschaft mit Aufsichtsratsmit gliedern über entgeltliche Tätigkeiten außerhalb deren Aufsichtsratstätigkeit unter den Vorbehalt der Zustimmung des Aufsichtsrats. Im Zusammenspiel mit der Regelung des § 113 AktG soll dadurch eine unsachliche Beeinflussung von Aufsichts ratsmitgliedern durch den Vorstand vermie den werden. Die zusätzliche Transparenz durch eine Erörterung derartiger Vertrags verhältnisse im Aufsichtsrat ist dazu geeig net, sachfremde Motive bei dem Abschluss und der Durchführung solcher Vertrags verhältnisse zu verhindern. Der Bundes gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 10. Juli 2012 (Az.: II ZR 48/11) im Rah men eines aktienrechtlichen Anfechtungs prozesses seine Rechtsprechung zur Zuläs sigkeit von Zahlungen des Vorstands an Aufsichtsratsmitglieder für Tätigkeiten außerhalb deren organschaftlichen Auf sichtsratstätigkeit nochmals deutlich ver schärft. Das Urteil war von der Praxis mit Spannung erwartet worden. Erneut wurde die Verfahrensweise einer börsennotierten Gesellschaft bei der Abwicklung von Verträ gen mit Aufsichtsratsmitgliedern, die auf grund von § 114 AktG der Zustimmung des Aufsichtsrats unterliegen, als rechtswidrig beanstandet. Bereits im Frühjahr 2011 hatte die Entscheidung der Vorinstanz für erhebliches Aufsehen gesorgt (vgl. OLG Frankfurt/M, Urteil vom 15. Februar 2011, Az.: 5 U 30/10). Das OLG Frankfurt/M hatte die erst nachträglich erteilte Zustim mung des Aufsichtsrats einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) zu einem bereits vollzogenen anwaltlichen Beratungsvertrag mit einer Anwaltskanzlei, der ein Aufsichts ratsmitglied als Partner angehörte, als 10 schweren, zur Anfechtung der Entlastungs beschlüsse führenden Gesetzesverstoß beurteilt. beanstandete Verfahrensweise des betroffe nen Unternehmens ist daher in der Praxis nicht unüblich. Der Bundesgerichtshof hat diese Entschei dung nun aufgehoben. Damit blieben die von zwei Aktionären gegen die Beschlüsse zur Entlastung von Vorstand und Aufsichts rat gerichteten Anfechtungsklagen in dieser Instanz zunächst erfolglos. Die Aktionäre hatten beanstandet, dass der Vorstand einer Anwaltskanzlei, der ein Aufsichtsrats mitglied als Partner angehörte, Beratungs aufträge in größerem Umfang ohne vorhe rige Mitwirkung des Aufsichtsrats erteilt und abgewickelt hatte. Der Aufsichtsrat des Unternehmens hatte für solche Anwaltstä tigkeiten zwar ein Jahresbudget beschlos sen. Zu den einzelnen Tätigkeiten wurde aber keine vorherige Zustimmung durch das Gremium erteilt, obgleich die Aufträge nach § 114 AktG der Zustimmung des Auf sichtsrats bedurften. Der Aufsichtsrat wurde jeweils erst nachträglich, nach Bezahlung der Beratungshonorare, mit den konkreten Mandaten befasst und hatte diese dann genehmigt. Die in den ersten drei Quartalen des Jahres erbrachten Zah lungen wurden damit erst im vierten Quar tal des Jahres durch Beschluss des Auf sichtsrats genehmigt. Angesichts des Hono rarvolumens für das betreffende Jahr von knapp 1 Mio. EUR dürfte es sich um eine größere Anzahl Mandate gehandelt haben, mit denen die Kanzlei beauftragt worden war. Vor diesem Hintergrund ist davon aus zugehen, dass eine vorherige Zustimmung zu jedem einzelnen Mandat kaum prakti kabel war, jedenfalls aber zu einer starken Erhöhung der Sitzungs- und Beschlussfre quenz des Aufsichtsrats geführt hätte. Die Die Befassung des Aufsichtsrats erfolgte nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zu spät. Er beurteilte die vorherige Auszahlung der Vergütung für die nach § 114 AktG zustimmungsbedürftigen Tätigkeiten ebenso wie die Vorinstanz als Verstoß gegen § 114 AktG und damit als Pflichtwidrigkeit des Vorstands. Dabei bejahte der Bundesge richtshof auch eine Pflichtwidrigkeit des Aufsichtsrats. Dieser habe sich ebenfalls rechtswidrig verhalten, weil er die Verfah rensweise des Vorstands nicht beanstandet hatte. Ein Vorstand darf demnach gemäß § 114 Abs. 1 AktG grundsätzlich keine Honorare an ein Aufsichtsratsmitglied zahlen, bevor der Aufsichtsrat den zugrunde liegenden Beratungsverträgen zugestimmt hat. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sei der Regelungszweck von § 114 AktG in Zusam menhang mit demjenigen des § 113 AktG zu sehen. Dieser stelle die Zahlung der Auf sichtsratsvergütung unter den Vorbehalt einer Satzungsregelung oder Beschlussfas sung der Hauptversammlung. Dabei diene § 114 AktG in erster Linie einer Absiche rung vor Umgehungen des § 113 AktG. Diese Absicherung werde nur erreicht, wenn es dem Aufsichtsrat ermöglicht werde, geplante Vereinbarungen des Vorstands mit Aufsichtsratsmitgliedern „präventiv“ darauf zu überprüfen, ob sie tatsächlich in Über einstimmung mit dem gesetzlichen Gebot des § 114 AktG nur Dienst- oder Werkleis tungen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeiten zum Gegenstand haben. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Rechtssprechung aktuell Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern im Fokus der Rechtsprechung • Fortsetzung Der dadurch bewirkte Zwang, den Bera tungsvertrag offenzulegen und dem Auf sichtsrat zur Zustimmung vorzulegen, soll diesem nach Ansicht des Bundesgerichts hofs zugleich die Möglichkeit eröffnen, sachlich ungerechtfertigte Sonderleistun gen der Aktiengesellschaft an einzelne Auf sichtsratsmitglieder – etwa in Form über höhter Vergütungen – zu verhindern. Damit verfügt der Aufsichtsrat über ein wirksames Instrumentarium, unsachliche und die neut rale und pflichtgemäße Erfüllung der Kont rollaufgabe gefährdende Beeinflussungen von Aufsichtsratsmitgliedern zu erkennen und zu verhindern. Diese Kontrolle ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesge richtshofs (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. November 2006 - II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 8; Urteil vom 2. April 2007 - II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 11) auch dann geboten, wenn der Beratungs vertrag – wie im entschiedenen Fall – nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied persönlich, sondern mit einer Gesellschaft abgeschlos sen wird, an welcher das Aufsichtsratsmit glied beteiligt ist. Voraussetzung ist in die sem Fall, dass dem Aufsichtsratsmitglied aus der an die Gesellschaft geleisteten Ver gütung persönlich Vorteile entstehen, die im Vergleich zur Aufsichtsratsvergütung nicht völlig zu vernachlässigen sind. Auch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung des Beratungsvertrages nach § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG besagt nach Ansicht des BGH keineswegs, dass der Vorstand pflichtge mäß handele, wenn er dem Aufsichtsrats mitglied schon vor der Genehmigung des Vertrages durch den Aufsichtsrat eine Ver gütung zahle. In solchen Fällen bezahle der Vorstand rechtsgrundlos auf einen noch nicht entstandenen Zahlungsanspruch, da der Vertrag bis zur Entscheidung über die Genehmigung schwebend unwirksam sei. Die Frage einer Zustimmung durch den Auf sichtsrat sei zu diesem Zeitpunkt noch offen, so dass eine Zahlung in Erwartung einer Genehmigung des Aufsichtsrats regel mäßig unzulässig sei. An der Rechtswidrig keit einer solchen Vergütungszahlung ändere sich nichts, wenn der Aufsichtsrat den Vertrag anschließend genehmige. 11 Dass der Aufsichtsrat den Vertrag nachträg lich als unbedenklich einordne spiele ledig lich für das Entstehen des Vergütungsan spruchs des Aufsichtsratsmitglieds eine Rolle. Dies ändere aber nichts daran, dass die nach dem Gesetzeszweck erforderliche präventive Kontrolle durch den Aufsichtsrat zum Zeitpunkt der (rechtsgrundlosen) Ver gütungszahlung noch nicht stattgefunden habe. Auch die fehlende Praktikabilität einer vorherigen Zustimmung könne diese Über legungen nicht entkräften. In diesem Zusammenhang weist der Bundesgerichtshof außerdem auf die Möglichkeit hin, die Ertei lung der Zustimmung nach § 114 AktG einem Ausschuss zuzuweisen. Durch die Übertragung einzelner Aufgaben auf Auf sichtsratsausschüsse wird eine schnelle und vergleichsweise kurzfristige Beschlussfas sung ermöglicht. Im Ergebnis war das Verhalten von Vor stand und Aufsichtsrat aber nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kein schwerer und vor allem auch kein eindeutiger Gesetzes verstoß und führe deshalb nicht zur Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse. Da die Frage einer Anfechtbarkeit der Beschlüsse aufgrund einer Auskunftsver weigerung offen geblieben war, verwies der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit zurück an die Vorinstanz. Bewertung Mit dieser Entscheidung äußert sich der Bundesgerichtshof zu praxisrelevanten Aspekten des Verfahrens bei der Abwick lung von Verträgen, die dem Anwendungs bereich des § 114 AktG unterfallen. Dabei blieben auch einige für die Praxis span nende Fragen offen. Hierzu zählt insbeson dere, ob eine nachträgliche Zustimmung des Aufsichtsrats ausnahmsweise zulässig ist, falls – wie im vorliegenden Fall – das Gre mium eine Gebührenobergrenze für Man date an bestimmte Aufsichtsratsmitglieder oder deren Sozietäten festgelegt hatte. Aus unserer Sicht ist dies zu verneinen, da sich der Aufsichtsrat bei einer pauschalen Ober grenze weder über den Gegenstand der konkreten Leistungen und damit die Abgrenzung zur Aufsichtsratstätigkeit noch über die Angemessenheit der Gebühren für den konkreten Einzelauftrag ein Urteil machen kann. Der Bundesgerichtshof hat ebenfalls offen gelassen, ob Beratungsverträge mit verbun denen Unternehmen grundsätzlich – etwa analog § 115 Abs. 1 Satz 2 AktG – in den Anwendungsbereich des § 114 AktG fallen (vgl. hierzu MünchKommAktG/Habersack, 3. Aufl., § 114 Rn. 16 f.; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 114 Rn. 2b). Jedenfalls in den Schutzzweck des § 114 AktG fallen seiner Ansicht nach Beratungsverträge von Auf sichtsratsmitgliedern mit von der Gesell schaft abhängigen Unternehmen, wenn der Vorstand in der Lage ist, den Vertragsschluss mit dem abhängigen Unternehmen zu beeinflussen. Die Unternehmenspraxis wird sich nun dar auf einzustellen haben, dass Vergütungen für Leistungen, die aufgrund von Verträgen bezahlt werden, die dem Anwendungsbe reich des § 114 AktG unterfallen, erst nach der Zustimmung des Aufsichtsrats erfolgen dürfen. Daran ändert – unseres Erachtens nach – die Festlegung einer Gebührenober grenze für Mandate an bestimmte Auf sichtsratsmitglieder oder deren Sozietäten nichts. Falls allerdings Aufsichtsratsmitglie der auf der Grundlage eines schwebend unwirksamen Vertrags in Vorleistungen gehen und ihre Leistung erbringen, ist dies nicht zu beanstanden. Dies erfolgt dann aber auf eigenes Risiko. Autoren Dr. Christian Bosse Rechtsanwalt Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon +49 711 9881 25772 [email protected] Yasmin von Khurja Rechtsanwältin Diplom-Kauffrau Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon +49 711 9881 13603 [email protected] Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Vorzeitige Amtsbeendigung und gleichzeitige Wiederbestellung für die gesetzlich zulässige Maximaldauer widerspricht nicht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung Rechtsprechung aktuell Einverständliche Amtsniederlegung und sofortige Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds AktG § 84 Abs. 1 Die Wiederbestellung eines Vorstandsmit glieds für (höchstens) fünf Jahre nach ein verständlicher Amtsniederlegung früher als ein Jahr vor Ablauf der ursprünglichen Bestelldauer ist grundsätzlich zulässig und stellt auch dann, wenn für diese Vorgehens weise keine besonderen Gründe gegeben sind, keine unzulässige Umgehung des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG dar. (amtl. Leit satz) BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - II ZR 55/11 – Vorinstanzen: OLG Zweibrücken, LG Frankenthal Sachverhalt Zu Mitgliedern des Vorstands der Aktienge sellschaft waren u. a. die Vorstände A und B jeweils für die Zeit bis zum 21. Januar 2010 bestellt. Am 6. Juli 2007 beschloss der Auf sichtsrat einstimmig, die Bestellung der Vor standsmitglieder A und B einvernehmlich aufzuheben und sie zugleich für die Dauer von fünf Jahren erneut zu Mitgliedern des Vorstands zu bestellen. Am folgenden Tag fand eine Hauptversammlung der Beklagten statt, auf der ein neuer Aufsichtsrat gewählt wurde. In der Folgezeit scheiterte ein Ver such, die Vorstandsmitglieder A und B abzuberufen, an einer Pattsituation im neuen Aufsichtsrat. Der Kläger ist Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft und begehrt die Feststellung der Nichtigkeit der Auf sichtsratsbeschlüsse vom 6. Juli 2007. 12 Inhalt der gesetzlichen Regelung Gemäß § 84 Abs. 1 AktG kann der Auf sichtsrat Vorstandsmitglieder für eine Amts zeit von höchstens fünf Jahren bestellen. Eine wiederholte Bestellung oder Verlänge rung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frü hestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden kann. Die im vorliegenden Fall gewählte Vorgehensweise, durch einvernehmliche Amtsnieder legung vor dem vom Gesetz gewählten Zeit punkt, d.h. ein Jahr vor Ablauf der bisheri gen Amtszeit, die Amtszeit zu verlängern, war in Rechtsprechung und juristischem Schrifttum umstritten. Von der Vorinstanz und zahlreichen Autoren im Schrifttum wurde darin ein Verstoß gegen § 84 Abs. 1 AktG oder jedenfalls eine unzulässige Geset zesumgehung gesehen. Andere hielten dagegen einen solchen Bestellungsbe schluss für zulässig. Zum Teil wurde mit Verweis auf Ziffer 5.1.2 des Deutschen Cor porate Governance Kodex (DCGK) das Vor liegen besonderer Gründe für eine solche Verfahrensweise gefordert. Die Entscheidung des BGH Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Entscheidung eindeutig Stellung bezogen und die Wiederbestellung eines Vorstands mitglieds für (höchstens) fünf Jahre nach einverständlicher Amtsniederlegung früher als ein Jahr vor Ablauf der ursprünglichen Bestelldauer als grundsätzlich zulässig erklärt. Nach Auffassung des entscheiden den Senats stelle dies auch dann, wenn für diese Vorgehensweise keine besonderen Gründe gegeben sind, keine unzulässige Umgehung des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG dar. In seiner Begründung orientiert sich der BGH eng am Wortlaut des § 84 Abs. 1 AktG: Die einvernehmliche Aufhebung der Bestel lung habe zu einer Beendigung der „bisheri gen Amtszeit” geführt. Unter Berufung auf die Gesetzesbegründung führt der BGH aus, dass durch § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG ledig lich sichergestellt werden solle, dass der Aufsichtsrat zumindest alle fünf Jahre einen Beschluss über die wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit der Vor standsmitglieder fasst. Die hier zu beurtei lende Wiederbestellung für fünf Jahre nach einverständlicher Amtsniederlegung wider spreche dem nicht. Auch komme es zu kei ner Bindung der Aktiengesellschaft an ein Vorstandsmitglied für länger als fünf Jahre und damit nicht zu wirtschaftlich untragba ren Belastungen, etwa dadurch, dass die Gesellschaft bei vorzeitiger Beendigung die gesamte Restlaufzeit des Vorstandsdienst vertrages vergüten müsste. Tatsächlich lasse das Gesetz durch die Regelung des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG sogar eine längere Bindung, nämlich sechs Jahre, zu. Der BGH stellt auch klar, dass der „alte“ Aufsichtsrat seinen Nachfolger, den „neuen“ Aufsichts rat, im Rahmen der gesetzlichen Regelung binden kann: Der „neue“ Aufsichtsrat müsse den Vorstand so akzeptieren, wie ihn der alte Aufsichtsrat bestellt habe. Anhalts punkte für eine treuwidrige Umgehung sah der BGH nicht. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Rechtssprechung aktuell Einverständliche Amtsniederlegung und sofortige Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds • Fortsetzung Praxis Der BGH stellt mit seiner Entscheidung von hoher praktischer Bedeutung in einer umstrittenen Frage klar, dass eine vorzeitige Amtsbeendigung und gleichzeitige Wieder bestellung von Vorstandsmitgliedern für die gesetzlich zulässige Maximaldauer von fünf Jahren nicht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung widerspricht. Zwar hatte der BGH einen Fall der vorzeitigen Amtsbeendigung durch „einverständliche Amtsniederlegung“ zu entscheiden; es kann jedoch vor dem Hintergrund der tragenden Urteilsbegründung mit dem Normzweck des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG und dem Verzicht des BGH auf das Erfordernis „eines beson deren Grundes“ davon ausgegangen wer den, dass auch eine „vorzeitige Abberu fung“ der Vorstandsmitglieder und Wieder bestellung für die Maximaldauer künftig zulässig ist. Die im vorliegenden Fall offensichtlich ange strebte Bindung des nachfolgenden Auf sichtsrats sieht der BGH jedenfalls als nicht rechtsmißbräuchlich an. Börsennotierte Aktiengesellschaften haben allerdings die Empfehlung in Ziffer 5.1.2 des DCGK zu berücksichtigen, wonach eine Wiederbestel lung vor Ablauf eines Jahres vor dem Ende der Bestelldauer bei gleichzeitiger Aufhe bung der laufenden Bestellung nur bei Vor liegen besonderer Umstände erfolgen soll. Autoren Dr. Nicole Franke Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Düsseldorf Telefon +49 211 9352 23800 [email protected] Dr. Philipp Grenzebach Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Düsseldorf Telefon +49 211 9352 16256 [email protected] 13 Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG verbietet der Gesellschaft, das Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter auszubezahlen, wenn das Stammkapital der Gesellschaft nicht durch Gesellschaftsvermögen gedeckt ist Rechtsprechung aktuell Verweigerung einer Auszahlung von gebundenem Kapital nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters Das Urteil des OLG Hamburg (11 U 135/ 11) vom 27.07.2012 betrifft die Verweigerung einer Auszahlung von nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG gebunde nem Kapital nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters. Leitsätze • Auch nach dem formalen Ausscheiden eines Gesellschafters kann die GmbH eine Auszahlung nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG verweigern, wenn die Forderung im Zusammenhang mit dem Ausscheiden begründet wurde • Die Stundung einer Forderung, die vom Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG erfasst wird, ist keine Rechtshandlung, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht (§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG) Praxisrelevanz Das Auszahlungsverbot gem. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG verbietet der Gesellschaft, das Gesellschaftsvermögen an die Gesellschaf ter auszuzahlen, wenn das Stammkapital der Gesellschaft nicht durch Gesellschafts vermögen gedeckt ist. Das OLG Hamburg präzisiert in seinem Urteil die Reichweite des Verbotes selbst sowie den Anwendungs bereich der Ausnahmetatbestände (i) voll wertiger Gegenleistungsanspruch und (ii) Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens. 14 Rechtlicher Rahmen Das Urteil des OLG Hamburg hatte eine Ver einbarung zum Gegenstand, welche die Beklagte, einen Kurierdienst, zur Zahlung von 10.000 € für eine bereits beurkundete, aber eventuell schwebend unwirksame Übertragung von Geschäftsanteilen an den ausgeschiedenen Gesellschafter verpflich tete. Die Beklagte verweigerte die Zahlung der vorübergehend gestundeten Forderung aufgrund des Auszahlungsverbotes nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG unter Berufung auf das Vorliegen einer Unterbilanz. Das OLG Hamburg erkannte mit Urteil vom 27.07.2012 grundsätzlich das Bestehen des Zahlungsanspruches an, obwohl die Gesellschaft im Ergebnis eine Verpflichtung des ausscheidenden Gesellschafters erfüllte. Es verneinte jedoch mit der Feststel lung der Anwendbarkeit des Auszahlungs verbotes im vorliegenden Fall dessen Durch setzbarkeit, da die Gesellschaft an der Auszahlung gemäß § 30 Abs. 1 S.1 GmbHG – wegen der bestehenden Unterbilanz – gehindert sei. Das Auszahlungsverbot gilt auch im Verhältnis zum ehemaligen Gesell schafter, wenn wie vorliegend die Forderung unmittelbar im Zusammenhang mit dem Ausscheiden begründet wird. Daher sei auch derjenige noch als Gesellschafter i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG zu behandeln, dem während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft eine Leistung zugesagt worden ist, die erst wie hier deutlich nach seinem Ausscheiden erbracht wird. Im vorliegenden Fall war dies evident, da die Abtretung der Geschäftsan teile erst anlässlich der Verpflichtung der Gesellschaft zur Zahlung rückwirkend genehmigt wurde – das OLG hat gleichwohl für die Begründung einen generellen Ansatz gewählt. Eine Auszahlung ist auch nicht auf Basis der Ausnahmeregelungen gem. § 30 Abs. 1 S. 2, 3 GmbHG n.F. (nach MoMiG) zulässig. Diese sind, obwohl die Zahlungsvereinba rung vor Einführung des MoMiG und damit zu einem Zeitpunkt in dem Ausnahmerege lungen gesetzlich nicht vorgesehen waren (Vgl. § 30 GmbHG a.F.) getroffen wurden, grundsätzlich anwendbar (BGH NJW 2012, 682). „Alte“ eigenkapitalersetzende Darle hen können daher von den Gesellschaftern grundsätzlich auf Basis der Neuregelungen (bilanzielle Betrachtungsweise) zurückge führt werden. Die Ausnahmetatbestände waren vorlie gend aber inhaltlich nicht einschlägig, was im Hinblick auf den ersten Ausnahmetatbe stand „Vorliegen eines vollwertigen Gegen leistungsanspruchs“, der in erster Linie Cash-Pool-Systeme ermöglichen soll, auf grund des Sachverhalts auf der Hand lag. Der Gesellschaft stand weder gegen den ehemaligen Gesellschafter noch den, mittel bar profitierenden, aktuellen Gesellschafter ein Gegenleistungsanspruch zu. Bei Letzte rem wäre schon nach der Regierungsbe gründung fraglich, ob dieser überhaupt aus reichen würde – nach dem Sachverhalt bestand er im Einzelfall nicht. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Rechtssprechung aktuell Verweigerung einer Auszahlung von gebundenem Kapital nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters • Fortsetzung Der zweite Ausnahmefall „Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens bzw. auf Leis tungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen“, war nach Ansicht des OLG ebenfalls nicht gegeben. Zwar habe das MoMiG an der Einordnung einer Stundung als einem Darlehen entsprechender Leis tung nichts geändert (nach altem Recht wurde die Stundung einer Forderung eines Gesellschafters wie ein eigenkapitalerset zendes Darlehen behandelt), zusätzliche Voraussetzung für den Ausnahmetatbe stand des § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG sei jedoch, dass die gestundete Forderung aus einem Verkehrsgeschäft stamme und der Forderung eine gleichwertige Leistung an die Gesellschaft gegenübersteht. Nur wenn der Gesellschafter eine solche Forderung stundet, wird aus der Forderung mittels der Stundung ein – auch im Falle der Unter bilanz – rückzahlbares „Gesellschafterdarle hen“. Vorliegend basierte die Forderung auf dem (ehemaligen) Gesellschaftsverhältnis, so dass die Stundung nicht zu einem nach § 30 Abs.1 S. 3 GmbHG privilegierten Gesellschafterdarlehen führen konnte. Fazit Das OLG Hamburg betritt mit dem Urteil kein Neuland – dass aus einer verbotenen Auszahlung nicht durch eine Stundung eine erlaubte Auszahlung werden kann, dürfte nicht überraschen. Das Urteil zeigt aber deutlich, dass die Gerichte im Zweifel zu einer exten siven Auslegung des „Gesellschafters“ im Zusammenhang mit nach § 30 GmbHG ver botenen Zahlungen tendieren. Ausreichend sind insoweit alle Zahlungen, die auf der ehemaligen Mitgliedschaft „beruhen“. Will ein Gesellschafter gegen Abfindung aus einer – kapitalschwachen – GmbH ausscheiden, sollte diese Tendenz immer berücksichtigt werden. Ein Insolvenzverwalter wird auf Basis dieser Rechtsprechung alle Zahlungen an Altgesellschafter zurückfordern, die auch nur ansatzweise mit der ehemaligen Gesell schafterstellung in Verbindung zu bringen sind. Der ausscheidende Gesellschafter sollte daher darauf bestehen, dass eine etwaige Abfindung für zu übertragende Geschäftsan teile von den verbleibenden Gesellschaftern geleistet oder jedenfalls von diesen, über den Zeitpunkt der Zahlung hinaus, abgesichert wird. Autoren Jan Schulz Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Hamburg Telefon +49 40 26132 17511 [email protected] Ilja Schneider Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Hamburg Telefon +49 40 36132 25778 [email protected] 15 Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Verschmelzungsrechtlicher Squeeze Out verstößt nicht gegen Art. 14 GG Rechtsprechung aktuell Leichter Verschmelzen Die Übernahme von Unternehmen ist einfacher geworden. Beim umwandlungs rechtlichen Squeeze Out reichen 90 Prozent der Aktien, bestätigt ein wichtiges Urteil. Minderheitsaktionäre sollen leichter aus einer Aktiengesellschaft ausgeschlossen werden können, um so den Weg zu einer Verschmelzung mit der Mehrheitsgesell schafterin freizumachen. Zu diesem Zweck hat die Regierungskoalition in Berlin das Dritte Umwandlungsänderungsgesetz beschlossen, in dem die Schwelle zum Aus schluss von Minderheitsaktionären sinkt. Beim sogenannten Squeeze-Out-Merger reichen dem übernehmenden Unternehmen nur noch 90 Prozent der Aktien statt der sonst nötigen 95 Prozent, um die übrigen Anteilseigner herauszukaufen. Die gesetz liche Änderung erfolgte vor einem Jahr. Inzwischen hat sich auch Justitia mit der Neuerung beschäftigt – und die 90-ProzentSchwelle bestätigt. Das Oberlandesgericht Hamburg befasste sich mit der Zulässigkeit des in § 65 Abs. 5 Umwandlungsgesetz geregelten Verfahrens zum Ausschluss von Minderheitsaktionären im Rahmen einer Verschmelzung (OLG Hamburg vom 14.06.2012, Az.: 11 AktG 1/12). Gegenstand des Verfahrens war der Freigabeantrag einer börsennotierten Akti engesellschaft nach § 246a Aktiengesetz. 16 Diese wollte den Ausschluss von Minder heitsaktionären beim verschmelzungsrecht lichen Squeeze Out eintragen lassen, so wie es die Hauptversammlung zuvor beschlos sen hatte. Ein Aktionär erhob jedoch Anfechtungsklage. Nach Ansicht des Aktionärs verstieß der verschmelzungsrechtliche Squeeze Out gegen Artikel 14 Grundgesetz. Dies war nach Einführung des regulären Squeeze Out ein oft erhobener Einwand in Anfechtungsprozessen gewesen; allerdings hatten sowohl der Bundesgerichtshof (BGH vom 25.07.2005 Az.: II ZR 327/03) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG vom 30.05.2007 1 BvR 390/04) dies verneint. Legitimes Interesse Unter Bezugnahme auf die beiden höchst richterlichen Entscheidungen sah nun das OLG Hamburg keine Verfassungswidrigkeit beim verschmelzungsrechtlichen Squeeze Out. Die Hamburger Richter stellten fest, dass auch die auf 90 Prozent abgesenkte Mindestbeteiligung des Hauptaktionärs keine andere Bewertung erfordere. Anteile von bis zu zehn Prozent würden Minder heitsaktionären keine Einwirkungsmöglich keiten auf die Unternehmensführung ein räumen. Es gebe überdies ein legitimes Interesse, per verschmelzungsrechtlichem Squeeze Out die Konzernstruktur zu verein fachen und zu ordnen. Und durch die Sicherstellung eines angemessenen Werter satzes für den Verlust des Eigentums seien die Interessen der Minderheitsaktionäre gewahrt, urteilte das OLG Hamburg. Von der GmbH zur AG In dem Verfahren vor dem Oberlandesge richt ging es auch um den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs, da die Mehrheitsgesell schafterin erst unmittelbar vor Einleitung des Squeeze-Out-Verfahrens von einer GmbH zur AG umfirmierte. Dieser Schritt war zwingende Voraussetzung für das Verfahren, da eine GmbH – anders als eine AG – keine gesetzlich vorgesehene Rechts form beim umwandlungsrechtlichen Squeeze out ist. Trotz des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs der beiden Strukturmaßnahmen verneinte das OLG einen Rechtsmissbrauch. Das Gericht befand, dass der umwandlungsrechtliche Squeeze Out der Vereinfachung von Kon zernstrukturen diene, weshalb der vorhe rige Formwechsel zur Schaffung der Vor aussetzungen nicht zu beanstanden sei. Damit befinden sich die hanseatischen Richter auf der Linie des Bundesgerichts hofs. Dieser hatte in einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 2009 zum regulären Squeeze Out entschieden, dass die Frage eines Rechtsmissbrauchs nicht allein anhand der Ziele des Vorgehens, sondern nur in Relation zu der gesetzgebe rischen Zielsetzung beurteilt werden könne (BGH v. 16.3.2009, Az: II ZR 302/06). • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Rechtssprechung aktuell Leichter Verschmelzen • Fortsetzung Fazit Das Urteil des OLG Hamburg klärt einige wichtige Fragen zum Verfahren des umwandlungsrechtlichen Squeeze Out und leistet einen Beitrag zur Rechtssi cherheit. Unternehmen dürften auch weiterhin von diesem Verfahren regen Gebrauch machen. Drei Wege zur Übernahme • Der aktienrechtliche Squeeze Out erfordert mindestens 95 Prozent des Stammkapitals (die auch indirekt gehalten werden können) und einen Beschluss auf der Hauptversammlung (§§ 327a ff. Aktiengesetz). • Der übernahmerechtliche Squeeze Out sieht ebenfalls mindestens 95 Prozent des Stammkapitals vor, es sind aber keine Hauptversammlung, keine Unternehmensbewertung und keine Angemessenheitsprüfung notwendig (§§ 39a ff. Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz). • Der umwandlungsrechtliche Squeeze Out setzt mindestens 90 Prozent des Stammkapitals in einer Hand voraus und muss mit einer Verschmelzung der Aktiengesellschaft auf die Hauptaktionärin als Upstream-Merger verbunden sein (§ 62 Abs. 5 Umwandlungsgesetz). Autoren Dr. Christian Bosse Rechtsanwalt Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon +49 711 9881 25772 [email protected] 17 Dr. Achim Grothaus Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Berlin Telefon +49 30 25471 21195 [email protected] Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Die Angemessenheitsvermutung des § 39 a Abs. 3 S. 3 WpÜG hält verfassungsrechtlichen Bedenken stand Rechtsprechung aktuell Erfüllung der 90 %-Schwelle bei übernahmerechtlichem Squeeze-out (Beschluss des OLG Frankfurt/Main vom 21.05.2012, Az.: WpÜG 10/11) Mit wesentlichen Fragen zur Berechnung bzw. Erfüllung der 90 %-Schwelle beim übernahmerechtlichen Squeeze-out setzte sich jüngst das OLG Frankfurt/Main in einem Beschluss vom 21.05.2012 (Az.: WpÜG 10/11) ausführlich ausein ander. Entscheidungen zum übernahme rechtlichen Squeeze-out sind vergleichs weise selten. Der zu besprechende Beschluss des OLG Frankfurt/Main konkretisiert in für die Praxis besonders hilfreicher Weise die Voraussetzungen, unter denen die 90 %-Schwelle beim übernahmerecht lichen Squeeze-out erreicht wird. Letzere ist Voraussetzung für das Eingreifen der Angemessenheitsvermutung nach § 39 a Abs. 3 Satz 3 WpÜG, welche den übernahmerechtlichen Squeeze-out zu einer kosten- und zeitsparenden Alternative gegenüber dem aktienrechtlichen Squeezeout macht. Der Beschluss des OLG Frank furt/Main vom 21.05.2012 und seine Kon sequenzen für die Strukturierung der Über nahme börsennotierter Unternehmen sollten bei entsprechenden Planungen berücksichtigt werden. Mehrheitsaktionäre einer Aktiengesellschaft können Minderheitsaktionäre im Wege des aktienrechtlichen Squeeze-out (§§ 327 a ff. Aktiengesetz oder AktG) gegen Abfindung aus der Gesellschaft aus schließen. Soweit es sich um eine börsen notierte Gesellschaft handelt, besteht daneben unter den Voraussetzungen der §§ 39a ff. Wertpapiererwerbs- und Über nahmegesetz (WpÜG) die Möglichkeit, im 18 Nachgang zu einem öffentlichen Über nahme- oder Pflichtangebot einen soge nannten „übernahmerechtlichen Squeezeout“ durchzuführen. In beiden Fällen ist Voraussetzung, dass dem Mehrheitsaktionär im Zeitpunkt der Einleitung des Squeeze-out-Verfahrens mehr als 95 % des Grundkapitals der betrof fenen Gesellschaft gehören und den auszu schließenden Minderheitsaktionären eine angemessene Abfindung für das Aktienei gentum gezahlt wird. Den übernahmerecht lichen Squeeze-out muss der Mehrheitsakti onär innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist des vorausgehen den Übernahme- oder Pflichtangebots beim Landgericht Frankfurt beantragen. Für den aktienrechtlichen Squeeze-out ist ein Beschluss der Hauptversammlung der Gesellschaft notwendig, mit dem auch über die Höhe der Abfindung zu entscheiden ist, die an die Minderheitsaktionäre zu zahlen ist. Dieser Hauptversammlungsbeschluss kann von Minderheitsaktionären gerichtlich angefochten werden und schließlich in einem langwierigen Spruchverfahren über die Angemessenheit der beschlossenen Abfindung enden. Der übernahmerechtliche Squeeze-out (mittels der Angemessenheitsvermutung des § 39a Abs. 3 S. 3 WpÜG) bietet hinge gen den entscheidenden Vorteil, dass es eines Beschlusses der Hauptversammlung der betroffenen Gesellschaft nicht bedarf. Vor allem aber ist die im Rahmen des öffentlichen Übernahme- oder Pflichtange bots gewährte Gegenleistung als angemes sene Abfindung anzusehen, wenn der spä tere Mehrheitsaktionär Aktien in Höhe von mindestens 90 % des vom Angebot betroffe nen Grundkapitals aufgrund besagten Ange bots erworben hat. Unter diesen Vorausset zungen sind kostenträchtige Sachverständi gengutachten und zeitaufwendige Spruchverfahren über die Angemessenheit zu zah lender Abfindungen nicht notwendig. Dies war – wie das OLG Frankfurt/Main ausdrück lich betont – auch die Vorstellung des Gesetzgebers, der erfolgreichen Bietern mit dem übernahmerechtlichen Squeeze-out eine im Verhältnis zum aktienrechtlichen Ausschlussverfahren schnellere und kosten günstigere Möglichkeit an die Hand geben wollte, noch verbliebene Minderheitsaktio näre auszuschließen – nicht zuletzt um Umstrukturierungen zu erleichtern. Das OLG Frankfurt/Main behandelt in seinem Beschluss vom 21.05.2012 (Az.: WpÜG 10/11) nun wesentliche Fragen zur Berechnung bzw. Erfüllung besagter 90 %-Schwelle. Es kommt zu dem Ergebnis, dass in die Berechnung der 90 %-Schwelle auch Parallelerwerbe über die Börse und von Organmitgliedern einbe zogen werden können, vorausgesetzt diese Erwerbe sind kausal mit dem Angebot ver knüpft. Entscheidend für diese kausale Verknüpfung soll sein, dass die fraglichen Aktien ohne das Übernahmeangebot nicht erworben worden wären. Dies ist grundsätz lich ein sehr offener Maßstab. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Rechtssprechung aktuell Erfüllung der 90 %-Schwelle bei übernahmerechtlichem Squeeze-out • Fortsetzung Eine zeitliche Einschränkung auf Erwerbe, die während der Annahmefrist des öffentli chen Übernahmeangebots getätigt werden, wie in der Literatur teilweise bisher vertre ten, nimmt das OLG Frankfurt/Main dabei ausdrücklich nicht vor. Die gesetzliche Regelung sehe eine solche zeitliche Ein schränkung gerade nicht vor. Zwar konnte das OLG Frankfurt/Main die Frage, ob sogar solche Aktien in die Berech nung der 90 %-Schwelle einbezogen werden können, die erst nach Ablauf der weiteren Annahmefrist oder sogar nach Stellung des Squeeze-out-Antrags erworben werden, ausdrücklich offenlassen. Die Schwellen werte wurden im konkreten Fall auch ohne derart erworbene Aktien erreicht. Laut OLG Frankfurt/Main spricht aber für eine Einbeziehung in die Berechnung der 90 % Schwelle, dass auch solche Aktien wegen des Angebots erworben wurden und damit die allein notwendige kausale Ver knüpfung mit dem Übernahmeangebot besteht. Außerdem könnten gemäß § 39 c WpÜG solche Aktionäre, die das öffentliche Übernahmeangebot ursprüng lich nicht angenommen haben, noch für einen Zeitraum von 3 Monaten nach Ablauf der Annahmefrist das Übernahmeangebot annehmen. Damit werde das Übernahmean gebot für einen erheblichen Zeitraum nach der ursprünglichen Annahmefrist als fortbe stehend fingiert. Dies könnte als kausale Verknüpfung im Sinne der Berechnung der 90 %-Schwelle schon ausreichen, wenn dar aufhin Aktien erworben würden. Auch im Hinblick auf die Ausschlussschwelle von 95 %, deren Erreichen erste Vorausset zung ist für die Möglichkeit, das Verfahren des übernahmerechtlichen Squeeze-out überhaupt einzuleiten, sieht der Wortlaut des Gesetzes laut Beschluss des OLG Frank furt/Main keine Einschränkung derart vor, dass nur Parallelerwerbe in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Angebot einbezogen werden könnten. Ein solcher 19 Zusammenhang sei lediglich in der Geset zesbegründung allgemein angesprochen, dort aber nicht weiter konkretisiert worden. Da der Squeeze-out-Antrag gemäß § 39 a Abs. 1 WpÜG ohnehin binnen einer kurzen zeitlichen Frist von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist gestellt werden müsse, besteht laut OLG Frankfurt/Main kein Anlass, zusätzlich eine weitere Frist vorzusehen, innerhalb derer die 95 %Schwelle erreicht sein müsse. Dies bedeutet konkret, dass der Schwellenwert von 95 % auch unter Einbeziehung von Aktien erreicht werden kann, die erst nach Ablauf der Annahmefrist oder der weiteren Annah mefrist des öffentlichen Übernahmeange bots erworben worden sind. Schließlich betont das OLG Frankfurt/Main, dass die gesetzliche Regelung des übernah merechtlichen Squeeze-out nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ver stoße, sondern verfassungsrechtlich unbe denklich sei. Gerade im Hinblick auf die Angemessen heitsvermutung des § 39 a Abs. 3 Satz 3 WpÜG hat dies auch jüngst das Bundesver fassungsgericht in seinem Beschluss vom 16.05.2012 (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Az. 1 BvR 96/09; 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09, veröffentlicht ZIP 2012, 1408) bestätigt. Die gesetzliche Vermutung, dass das Über nahmeangebot im Fall seiner Annahme durch mehr als 90 % des Grundkapitals den Aktionären eine dem Verkehrswert ihrer Aktien entsprechende Entschädigung ver schaffe (auch als „Markttest“ bezeichnet), sei verfassungsrechtlich nicht zu bestan den. Im Übrigen bestehe aus verfassungs rechtlicher Sicht gerade keine Verpflich tung, bei Ermittlung des im Sinne von Art. 14 GG angemessenen Unternehmenswertes stets jede denkbare Methode der Unterneh mensbewertung anzuwenden. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Rechtssprechung aktuell Erfüllung der 90 %-Schwelle bei übernahmerechtlichem Squeeze-out • Fortsetzung Die gesetzliche Vermutung der Angemes senheit der Gegenleistung beruht darauf, dass beim übernahmerechtlichen Squeezeout zwingend in zeitlich kurzer Frist vor dem Ausschlussverfahren ein überwältigender Markttest gerade in Bezug auf den konkre ten Angebotspreis stattgefunden hat und eine große Zahl unabhängiger Marktteilneh mer zum Preis des Übernahmeangebots jeweils unabhängig voneinander Desinves titionsentscheidungen getroffen haben. Wenn das Übernahmeangebot von 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals angenommen wird, kann nach der Lebens erfahrung grundsätzlich kein Zweifel daran bestehen, dass das Angebot jedenfalls aus Sicht der weit überwiegenden Mehrheit den Unternehmenswert angemessen widerspie gelt. Unter diesen besonderen Umständen ist es laut Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbedenklich, im Rahmen der Ver mutung nach § 39a Abs. 3 WpÜG allein auf diesen Markttest abzustellen und daraus die Angemessenheit des Angebots im Sinne von Artikel 14 GG abzuleiten. Es bedarf in diesen Fällen keiner weiteren Überprüfung des angebotenen und offensichtlich für angemessen empfundenen Angebotsprei ses. Die Bewertung durch einen Sachver ständigen wird aus Vereinfachungsgründen durch den Markttest ersetzt, nicht zuletzt weil laut OLG Frankfurt/Main ein Bewer tungsverfahren in diesen Fällen gegenüber dem Markttest keinen überlegenen Erkennt niswert für sich in Anspruch nehmen könne. Auch das Bundesverfassungsgericht betont, dass eine Unternehmensbewertung – wie 20 die Ertragswertmethode – in diesen Fällen keine „richtigeren Ergebnisse zeitigt als der Markttest“. Insgesamt zeigt der Beschluss des OLG Frankfurt/Main ein vergleichsweise weites Verständnis der gesetzlichen Vorschriften, soweit es um die Berechnung der maßgebli chen Schwellenwerte geht. Dies ist für die Praxis von besonderer Relevanz, weil auf diese Weise der 90 %-Schwellenwert der Angemessenheitsvermutung nach § 39 a Abs. 3 Satz 3 WpÜG häufiger erreicht wer den dürfte als bisher angenommen. Im Ergebnis erweitert sich damit das poten tielle Anwendungsfeld des übernahmerecht lichen Squeeze-out. Die Entscheidung des OLG Frankfurt/Main sollte dazu ermutigen, den übernahmerechtlichen Squeeze-out als schnelleres und kostengünstigeres Instru ment zum Ausschluss verbliebener Minder heitsaktionäre schon im Rahmen der Struk turierung der Übernahme von börsennotier ten Unternehmen in den Blick zu nehmen – nicht zuletzt bestärkt durch die Bestätigung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Angemessenheitsvermutung des § 39 a Abs. 3 S. 3 WpÜG verfassungsrechtlichen Bedenken Stand hält. Autor Frank Schäfer, LL.M. Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Hannover Telefon +49 511 8508 23755 [email protected] Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Rechtsprechung aktuell Corporate Mobility: Kleiderwechsel beim Gang über die Grenze Der Europäische Gerichtshof (Rs. C-378/10, „VALE Építési kft“) hat mit seinem Urteil vom 12. Juli 2012 die grundsätzliche Zulässigkeit eines Rechtsformwechsels über die Grenze innerhalb der EU bestätigt. Unternehmen können damit ohne Auflösung und Liquidation ihren Satzungssitz ins EU-Ausland ver legen und dort das „Rechtskleid“ einer nach dem Recht des Aufnahmestaates bestehenden Gesellschaftsform „anzie hen“. Bisherige Rechtslage Seit dem 1. November 2008 können deut sche Aktiengesellschaften und Gesellschaf ten mit beschränkter Haftung den Sitz ihrer tatsächlichen Verwaltung ins Ausland verle gen. Diese Änderung des deutschen Rechts beruhte auf den Entscheidungen des Euro päischen Gerichtshofs in Sachen Centros (1999), Überseering (2002) und Inspire Art (2003). Der Satzungssitz, also der Ort, an dem deutsche Kapitalgesellschaften im Handels register eingetragen sind, muss dagegen gemäß §§ 4a GmbHG, 5 AktG zwingend im deutschen Inland liegen. In Sachen Cartesio (2008) hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Verlegung des Sat zungssitzes ohne gleichzeitigen Wechsel in eine Gesellschaftsform des Zuzugsstaates nicht von der europarechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit gedeckt ist. Dement 21 sprechend führt ein solcher Wegzug einer deutschen Gesellschaft ins Ausland unter Verlegung des Satzungssitzes, jedoch ohne Wechsel in eine Gesellschaftsform des Zuzugsstaates, zur Auflösung und Liquida tion der Gesellschaft. Zugleich führte der Europäische Gerichts hof in Sachen Cartesio in einer das Urteil nicht tragenden und damit unverbindlichen Nebenbemerkung („obiter dictum“) aus, dass eine Verlegung des Satzungssitzes unter Änderung der Gesellschaftsform in eine dem Aufnahmemitgliedstaat unterlie gende Rechtsform von der Niederlassungs freiheit umfasst ist. In den letzten Jahren war die Auslegung dieses obiter dictum jedoch kontrovers und daher nur bedingt für die praktische Umsetzung gesellschafts rechtlicher Gestaltungen geeignet. Weiterer Meilenstein der grenzüber schreitenden Mobilität von Gesell schaften in Europa geklärt Diese Rechtsunsicherheit hat der Europäi sche Gerichtshof nunmehr mit seinem Urteil vom 12. Juli 2012 (Rs. C-378/10, „VALE Építési kft“) beseitigt und damit eine der grundlegenden Fragen der grenzüberschrei tenden Mobilität von Gesellschaften in Europa geklärt: Sieht ein EU-Mitgliedstaat die Möglichkeit eines Rechtsformwechsels für inländische Gesellschaften vor, darf er diese Möglichkeit einer dem Recht eines anderen Mitglieds staates unterliegenden Gesellschaft im Fall der Verlegung des Satzungssitzes über die Grenze nicht verwehren. Die grenzüber schreitende Satzungssitzverlegung unter Änderung der Rechtsform ist allerdings nur dann von der Niederlassungsfreiheit geschützt, wenn eine „tatsächliche wirtschaft liche Tätigkeit mittels einer festen Einrich tung im Aufnahmemitgliedstaat“ erfolgt. Der grenzüberschreitende Rechtsformwech sel einer Briefkastengesellschaft ist somit nicht von der Niederlassungsfreiheit geschützt. Das deutsche Umwandlungsrecht regelt zwar die grenzüberschreitende Verschmel zung von Kapitalgesellschaften in §§ 122a ff. UmwG. Den grenzüberschreitenden Formwechsel hat der deutsche Gesetzgeber dagegen bislang nicht geregelt. Auch auf europäischer Ebene fehlt eine Regelung, da der Entwurf der Sitzverlegungsrichtlinie der Kommission von 1997 nie umgesetzt wurde. Diesbezüglich stellt der Europäische Gerichtshof ausdrücklich klar, dass eine unterschiedliche Behandlung, die davon abhängt, ob es sich um eine grenzüber schreitende oder eine innerstaatliche Umwandlung handelt, nicht mit dem Fehlen nationaler Vorschriften über einen grenz überschreitenden Formwechsel gerechtfer tigt werden kann. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Rechtssprechung aktuell Corporate Mobility: Kleiderwechsel beim Gang über die Grenze • Fortsetzung Fehlende Regelung des grenzübeschreitenden Formwechsels im Umwand lungsgesetz Es dürfte davon auszugehen sein, dass der deutsche Gesetzgeber den grenzüberschrei tenden Formwechsel nun relativ zeitnah im UmwG regeln wird; hierzu ist der Gesetzge ber auch verpflichtet. Bis dahin ist durch den Europäischen Gerichtshof geklärt, dass der Zuzugsmitgliedsstaat der zuziehenden Gesellschaft sämtliche innerstaatlich vor handenen Rechtsformwechselmöglichkeiten eröffnen muss, allerdings auch nur diese und nicht etwa Formwechselkombinationen, die im innerstaatlichen Recht nicht bekannt sind. Im Detail bestehen jedoch Unklarhei ten hinsichtlich der Modalitäten einer Sitz verlegung nach Deutschland unter Wechsel der Rechtsform in eine deutsche Gesell schaftsform. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darf der Zuzugs staat die konkreten Modalitäten der Durch führung des grenzüberschreitenden Form wechsels festlegen. Diese Modalitäten der Umwandlungsmaßnahme dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige innerstaatliche Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz) und die Aus übung der Niederlassungsfreiheit nicht praktisch unmöglich machen oder übermä ßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Aus deutscher Sicht bedeutet dies, dass, solange eine gesetzliche Regelung im UmwG fehlt, davon auszugehen sein wird, dass die innerstaatlichen Bestimmungen über entsprechende Umwandlungsmaßnah men analoge Anwendung finden. Somit dürften die für den innerstaatlichen Form wechsel geltenden Anforderungen gemäß §§ 190 Abs. 2, 192 ff. UmwG (z. B. Umwandlungsbericht und Umwandlungsbe schluss) entsprechend auf den grenzüber schreitenden Formwechsel nach Deutsch land Anwendung finden. Im Einzelnen 22 werden hier aber noch ungeklärte Anpas sungen erforderlich sein. Beispielsweise wird das Registergericht Übersetzungen ausländischer Dokumente verlangen kön nen; ebenso die für innerstaatliche Regis teranmeldungen geforderten Formerforder nisse und Echtheitsnachweise (d. h., Legali sation oder Apostille). Gläubigern, die aufgrund des grenzüberschreitenden Form wechsels die konkrete Gefährdung ihrer Ansprüche glaubhaft machen können, dürfte auf Verlangen analog §§ 192 ff., 204, 22 Abs. 1 Satz 2 UmwG Sicherheit zu leisten sein. Jedenfalls dürfen die Register gerichte keine übertriebenen, dem Effekti vitäts- und Äquivalenzgrundsatz wider sprechenden Anforderungen stellen. Ähnliche Probleme bzw. Unsicherheiten dürften für formwechselnde Sitzverlegun gen von Deutschland in das europäische Ausland bestehen, da in den meisten Län dern derzeit ebenfalls entsprechende aus drückliche Regelungen fehlen. Gestaltungsüberlegungen („seat and law shopping“) Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen VALE Építési kft dürfte Ausgangs punkt für vielfältige Gestaltungsüberlegun gen sein, denn es ermöglicht die identitäts wahrende Verlegung nicht nur des Verwal tungssitzes, sondern auch des Satzungssitzes über die Grenze. Anders als im Fall der (grenzüberschreiten den) Verschmelzung kommt es bei der formwechselnden Satzungssitzverlegung über die Grenze nicht zum Wechsel des Rechtsträgers. Dies kann in verschiedenen Bereichen von erheblichem Vorteil sein, denn ein Rechtsträgerwechsel kann z. B. grunderwerbsteuerschädlich sein oder zum Verlust öffentlich-rechtlicher Genehmigungen (z. B. Rundfunklizenzen) führen. Auch ver gaberechtlich kann ein Auftragnehmer wechsel nach Zuschlagserteilung kraft Ver schmelzung u.U. als Neuvergabe anzusehen sein. Ebenso dürften reine vertragliche Change-of-Control-Klauseln beim Form wechsel nicht tangiert werden. Zudem ermöglicht die grenzüberschrei tende formwechselnde Sitzverlegung gegebenenfalls die Wahl eines attraktiveren rechtlichen Umfelds („seat and law shop ping“), etwa die Modifikation der Unterneh mensmitbestimmung, attraktivere Corpo rate-Governance-Strukturen (z. B. mehr Einfluss des nicht-geschäftsführenden Board-Mitglieds als im Aufsichtsrat deut scher Prägung) oder Haftungsstrukturen (z. B. englische LLP versus deutsche Part nerschaftsgesellschaft). Ebenso ist an Vor teile im Hinblick auf die Kapitalerhaltung oder hinsichtlich der Dauer und Kosten einer Liquidation zu denken. Schließlich sind die steuerlichen Gestaltungsoptionen auszuleuchten. Auch in der Praxis hat die Vale-Rechtspre chung des EuGH bereits Anwendung gefun den, nach Presseberichten etwa bei einer konzerninternen, grenzüberschreitenden Verschmelzung von Frankreich nach Deutschland im Rahmen der Konzentration des Europageschäfts der Edel AG in Deutschland. Autor Dr. Felix von Bredow Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Frankfurt Telefon +49 6196 996 24443 [email protected] Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Sicherheitsüberprüfung mittels Terrorlistenscreening stehen keine datenschutzrechtlichen Bedenken gegenüber Aktuelle Meldung BFH: Terrorlistenscreening datenschutzrechtlich zulässig Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19.6.2012 – VII R 43/11 – entschieden, dass ein Hauptzollamt (HZA) die Erteilung des AEO (Authorised Economic Operator) - Zertifikats „Zollrechtliche Vereinfachungen/ Sicherheit“ von der Bedingung abhängig machen darf, dass der Antragsteller seine in sicherheitsrelevanten Bereichen tätigen Bediensteten einer Sicherheitsüberprüfung anhand der sogenannten EU-Terrorlisten unterzieht. Diese Entscheidung des BFH führt zu Rechtssicherheit, indem klarge stellt wird, dass einer Sicherheitsüberprü fung mittels Terroristenscreening keine datenschutzrechtlichen Bedenken entge genstehen. Hintergrund des Terrorlistenscreenings ist das sogenannte Bereitstellungsverbot, das in verschiedenen EU-Verordnungen geregelt ist (z. B. die EG Verordnung Nr. 881/2002 (ABl EG Nr. L 139) vom 29.5.2002). Danach ist die Bereitstellung finanzieller Mittel an Personen untersagt, die in Terror listen aufgeführt sind, da diese Personen in dem Verdacht stehen, terroristische Hand lungen begehen zu wollen oder begangen zu haben. Unter „Bereitstellung finanzieller Mittel“ fällt insbesondere auch die Lohn- und Gehaltszahlung an Beschäftigte. Ziel ist es, Terrororganisationen finanziell „auszu trocknen“. In Deutschland ist das Bereitstel lungsverbot durch die Strafvorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes in § 34 AWG umgesetzt, die nicht nur für Unternehmen der Außenwirtschaft, sondern für jedes Unternehmen in Deutschland gelten. 23 Außenhandelsunternehmen können den Status eines zugelassenen Wirtschaftsbe teiligten (Authorised Economic Operator – AEO) erwerben und so zollrechtlich als besonders zuverlässig gelten und Vergünsti gungen bei sicherheitsrelevanten Zollkont rollen und/oder zollrechtliche Vereinfachun gen beanspruchen. Dazu müssen sie nach den geltenden zollrechtlichen Bestimmun gen unter anderem die Einhaltung „ange messener Sicherheitsstandards“ nachwei sen und Mitarbeiter in sicherheitsrelevanten Bereichen einer Sicherheitsprüfung unter ziehen, soweit dies gesetzlich zulässig ist; Art. 14k Abs. 1 Buchst. f der ZollkodexDurchführungsverordnung (ZKDVO). Das EU-Recht macht keine weiteren Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise der Sicher heitsüberprüfung. Das Terrorlistenscreening, also der auto matisierte Abgleich von Beschäftigtendaten mit europäischen Anti-Terror-Verordnungen, ist von Art. 14k Abs. 1 Buchst. f ZKDVO weder vorgeschrieben noch verboten. Die Zollverwaltung kann einen solchen Abgleich jedoch nur dann fordern, wenn er nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zulässig ist. Mit seinem jüngst veröffentlichten Urteil vom 19. Juni 2012 beendet der BFH eine seit einigen Jahren geführte Kontroverse und erhebt – wie schon die Vorinstanz keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Der Datenabgleich von (jedenfalls) in sicherheitsrelevanten Tätigkeitsbereichen Beschäftigten mit den EU-Terroristen stelle eine zulässige Datennutzung gemäß § 32 BDSG dar. Nach dieser Vorschrift dürfen personenbezogene Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses genutzt werden, wenn die Nutzung für die Entscheidung über die Begründung oder Beendigung des Arbeitsvertrages erforder lich ist. Gerade hiervon geht der BFH aus: Vor dem Hintergrund des Bereitstellungsverbots dürften Unternehmen keine gelisteten Per sonen beschäftigen und ihnen auf diese Weise finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Ressourcen in Form von Arbeitslohn zur Verfügung stellen. Letztlich seien für den Abgleich nur die Stammdaten der Personen relevant (etwa der Name und der Wohnort); deren Speicherung und Ver wendung stehe nichts entgegen, da schon die Einholung eines polizeilichen Führungs zeugnisses die Interessen der Betroffenen stärker beeinträchtige. Der BFH ließ schließ lich den Einwand nicht gelten, dass der Abgleich mit den Terrorismuslisten bereits durch die Banken bei der Führung eines Girokontos vorgenommen werde; die zoll rechtliche Verpflichtung zur Sicherheits überprüfung treffe den AEO-Antragsteller und nicht Dritte. Damit dürfte freilich nicht grundsätzlich eine Übertragung der Ver pflichtung ausgeschlossen sein, solange der Dritte (etwa ein Dienstleister) im Auftrag des AEO-Antragstellers tätig wird. • Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Aktuelle Meldung BFH: Terrorlistenscreening datenschutzrechtlich zulässig • Fortsetzung Demnach bewegt sich die Sicherheitsüber prüfung von Beschäftigten anhand eines Terrorlistenscreenings im Rahmen ihrer datenschutzrechtlichen Grenzen. Jedes deutsche Unternehmen unterliegt dieser „Screening-Pflicht“. Bei der Umsetzung des Abgleichs mit den EU-Terrorlisten sollte in der Praxis darauf geachtet werden, dass dies im Lichte des Datenschutzes erfolgt, d. h. dass nur die für das „matching“ erforderlichen Stammdaten der Beschäftigten gegen die Terrorlisten abgeglichen werden (Prinzip der Daten sparsamkeit) und für diesen Abgleich ein Berechtigungsverfahren implementiert wird, d. h. es darf nur ein begrenzter Per sonenkreis im Fall eines Treffers auf diese Daten zugreifen können (z. B. ComplianceBeauftragter, betrieblicher Datenschutzbe auftragter). Zur eigenen Absicherung bie tet sich Unternehmen zusätzlich die Mög lichkeit, die Einwilligung ihrer Beschäftigten gemäß § 4a BDSG einzuholen und den Betriebsrat soweit möglich einzubinden. Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge dienen dabei als taugliche Ermächtigungs grundlagen im Sinne von § 4 BDSG und können Akzeptanz im Unternehmen schaf fen. Autoren Dr. Peter Katko Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, München Telefon +49 89 14331 25951 [email protected] Daniel Neulinger Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Frankfurt Telefon +49 6196 996 27797 [email protected] 24 Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Schaffung eines einheitlichen Kapitalanlagegesetzbuchs als Regelwerk im Investmentbereich Aktuelle Meldung Entwurf eines einheitlichen Kapitalanlagegesetzbuches Am 20.07.2012 hat das Bundesministe rium der Finanzen den Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richt linie 2011/61/EU über die Verwalter alter nativer Investmentfonds vorgelegt (AIFMUmsetzungsgesetz/AIFM-UmsG). Durch das AIFM-UmsG soll ein einheitliches Kapitalan lagegesetzbuch als Regelwerk im Invest mentbereich geschaffen werden. Das AIFMUmsG dient in erster Linie der Umsetzung der europäischen Richtlinie über die Verwal ter alternativer Investmentfonds (AIFMRichtlinie). Diese ist bis zum 22.07.2013 in nationales Recht umzusetzen. Darüber hin aus werden in das Kapitalanlagegesetzbuch die bisherigen Regelungen des Investment gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG (OGAW-Richtlinie) integriert. Das Kapitalanlagegesetzbuch wird nicht nur die Regulierung der Manager alternativer Investmentfonds (AIF) und Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW) beinhalten. Das Kapitalanlagege setzbuch soll auch die Investmentfonds selbst regulieren. Es soll sowohl offene als auch geschlossene Investmentfonds umfas sen. Das Kapitalanlagegesetzbuch bildet damit ein in sich geschlossenes Regelwerk für sämtliche Fonds und für ihre Manager. Infolgedessen werden das Investmentgesetz aufgehoben und geschlossene Fonds vom Anwendungsbereich des Vermögensan lagengesetzes ausgenommen. 25 Im Wesentlichen beinhaltet das Kapitalanlagegesetzbuch • Aufsichtsregeln, Zulassungsvorschriften sowie allgemeine Verhaltens- und Organisationspflichten von Kapitalverwaltungsgesellschaften, d. h. Unternehmen die Investmentvermögen verwalten; • Vorschriften über Verwahrstellen, d.h. Kreditinstitute oder andere Einrichtungen, welche das Investmentvermögen (Wertpapiere, sonstige Vermögensgegenstände) verwahren; • Vorschriften zu offenen und geschlossenen Investmentvermögen, z. B. zur Rechtsform, zu den Anlagebedingungen, zur Abschlussprüfung; • Vorschriften zu offenen und geschlossenen Publikumsinvestmentvermögen, z. B. zu den Assetklassen, zur Risikomischung, zur Aufnahme von Fremdkapital, zu den Mindestangaben von Prospekten; • Vorschriften zum Vertrieb von Investmentvermögen, z. B. zu den Verkaufsunterlagen, zur Werbung, zur Prospekthaftung. Das Bundesministerium der Finanzen hat zu dem vorgelegten Diskussionsentwurf um Stellungnahme der Verbände gebeten. Es ist daher damit zu rechnen, dass der Diskus sionsentwurf noch in einzelnen Punkten geändert wird. Diese Änderungen werden weniger die Vorschriften betreffen, welche die Kapitalverwaltungsgesellschaften, d. h. die Verwalter von Investmentvermögen, regulieren. Insoweit ist der Gesetzgeber an die Vorgaben der AIFM-Richtlinie gebunden. Dort, wo der Gesetzgeber über die Vorga ben der AIFM-Richtlinie hinaus Regelungen betreffend offene und geschlossene Invest mentvermögen in das Kapitalanlagegesetz buch aufgenommen hat, bleibt dagegen abzuwarten, ob diese Gesetz werden. So sollen beispielsweise Immobilienfonds zukünftig nur noch als geschlossene Invest mentvermögen aufgelegt werden können, wobei geschlossene Investmentvermögen nach dem Kapitalanlagegesetzbuch solche Investmentvermögen sind, die eine Rück nahmemöglichkeit der Anteile nicht mindes tens einmal jährlich vorsehen. Ferner sollen geschlossene Publikumsinvestmentvermö gen zum Beispiel nur noch in einen gesetz lich festgelegten Katalog von Vermögensge genständen investieren dürfen, Fremdkapi tal nur beschränkt aufnehmen können und im Falle von Single Asset Fonds eine gesetz lich bestimmte Mindestbeteiligung vorsehen müssen. Autor Egbert von Holtum Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Essen Telefon +49 201 2421 21890 [email protected] Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Gute steuerliche Rahmenbedingungen für die Unternehmensnachfolge in Deutschland Aktuelle Meldung Ist die Erbschaftsteuer verfassungswidrig? Vorlagebeschluss des BFH vom 27.9.2012 Das aktuelle Erbschaftsteuerrecht war noch nicht einmal drei Jahre in Kraft, die dazu gehörigen Erbschaftsteuerrichtlinien noch nicht endgültig verabschiedet und schon schickte sich das oberste deutsche Steuerge richt, der Bundesfinanzhof, an, dem Gesetz geber „die rote Karte“ zu zeigen. Nicht genug, dass der BFH sich in einem Revisionsverfahren (II R 9/11) mit der Frage der Verfassungswidrigkeit der Gleich behandlung von Steuerpflichtigen der Steu erklassen II und III bei Erbfällen und Schen kungen im Laufe des Jahres 2009 auseinan dersetzen musste. Der Senat ging noch deutlich weiter: Denn er stellte sich bereits in seinem Beschluss vom 5.10.2011 (Auffor derung an den Bundesfinanzminister, dem Revisionsverfahren beizutreten) die Frage, ob nicht bereits darin ein Verfassungsver stoß erblickt werden müsse, dass §§ 13a und 13b ErbStG es zuließen, „Vermögen jeder Art und in jeder Höhe von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden ohne Anfall von Erbschaftsteuer oder Schenkung steuer zu erwerben, wenn der Erblasser oder Schenker eine geeignete Gestaltung gewählt hat, ohne dass es auf eine Gemein wohlverpflichtung und Gemeinwohlbindung des erworbenen Vermögens ankommt.“ Vor diesem Hintergrund hatte der BFH den Bundesminister der Finanzen aufgefordert, dem in Rede stehenden Revisionsverfahren beizutreten, was zwischenzeitlich auch geschehen ist. Für den BFH waren aber die Einlassungen des BMF nicht befriedigend, so dass er nun den konsequenten nächsten Schritt zu gehen hatte. Mit Beschluss vom 27.9.2012 hat der 2. Senat des BFH nun die Frage der Verfassungsmäßigkeit des geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuer 26 gesetzes (nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG) dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Im Rahmen der Begründung geht das Gericht ausdrücklich auf die Gestaltungs möglichkeiten ein, die das geltende Recht für die steueroptimierte Vermögensübertra gung bereit hält, die aber nach Auffassung des Senats eine Begünstigung bzw. vollstän dige Steuerfreistellung nicht rechtfertigen. Besonders hervorgehoben wird dabei die Möglichkeit, einen „Anteil an einer gewerb lich geprägten Personengesellschaft, deren Betriebsvermögen aus 100 Mio. EUR Fest geldguthaben besteht, nach Maßgabe des § 13a Abs. 8 ErbStG“ zu erwerben, „ohne dass Erbschaftsteuer oder Schenkung steuer anfällt und ohne dass dieses Vermö gen einer besonderen Gemeinwohlbindung oder Gemeinwohlverpflichtung unterliegt. Ebenso gegeißelt wird die Verschonung von Kapitalgesellschaftsanteilen, wenn die jeweilige Kapitalgesellschaft ein ähnlich strukturiertes Vermögen besitzt. Von derartigen Szenarien abgesehen zwei felt der BFH auch an der gleichheitsgerech ten Ausgestaltung der Arbeitsplatzklausel in § 13a Abs. 1 Sätze 2ff. ErbStG. Dies insbe sondere deshalb, weil auch diesbezüglich Vermeidungsstrategien eingesetzt werden könnten, durch die mit – vergleichsweise ein fachen Mitteln – das Eingreifen der Lohnsum menregelungen umgangen werden könnten. Insgesamt sieht der 2. Senat des BFH in Bezug auf die bestehenden erbschaftsteuer rechtlichen Regelungen dieselben Schwierig keiten wie bereits im Hinblick auf das bis Ende 2008 geltende Recht. „Die verfas sungsrechtliche Problematik besteht auch nach der Neuregelung fort und hat sich sogar noch verschärft.“... „Die Möglichkei ten, durch Schaffung gewillkürten Betriebs vermögens und weitere Gestaltungen selbst beim Erwerb größter Vermögen von Todes wegen oder durch freigebige Zuwendung die Höhe der Steuerbelastung zu vermin dern oder das Entstehen von Steuer zu ver meiden, sind darüber hinaus gegenüber dem für Steuerentstehungszeitpunkte vor dem 1. Januar 2009 geltenden Recht deut lich erweitert worden.“ Ungeachtet der monierten Kritikpunkte ist aber festzuhalten, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Unterneh mensnachfolge in Deutschland wohl noch nie besser waren und denkbare Gesetzesän derungen (wie sie z. B. im Zusammenhang mit dem Jahressteuergesetz 2013 bereits diskutiert wurden bzw. werden) sicherlich keine Verbesserungen erwarten lassen. Vor diesem Hintergrund mahnt der aktuelle Vor lagebeschluss dazu, die bestehende güns tige Gesetzeslage rechtzeitig zu nutzen und sich dem Thema Unternehmensnachfolge besser jetzt als später anzunehmen. Dies gilt umso mehr, als die Hoffnung, die Erb schaft- und Schenkungsteuer könnten abgeschafft oder das entsprechende Gesetz durch das Bundesverfassungsgericht rück wirkend für nichtig erklärt werden, wohl eher Wunschdenken denn als eine realis tische Möglichkeit anzusehen ist. Autor Dr. Christopher Riedel, LL.M. Rechtsanwalt, Steuerberater Ernst & Young Law GmbH, Essen Telefon +49 201 2421 29688 [email protected] Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Aktuelle Meldung Bundeskabinett beschließt Entlastungen für Kleinstkapitalgesellschaften im Bereich der Rechnungslegungs- und Offenlegungspflichten Am 19. September 2012 beschloss das Bundeskabinett den Entwurf des Gesetzes zur Erleichterung für Kleinstkapitalgesell schaften (MicroBilG). • wahlweiser Verzicht auf Veröffentlichung im Bundesanzeiger, wenn beim Betreiber des Bundesanzeigers eine Bilanz hinter legt wird, die auf Anfrage Dritten kosten pflichtig zur Verfügung gestellt wird. Mit der Gesetzesänderung sollen unter Inanspruchnahme der EU-Micro-Richtlinie 2012/6/EU Kleinstunternehmen Bilanzie rungs- und Offenlegungserleichterungen in der Rechnungslegung geschaffen werden, nämlich: Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Erleichterungen soll sein, dass an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen zwei der drei nachfolgenden Merkmale nicht überschritten werden: • Optionen zur Verringerung der Darstel • 350.000 Euro Bilanzsumme nach Abzug lungstiefe im Jahresabschluss (z. B. ver einfachte Gliederungsschemata); eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags; • Entbehrlichkeit eines Anhangs zur Bilanz, • 700.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf wenn bestimmte Angaben unter der Bilanz ausgewiesen werden; Monaten vor dem Abschlussstichtag; • im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer. Eine weitere Entlastung ergibt sich daraus, dass die Befreiung einer in einen Konzern integrierten Kapitalgesellschaft von der Aufstellung, Prüfung und Offenlegung eines Jahresabschlusses zukünftig auch dann gilt, wenn das Mutterunternehmen seinen Sitz im EU- bzw. EWR-Ausland hat. Das Gesetz soll für alle Geschäftsjahre gelten, deren Abschlussstichtag nach dem 30. Dezember 2012 liegt. Autor Ingo Windhagen Rechtsanwalt Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon: +49 711 9881 26061 [email protected] Änderungen bei der steuerlichen Organschaft Am 25. September 2012 hat der Deutsche Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unter nehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts verabschiedet (vgl. BTDrucks. 17/10774). Zentraler Bestandteil der Neuregelungen ist eine Überarbeitung des geltenden Rechts der steuerlichen Organschaft. Geplant sind insbesondere die folgenden Änderungen: Der für die Anerkennung einer steuerlichen Organschaft – mit anderen als den in § 14 Abs. 1 S. 1 KStG bezeichneten Kapitalgesellschaften als Organgesellschaf ten – zugrunde liegende Gewinnabführungs vertrag muss künftig einen sog. dynami schen Verweis („eine Verlustübernahme durch Verweis auf die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung“) auf § 302 AktG zur Verlustüber nahmeverpflichtung enthalten. 27 Bezüglich der zwingend erforderlichen Durchführung der steuerlichen Organschaft sieht die geplante Neuregelung nunmehr in § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG vor, dass unter bestimmten Bedingungen der Gewinnabfüh rungsvertrag auch dann als durchgeführt gilt, wenn der abgeführte Gewinn oder aus geglichene Verlust auf einem Jahresab schluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält. Eine weitere geplante Änderung ist die Aufgabe des doppelten Inlandsbezugs der §§ 14 ff. KStG. Nach dieser Neuregelung soll es künftig ausreichend sein, wenn die Organ gesellschaft ihre Geschäftsleitung im Inland und ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertrags staat des EWR-Abkommens hat. Für den Organträger soll es nach der Gesetzesände rung nicht mehr erforderlich sein, die Geschäftsleitung im Inland zu haben. Die Zustimmung des Bundesrats bezüglich dieser Gesetzesänderungen ist für den 23.11.2012 terminiert. Ob der Bundesrat diesen Änderungen zustimmen wird, ist aller dings noch ungewiss. Autoren Dr. Christian Bosse Rechtsanwalt Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon +49 711 9881 25772 [email protected] Yasmin von Khurja Rechtsanwältin Diplom-Kauffrau Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon +49 711 9881 13603 [email protected] Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Ihre Ansprechpartner bei der Ernst & Young Law GmbH Berlin Dr. Cornelius Grossmann Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Berlin Telefon +49 30 25471 25050 [email protected] Frankfurt Heike Jagfeld Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Frankfurt Telefon +49 6196 996 28035 [email protected] München Dr. Claus Elfring Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, München Telefon +49 89 14331 28905 [email protected] Düsseldorf Dr. Nicole Franke Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Düsseldorf Telefon +49 211 9352 23800 [email protected] Hamburg Ilja Schneider Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Hamburg Telefon +49 40 36132 25778 [email protected] Nürnberg Jörg Leißner Rechtsanwalt, Steuerberater Ernst & Young Law GmbH, Nürnberg Telefon +49 911 3958 28369 [email protected] Essen Dr. Christopher Riedel, LL.M. Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Essen Telefon +49 201 2421 29688 [email protected] Hannover Frank Schäfer, LL.M. Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Hannover Telefon +49 511 8508 23755 [email protected] Stuttgart Dr. Christian Bosse Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon +49 711 9881 25772 [email protected] Die „EY Tax & Law DE News“ App ist verfügbar für iPhone und Android und bietet Ihnen unseren eNewsletter bequem auf Ihrem Smartphone – aktuell und kompakt für unterwegs. Scannen Sie nebenstehenden QR-Code für weitere Informationen oder kontaktieren Sie uns per E-Mail an [email protected]. 28 Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012 Ernst & Young Assurance | Tax | Transactions | Advisory Die globale Ernst & Young-Organisation im Überblick Die globale Ernst & Young-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Transaktionsberatung sowie in den Advisory Services. Ihr Ziel ist es, das Potenzial ihrer Mitarbeiter und Mandanten zu erkennen und zu entfalten. Die 167.000 Mitarbeiter sind durch gemeinsame Werte und einen hohen Qualitätsanspruch verbunden. Die globale Ernst & Young-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYGMitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.de.ey.com In Deutschland ist Ernst & Young mit über 7.000 Mitarbeitern an 22 Standorten präsent. „Ernst & Young“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitglieds unternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2012 Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft All Rights Reserved. BKR 1112-052 Bildquellen: Corbis, Getty Images. Ernst & Young Law GmbH Die Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft (Ernst & Young Law) berät als Full Service-Kanzlei in allen wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen. Interdisziplinäres Arbeiten ist aufgrund der Zugehörigkeit zur Ernst & Young-Gruppe eine Selbstverständlichkeit. Sie arbeitet eng mit anderen Spezialisten aus den Bereichen Corporate Finance, Steuerberatung, Transaction Services und Wirtschaftsprüfung zusammen. Durch die Präsenz an elf deutschen Standorten gewährleistet sie Mandantennähe, denn kurze und direkte Wege können für eine zeit nahe und effiziente Umsetzung von Projekten entscheidend sein. In Deutschland finden Sie sie daher in allen großen Ballungsräumen, um Sie bei Bedarf schnell und unkompliziert unterstützen zu können. Zugleich steht den Mandanten für jedes kon krete Mandat das spezialisierte Know-how der entsprechenden Praxisgruppen stand ortübergreifend zur Verfügung. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen und Fragestellungen arbeiten wir mit über 650 Rechtsanwälten von Ernst & Young in 17 Jurisdiktionen in Europa zusammen. 29 Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen Ernst & Young-Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen sollte ein geeigneter Berater zurate gezogen werden. ED None Corporate Law Newsletter, Ausgabe 5 | 3. Quartal 2012