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Stellungnahme des VUT (Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V.) zu den
Fragen zur öffentlichen Anhörung Urheberrecht der Enquete-Kommission Internet und
digitale Gesellschaft am 29.11.2010
Der VUT vertritt die Interessen von mehr als 1.200 unabhängigen1 mittelständischen, kleinen und
Kleinstunternehmen der deutschen Musikwirtschaft. Hierzu zählen Labels, Verlage, Produzenten,
Vertriebe sowie eine zunehmende Anzahl von Künstlern, die sich selbst vermarkten. Unabhängige
Marktteilnehmer erzielen mehr als 60 Prozent der Unternehmensumsätze in der deutschen
Musikwirtschaft2 und produzieren die meisten Neuerscheinungen auf dem deutschen Musikmarkt. Sie
leisten damit einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Vielfalt im Bereich Musik. Der VUT engagiert sich
auf deutscher, europäischer und globaler Ebene für die Interessen der konzernunabhängigen
Musikwirtschaft, deren Kern die Musiker und Autoren bilden.
Vorbemerkung:
Der VUT hat die mangelnde Einbeziehung der Urheber bei der Expertenanhörung zum Thema
„Entwicklung des Urheberrechts in der digitalen Gesellschaft“ am 29. November 2010 kritisiert. Nicht
nur wurden keine Experten befragt, die mit der Situation von Urhebern vertraut sind, auch die
ausübenden Künstler, Tonträger- und Filmhersteller, Veranstalter sowie Sendeunternehmen fanden
sich bei einem für sie existenziellen Thema unfreiwillig in der Rolle des passiven Beobachters.
Dem Urheberrecht kommt eine Schlüsselrolle bei der Produktion, Weiterentwicklung, Vermarktung
und Distribution kultureller Güter zu. Aus unserer Sicht bestehen Probleme vor allem bei der
Durchsetzung geltenden Rechts und durch mangelnde Kooperationsbereitschaft einiger der von
massenhaften Urheberrechtsverletzungen seit mehreren Jahren profitierenden Unternehmen3 Access-, Host- und Contentprovider. Diese blockieren bisher auch kooperative Lösungsansätze auf
freiwilliger Basis, bei denen auch Nutzerinteressen berücksichtigt würden.
Es sind vor allem die neuen Verwerter von kreativen Werken im Internet wie Google, die im eigenen
wirtschaftlichen Interesse für eine „Abschleifung“ des Urheberrechts argumentieren. Ein aktuelles
Beispiel hierfür ist das scheinbar unabhängig und ausgewogen auftretende „Collaboratory Internet &
Gesellschaft”4.
Der VUT befürwortet eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Produzenten von Inhalten und
dem IKT-Sektor und die kontinuierliche Weiterentwicklung attraktiver Angebote. Wir respektieren die
Rechte von Musiknutzern und Künstlern gleichermaßen.
Wir sind immer bereit, uns konstruktiv an der Diskussion um notwendige Anpassungen des
Urheberrechts in einer zunehmend digitalisierten Welt zu beteiligen, weisen aber darauf hin, dass die
1
Als „unabhängig“ werden in der Musikwirtschaft alle Marktteilnehmer bezeichnet, die nicht von den derzeit
vier multinationalen Konzernen (Universal, Sony, Warner, EMI) kontrolliert werden.
2
Forschungsbericht Gesamtwirtschaftliche Perspektiven der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland,
Anhang, Statistische Daten, 9. Umsatzgrößenklassen der Kultur- und Kreativwirtschaft 2006, S.24 BMWi
(2/2009)
3
“P2P system applications (…) are one of the major reasons cited by Internet users for upgrading their Internet
access to broadband” (T. Mennecke “DSL Broadband Providers perform Balancing Act” zitiert nach Vinay
Aggarval, Anja Feldmann, Christian Scheideler: “Enabling Co-Operation between ISPs and P2P systems”
Technical Report No.2, Deutsche Telekom Laboratories (3/2007))
4
Dieses „Beta Collaboratory“ möchte „Politikern und Policymakern die herausgearbeiteten Zielvorstellungen
präsentieren und über einen konkreten Fahrplan zur mittel- bis langfristigen Umsetzung diskutieren“. Der
Internetseite www.collaboratory.de ist zu entnehmen, dass es, “um die Arbeit des Collaboratory als Ergebnis
einer möglichst ausgewogenen Interessenlage zu gestalten (…) durch Organisations- und Sachleistungen“ ausschließlich von Google Deutschland GmbH und Creative Commons unterstützt wird.
1
Diskussion um Veränderungen des Urheberrechts auf Basis gesicherter Erkenntnisse und im
Bewusstsein möglicher Konsequenzen für Kreative, Nutzer und Gesamtgesellschaft geführt werden
sollte.
Der modulare Aufbau der Kultur- und Kreativwirtschaft und der Mangel an empirisch gewonnen Daten
sind bekannte Schwierigkeiten bei der Feststellung und Deutung der Fakten. Die Stellungnahmen
einiger der von der Projektgruppe Urheberrecht geladenen „Experten“ sind teils von Unkenntnis der
Arbeitsbedingungen der Kreativwirtschaft, nicht belegten Hypothesen und Überbewertung von
anekdotischen Einzelfällen geprägt.
Auf solcher Basis gewonnene „Erkenntnisse“ sind keine valide Grundlage für Entscheidungen
bezüglich der Zukunft des Urheberrechts. Der VUT und seine Mitglieder können Informationen zur
Praxis der Musikwirtschaft in Deutschland aus erster Hand liefern und stehen gerne für Rückfragen
zur Verfügung.
Nachfolgend nehmen wir Stellung zu den einzelnen Fragen.
I.
Grundlagen – Bestandsaufnahme - Herausforderungen
1. Haben sich die Motivation zur Produktion und die Kreativität der Urheber mit dem Internet
verändert? Können das Internet und digitale Techniken kreatives Schaffen und dessen
Vermarktung gleichermaßen fördern? Wie lässt sich der Wert kreativer Leistungen
bemessen und wie viel sind Nutzer bereit, für Inhalte aus dem Netz zu bezahlen?
(CDU/CSU)
Haben sich die Motivation zur Produktion und die Kreativität der Urheber mit dem Internet verändert?
Kreativität
Das Internet ist technisch als Netzwerk von Computern und soziologisch als gesellschaftlicher Raum
zu verstehen. Zu Auswirkungen auf die Kreativität von Urhebern liegen keine gesicherten
Erkenntnisse vor.
Das Internet eröffnet eine Vielzahl neuer Möglichkeiten zur Vermarktung und Verbreitung kreativer
Werke. Ein weiterer erfreulicher Digitalisierungseffekt sind einfachere, kostengünstigere
Produktionsmittel für digitale Inhalte.
Viele Menschen widmen sich in ihrer Freizeit kreativen Tätigkeiten. Das Internet ist voll von
Feierabendproduktionen, Videos, Mash-ups, Eigeninterpretationen von bekannten Musikwerken,
Texten, Fotos, Anwendungen (sog. Apps) etc., geschaffen ohne großen Aufwand aus Freude an der
Kreativität selbst.
Diese Form der Kreativität sollte aber unterschieden werden vom strukturierten kreativen Prozess, der
ein erfolgreiches Musikalbum, einen Film oder ein Buch zum Ergebnis hat. Für diesen hochgradig
arbeitsteiligen Prozess ist ein kreatives Umfeld erforderlich, das Urheber bei der Umsetzung ihrer
kreativen Arbeit unterstützt, für das fertig gestellte Werk Vermarktung und Distribution organisiert und last but not least - den gesamten Prozess finanziert.
Motivation
Künstler sind häufig zur Selbstausbeutung bereit und nehmen prekäre Lebensumstände auch über
längere Zeiträume in Kauf. Sie können komplexe Werke auf Dauer aber nicht im Rahmen einer
Freizeitbeschäftigung produzieren. Die Finanzierung des Lebensunterhalts von Künstlern während der
2
Produktionsphase ist deshalb ebenfalls Voraussetzung für die Produktion komplexer Werke und damit
Teil der Gesamtinvestition in die Produktion kreativer Güter5.
Ist eine Refinanzierung dieser Investitionen nicht möglich, hat das zunächst keine direkte Auswirkung
auf den Wunsch sich kreativ zu betätigen, aber dem Künstler wird die ökonomische Grundlage für die
Schaffung komplexer kreativer Güter und deren erfolgversprechende Vermarktung genommen.
Die Mitglieder des VUT berichten, dass nach wie vor fast alle Künstler professionelle Partner für die
Produktion, Vermarktung und Distribution ihrer Werke suchen, die ihnen fachliche Kompetenz, Zugang
zu Netzwerken und finanzielle Unterstützung zur Verfügung stellen können. Der Weg vom
Hausmusikanten, Freizeit-DJ oder der Schülerband zu einem professionellen Musikprojekt ist weit, nur
selten von Erfolg gekrönt und ohne kompetente Unterstützung kaum zu schaffen.
Selbstvermarkter sind sich anfangs selten bewusst, welche Flut an Aufgaben zu bewältigen ist, bis ein
Album veröffentlicht, eine Tour gebucht, gespielt und abgerechnet wurde. Viele Selbstvermarkter
haben diesen Schritt nicht freiwillig getan, sondern sind bei keinem Label oder Verlag untergekommen
oder aus Verträgen entlassen worden (s.u.). Wenn sich Erfolg einstellt, wechseln viele wieder zu
etablierten Partnern, um den nächsten Schritt machen zu können.
Künstler können Investoren außer Nutzungsrechten an ihren Leistungen keine Sicherheiten bieten.
Deshalb kommen Banken als Darlehensgeber de facto nicht in Betracht.
Bevor Künstler über sekundäre Einnahmen wie Merchandising, Livegagen etc. nennenswerte Beträge
generieren, die zu ihrem Lebensunterhalt beitragen oder vorangegangene Investitionen amortisieren
können, müssen sie einen hohen Grad an Bekanntheit erreichen. Dies erfordert im Musikbereich in
aller Regel Investitionen über mindestens drei bis fünf Jahre und, unter anderem, die Erstellung und
erfolgreiche Vermarktung von Musikaufnahmen, Promotionvideos etc. Die stark rückläufigen
Vergütungen aus der Nutzung von Musikaufnahmen haben die Bereitschaft Wissen, Geld und Zeit in
dieses zentrale Bestandteil von Musikerkarrieren zu investieren substantiell gesenkt.
Da das wirtschaftliche Risiko beim Aufbau neuer Künstler (im Vergleich zur Auswertung bereits
etablierter Künstler) und aufwändigen Produktionen am höchsten ist, ist es vor allem für junge, bisher
unbekannte Künstler mittlerweile fast unmöglich geworden, Partner zu finden, die in die Produktion,
Weiterentwicklung, Vermarktung und Distribution von Aufnahmen ihrer Werke investieren können,
insbesondere wenn ihre Arbeiten nicht ausschließlich im Laptop produziert werden, sondern die
Mitwirkung von Musikern, die Nutzung von Tonstudios etc. erfordern.
Insofern hat das Internet nicht die Motivation für die Produktion kreativer Güter verändert, die
massenhafte unvergütete Nutzung von Musikaufnahmen darin aber zunehmend die
ökonomische Grundlage für Investitionen in Musikaufnahmen insbesondere für komplexe
Werke und junge Künstler zerstört.
Können das Internet und digitale Techniken kreatives Schaffen und dessen Vermarktung
gleichermaßen fördern?
Das Internet ermöglicht zahllose neue Vermarktungs- und Verbreitungsmöglichkeiten. Es erscheint
obendrein besonders für Nischenrepertoire geeignet und damit für eine Vielzahl der VUT-Mitglieder.
Internet und digitale Techniken stellen deshalb eine große Chance für alle Kreativen und im
besonderen Maße für die Mitglieder des VUT dar.
5
Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft daher in gleicher Weise den »Werkbereich« und den »Wirkbereich«
künstlerischen Schaffens (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1783/05 – Esra,
m.w.N., ZUM 2007, 829ff)
3
Die attraktivsten legalen Angebote nützen jedoch nichts, wenn es daneben ähnliche oder
gleichwertige Angebote gibt, an deren Einnahmen sie kaum oder gar nicht beteiligt sind und die sie
faktisch nicht verhindern können, selbst wenn diese eindeutig nationales oder internationales Recht
verletzen.
Regelmäßig erbitten Mitglieder Hilfe beim VUT, wenn sie entdecken, dass sie zwar Produktion und
Vermarktung finanziert und durchgeführt haben, ihre Inhalte aber ungenehmigt von Dritten im Internet
angeboten werden.
Wie lässt sich der Wert kreativer Leistungen bemessen und wie viel sind Nutzer bereit, für Inhalte aus
dem Netz zu bezahlen?
Der Wert von Leistungen und Gütern wird in der Regel durch den Markt bestimmt. Bei
Musikaufnahmen setzt die massenhafte und unregulierte Verfügbarkeit von ungenehmigten
kostenlosen Angeboten die Gesetze von Angebot und Nachfrage aber weitgehend außer Kraft.
Für den Musikbereich gibt der noch weitgehend intakte Livemusikmarkt einige Hinweise. Der
Durchschnittspreis für ca. zweistündige Liveaufführungen von Musik lag 2009 bei € 34,02, wobei eine
breite Streuung besteht - für den Besuch der Konzerte großer Stars werden auch dreistellige Summen
gezahlt.
Der Erfolg von itunes belegt, dass ein Preis um einen Euro für den Download eines Musikstücks und
zehn Euro für ein Album zumindest für kreditkartenbesitzende VerbraucherInnen, die ihren
Musikbedarf nicht aus illegalen Quellen decken wollen, akzeptabel ist. Streaming- und Abo Angebote
sind preisgünstigere legale Alternativen.
Der Druck, mit den zumindest vordergründig kostenfreien illegalen Quellen „konkurrieren“ zu müssen,
resultiert natürlich in fortschreitendem Preisverfall mit den oben beschriebenen Konsequenzen.
Die von einzelnen Aktivisten der Netzgemeinschaft hierzu geäußerten Ansichten sind - trotz häufiger
und lautstarker Wiederholung beispielsweise in den einschlägigen Foren - nicht zielführend.
Legalisierte kostenlose oder gegen geringe Pauschalvergütungen zwangsweise Bereitstellung
kultureller Güter würde, wie bei jedem anderen Gut, die ökonomische Grundlage für die
Produktion neuer Inhalte beseitigen. Feierabendkreativität würde sicherlich weiter stattfinden, aber
Vielfalt und Qualität wertschöpfender kultureller Angebote würde mittelfristig substantiell reduziert
werden.
Es gilt, die Zusammenhänge zwischen fairer Vergütung und der Produktion kreativer Werke
gesellschaftlich zu vermitteln.
2. Gehen mit den neuen Möglichkeiten, die das Internet und die Digitalisierung eröffnen,
seinen technischen Gegebenheiten und seiner Dynamik Veränderungen bei
Wertmaßstäben der Nutzer einher? Wie kann dem begegnet werden? (CDU/CSU)
Die schrankenlose Distribution digitalisierter kreativer Güter und der damit einhergehende Verlust an
Exklusivität haben das Wertempfinden vieler - aber nicht aller - Nutzer für kreative Güter und
Leistungen beeinträchtigt. Je einfacher der Zugang zu kreativen Gütern ist, desto geringer scheint die
Wertschätzung durch diese Nutzer zu sein. Bei gewohnheitsmäßigen Filesharern beobachten wir ein
geradezu zynisches Verhältnis zu kreativen Leistungen.
Festzustellen ist jedoch trotz massenhafter unvergüteter Nutzungen, dass die klare Mehrheit der
Bevölkerung raubkopierte Inhalte nicht akzeptabel finden: 2,9 Mio. illegalen Musikkonsumenten
4
stehen mittlerweile 9,8 Mio. legale Musikkonsumenten gegenüber6; von 1000 repräsentativ befragten
Deutschen sagen 66% illegale Kopien seien kein Kavaliersdelikt, 63%, dass Raubkopierer
strafrechtlich verfolgt werden sollten7.
Aus unserer Sicht ist eine Kombination aus
a. Aufklärung
b. Anlassbezogenen persönlichen Warnhinweisen bei Urheberrechtsverletzungen
Kombination mit wirksamen Sanktionen bei Wiederholungstätern
in
c. Verpflichtung der Provider zum Einsatz technischer Maßnahmen zu Verhinderung bzw.
Behinderung offensichtlicher Rechtsverletzungen
d. International
koordinierter
Gewinnerzielungsabsicht
Verfolgung
offensichtlich
illegaler
Angebote
mit
e. Fortlaufender Weiterentwicklung verbraucherfreundlicher Angebote
geboten. Entscheidend ist, diese Maßnahmen als Gesamtpaket durchzuführen. Beispielsweise wird
Aufklärung ohne Sanktionen nicht ernstgenommen werden, Sanktionen ohne Aufklärung schwer
vermittelbar sein.
Aufklärung
Diese sollte möglichst schon in den Schulen beginnen. Es muss vermittelt werden, dass geistige
Leistungen der Rohstoff der Informationsgesellschaft sind und kreative Inhalte nicht vom Himmel
fallen, auch wenn sie ohne Verpackung oder im „Bundle“ mit einem Mobilfunkvertrag daherkommen.
Weiterhin muss den zahllosen im Netz kursierenden Unwahrheiten und Mythen zu diesem Thema
durch sachliche Information entgegengewirkt werden. Darüber hinaus können User gezielt und in
Echtzeit browserbasiert8 angesprochen werden, sobald sie Websites ansteuern, die Inhalte ohne
Legitimation anbieten und ohne die Produzenten der Inhalte zu vergüten. Dies erfordert die
Kooperation und Mitwirkung der Accessprovider.
Anlassbezogene persönliche Warnhinweise bei Urheberrechtsverletzungen in Kombination mit
wirksamen Sanktionen bei Wiederholungstätern
Dies erfordert ebenfalls die Kooperation der Accessprovider. Diese Maßnahme könnte die
Notwendigkeit für Rechteinhaber, sich mit massenhaften Abmahnungen zu wehren, drastisch
reduzieren (s.a. Frage I.8.).
Verpflichtung der Provider zum Einsatz technischer Maßnahmen zu Verhinderung bzw. Behinderung
offensichtlicher Rechtsverletzungen
Der gesetzgeberische Handlungsbedarf folgt aus Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG, denn das
Institut der Störerhaftung ist praktisch wirkungslos gegen vorsätzlich, geschäftsmäßig und anonym
handelnde Anbieter, insbesondere wenn sie aus dem Ausland agieren. ISPs setzen in vielerlei
Hinsicht technische Maßnahmen ein, um den Datenverkehr zu lenken, zu begrenzen und zu
manipulieren. Entsprechend des Nutzungsverhaltens des Internetusers wird gezielt Werbung
zugespielt. Spam wird gefiltert, datenintensive Dienste wie voice-over-ip (z. B. Skype) werden zur
Verteidigung von Geschäftsmodellen behindert. Maximales Traffic-Volumen und maximale
Downloadgeschwindigkeit wird von Sharehostern (z. B. Rapidshare, Megaupload, Hotfile etc.) nur
6
GfK Brennerstudie (2010)
Studie der BITKOM Institut Aris (2010)
8
www.frontporch.com/sscin.html
7
5
gegen Bezahlung bereit gestellt 9. Im Rahmen von Flatratetarifen zur Verfügung gestellte Bandbreiten
werden nach dem Überschreiten von Datentarifen gedrosselt und von den Providern entsprechende
Hinweis-E-Mails oder SMS versendet. Diese technischen Dienste können in gleicher Weise gegen die
rechtsverletzende Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte verwendet werden.
International koordinierte Verfolgung offensichtlich illegaler Angebote mit Gewinnerzielungsabsicht
Bei näherer Betrachtung ist nicht „das Internet“ für Piraterie verantwortlich, sondern eine
überschaubare Zahl von ca. 200 kommerziell agierenden Portalen – webhoster wie Rapidshare und
Megaupload, Bit Torrent Tracker und sogenannte P2P-Netze wie eDonkey und Soulseek. Diese
Portale schaffen keinerlei gesellschaftlichen Mehrwert und verursachen Schäden in Milliardenhöhe.
Ein international koordiniertes, konsequentes Vorgehen gegen diese profitorientierten Plattformen ist
längst überfällig.
Fortlaufende Weiterentwicklung verbraucherfreundlicher Angebote
Im Musikbereich besteht bereits eine Vielzahl legaler Angebote deren größtes Problem meist die
illegale Konkurrenz ist. Verbraucherfreundliche neue Angebote, wie z.B. Spotify im Streamingbereich,
können in Kombination mit rechtsstaatlichen Maßnahmen gegen illegale Anbieter zu einer Reduktion
ungenehmigter Nutzungen beitragen.
3. Lässt sich das System zum Schutz geistigen Eigentums auf das Internet übertragen? Muss
das Verhältnis von Urhebern, Verwertern und Nutzern neu justiert werden? Sollte aus Ihrer
Sicht der Urheber oder der Nutzer im Mittelpunkt stehen? (CDU/CSU)
Lässt sich das System zum Schutz geistigen Eigentums auf das Internet übertragen?
Ja, aber die Besonderheiten des Internets müssen berücksichtigt werden.
Entscheidend ist die Harmonisierung von Urheberrecht mit Datenschutz, Telemedienrecht und vor
allem einer effektiven Durchsetzung des Rechts auf internationaler Ebene. Wer das Urheberrecht nur
isoliert betrachtet, darf sich über die Feststellung nicht wundern, dass das Instrumentarium der
Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums gegen anonyme oder
ausländische Angebote im Internet nicht weiterhilft. Es ist begrüßenswert, dass es einen
Auskunftsanspruch gegen potentielle Verletzter gibt, nur geht die Auskunft ins Leere, wenn
notwendige Informationen – z. B. IP Adressen – grundsätzlich nicht aufbewahrt oder herangezogen
werden dürfen.
Es kann nicht Ziel von Netzpolitik sein, jedem Angebot im Internet immer vollständige Anonymität zu
verschaffen.
Nicht nur geistiges Eigentum ist durch verantwortungsloses Handeln im Internet gefährdet.
Fundamentale Rechte aller BürgerInnen müssen mit dem rechtlichen Instrumentarium der
Nationalstaaten
geschützt
werden.
Wo
nötig,
sind
effektive
Übergänge
und
Kooperationsmöglichkeiten zwischen unterschiedlichen nationalen Rechtssystemen zu schaffen.
Muss das Verhältnis von Urhebern, Verwertern und Nutzern neu justiert werden?
Zunächst ist diese Trias in vielen Fällen eine unzutreffende Vereinfachung des Gesamtsystems aus
Urhebern, Leistungsschutzberechtigten und Nutzern.
Bei vielen unserer Mitglieder arbeiten Urheber/Interpreten und sog. „Verwerter“ in der Regel eng
miteinander zusammen und haben weitreichende gemeinsame Interessen. Die am weitesten
9
http://hotfile.com/premium.html; https://ssl.rapidshare.com/#!help/help_faq|Rapids;
http://www.megaupload.com/?c=premium – abgerufen am 5.01.2011
6
verbreitete Vertragsform zwischen Musikern und VUT-Labels ist der klassische „50/50 Deal“, bei dem
alle Erträge nach Abzug der Kosten 50/50 geteilt werden. Die Erträge im Verlagsbereich werden
zwischen Urhebern und Verlag i.d.R. 60/40 (Vervielfältigungsrechte) bzw. 66/33 (Sende- und
Aufführungsrechte) zugunsten der Urheber geteilt. Bei den zahlreichen, von Künstlern selbst zur
Vermarktung Ihrer Werke betriebenen Labels ist die Trennung Urheber/Künstler / Verwerter
vollständig überholt.
Die Vertragsverhältnisse zwischen Urhebern und Verwertern werden grundsätzlich frei verhandelt. Die
bestehenden gesetzlichen Regelungen sind ausreichend, weitergehende Eingriffe in die
Vertragsfreiheit zwischen Urhebern und ihren Partnern nicht sinnvoll.
In der Praxis ist die kleine Anzahl bereits etablierter, erfolgreicher Künstler in einer sehr starken
Verhandlungsposition gegenüber ihren Partnern. Sie können Vertragsbedingungen weitgehend
diktieren und „degradieren“ auch multinationale Major-Konzerne zu Dienstleistern, die sich mit
knappen Margen zufrieden geben müssen. Andererseits finden junge Künstler, wie unter I.1. erläutert,
häufig überhaupt keinen Partner mehr der bereit ist, in sie zu investieren. Ihnen kann der Gesetzgeber
nur mit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen helfen, nicht mit Eingriffen in das Vertragsrecht.
Es trifft zu, dass Nutzer durch Verfügbarkeit einfacherer und günstigerer Produktionsmittel leichter und
häufiger selbst zu Urhebern werden können. Aus Sicht der kulturellen Vielfalt ist dies
selbstverständlich begrüßenswert, auch wenn spontane Kreativität teilweise zur Trivialität zu neigen
scheint. Warum hieraus der Schluss zu ziehen sein sollte, dass deshalb der Nutzer an sich zu
privilegieren sei, können wir nicht nachvollziehen. Will er den Schutz, der ihm als Urhebern zusteht
nicht, steht ihm frei darauf zu verzichten.
Dem von Netzaktivisten vereinzelt geäußerten Wunsch, sich ohne Genehmigung am geistigen
Eigentum Dritter bedienen zu können ist u.E. keine ausreichende Begründung für die Einschränkung
des Urheberpersönlichkeitsrechts. Schon jetzt kann jeder dies für den Privatgebrauch tun, lediglich bei
Veröffentlichung ist eine Genehmigung des Urhebers einzuholen. Dies ist nach Abwägung der
Konsequenzen aus unserer Sicht unverzichtbar.
Schließlich scheint es nötig darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Nutzer“ nicht auf den Nutzer von
unlizensierten Gütern in Tauschbörsen oder von Filehostern mit seiner spezifischen Interessenlage
reduziert werden sollte.
Sollte der Urheber oder der Nutzer im Mittelpunkt stehen?
Würde der Nutzer im Mittelpunkt stehen, müsste man in logischer Konsequenz über einen Anspruch
des Nutzers gegen den Urheber nachdenken, Werke zu schaffen. Das ist absurd.
Im Vordergrund steht der Urheber, §§ 1, 11 UrhG. Pragmatischer Mittelpunkt ist das Werk, mit dem
wir uns in der Regel zunächst beschäftigen. Bücher, Filme, Lieder, Bauwerke, Skulpturen, Reden etc.
Es ist wichtig, sich diese Perspektive zunächst klar zu machen. Die Werke stehen im Mittelpunkt,
sobald sie veröffentlicht sind.
4.
Verändert das Internet die Produktion kreativer Güter in einer Weise, die es
empfehlenswert erscheinen lässt, die Strukturen des Urheberrechtes – insbesondere
auch im Hinblick auf die Rolle der Werknutzer und die Zuordnung des Werks zum
Schöpfer – zu überdenken? (SPD)
Nein.
7
Das Internet verändert die Produktion kreativer Güter qualitativ nicht10 wesentlich sondern erhöht vor
allem die Verfügbarkeit digitalisierter kreativer Güter. Wegen der höheren Verfügbarkeit werden aber
quantitativ mehr Bearbeitungen erstellt.
Beispielsweise nutzen Urheber und Verwerter das Internet gelegentlich für sog. Remixwettbewerbe,
bei denen Nutzer eingeladen werden eigene Versionen bestehender Werke zu erstellen. Primäres Ziel
solcher Marketingmaßnahmen ist, den Bekanntheitsgrad des Werkes zu erhöhen. Manchmal
entstehen interessante Bearbeitungen, über deren Verwendung sich Urheber und Verwerter im
bestehenden Rechtsrahmen leicht einigen können, da dies wirtschaftlich für alle Beteiligten Vorteile
erbringt.
Konflikte zwischen Urhebern und Verwertern bestehen hierbei nicht, weil Urheber - wenn sie der
Veröffentlichung von neuen Bearbeitungen zustimmen - die Bearbeiter am Urheberanteil der
Einnahmen beteiligen. Den Verwertern entstehen keine Nachteile, sie erhalten zusätzliche Versionen
zur Verwertung.
Die vereinzelt geäußerte Auffassung, nach der die Einbeziehung der Konsumenten in den
Schaffensprozess den wirtschaftlichen Interessen der Verwerter entgegenstünden, bzw. dass
Verwerter die Möglichkeit der Bearbeitung und der Mitgestaltung von kreativen Leistungen zu oft
unterbänden, ist angesichts der Fakten unzutreffend. Verwerter erzielen keine finanziellen Vorteile
durch das Unterbinden zusätzlicher Werkversionen, im Gegenteil: Zusätzliche Werkversionen sind aus
Verwerterperspektive vorteilhaft. Wenn Bearbeitungen nicht freigegeben werden, liegt dies in den
meisten Fällen daran, dass UrheberInnen die neuen Versionen aus künstlerischen Gründen ablehnen.
Für den privaten Gebrauch kann ohnehin jeder Werke nach Belieben bearbeiten. In der Praxis
geschieht dies darüber hinaus z.B. auch in Klubs - in denen DJs regelmäßig bestehende Werke
vermischen, oder bei Live Aufführungen. Bei HipHop-Konzerten werden beispielsweise regelmäßig
bestehende Werke benutzt und verändert, ohne dass hierfür Genehmigungen eingeholt werden oder
jemand dies verlangt. Nur bei Veröffentlichung z.B. auf Tonträgern ist in der Praxis das Einholen einer
Genehmigung erforderlich. Solche Bearbeitungsgenehmigungen und sog. „Master Sample Licenses“
werden heutzutage zu Tausenden erteilt.
Unverzichtbar ist, dass es letztlich dem Urheber überlassen bleiben muss Bearbeitungen, die
veröffentlicht werden sollen, freizugeben. Grundlage der Entscheidung wie Nutzer veränderte fremde
Werke veröffentlichen dürfen, können in der digitalen Gesellschaft nicht primär die technischen
Möglichkeiten sein. Eine Beschränkung des Urheberpersönlichkeitsrechts in dieser Hinsicht hätte
unakzeptable Folgen. Wer außer dem Urheber sollte entscheiden, ob sein Werk beispielsweise
für Tabakwerbung oder ihm nicht genehme politische Parteien verändert und benutzt werden
kann?
5.
Verändern sich durch die – insbesondere auch mit dem Aufkommen des Internets
verknüpfte
–
„Informationsgesellschaft“
die
Anforderungen
an
die
Informationsordnung in einer Weise, die auch die Ziele des Urheberrechtes und seine
Funktion innerhalb dieser Ordnung betreffen? Besteht ein Zielkonflikt zwischen
Informationszugang und Förderung des kreativen Potenzials der Gesellschaft und wie
ist er ggf. aufzulösen? (SPD)
Gerade in der „Informationsgesellschaft“, in der Informations-, Kommunikationsdienstleistungen und
immaterielle Güter im Vergleich zur industriellen Warenproduktion zunehmend zentrale Bedeutung für
Wirtschaft und Gesellschaft gewinnen, sind Ziel und Funktion des Urheberrechts - Anreize für die
Produktion, Weiterentwicklung und Vermarktung wertschöpfender neuer Inhalte zu schaffen wichtiger denn je.
10
Es existiert beispielsweise bisher kein erkennbar vom Internet geprägter Musikstil
8
Notwendig ist ein interessengerechter Ausgleich zwischen „Säulen“ der Informationsgesellschaft wie
Informationsfreiheit
bzw.
Informationszugangsfreiheit
einerseits
und
informationeller
Selbstbestimmung sowie geistigem Eigentum andererseits.
Hierzu ist unumgänglich, Begriffe wie „Informationszugangsfreiheit“ oder „informationelle
Selbstbestimmung“ in ihrem tatsächlichen Bedeutungsgehalt zu erfassen und verwenden. Zudem
muss zwischen „Informationen“ und „Kreationen“ oder „Werken“ differenziert werden. Letztere sind, im
Gegensatz zu Strassenverkehrsmeldungen oder Informationen zum Siedepunkt von Chemikalien, das
Destillat einer individuellen, schutzfähigen kreativen Leistung von Urhebern.
Geistiges Eigentum ist zu Recht von der Informationsfreiheit ausgenommen, wie übrigens z. B. auch
Betriebsgeheimnisse oder Belange der inneren und äußeren Sicherheit. Mit dem Begriff der
Informationsfreiheit ist vielmehr die Forderung verbunden, die Zahl der öffentlich zugänglichen Quellen
zu erhöhen und eine größere Transparenz staatlichen Handelns zu erreichen.
Kreative Werke werden durch Veröffentlichung zugänglich. Kostenlosen Zugang zu kreativen
Werken auf Basis eines Rechtes auf „Informationszugang“ zu fordern ist nicht schlüssig und
würde der durch das Urheberrecht erzielten Förderung des kreativen Potentials der
Gesellschaft diametral entgegenstehen.
Weiter gilt, dass ein Recht auf Informationszugang grundsätzlich nie das informationelle
Selbstbestimmungsrecht (das Recht, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten
zu bestimmen) brechen kann.
Zurzeit postulieren vor allem die neuen Verwerter kreativer Inhalte im Internet wie Google den Begriff
„Informationsordnung“. Ihre wirtschaftlichen Interessen gebieten zur eigenen Profitmaximierung, den
Schutz der Urheber und geistigen Eigentums möglichst weitgehend zu reduzieren, um dadurch
Vergütungen weiterhin möglichst niedrig zu halten. Folgerichtig wird von ihnen deshalb, beispielsweise
durch das eingangs erwähnte, von Google Deutschland initiierte und finanzierte, „Collaboratory
Internet & Gesellschaft“ bereits ein „Urheberrecht für die Informationsordnung“11 (sic) gefordert.
In einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden „Informationsordnung“
kann es weder ein Recht auf Zugang zu allen Informationen geben, noch auf kostenlosen
Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken und schließlich auch kein Recht auf
Anonymität beim Informationszugang jeder Art.
6.
Welche technischen Neuerungen, die das Urheberrecht unterminieren könnten und in
die Überlegungen der Kommission eingehen sollten, sind bereits jetzt in Sicht, bzw.
mittelfristig denkbar (z.B. größere Verbreitung von Streaming)? (SPD)
Technische Neuerungen sind wünschenswert und unterminieren das Urheberrecht nur, wenn wir dies
zulassen. Die Herausforderung besteht darin, neue Nutzungsarten wirtschaftlich zu bewerten und
sicherzustellen, dass Urheber und Leistungsschutzberechtigte für die neuen Nutzungsformen der von
Ihnen geschaffenen Werke eine angemessene Vergütung erhalten.
Derzeit nimmt beispielsweise die Nutzung von Aufnahmesoftware zu. Es gibt zahlreiche Programme,
die sich leicht über das Internet beschaffen lassen12. Mit diesen können Internetnutzer auch
automatisiert bestimmte Titel im Internet, z. B. bei Webradios, suchen und mitschneiden lassen. Mit
11
Website Collaboratory Internet & Gesellschaft, 3. Initiative „Urheberrecht für die Informationsgesellschaft“
(2010)
12
Programmbeispiele: Downloadhelper, Tubetv, Adapter, Clipinc, Free Youtube Converter, Phonostar Player,
Streamripper,etc..
9
anderer Software kann man schnell und einfach Titel bei YouTube herunterladen und in ein
passendes Zielformat codieren. Da die Quelle meist nicht „offensichtlich rechtswidrig“ ist, kann die
Beschaffung der Inhalte überwiegend als legal bezeichnet werden. Diese Form der kostenlosen
Beschaffung von musikalischen Inhalten und Videos aller Art ist insbesondere bei Jugendlichen
populär geworden.
Wir gehen davon aus, dass Streaming mittelfristig die dauerhafte Kopie im Massengeschäft der
Musikwirtschaft ablösen wird, wie die CD das Vinyl im Massenmarkt abgelöst hat. Dies sollte bei der
wirtschaftlichen Bewertung von Streamingangeboten berücksichtigt werden.
7.
Sind Sie der Meinung, dass das geltende Urheberrecht die Interessen von Urhebern,
Verwertern und Nutzern im digitalen Zeitalter angemessen ausgleicht? Wo liegt aus
Ihrer Sicht Konfliktpotential, wo besteht Änderungsbedarf? Sind Sie der Meinung, dass
die Interessen von Bildung und Forschung ausreichend berücksichtigt werden? (Die
Linke)
Sind Sie der Meinung, dass das geltende Urheberrecht die Interessen von Urhebern, Verwertern und
Nutzern im digitalen Zeitalter angemessen ausgleicht?
Im Großen und Ganzen, ja.
Verbessern ließe sich der Ausgleich durch Harmonisierung des Urheberechts mit Datenschutz,
Haftung, Rechtsdurchsetzung, informationeller Selbstbestimmung und den Telemediengesetzen. Am
Ende stünde möglicherweise ein internationales „Internetrecht“.
Zum Interessenausgleich zwischen Urhebern, Verwertern und Nutzern verweisen wir auf unsere
Ausführungen zu Frage I.3.
Wo liegt aus Ihrer Sicht Konfliktpotential, wo besteht Änderungsbedarf?
ISPs - Accessprovider, Hostprovider und Contentprovider - ermöglichen massenhaft und über alle
Grenzen hinweg Nutzungen kreativer Leistungen, ohne dass hierfür Vergütungen an Urheber,
Interpreten, Label oder Verlage gezahlt werden.
Dies widerspricht natürlich den existentiellen Interessen der Urheber, ausübenden Künstler, Label,
Verlage und letztlich auch der Nutzer. Künstler und die in sie und ihre Schöpfungen investierenden
Partner sind natürlich darauf angewiesen, bei Nutzung der von Ihnen geschaffenen, vermarkteten und
finanzierten Werke angemessene Vergütungen zu erhalten. Nur dann haben sie zumindest im
Erfolgsfall die Chance, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften und weiterhin kreative Güter zu
schaffen, weiterzuentwickeln, bekannt zu machen und zu distribuieren.
Nutzer zahlen für scheinbar kostenlose Angebote mit verstecken Gegenleistungen wie Zeit,
Aufmerksamkeit für Werbebotschaften und persönlichen Daten, letzteres häufig ohne ihr Wissen und
meist gegen ihren eigentlichen Willen. Sie bezahlen Accessprovider für den Internetzugang,
Gerätehersteller für ihre Hardware, teilweise Webhoster wie Rapidshare für besonders schnellen
download – im Grunde zahlen sie an alle Beteiligten, außer an die Künstler und ihre Partner.
Letztlich ist es auch nicht im Interesse der Nutzer, dass begabte junge Künstler kaum noch die
Chance haben, sich zu etablieren und weiterzuentwickeln weil es kaum noch Verwerter gibt, die bereit
und in der Lage sind, in das hochriskante Geschäft mit neuen Künstlern zu investieren. (s.a. unsere
Ausführungen zu Fragen I.1. und I.10.)
In der Musikwirtschaft beobachten wir bereits seit mehreren Jahren, dass es in Deutschland
keine nennenswerte Anzahl neuer Künstler mehr gibt, die sich jenseits von TV Formaten wie
„DSDS“, „Das Supertalent“ etc. soweit etablieren können, dass sie ihren Lebensunterhalt
10
durch ihre kreative Arbeit bestreiten und sich weiterentwickeln können13. Die
Karrieren der durch TV-Shows bekannt gewordenen Künstler enden in der Regel mit dem
Beginn der nächsten Staffel14.
Verwerter überleben derzeit überwiegend dadurch, dass sie sich zunehmend darauf beschränken,
bereits hier oder im Ausland etablierte Künstler und Kataloge auszuwerten oder Investitionen auf
Künstler zu konzentrieren, die entweder in TV-Formaten auftreten oder zumindest einem möglichst
breitem Musikgeschmack schon zu Beginn ihrer Karriere entsprechen. Dies reduziert natürlich die
kulturelle Vielfalt und internationale Konkurrenz- und Zukunftsfähigkeit der deutschen Musikwirtschaft.
Wir gehen davon aus, dass diese Entwicklung sich auch in anderen Branchen der
Kreativwirtschaft fortsetzen wird wenn die Durchsetzung des bestehenden Schutzes von
Urhebern nicht verbessert wird.
Auf diesem Hintergrund ist die Diskussion um ein „Abschleifen“ des Urheberrechts im
wirtschaftlichen Interesse von neuen Verwertern kreativer Inhalte wie Google, Rapidshare,
Megaupload etc., die, im Gegensatz zu „klassischen Verwertern“, an Urheber überhaupt nicht
oder nur minimal vergüten, bemerkenswert.
Durch Harmonisierung von IP-, TK- und Datenschutzrecht und Schaffung der gesetzlichen
Voraussetzungen, diese Rechte auch durchzusetzen, können diese Widersprüche aufgelöst werden.
(s.a. unsere Vorschläge unter Frage I.2.)
Nur unter dieser Voraussetzung wird es u.E. zur der erforderlichen konstruktiven Zusammenarbeit
zwischen IKT-Branche und Kreativwirtschaft zum gesamtgesellschaftlichen Vorteil kommen – statt das
bisherigen unausgewogenen Wachstums der IKT-Branche auf Kosten der Künstler und ihrer Partner
in der Kreativwirtschaft.
Sind Sie der Meinung, dass die Interessen von Bildung und Forschung ausreichend berücksichtigt
werden?
Der VUT kann diese Frage nicht kompetent beantworten.
Nach unserem Verständnis sind beispielsweise die Interessen von Wissenschaftlern völlig anders
gelagert als die von Künstlern. Da Wissenschaftler ihren Lebensunterhalt in der Regel aus
Vergütungen für Professuren, Forschungsgeldern etc. (also i.W. Steuergeldern) bestreiten, die wohl
tendenziell höher ausfallen, wenn ihre Arbeiten häufiger gelesen und zitiert werden, scheint uns
nachvollziehbar, dass ihr primäres wirtschaftliches Interesse ist, möglichst häufig gelesen und zitiert
zu werden – während Vergütungen für ihre Veröffentlichungen selbst wenig relevant sind.
Dies ist natürlich eine völlig andere Situation als die von Künstlern, die aus den Vergütungen für die
Ergebnisse ihrer kreativen Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen.
Wir maßen uns nicht an, Ratschläge bezüglich der Situation in Bildung und Forschung zu geben.
Andererseits ist für uns nicht nachvollziehbar, wenn einige, aus Steuergeldern bezahlte Professoren in
ihrem wissenschaftlichen Umfeld möglicherweise sinnvollen Ansätze wie Open Access auf die von
Ihnen nur begrenzt verstandene Kreativwirtschaft übertragen und Künstlern erklären wollen, dass
auch ihre Werke „Informationen“ sind, die im gesamtgesellschaftlichen Interesse (?!) weniger
geschützt werden sollten.
13
Alben neuer in Deutschland unter Vertrag stehender Künstler außerhalb von TV Shows, die Goldstatus (100
Tsd.) erreichten: 2007: 3 (Helene Fischer, Declan, Marquess) 2008: 2 (Zisterzensiermönche, Adoro) 2009: 1
(Milow) 2010 (bis Nov. erfasst): 1 (The Baseballs)
14
Z.B. Daniel Schumacher (DSDS Gewiner 5/2009): Debut 105.270 Verkäufe, Folgealbum: 3.910 (Stand 10/10)
11
8.
Sind die Rechte der Bürgerinnen und Bürger als Mediennutzer (Verbraucher) in
ausreichendem Maße gewahrt? Besteht beim Abschluss urheberrechtlicher
Lizenzverträge mit Telemedienanbietern ein hinreichender Schutz? Wird das Instrument
der
strafbewehrten
Unterlassungserklärung
(Abmahnung)
Ihres
Erachtens
missbräuchlich eingesetzt? Besteht hier oder in verwandten Feldern Regelungsbedarf?
(Die Linke)
Sind die Rechte der Bürgerinnen und Bürger als Mediennutzer (Verbraucher) in ausreichendem Maße
gewahrt?
Nein. Das Datenschutzrecht muss in dieser Hinsicht umfassend überarbeitet werden. Profilbildung,
sog. Targeting und die Weitergabe von persönlichen Daten sind Realität und verletzen massiv die
Rechte aller Bürgerinnen und Bürger. Es herrscht weitgehende Intransparenz.
Besteht beim Abschluss urheberrechtlicher Lizenzverträge mit Telemedienanbietern ein hinreichender
Schutz?
Die VUT-Mitglieder sind in der Beziehung mit Telemedienabietern in der Regel Lizenzgeber.
Grundsätzlich befinden sich VUT-Mitglieder gegenüber großen Telemedienanbietern im Vergleich zu
multinationalen Konzernen, die über große Kataloge verfügen, in einer schwachen
Verhandlungsposition. Dies führt tendenziell dazu, dass unsere Mitglieder entweder gar keinen
Zugang zu bestimmten Diensten bekommen oder nur zu Konditionen, die sie gegenüber den
internationalen Konzernen benachteiligen. Allerdings ist dies weder neu noch ein durch Digitalisierung
verursachtes Problem, sondern eine traditionell wettbewerbsrechtliche Problematik.
Wird das Instrument der strafbewehrten Unterlassungserklärung (Abmahnung) Ihres Erachtens
missbräuchlich eingesetzt?
Abmahnungen sind grundsätzlich ein wichtiges, legitimes Mittel gegen Rechtsverstöße vor allem im
gewerblichen Rechtsschutz. Bei dem speziellen Fall von Abmahnungen gegen Tauschbörsennutzer
ist zu berücksichtigen, dass Abmahnungen meist massenhafte Rechtsverletzungen vorausgegangen
sind. Die meisten VUT-Mitglieder würden vorziehen, gegen die Betreiber der von Piraterie
profitierenden Plattformen vorzugehen statt gegen deren Benutzer. Allerdings ist in der bisherigen
Praxis der Rechtsprechung immer wieder deutlich geworden, dass die Betreiber dieser Plattformen
nur unzureichend für die von Benutzern ausgeführten Handlungen verantwortlich gemacht werden
können.
Auskunftsanspruch und Abmahnungen sind deshalb de facto das einzige Mittel, das Rechteinhabern
geblieben ist, um sich gegen die unvergütete illegale Nutzung ihrer Werke in Tauschbörsen zu
wehren. Sie sind deshalb grundsätzlich auch in diesem speziellen Fall ein legitimes Mittel gegen
Rechtsverstöße und werden überwiegend verhältnismäßig und rechtskonform eingesetzt.
Ausnahmen erhalten wegen der enthusiastischen Verbreitung durch interessierte Kreise im Internet
disproportionale öffentliche Aufmerksamkeit. Trotzdem trifft zu, dass der massenhafte Einsatz dieses
Mittels auch den wirtschaftlichen Interessen der abmahnenden Anwälte dient - sowie denen der
Kanzleien, die professionell die Verteidigung gegen Abmahnungen vermarkten.
Nur wenige Mitglieder des VUT lassen unseres Wissens Rechtsverstöße abmahnen. Teils weil sie,
wie oben erläutert, das Vorgehen gegen Nutzer nicht ideal finden, teils aber auch weil hierauf
spezialisierte Kanzleien erst bei einer bestimmten Verletzungshäufigkeit tätig werden, ohne das
Kostenrisiko vollständig dem Rechteinhaber aufzuerlegen. Da nicht jede Abmahnung erfolgreich ist, ist
das Kostenrisiko für viele VUT-Mitglieder zu hoch.
Besteht hier oder in verwandten Feldern Regelungsbedarf?
12
Der VUT plädiert grundsätzlich für verbindliche, interessengerechte und faire Regeln im Internet.
Der Sinn des Rechtsinstruments der Abmahnung ist dem Grunde nach unbestritten. Solange es keine
Alternative gibt, haben Rechteinhaber keine andere Möglichkeit sich zu verteidigen.
Der VUT befürwortet als bessere Lösung ein anlassbezogenes Warnsystem, bei dem Verletzer
von Urheberrechten zunächst einen Warnhinweis durch ihren Access Provider erhalten, ohne
dass es bei der ersten Feststellung zu einer anwaltlichen Abmahnung kommt. Nur im
Ausnahmefall und bei besonderer Dringlichkeit würden Rechteinhaber noch von dem
gesetzlichen Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG ohne vorherige Warnung Gebrauch machen
müssen. Ein derartiges System ist technisch umsetzbar und würde die Justiz erheblich
entlasten. Es erfordert aber die Mitwirkung der ISPs und die Schaffung der gesetzlichen
Rahmenbedingungen, die auch die berechtigten Datenschutzinteressen der Verbraucher
berücksichtigen.
Wie bereits bei unserer Antwort auf Frage 2 ausgeführt, ist nicht „das Internet“ für Piraterie
verantwortlich, sondern eine sehr überschaubare Zahl von ca. 200 kommerziell agierenden
Portalen – Webhoster wie Rapidshare und Megaupload, Bit Torrent Tracker und P2P-Netze wie
eDonkey und Soulseek. Diese Portale schaffen keinerlei gesellschaftlichen Mehrwert und
verursachen der Gesellschaft Schäden in Milliardenhöhe. Ein international koordiniertes,
konsequentes Vorgehen gegen diese profitorientierten Plattformen ist längst überfällig.
9.
Wie beurteilen Sie das geltende Urheberrecht im Hinblick auf derivatives Werkschaffen,
(z.B. Remixes, Mash-ups)? Würden Sie im Bereich nicht-kommerzieller, kreativer
Werknutzung
die
Reduktion
des
Ausschließlichkeitsrechts
auf
einen
Vergütungsanspruch für vertretbar halten? Wie stehen Sie in dieser Hinsicht zum
Vorschlag
einer
Entkopplung
von
Urheberpersönlichkeitsrechten
und
Verwertungsrechten im Sinne einer Trennung von Urheber- und Werkschutz? (Die
Linke)
Wie beurteilen Sie das geltende Urheberrecht im Hinblick auf derivatives Werkschaffen, (z.B.
Remixes, Mash-ups)?
Mash-Ups im Musikbereich werden hier http://de.wikipedia.org/wiki/Bastard_Pop recht zutreffend
erläutert. Festzuhalten ist:
a. Für Mash-ups werden erfolgreiche, bereits bekannte Songs benötigt, ohne deren
vorbestehenden hohen Bekanntheitsgrad sind sie meist uninteressant.
b. Mash-ups sind eine, kulturell wenig relevante, Technik von vielen, die auf bestehende
Arbeiten zurückgreifen.
c. Künstler wie Soulwax haben z.B. mehrere Alben voller Mash-ups legal zur Veröffentlichung
lizensiert.15
d. Für den privaten Gebrauch können mash-ups jeder Qualität auch ohne Genehmigung genutzt
werden.
15
Unterhaltsame und gut gemachte Mash-ups werden häufig freigegeben - wenn man sich die Mühe macht
Rechteinhaber zu fragen. Urheber lehnen eher die Veröffentlichung von fantasielosen und/oder handwerklich
schlecht gemachten Produkten ab, die ihre Attraktivität einzig aus der vorbestehenden Bekanntheit der
verwendeten Werke ableiten.
13
e. DJs mischen bei ihrer Arbeit permanent Werke ineinander. Unseres Wissens ist weder ein DJ
noch ein Klub jemals weder hierfür noch für das Abspielen eines vorproduzierten mash-ups
belangt worden.
Es wäre absurd, elementare Rechte mit verfassungsmäßigem Rang in Frage zu stellen weil man zur
Veröffentlichung von mash-ups eine Genehmigung einholen muss.
Remixe sind primär eine Vermarktungstechnik von Verwertern, um Musikwerke in Klubs bekannt zu
machen, die nur bestimmte Musikrichtungen spielen. Hierzu werden, i.d.R. im Auftrag des Verwerters,
gegen Bezahlung Versionen des Werkes in unterschiedlichen Stilrichtungen erstellt. Wenn in
Ausnahmefällen urheberrechtliche Ansprüche durch schutzfähige Beiträge der Remixer entstehen,
werden diese aus den Urheberanteilen beteiligt. Das Erstellen von Remixen ist bei der Vermarktung
von Musik weit verbreitet (kaum eine Single wird ohne Remixe veröffentlicht) und wirft so gut wie nie
urheberrechtliche Probleme auf.
Eine weitere Variante sind Remixwettbewerbe u.ä., bei denen Rechteinhaber Interessierte einladen,
eigene Remixe bestehender Werke zu erstellen. Auch dies ist primär eine Vermarktungstechnik von
Verwertern, um den Bekanntheitsgrad von Werken zu erhöhen. Wir haben uns ausführlicher, auch zu
einigen in diesem Zusammenhang von Außenstehenden gemachten Falschaussagen, bei Frage I.4.
geäußert.
Würden Sie im Bereich nicht-kommerzieller, kreativer Werknutzung
Ausschließlichkeitsrechts auf einen Vergütungsanspruch für vertretbar halten?
die
Reduktion
des
Ja und Nein. Ja, wenn der Kern des Persönlichkeitsrechts durch eine derartige Regelung nicht aus
rein praktischen Gründen schutzlos bleibt. Die Ausgestaltung halten wir für äußerst schwierig. Gelingt
diese Ausgestaltung nicht, ist die Antwort Nein.
Wie
stehen
Sie
in
dieser
Hinsicht
zum
Vorschlag
einer
Entkopplung
von
Urheberpersönlichkeitsrechten und Verwertungsrechten im Sinne einer Trennung von Urheber- und
Werkschutz?
Für die Praxis ist diese Trennung nahezu irrelevant. Mit der Produktion von kreativen Gütern
entstehen Rechte. Diese Rechte werden natürlichen oder juristischen Personen zugeordnet, denen
aus diesen Rechte Ansprüche erwachsen. Auch eine stärkere Problematisierung des Begriffs
„Geistiges Eigentum“ und dessen Herkunft ist daher fruchtlos.
Ob man Werk- und Persönlichkeitsrechte voneinander trennt, copyright oder droit d`auteur heranzieht,
tatsächlich unterscheiden sich die Auswirkungen nur marginal.
Die meisten Mitglieder des VUT agieren international und schließen regelmäßig Vereinbarungen mit
ausländischen Partnern auch nach englischem oder US-amerikanischem Recht ab. Entscheidendes
Gewicht kommt also dem Urhebervertragsrecht zu.
Es dürfte auch unbestritten sein, dass sich die Aufgaben an das Urheberrecht in allen
Rechtsordnungen gleichermaßen stellen, unabhängig ob man vertraglich auf die Ausübung der
Persönlichkeitsrechte wirksam verzichten kann (z. B. in UK), Copyright als „work made for hire“
übertragen kann (USA), Schrankenregelungen hat (Deutschland) oder eine Generalklausel „Fair Use“.
Die immer wieder genannten Vorzüge einer „Fair Use“ Regel gegenüber unserem Schrankensystem –
Flexibilität und schnellere Umsetzbarkeit – bestehen bei genauer Betrachtung nicht, denn die
entscheidenden Fragen (z. B. im Zusammenhang mit der Google Buch Suche) werden grundsätzlich
in langwierigen Streitigkeiten vor Gericht geklärt, solange der Gesetzgeber keine Klarheit schafft.
14
10.
Wie haben sich die Einnahmen von UrheberInnen, VerwerterInnen und
Verwertungsgesellschaften aus urheberrechtlichen Vergütungsansprüchen in den
letzten zwanzig Jahren entwickelt und welche Tendenz lässt sich zwischen dem
Einkommen aus sogenannter Erst- und Zweitverwertung etwa durch Verlage
insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Buy-Out-Verträge feststellen? (B’90/Die
Grünen)
KünstlerInnen im Musikbereich beziehen ihre Einnahmen aus unterschiedlichen Quellen. Einige sind
sowohl Interpreten als auch Autoren ihrer Werke. In allen Fällen bestreiten sie ihren Lebensunterhalt
aus einer Kombination der nachfolgend genannten Vergütungen.
Ausübende KünstlerInnen beziehen Vergütungen
im Wesentlichen aus
• Beteiligungen aus dem Verkauf von Musikaufnahmen und
• Konzertgagen.
Zu einem deutlich geringeren Teil aus
• Zweitverwertung von Musikaufnahmen,
• Merchandisingeinnahmen (Beteiligungen an T-Shirt Verkäufen u.ä.),
• Sponsoreneinnahmen u.ä...
KomponistInnnen und TextautorInnen aus
•
Sog. „Verlagsrechten“ - Vergütungen für die Nutzung ihrer Werke für Musikaufnahmen,
Sendungen, Konzerte, in Filmen, Werbung etc.
Wir versuchen im Folgenden die Entwicklung der Umsätze in diesen Bereichen zu umreißen. Wie viel
hiervon auf die einzelnen KünstlerInnen entfällt, hängt von individuellen Faktoren ab – vor allem den
jeweiligen Vertragsverhältnissen, den anfallenden Kosten und natürlich dem Bekanntheitsgrad der
einzelnen Künstler. Erläuternd hierzu:
•
Wie in unserer Antwort auf Frage I.3. ausgeführt, ist das bei VUT-Labels am weitesten
verbreitete Vertragsmodell der „50/50 Deal“, in dem alle Erträge nach Abzug der direkt
zuordenbaren Kosten 50/50 zwischen Label und KünstlerInnen geteilt werden.
•
Bei Konzertgagen ist vor allem von den Kosten abhängig, wie viel von den Umsätzen für
KünstlerInnen bleibt. Kommissionen der KonzertveranstalterInnen bewegen sich i.d.R. im
Bereich von 10 – 20%.
•
Vergütungen für Komposition und Text werden überwiegend von der GEMA erhoben und
verteilt. UrheberInnen sind meist mit 60% (Vervielfältigung) oder 66,66% (Radio / TV /
Internetsendung) beteiligt. Die genannten Beteiligungen beruhen auf den wichtigsten
Elementen des Verteilungsplans der GEMA. Erfolgreiche KünstlerInnen können oft höhere
Beteiligungen verhandeln. Erträge aus der Nutzung in Film und Werbung werden meist 50/50
geteilt.
•
Bei Zweitverwertungen über die GVL ist der Verteilungsplan wie bei allen
Verwertungsgesellschaften komplex, im Großen und Ganzen werden die Erträge aber ca.
50/50 zwischen KünstlerInnen und Labels verteilt.
Nach Auskunft der Künstlersozialkasse KSK sind bei ihr mehr als 44.000 Musiker versichert. Der
durchschnittliche Verdienst lag 2009 mit € 11.521 p.a. unter € 1.000 im Monat. Statistische Daten zur
Einkommensentwicklung der einzelnen KünstlerInnen liegen dem VUT derzeit nicht vor.
15
Es ist jedoch offensichtlich, dass sich das Gesamteinkommen der KünstlerInnen im Wesentlichen
analog zu den Umsätzen in den jeweiligen Bereichen entwickeln muss. Erfolgreiche, bereits etablierte
Künstler können tendenziell größere Anteile an Erträgen verhandeln, junge Künstler finden, wie
erwähnt, zunehmend keine Partner, die das Risiko übernehmen können oder wollen überhaupt in sie
zu investieren.
Verwertung von Musikaufnahmen
Die Umsätze aus dem Verkauf von Musikaufnahmen sind in den letzten 10 Jahren stark
zurückgegangen – in Deutschland von € 2,630 Mrd. im Jahr 2000 um mehr als 40% auf € 1,571
Mrd. in 2009. Diese Zahlen sind vergleichsweise leicht zu ermitteln, belastbar und schließen die
Einnahmen aus neuen Verwertungsformen – im Wesentlichen Internet und Mobile - ein.
Anmerkung: Das Internet hat in Bezug auf Einnahmen für MusikerInnen bisher deren Hoffnungen
nicht ansatzweise erfüllt. Der Erfolg von legalen Downloadangeboten (insbes. itunes) ist eine
positive Entwicklung und hat einen kleinen Teil des drastischen Rückgangs physischer Verkäufe
kompensiert. Der Anteil aller legalen Online- und Mobile-Nutzungen am Umsatz lag 2009 in
Deutschland noch unter 10%.
Insbesondere die Vergütungen für Streamingangebote sind bisher so niedrig, dass
beispielsweise beim beliebten last.fm (http://www.lastfm.de/), ein Song 1.546.667 mal
gestreamt werden muss um für KünstlerInnen den US Mindestlohn von $ 1.160 (ca. € 886)
zu generieren16 – pro Monat. (Zur Orientierung: Xavier Naidoos erfolgreichster Titel auf last.fm
im Dezember 2010 („Alles Kann Besser Werden“) hatte 14.458 Hörer – weniger als 1% der für
den US-Mindestlohn erforderlichen Streams.)
Dass die Betreiber last.fm 2007 für 140 Mio. Pfund (ca. € 164 Mio.) an CBS verkauft haben,
gibt Anlass darüber nachzudenken, auf wessen Rücken die Wertschöpfung bei den
Geschäftsmodellen dieser neuen Verwerter generiert wird.
Konzertgagen
Die Umsätze mit Konzertkarten stiegen in Deutschland von € 2,66 Mrd. im Jahr 1999 auf € 2,82
Mrd.17 im Jahr 2007 - also mit durchschnittlich ca. 0,75% pro Jahr unter der Inflationsrate, aber
stabil. 2008 und 2009 musste die Branche deutliche Rückgänge (2008 – 7%, 2009: – 12%) auf €
2,266 Mrd. - unter das Niveau von 1995 (€ 2,45 Mrd.) - hinnehmen.
Trotzdem ist der Konzertmarkt, wegen der erheblich höheren Rückgänge im Tonträgermarkt (s.o.)
seit einigen Jahren deutlich größer als der Tonträgermarkt – 2009 um ca. 44%18. Konzertgagen
sind deshalb meist die wichtigste Einnahmequelle für KünstlerInnen – wenn sie ausreichend
etabliert sind und live auftreten können.
Festzustellen ist, dass auch in diesem Bereich eine kleine Anzahl sehr populärer Künstler hohe
Einnahmen erzielt, während bei jungen Künstlern die Kosten in den ersten Jahren meist die
Einnahmen übersteigen bis sie einen ausreichend hohen Bekanntheitsgrad erreicht haben. Dies
trifft vor allem zu, wenn sie in einem Genre arbeiten, in dem sie ihr Konzert nicht auf einem Laptop
bestreiten können, sondern Instrumente zu Auftrittsorten transportieren, Toningenieure bezahlen
müssen etc.. Elektronische Musik und DJs haben es hierbei natürlich etwas leichter.
16
Quelle: http://www.informationisbeautiful.net/2010/how-much-do-music-artists-earn-online/ s.a. Frage II.8.
Alle Zahlen: GfK Studien zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland
(2000, 2004, 2007, 2008, 2009)
18
Tonträgermarkt 2009: € 1,561 Mrd., Konzertmarkt 2009: € 2,266 Mrd.
17
16
Probleme sehen wir auch hier vor allem bei der Entwicklung junger und neuer Künstler. Denn
historisch haben Labels das Konzertgeschäft in zweierlei Weise unterstützt:
a) Die Promotion und Vermarktung von Aufnahmen an Presse, Radio, TV und Online erhöht den
Bekanntheitsgrad der Künstler, positive Medienresonanz hierzu resultiert auch in höheren
Besucherzahlen bei Konzerten.
b) Verluste aus Liveautritten in den ersten Jahren der Karriere wurden häufig durch Labels
ausgeglichen (sog. „tour support“), die sich von erfolgreichen Auftritten wiederum eine
Verbesserung ihrer Tonträgerverkäufe versprachen.
Konzertveranstalter verdienen an den niedrigen Gagen von neuen Künstlern natürlich auch nur
wenig. Sie sind deshalb meist nur an einer Zusammenarbeit mit jungen Künstlern interessiert,
wenn diese von einem Label unterstützt werden. Wie ausgeführt, finden junge Künstler aber
zunehmend keine Labelpartner mehr und wenn, dann sind Tonträgerverkäufe junger Künstler so
minimal, dass die Finanzierung von „Toursupport“ hieraus in aller Regel ausgeschlossen ist19.
Die aktuellsten US-Zahlen bestätigen den rückläufigen Trend und das Nachwuchsproblem. Die 50
größten US-Touren 2010 spielten US$1,69 Mrd. ein, 15% weniger als im Vorjahr20. Nur 2 der 10
erfolgreichsten Livekünstler wurden in den letzten 20 Jahren populär (Lady Gaga und Michael
Buble). Digital Music News hat das Durchschnittsalter der 50 erfolgreichsten Live-Künstler
analysiert – es beträgt mittlerweile 46 Jahre, mit mehr Künstlern in ihren 60ern als in ihren
20ern21.
Nach Aussage vieler Konzertveranstalter sind in den letzten Jahren immer mehr Künstler immer
häufiger auf Tournee, weil auch bereits bekannte Künstler ihren Lebensunterhalt immer weniger
aus Tonträgerverkäufen bestreiten können,. Dies resultiere in einem Überangebot und einer
steigenden Anzahl Konzerten die ihre Kosten nicht einspielen. Es wäre logisch, dass sich bei
einer höheren Anzahl von Konzerten die Gesamteinnahmen auf mehr KünstlerInnen verteilen und
deren Einnahmen dadurch sinken. Hierüber liegen uns aber bisher noch keine belastbaren Daten
vor.
Zweitverwertungen
Die Erträge aus Zweitverwertungen für ausübende KünstlerInnen und Labels werden in
Deutschland von der GVL erhoben und verteilt. In der Vergangenheit wegen ihrer relativ kleinen
Größe oft vernachlässigt, sind diese Einnahmen wegen der starken Rückgänge aus der
Erstverwertung weltweit für Inhaber von Leistungsschutzrechten immer wichtiger geworden.
Bei der GVL stiegen die Erträge von 1999 bis 2009 von € 122,5 Mio. auf € 175,0 Mio.22, also
durchschnittlich um ca. 5% pro Jahr. Leider mussten deutsche KünstlerInnen 2009 wegen hoher
Rückstellungen in Zusammenhang mit der internationalen Harmonisierung der Verteilung eine
Reduktion der Gesamtausschüttung an KünstlerInnen auf weniger als die Hälfte (von insgesamt €
81 Mio. im Vorjahr auf € 40 Mio.) verkraften.
19
In den USA hat sich für junge, exzessiv tourende Bands der Begriff „Hedge-Fond-Kids“ eingebürgert, weil
ausgiebiges Touren mittlerweile darauf schließen lässt, dass sie Unterstützung durch reiche Eltern erfahren.
20
http://www.pollstar.com/blogs/news/archive/2010/12/29/751701.aspx
21
http://digitalmusicnews.com/stories/112910averageage
22
GVL Geschäftsberichte (2003, 2009)
17
Merchandising / Sponsoring
Die
uns
vorliegenden
GfK-Studien
zum
Konsumverhalten
der
Konzertund
Veranstaltungsbesucher erfassen erst seit 2007 Gesamtumsätze für Merchandising bei Konzerten
- € 349 Mio. in 2007, € 291 Mio. (- 13%) in 2008. Sie liegen im Bereich von 11% – 12% der
Ticketumsätze. Unseres Wissens sind Merchandisingumsätze in den Jahren davor stabil gewesen
aber nicht signifikant gestiegen.
Anzumerken ist:
• Nennenswerte Merchandising- und, in noch höherem Maß, Sponsoring Einnahmen können in
aller Regel nur bereits etablierte Künstler generieren.
• Es gibt bei Merchandizingumsätzen signifikante Unterschiede zwischen Genres – Metalbands
erzielen vergleichsweise hohe Umsätze, Yvonne Catterfeld T-Shirts setzen sich eher
schleppend ab.
• Wegen der Gesamtsituation haben sich alle Marktteilnehmer in den letzten Jahren verstärkt
um Sponsoreneinnahmen bemüht. Uns liegen keine Zahlen vor, um zu evaluieren ob dies
insgesamt zu höheren Einnahmen geführt hat.
• Es gibt nach wie vor Künstler, die ihre Kunst nicht in den Dienst von Coca Cola, Mercedes
oder McDonalds stellen wollen – wir respektieren das.
Komponisten/-Innen und TextdichterInnnen
Da der weitaus größte Teil (ca. 80% - 90%) der urheberrechtlichen Vergütungen für Komponisten und
Textautoren in Deutschland von der GEMA erhoben und abgerechnet wird, geben die GEMA-Umsätze
einen relativ guten Überblick über die Entwicklung der Gesamteinnahmen von KomponistInnen,
TextautorInnen und auch Musikverlagen. Die GEMA-Umsätze beinhalten in der Regel Erst- und
Zweitverwertungen. Sie werden nur nach Nutzungsarten (Tonträgervervielfältigung / Radio / TV /
Konzerte etc.) unterteilt.
Entwicklung: Wegen der erhöhten Nutzung von Musik in einer steigenden Zahl von Radio- und TVSendern sowie neuen Nutzungsarten sind die Umsätze in diesen Segmenten erfreulicherweise
während der letzten zehn Jahren gestiegen. Jedoch wurde dieser Anstieg fast vollständig durch den
Rückgang der Einnahmen aus der Vervielfältigung von Musikaufnahmen aufgehoben.
Die von der GEMA an alle Berechtigten verteilte Ausschüttungssumme stieg zwischen 2000 und 2009
marginal von € 685 Mio. auf € 713 Mio. in 2009 – jährlich durchschnittlich um weniger als 0,5%, aber
zumindest stabil.
VerwerterInnen
Die finanzielle Situation der VerwerterInnen reflektiert weitgehend das oben Gesagte zur Situation der
KünstlerInnen.
Labels
Die Einnahmen der VerwerterInnen im Labelbereich (also denen, die Musikaufnahmen mit
Interpreten erstellen, vermarkten und vertreiben) stammen in erster Linie aus der Verwertung
dieser Aufnahmen und zu einem deutlich geringeren Teil aus der Zweitverwertung durch
Radio, TV etc.. Wegen der starken Umsatzrückgänge im Tonträgermarkt haben sich Labels
zunehmend um neue Geschäftsmodelle und Beteiligung an den Vergütungen aus anderen
Bereichen (Verlags- und/oder Merchandisingeinnahmen, Konzertgagen etc.) bemüht, wobei
diese nur selten 10%, max. 20% ihrer Einnahmen überschreiten.
Die Situation der Musiklabels muss in Anbetracht der Rückgänge in ihrem Kerngeschäft nicht
weiter ausgeführt werden. Die unabhängigen Labels, die 2010 überleben, schaffen dies durch
18
Bewältigung hoher Veröffentlichungsvolumen, harte Kostenkontrolle, weitverbreitete freiwillige
Selbstausbeutung - und drastische Reduktion der Investitionen in neue Künstler.
Anmerkung: Es ist viel über die Notwendigkeit von Labels diskutiert worden. Diese Diskussion
ist aus unserer Sicht irrelevant. Entscheidend ist, dass Labels Künstler in nach wie vor
elementaren Bereichen unterstützen – Entwicklung, Produktion, Promotion, Vermarktung,
Lizensierung, Distribution und natürlich Finanzierung. Es ist letztlich irrelevant, wer diese
Aufgaben übernimmt. Teilweise werden Veröffentlichungen ohne explizites „Label“
durchgeführt, aber dann müssen andere - bei Selbstvermarktern die KünstlerInnen selbst,
ansonsten Verlage, Managementfirmen, Konzertagenturen etc. diese Funktionen übernehmen
– und werden damit de facto zu „Labels“.
Verlage
Die Einnahmen der VerwerterInnen im Verlagsbereich (also denen, die mit KomponistInnen
und AutorInnen zusammenarbeiten und die Veröffentlichung von deren Werken u.a. durch
Labels, aber auch durch Platzierung mit Drittinterpreten, Werbe- und Filmnutzungen,
Computerspielen, Notendruck etc. anstreben) sind ebenfalls größtenteils in den GEMA
Umsätzen enthalten und haben sich im Wesentlichen analog zu den Einnahmen der
UrheberInnen entwickelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Einnahmen von
Musikverlagen einerseits auch Vergütungen für die Werke ausländischer Autoren, die von
ihnen in Deutschland vertreten werden, enthalten, ihnen andererseits von ausländischen
Partnern Einnahmen für dortige Nutzungen von Werken deutscher Autoren zufließen.
Zusammenfassend ist festzustellen:
a. Umsatzeinbrüche von 40% bei der Verwertung von Musikaufnahmen reduzieren
selbstverständlich auch das Einkommen aller MusikerInnen substantiell.
b. Es
gibt,
entgegen
anderslautenden
Behauptungen,
keine
signifikanten
Einkommenszuwächse in anderen Bereichen, die dies auffangen – die neuen online
Verwertungsformen generieren bisher nur sehr geringe Einnahmen für KünstlerInnen,
das Konzertgeschäft ist nach moderatem Wachstum in den Jahren bis 2007 zuletzt
ebenfalls rückläufig. Zu Merchandise- und Sponsoringeinnahmen liegen uns keine
belastbaren Zahlen vor, sie sind aber, insbesondere bei jungen Künstlern, tendenziell
unregelmäßig und marginal.
c. Die Auswirkungen sind je nach Bekanntheitsgrad der Künstler unterschiedlich
ausgeprägt.
o
Bereits in den 70er, 80er, 90er oder frühen 00er Jahren, meist mit Hilfe
substantieller Labelinvestitionen, etablierte nationale und internationale
KünstlerInnen erzielen nach wie vor hohe Einkommen, vor allem aus
Konzertgagen. Sie können ihren vor Einsetzen der Digitalisierungseffekte
erlangten
Bekanntheitsgrad
am
ehesten
für
die
neuen
Vermarktungsmöglichkeiten im Internet (Radiohead, NIN etc.) nutzen und
Merchandise- und Sponsorshipeinnahmen optimieren, um die Rückgänge im
Tonträgermarkt auszugleichen. Zudem sind ihre Fans meist über 40 Jahre alt
und nicht mit der Möglichkeit aufgewachsen, sich jederzeit kostenlose Kopien
ohne Qualitätsverlust von jeglichem Inhalt beschaffen zu können. Sie sind
daher eher bereit und gewöhnt für Musiknutzung Geld auszugeben.
o
Nachwuchskünstler haben dagegen extrem schlechte Chancen ausreichende
Einnahmen zu generieren, um ihren Lebensunterhalt aus ihrer Arbeit zu
bestreiten und sich weiterzuentwickeln. Dies gilt selbst dann, wenn hohe
Nutzungszahlen
bei
den
wesentlichen
Online-Diensten
(Facebook,
19
YouTube/Google, Last.fm, Blogs etc.) auf eine hohe
Verbreitung bzw. Popularität schließen lassen, denn diese
Services vergüten Musiknutzungen entweder gar nicht oder
nur sehr gering. Die erhöhte Verfügbarkeit kostengünstig
produzierter Aufnahmen im Internet erschwert es begabtem Nachwuchs eher,
sich aus Millionen von MySpace-Künstlerseiten ausreichend abzuheben, auch
weil es zunehmend weniger Grundlage für die hierzu notwendigen Investitionen
gibt. Die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel.
Buy-Out Verträge
Buy-out Verträge sind in der deutschen Musikwirtschaft sehr selten und kommen praktisch nur in zwei
Bereichen vor:
•
Bei der Vergütung von Studiomusikern für die Mitwirkung an Aufnahmen. Bei VUT-Mitgliedern
kommen Studiomusiker wegen des Kostenfaktors eher selten zum Einsatz.
•
Bei Lizensierungen an in den USA produzierte Filmen und Computerspiele.23
II.
Vertriebsformen und Vergütungsmodelle
1.
Ist die Pauschalvergütung, eingeführt als Kompensation für Privatkopien mittels
analogen Aufnahmemedien, heute noch zeitgemäß? Gibt es Alternativen zu dieser
Pauschalabgabe - z.B. eine Kulturflatrate - und wenn ja, in welchem Umfang ist der
Urheber zu entschädigen? Hat sich das Schrankensystem im Urheberrecht und die
Regulierung der kollektiven Rechtewahrnehmung - letzteres insbesondere im
europäischen Kontext - bewährt? (CDU/ CSU)
Ist die Pauschalvergütung, eingeführt als Kompensation für Privatkopien mittels analogen
Aufnahmemedien heute noch zeitgemäß?
Grundsätzlich ja, denn die Voraussetzungen haben sich nicht geändert und wurden aktuell von
Urteilen des BVerfG und des Gerichtshofes wieder bestätigt. Aus einer interessengerechten
Abwägung der betroffenen Werte von Verfassungsrang (Freiheit, informationelle Selbstbestimmung,
Eigentum) folgt der Vorzug der Vergütung vor dem Verbotsrecht.
Sorge bereitet uns, dass die Höhe der Vergütungen immer weiter hinter der stark wachsenden Anzahl
der digitalen Privatkopien und den Gerätekapazitäten zurückbleibt. Die kürzlich vereinbarte Vergütung
von pauschal € 0,10 für USB-Sticks, die schon heute mit Kapazitäten von 16 GigaByte (deutlich mehr
als die durchschnittliche itunes-Musiksammlung) verkauft werden, ist dafür nicht ausreichend.
Gibt es Alternativen zu dieser Pauschalabgabe - z.B. eine Kulturflatrate - und wenn ja, in welchem
Umfang ist der Urheber zu entschädigen?
Die uns bisher bekannten Überlegungen zu einer Kulturflatrate stellen keine Alternative dar (s.a. Frage
II.5.)
Eine nationale Umsetzung bedürfte nach unserem Verständnis der Änderung europäischer Richtlinien
und es ist sehr fraglich, ob der sog. „Drei-Stufen-Test“ mit positivem Ergebnis für eine Kulturflatrate
durchlaufen würde. Vereinfacht gesagt wäre erforderlich, dass eine Kulturflatrate keine anderen
privatwirtschaftlichen Nutzungen entscheidend „kannibalisiert“. Genau dies wäre aber u.E. gegeben.
23
US Produzenten bestehen kategorisch auf den dort üblichen buy-outs. In der Praxis haben deutsche
Rechteinhaber meist keine Wahl als dies zu akzeptieren, wenn sie im betreffenden Film / Spiel
vertreten sein wollen. Im Grunde widerspricht dies ihrer deutschem Recht unterliegenden
Mitgliedschaft in Verwertungsgesellschaften wie der GEMA, wird in der Praxis aber ignoriert.
20
Es gibt bereits verschiedene privatwirtschaftliche Geschäftsmodelle wie z.B. Spotify, die im
Musikbereich einer Kulturflatrate ähneln. Noch muss sich zeigen, ob die von Spotify angebotene
Vergütung langfristig angemessen ist, aber Flatrateangebote an interessierte Nutzer sind aus unserer
Sicht einer steuerartigen Abgabe für alle vorzuziehen.
Hat sich das Schrankensystem im Urheberrecht und die Regulierung
Rechtewahrnehmung - letzteres insbesondere im europäischen Kontext - bewährt?
der
kollektiven
Nationalstaaten, auch innerhalb der EU, handhaben dies unterschiedlich. In Deutschland hat dieses
System seit über 50 Jahren Bestand und scheint im Großen und Ganzen praktikabel.
Die gut gemeinten und grundsätzlich begrüßenswerten Bemühungen der EU-Kommission, mehr
Wettbewerb zwischen den nationalen Verwertungsgesellschaften zu schaffen und pan-europäische
Lizensierungen zu vereinfachen sind so mangelhaft umgesetzt worden, dass sich die Situation sowohl
für Rechteinhaber als auch für Nutzer objektiv verschlechtert hat. Hier muss dringend nachgebessert
werden.
2.
Was kann getan werden, um ein möglichst innovatives Umfeld für neue Geschäfts- und
Lizenzmodelle nach den Prinzipien des geltenden Urheberrechts im Internet zu
schaffen und dabei vor allem die Urheber noch besser zu fördern? Worin liegen die
konkreten Hemmnisse und gibt es Vorbilder in anderen Ländern? (FDP)
Wie unter Frage I.2. ausführlicher beantwortet, ist aus unserer Sicht für die Schaffung eines Umfeldes,
das Investitionen in neue digitale Inhalte fördert, eine Kombination aus
a. Aufklärung
b. Anlassbezogenen persönlichen Warnhinweisen bei Urheberrechtsverletzungen
Kombination mit wirksamen Sanktionen bei Wiederholungstätern
in
c. Verpflichtung der Provider zum Einsatz technischer Maßnahmen zu Verhinderung bzw.
Behinderung offensichtlicher Rechtsverletzungen
d. International
koordinierter
Gewinnerzielungsabsicht
Verfolgung
offensichtlich
illegaler
Angebote
mit
e. Fortlaufender Weiterentwicklung verbraucherfreundlicher Angebote
geboten. Entscheidend ist, diese Maßnahmen als Gesamtpaket durchzuführen. Beispielsweise wird
Aufklärung ohne Sanktionen nicht ernst genommen werden und Sanktionen ohne Aufklärung werden
gesellschaftlich schwer vermittelbar sein.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist wirksame Ausschließbarkeit ein Garant für funktionierende
Geschäftsmodelle. Ein Beispiel ist der Apple-App-Store, der durch die direkte Anbindung an die
iphone und ipad Infrastruktur Piraterie wirksam verhindert und Ausschließbarkeit herstellt. Im Ergebnis
entstanden zahlreiche Software start-ups und der App-Store erzielt eine bemerkenswerte
Wertschöpfung. Berichte gehen in 2010 von monatlichen Umsätzen von US$ 200 Mio. mit steigender
Tendenz aus. Dies legt nahe, dass mit der Kombination von Exklusivität und optimaler
infrastruktureller Anbindung erhebliche Wertschöpfung erzielt werden kann.
Worin liegen die konkreten Hemmnisse und gibt es Vorbilder in anderen Ländern?
Größtes Hemmnis ist unseres Erachtens die mangelnde Konvergenz von Datenschutz, Urheberrecht
und Telemedienrecht und das bisherige Fehlen von gesetzlichen Rahmenbedingungen, die ISPs zu
Kooperation und Mitverantwortung veranlassen.
21
Vorbild ist jedes Land, das anders als Deutschland aktiv gestaltet: Frankreich, Großbritannien,
Belgien, Irland, Neuseeland, um nur einige zu nennen. Dabei kommt es nicht darauf an, mit der
perfekten Lösung alle Bereiche des Internets zu regulieren, sondern aktiv den Ausgleich
verschiedener Interessen mitzugestalten und zwar völkerrechtlich, europarechtlich und national.
3. Auf welche neuen Nutzungsarten müssen wir uns - vor dem Hintergrund der Digitalisierung
- einstellen und wie lassen sich diese neuen Nutzungsarten Verwertungsrechten
zuordnen? (FDP)
Grundsätzlich wird unseres Erachtens die Relevanz digitaler Kopien abnehmen, der Wert des
Zugangs und der Abrufbarkeit (Streaming, Cloud Accessability, Ubiquity, Augmented Reality etc.)
zunehmen. Die Frage der Zuordnung kann der VUT noch nicht beantworten.
4. Empfiehlt es sich, angesichts des mit dem Internet verbundenen Wandels die
Regelungskonzeption des Urheberrechtes grundlegend zu verändern (etwa modulares
„Taylormade-Urheberrecht“, Flexibilität durch Generalklauseln)? (SPD)
Nein. Flexible Generalklauseln wie z. B. das anglo-amerikanische Prinzip des „Fair Use“ führen zu
Rechtsunsicherheit und langen gerichtlichen Streitigkeiten. Unseres Wissens ist z.B. die Bewertung
der Google-Buchsuche und das Scannen von Werken durch Google auch unter dem „Fair Use“
Blickwinkel hochgradig umstritten.
Die Modularität der Kreativbranche besteht seit langem, deshalb ist es richtig, das Urheberrecht
technikneutral auszugestalten. Auf unteren Ebenen kann das Weitere von Rechtsprechung und
privatwirtschaftlichen Vereinbarungen geregelt werden.
Lösungsansätze, die sich von einem Wandel des Regelungskonzepts des Urheberrechts Vorteile
versprechen, übersehen meist, dass schon vor der Digitalisierung die Branchenpraxis auf
vertragsrechtlicher Ebene mit dem Urheberrecht äußerst flexibel umzugehen verstand.
5. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in kollektiven Vergütungsmodellen wie der
Kulturflatrate für Urheber und Nutzer? Was wären aus Ihrer Sicht die wichtigsten
Anforderungen, die solche Modelle erfüllen sollten, und welche Gefahren würde es vor
allem zu vermeiden gelten? Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund das
Vergütungsverfahren der VG WORT für „Texte in Online-Medien“, insbesondere im Hinblick
auf seine technischen Voraussetzungen, den Verteilungsschlüssel und die Transparenz?
Inwiefern stehen Modelle kollektiver Vergütung in Konkurrenz zu Creative-CommonsLizenzen? (DIE LINKE)
Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in kollektiven Vergütungsmodellen wie der Kulturflatrate für
Urheber und Nutzer?
Zu den bisher bekannten Modellen einer Kulturflatrate haben sich andere Verbände der
Kreativwirtschaft bereits ausführlich geäußert. Wir teilen die meisten ihrer Bedenken, unter anderem:
a) Uns ist weder ein praktikabler Vorschlag bekannt, wie Einnahmen zwischen Film-, Buch-, Musik-,
Games-, TV-Wirtschaft, Softwareproduzenten, Sport (Champions League Rechte z.B.) etc., noch
innerhalb der Branchen verteilt werden sollten. Die Möglichkeiten des Missbrauchs, z.B. durch
automatisierte Abrufe, sind so vielfältig, dass abgesehen von dem erheblichen, zur Verteilung
nötigen bürokratischen Aufwand auch eine massive Überwachung und Analyse des
Internetverkehrs nötig wäre, um Missbrauch aufzudecken und Verteilungsgerechtigkeit zu
gewährleisten.
22
b) Bereits funktionierende legale Angebote von itunes über emusic bis Simfy wären in ihrer Existenz
bedroht, weil ihre Kunden entweder doppelt bezahlen oder stattdessen auf qualitativ schlechtere
Angebote von Tauschbörsen, Webhostern etc. zurückgreifen müssten.
c) Die Intensität von Musiknutzung schwankt sehr stark. Während sie insgesamt stark zugenommen
hat, sind beispielsweise nur 40%24 der Bevölkerung regelmäßig aktive Käufer von
Musikaufnahmen. Eine pauschale Abgabe wäre zwar für intensive Nutzer dann nicht mehr
illegaler Angebote attraktiv, würde aber zu Recht von großen Teilen der Bevölkerung als
ungerecht empfunden werden. Privatwirtschaftliche Flatrateangebote an intensive Musiknutzer –
wie beispielsweise Spotify in mehreren ausländischen Märkten - halten wir für eine bessere
Lösung.
d) Unsere Mitglieder haben schon zu oft erfahren, dass die unweigerlich folgenden Versuche,
Verteilungskosten durch Vereinfachung zu reduzieren regelmäßig zur massiven Benachteiligung
kleiner Marktteilnehmer, ungewöhnlicher und junger, im Aufbau befindlicher Künstler führen - zu
Gunsten von Künstlern wie, beispielsweise, Dieter Bohlen, die unaufwändig erfasst werden.
Auf rechtliche Bedenken bezüglich einer nationalen Umsetzung haben wir bereits bei Frage II.1.
hingewiesen.
Zusammenfassend sind die uns bisher bekannten Modelle einer Kulturflatrate deshalb
rechtlich und organisatorisch schwer umsetzbar, schlecht vermittelbar und in ihren
Auswirkungen nicht wünschenswert.
Was wären aus Ihrer Sicht die wichtigsten Anforderungen, die solche Modelle erfüllen sollten, und
welche Gefahren würde es vor allem zu vermeiden gelten?
Trotzdem können kollektive Vergütungsmodelle grundsätzlich von elementarer Bedeutung sein.
Chancen:
• Weitgehende Gleichbehandlung der Werke und Leistungen
• Gleicher Zugang
• Zugriff auf großes Repertoire mit einem Ansprechpartner
• Vereinfachung des Rechte-Clearings
Gefahren:
• Verteilungsungerechtigkeit
• Verwaltungsapparat
• Intransparenz
• Trägheit
Aus Sicht der VUT-Mitglieder ist kollektive Rechtewahrnehmung grundsätzlich attraktiv, da gerade
kleine und Kleinstunternehmen häufig schwache Verhandlungspositionen gegenüber großen Nutzern
haben. Andererseits mussten wir erfahren, dass wenn Vergütungen pauschal erhoben und verteilt
werden, Probleme damit entstehen, gerechte und transparente Verfahren zu gewährleisten.
Unsere Mitglieder sind auf schnellen, verlässlichen und regelmäßigen Zufluss der Einnahmen aus den
Nutzungen ihres Repertoires angewiesen. Jahrelange Auseinandersetzungen zwischen
Lizenznehmern und Verwertungsgesellschaften bzw. ZPÜ über die Höhe der Vergütung sind für sie
deshalb problematisch.
24
GfK Panel Services (2010)
23
Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund das Vergütungsverfahren der VG WORT für „Texte in
Online-Medien“, insbesondere im Hinblick auf seine technischen Voraussetzungen, den
Verteilungsschlüssel und die Transparenz?
Der VUT kann diese Frage nicht kompetent beantworten.
Inwiefern stehen Modelle kollektiver Vergütung in Konkurrenz zu Creative-Commons-Lizenzen?
Solange beide Systeme nebeneinander genutzt werden können, besteht in Bezug auf Inhalte und
Berechtigte keine Konkurrenz. Diese entsteht nur, wenn sich Berechtigte zwischen den beiden
Systemen entscheiden müssen.
Anmerkung: Uns sind im Musikbereich keine KünstlerInnen bekannt, die ihren Lebensunterhalt aus
Creative-Commons-Lizenzen bestreiten können. Lediglich für kleine Gruppen von Künstlern mit
besonderer Interessenlage wie z.B. DJs, deren Arbeit vor allem daraus besteht von anderen Künstlern
geschaffene Werke aufzulegen und die ihren Lebensunterhalt primär aus Ihren Gagen bestreiten,
kann es Sinn machen, für gelegentliche eigene Veröffentlichungen mit einer CC-Lizenz de facto auf
Vergütungen für die Aufnahmen zu verzichten und diese stattdessen zur Ergänzung ihres Profils und
damit zur Erhöhung ihrer Gagen zu nutzen. Das Modell scheint ansonsten für Software deutlich
besser geeignet als für Musik.
6. Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Abrechnungsformen der VerwerterInnen und die
Ausschüttungen an die UrheberInnen aus? Wie lässt sich die Theorie der öffentlichen
Güter mit den Interessen der berechtigten UrheberInnen in Einklang bringen? Wie kann
rechtlich und tatsächlich gewährleistet werden, dass alle mit öffentlichen Mitteln
geschaffenen Werke der Allgemeinheit frei zugänglich gemacht werden? (B’90 /DIE
GRÜNEN)
Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Abrechnungsformen der VerwerterInnen und die
Ausschüttungen an die UrheberInnen aus?
Digitalisierung hat im Musikbereich zu einer Zunahme der Anzahl von Transaktionen bei gleichzeitiger
Abnahme des Wertes der einzelnen Transaktionen geführt. Abrechnungen werden seit vielen Jahren
meist softwarebasiert erstellt, so dass größere Unternehmen i.d.R. wenig Probleme hiermit haben.
Kleinere Unternehmen berichten jedoch, dass sie wegen Zunahme der Streamingnutzungen mit der
bisherigen Soft- und Hardware nicht mehr weiterarbeiten können.
Viele Mitglieder haben in ihren Abrechnungen die Stellen hinter dem Komma erhöhen müssen um die
Cent-Bruchteile abzubilden, die beispielweise für Streamingnutzungen aber auch Downloads mit
mehreren Beteiligten abgerechnet werden. EmpfängerInnen können Abrechnungen ebenfalls leichter
softwaregestützt prüfen und ggfls. beanstanden.
Wie lässt sich die Theorie der öffentlichen Güter mit den Interessen der berechtigten UrheberInnen in
Einklang bringen?
Es ist richtig, dass Immaterialgüter von beliebig vielen Personen gleichzeitig genutzt werden können,
ohne dass eine Rivalität bei der unmittelbaren Nutzung besteht.
Darüber hinaus ist dieser Ansatz u.E. aber nicht zielführend.
Denn die Produktion dieser Güter erfordert Investition von Zeit, Arbeit und finanziellen Ressourcen.
Das Urheberrecht schafft durch seine Ausschließbarkeit erst die Möglichkeit, Kreativwirtschaftsgüter
handelbar zu machen, Wertschöpfung zu erzeugen und damit den Anreiz für die Produktion von
neuen Werken zu geben.
24
Wenn mit der Schaffung eines öffentlichen Gutes Kosten verbunden sind, ist die Schaffung
vorhersehbar ein Verlustgeschäft, das auf Dauer kaum jemand unternehmen wird. Das wiederum
wäre der Gesamtwohlfahrt abträglicher, als wenn das Gut unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu
einem angemessenen Preis angeboten würde.
Nähme man die Theorie öffentlicher Güter ernst, müsste in diesem Fall der Staat einspringen, z. B. in
Form einer verallgemeinerten Steuer für die Produktion von Popmusik, denn der Urheber hat einen
Anspruch auf gerechten Lohn für die Verwertung seiner Leistung durch Dritte (BGHZ 17, 266ff –
Grundig Reporter). Der europäische Gesetzgeber hat den Vergütungsanspruch bestätigt. „Wenn
Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für
die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gilt,
damit diese ihre Werke finanzieren können“ (Richtlinie 2001/29/EG, AGl. L 167/10).
Eine Steuer oder „Kulturflatrate“ wäre kaum interessengerecht, da bei genauer Betrachtung lediglich
eine Minderheit dafür sorgt, dass Inhalte ubiquitär zur Verfügung stehen und nur ein Teil der
Bevölkerung diese nutzt. Der EuGH weist zur Ausgestaltung von Pauschalregelungen in einer
aktuellen, vielbeachteten Entscheidung (EuGH, C-476/08) darauf hin, dass Pauschalabgaben aber
nicht dort erhoben werden dürfen, wo die Schuldner der Vergütung nachweislich keinen Gebrauch von
den Gütern machen. Damit erteilt er einem Steuermodell eine generelle Absage. Der Staat muss
folglich Regeln durchsetzen, die das beschriebene Marktversagen beheben.
Wie kann rechtlich und tatsächlich gewährleistet werden, dass alle mit öffentlichen Mitteln
geschaffenen Werke der Allgemeinheit frei zugänglich gemacht werden?
Durch eine verfassungsgemäße, mit europäischem
Schrankenregelung.
und internationalem
Recht
vereinbare
7. Ist das heutige Schutzregime des Urheberrechts zielführend für eine Verfügbarmachung
vor dem Hintergrund der enormen Bestände an verwaisten und vergriffenen Werken und
zielführend für eine angemessene Vergütung von UrheberInnen und welche Konsequenz
hat der Anspruch einer angemessenen Vergütung heute für die Persönlichkeitsrechte
des/der UrheberIn, für das Recht zur Veröffentlichung und die benötigte Zustimmung von
UrheberInnen zur Bearbeitung? (B’90 /DIE GRÜNEN)
Aus unserer Sicht ist eine Regelung zur Nutzbarmachung von verwaisten Werken zu befürworten und
könnte gegebenenfalls durch einen eigenen, neuen Abschnitt im Urheberrechtsgesetz geregelt
werden. Dort sollte geregelt werden, welche Bedingungen eingetreten sein müssen, damit ein Werk
als verwaist gilt.
Grundsätzlich sollte der Kern des Persönlichkeitsrechts gewahrt bleiben. Nur unter sehr engen
Voraussetzungen kann es gerechtfertigt sein, den (unbekannten, unauffindbaren) Urheber ungewollt
über sein unveröffentlichtes Werk in die Öffentlichkeit zu zerren. Im Zweifel ist davon auszugehen,
dass der Urheber ein unveröffentlichtes Werk nicht veröffentlichen wollte.
Wenn UrheberInnen einer Veröffentlichung oder Bearbeitung ihres Werks nicht zustimmen, ist die
logische Konsequenz, dass es keine Nutzungen gibt für die sie einen Anspruch auf angemessene
Vergütung hätten.
8. Ist eine Tendenz in Bezug auf die Einnahmequellen in der Kulturwirtschaft feststellbar?
Verlagern sich die Einnahmequellen von UrheberInnen etwa von gespeicherten Werken hin
zu Live-Auftritten? Welche dieser Veränderungen wurden speziell durch Digitalisierung
vorangetrieben? (B’90 /DIE GRÜNEN)
25
Wir haben bei der Beantwortung von Frage I.10. die Einkommensentwicklung der UrheberInnen und
ausübenden KünstlerInnen ausführlicher beschrieben.
Ist eine Tendenz in Bezug auf die Einnahmequellen in der Kulturwirtschaft feststellbar?
Zwei Tendenzen sind in der Musikwirtschaft feststellbar:
a. Die Einnahmen sind insgesamt stark rückläufig.
b. Dies wirkt sich unterschiedlich stark auf etablierte und junge Künstler aus. Die Einnahmen der
in den 70er, 80er, 90er oder frühen 00er Jahren meist mit Hilfe substantieller
Labelinvestitionen etablierten nationalen und internationale KünstlerInnen sind
vergleichsweise stabil, die Einnahmen für die Arbeit junger Künstler mittlerweile so niedrig,
dass Investitionen in diese stark rückläufig sind.
Verlagern sich die Einnahmequellen von UrheberInnen etwa von gespeicherten Werken hin zu LiveAuftritten?
Wie zu Frage I.10. ausgeführt, sind die Einnahmen aus der Verwertung gespeicherter Werke während
der letzten 10 Jahre in Deutschland um ca. 40% gesunken. Die Einnahmen aus Live Auftritten sind
2009 mit € 2,27 Mrd. unter das Niveau von 1995 (€ 2,45 Mrd.) gesunken. Sie waren zuvor moderat
angestiegen – in den Jahren von 1999 bis 2007 um durchschnittlich 0,75% p.a. (also unter der
Inflationsrate) bis auf € 2,82 Mrd.25.
Da die Einnahmen aus beiden genannten Quellen rückläufig sind, ist es unzutreffend von einer
„Verlagerung“ zu sprechen – die Einnahmen aus gespeicherten Werken sind lediglich deutlich stärker
zurückgegangen als die Einnahmen aus Live-Auftritten.
Wie bereits unter Frage I.10. angesprochen, sind insbesondere die Einnahmen aus neuen OnlineStreamingangeboten so niedrig, dass sie für die meisten KünstlerInnen bisher kaum spürbar sind.
Dies ist relevant, weil insbesondere jüngere Musikfans zunehmend auf Streaming zurückgreifen, um
legal Musik zu hören. Wie erwähnt gehen wir davon aus, dass Streamingangebote (wie last.fm,
Spotify, YouTube) mittelfristig Downloads und CDs weiter ersetzen wird. Auch legale Angebote wie
Spotify bzw. sich seit jeher in der Grauzone bewegende Geschäftsmodelle wie YouTube oder LastFM,
die zumindest Monetarisierungsangebote machen, vergüten in einer Weise, die von den meisten
KünstlerInnnen und VerwerterInnen nicht als angemessen empfunden wird. Warum wird aus der
bereits zitierten Graphik unter dem Link http://www.informationisbeautiful.net/2010/how-much-domusic-artists-earn-online/ deutlich. Die Graphik kann wegen der Variationen in individuellen Verträgen
die Wirklichkeit nicht 1:1 abbilden, die Kernaussage in Bezug auf Streamingangebote trifft aber zu.
III. Lösungsansätze
1. Welche Maßnahmen sind anzuraten, um Aushöhlungen des Ausschließlichkeitsrechts der
Urheber (durch gesetzliche Lizenzen, Zwangslizenzen, Verwertungsgesellschaftenpflichtigkeit) abzubauen? (FDP)
Es wurde im ersten Teil bereits ausführlich auf notwendige Maßnahmen hingewiesen, damit
Urheberrecht auch und gerade in der Informationsgesellschaft erhalten bleibt.
25
Alle Zahlen: GfK Studien zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland
(2000, 2004, 2007, 2008, 2009)
26
•
•
•
•
•
•
Aufklärung über die Bedeutung und Notwendigkeit von Urheberrechts- und Leistungsschutz
An Nutzer gerichtete, anlassbezogene Warnmodelle bei Verletzung oder drohender
Verletzung von geltendem Recht, Sanktionen gegen Wiederholungstäter
Harmonisierung von Urheber-, Datenschutz- und Telemedienrecht
Schaffung eines Rechtsrahmens für eine verbindliche Kooperation der ISPs zur Durchsetzung
von geltendem Recht
Verpflichtung der Provider zum Einsatz technischer Maßnahmen zu Verhinderung bzw.
Behinderung offensichtlicher Rechtsverletzungen
Ausdehnung der Providerhaftung, z. B. durch Schaffung einer Verkehrssicherungspflicht für
Telemediendienste mit Beweislastumkehr
Vereinfachung der internationalen Durchsetzung und insbesondere Vollstreckung von Rechten. Nur
wenn diese Maßnahmen gebündelt umgesetzt werden, kann die Geltung von Urheberrecht in der
Informationsgesellschaft wieder hergestellt werden.
2. In welchem Umfang sollten staatliche Einrichtungen (inkl. Politik, Verwaltung) intensiver
auf Open Access und Creative-Commons-Lizenzen hinarbeiten? Wie gut werden solche
Angebote bislang angenommen? (FDP)
Diese Frage kann der VUT nicht beantworten.
3. Unter welchen Maßgaben kann bei Urheberrechts-Verstößen durch erweiterte
Vermutungsregeln zugunsten der Urheber die Nachweispflicht reduziert werden?
Durch eine an § 84 Abs. 1 UrhG angelehnte allgemeine Vermutungsregelung auch bei anderen
Gattungen. Oder durch strenge Anforderungen an ein substantielles Bestreiten der
Rechteinhaberschaft durch die Gegenseite.
Bestreiten mit Nichtwissen darf nicht ausreichend sein. Eine Vermutungsregelung zugunsten von
Tonträgerherstellern entsprechend z.B. § 10 UrhG für Verlage gibt es nicht. In der Praxis erwachsen
daraus oft unlösbare Probleme bei der gerichtlichen Darlegung von Ansprüchen.
4. Wären grundlegende Änderungen im Urheberrecht bzw. anderen Rechtsgrundlagen, wie z.
B. Providerhaftung oder Pauschalvergütung auf nationaler Ebene noch effektiv? In
welchen Bereichen muss eher europäisch bzw. global gedacht werden? In welchen
Bereichen kann man national aussichtsreich agieren? (SPD)
Wären grundlegende Änderungen im Urheberrecht bzw. anderen Rechtsgrundlagen, wie z. B.
Providerhaftung oder Pauschalvergütung auf nationaler Ebene noch effektiv?
Auf jeden Fall und sie hätten Signalwirkung. Eine ganz entscheidende Bedeutung kommt dabei der
der Rolle der Provider zu. Entsprechend muss ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der die Provider
zu mehr Mitwirkung und Verantwortung verpflichtet. Da bereits ausführlich auf mögliche und
notwendige Maßnahmen hingewiesen wurden, soll an dieser Stelle nur beispielhaft auf
gesetzgeberisches Handeln hingewiesen werden.
Abmahnungen oder Warnhinweise auf nachgewiesene Rechtsverletzungen können nur adressiert
werden, wenn Accessprovider IP-Adressen speichern und für diese Zwecke nutzen dürfen. Aus den
Auskunftsverfahren ist dagegen bekannt, dass ein Großteil der Provider nach eigenen Angaben keine
IP Adressen mehr speichern. Der Auskunftsanspruch geht dann ins Leere. Um dieses Ergebnis zu
vermeiden, müssen die Provider zur Speicherung von IP-Adressen für einen kurzen Zeitraum
verpflichtet werden. Der Auskunftsanspruch gem. § 101 Abs. 9 UrhG muss in die
27
datenschutzrechtlichen Vorschriften eingebunden und eine dem § 14 Abs. 2 TMG entsprechende
Vorschrift in das Telekommunikationsgesetz aufgenommen werden. Das Bundesverfassungsgericht
hat in seiner Entscheidung vom 2. März 2010 zur Datenvorratsspeicherung durch
Telekommunikationsunternehmen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber zur
Gewährleistung einer verlässlichen Zuordnung der IP-Adressen über einen gewissen Zeitraum die
Vorhaltung der entsprechenden Daten bzw. einen weitgehenden Rückgriff auf insoweit vorgehaltene
Daten seitens der Diensteanbieter unter deutlich geringeren Voraussetzungen vorsehen kann. Gerade
weil das Internet keinen rechtsfreien Raum bilden darf, muss die individuelle Zuordnung von
Internetkontakten bei Rechtsverletzungen von einigem Gewicht möglich sein (Abs-Nr. 260).
Der nationale Gesetzgeber hat weitgehenden Gestaltungsspielraum in welcher Form er Art 8 Abs. III
InfoRL umsetzt. Von der Umsetzung dieser Regelung hat der deutsche Gesetzgeber bisher
abgesehen, weil die Grundsätze über das Institut der Störerhaftung als ausreichend angesehen
wurden (vgl. BT-Drucksache 15/38, Anlage 3 zu Buchstabe d). Viele Gerichtsverfahren haben aber
gezeigt, dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf, um Accessprovider in Anspruch
zu nehmen, wenn deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen
Eigentums missbraucht werden (vgl. u.a. Urteile des LG Hamburg, Urteile vom 12.11.2008 u. vom
12.3.2010 – Az.: 308 O 640/08).
Auf die Notwendigkeit der Anwendung vorhandener technischer Mittel gegen offensichtlich
rechtswidrige Angebote aus dem Ausland wurde bereits an anderer Stelle eingegangen.
In welchen Bereichen muss eher europäisch bzw. global gedacht werden?
Möglichst in allen, denn Rechteauswertung ist seit jeher ein internationales Geschäft und das Internet
macht vor keinen nationalen Grenzen halt. Insbesondere aber bei der Harmonisierung des Rechts, der
Pauschalvergütung, der kollektiven Rechtwahrnehmung und Vollstreckung, bzw. Durchsetzung von
Rechten.
In welchen Bereichen kann man national aussichtsreich agieren?
In den Bereichen, die einer Selbstregulierung zugänglich sind, insbesondere bei der Einbeziehung der
ISPs im Umgang mit Rechtsverstößen im Internet (Rechtsverstößen jeder Art, nicht nur
Urheberrechtsverletzungen).
5. Kann der urheberrechtliche Anspruch auf angemessene Vergütung nach § 32 UrhG in der
Praxis durchgesetzt werden, oder besteht hier Nachbesserungsbedarf? Wie beurteilen Sie
vor diesem Hintergrund Modelle der freiwilligen Selbstverpflichtung (two strikes) oder des
graduated response (three strikes)? Tragen die vorgeschlagenen Verfahren zur Stärkung
der Interessen von Urhebern bei? Erkennen Sie Gefahren für die Informationsfreiheit? (DIE
LINKE)
Ansprüche aus § 32 UrhG werden in der Musikwirtschaft bisher äußerst selten geltend gemacht. Über
die Gründe mag man spekulieren. Wenn sie geltend gemacht werden, können sie in der Regel auch
durchgesetzt werden, da der Anspruchsgegner in diesen Fällen bekannt ist.
Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund Modelle der freiwilligen Selbstverpflichtung (two strikes)
oder des graduated response (three strikes)?
Der VUT befürwortet ein Modell anlassbezogener persönlicher Warnhinweise als erste Maßnahme bei
Feststellung von Rechtsverstößen in P2P Netzwerken. Wir verweisen auf die bisherigen
Ausführungen. Filesharer sollten möglichst unmittelbar einen Warnhinweis von ihrem Provider
erhalten, der sie bezüglich der rechtlichen Situation aufklärt, auf legale Alternativen hinweist und vor
allem Sanktionen für den Wiederholungsfall ankündigt.
28
Ein solcher Warnhinweis könnte verhindern, dass schon bei der ersten Feststellung eines
Rechtsverstoßes eine kostenpflichtige Abmahnung versandt wird und damit die notwendige Anzahl
von Abmahnungen deutlich reduzieren. Dem Betroffenen würde ebenfalls Gelegenheit gegeben,
eventuelle Missverständnisse oder Fehler aufzuklären bevor ihm Kosten entstehen.
Um Modelle dieser Art umzusetzen, bedarf es der Mitwirkung der Accessprovider und der Schaffung
der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Während des Wirtschaftsdialogs wurde bereits deutlich, dass
auch tendenziell kooperative Accessprovider eine gesetzliche Lösung einer freiwilligen vorziehen
würden, weil dies gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer gewährleistet und wohl auch ihren
Kunden leichter zu vermitteln ist.
Der Gesetzgeber muss sich bewusst sein, dass für Modelle dieser Art zwingend IP-Adressen beim
Provider vorhanden sein müssen und diese IP-Adressen für Modelle dieser Art genutzt werden dürfen.
Wir sind der Meinung, dass verfassungsrechtliche Erwägungen der Umsetzung eines Warnmodells
nicht entgegenstehen, Art 10 GG ist bei dieser Form der Kommunikation unter Privaten nicht
betroffen. Vielmehr stehen sich verschiedene grundrechtlich geschützte Positionen gegenüber – auf
Seiten des Urheberrechtsinhabers sein Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG, auf Seiten des
Providers das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG in der Variante der
Berufsausübungsfreiheit sowie das jeweils einschlägige Grundrecht auf Seiten des Nutzers.
Wichtig ist, dass diese Modelle lediglich für P2P-Nutzungen im Internet maßgeschneidert sind. Für
andere Formen der Rechtsverletzungen durch Sharehoster oder illegale Streamingplattformen sind
andere, zum Teil auch technische Maßnahmen geeignet.
Tragen die vorgeschlagenen Verfahren zur Stärkung der Interessen von Urhebern bei?
Wir hoffen es. Noch gibt es zu wenige Daten aus Ländern wie Frankreich, die das Verfahren bereits
anwenden. Wichtig für den Erfolg ist, wie schon zuvor erwähnt, die Umsetzung des Gesamtverbundes
aus
a. Aufklärung
b. Anlassbezogenen persönlichen Warnhinweisen bei Urheberrechtsverletzungen
Kombination mit wirksamen Sanktionen bei Wiederholungstätern
c.
in
Verpflichtung der Provider zum Einsatz technischer Maßnahmen zu Verhinderung bzw.
Behinderung offensichtlicher Rechtsverletzungen
d. International
koordinierter
Gewinnerzielungsabsicht
Verfolgung
offensichtlich
illegaler
Angebote
mit
e. Fortlaufender Weiterentwicklung verbraucherfreundlicher Angebote
Beispielsweise wird Aufklärung ohne Sanktionen nicht ernstgenommen werden, und Sanktionen
werden ohne Aufklärung schwer vermittelbar sein.
Erkennen Sie Gefahren für die Informationsfreiheit?
Wir verweisen auf unsere ausführlichere Antwort auf Frage I.5. Hieraus zusammenfassend:
•
Notwendig ist ein interessengerechter Ausgleich zwischen Informationsfreiheit bzw.
Informationszugangsfreiheit einerseits und informationeller Selbstbestimmung sowie geistigem
Eigentum andererseits.
29
•
Geistiges Eigentum ist zu Recht von der Informationsfreiheit ausgenommen, wie beispielsweise
Betriebsgeheimnisse oder Belange der inneren und äußeren Sicherheit. Das Recht auf
Informationszugang kann auch nicht das informationelle Selbstbestimmungsrecht brechen.
•
Mit dem Begriff der Informationsfreiheit ist vielmehr die Forderung verbunden, die Zahl der
öffentlich zugänglichen Quellen zu erhöhen und eine höhere Transparenz staatlichen Handelns zu
erreichen.
•
Kreative Werke sind nach Veröffentlichung jedem zugänglich. Kostenlosen Zugang zu kreativen
Werken auf Basis von „Informationsfreiheit“ zu fordern ist nicht schlüssig.
Wie immer verlaufen die Grenzen der Freiheit dort, wo sie die Freiheit anderer verletzen oder
einschränken. Unbegrenzte Freiheit wäre das freie Walten naturhafter Kräfte oder schlicht das Recht
des Stärkeren. Erst durch rechtmäßig legitimierte Regeln, denen wir zur Geltung verhelfen, wird
Freiheit als beständige Freiheit und als Freiheit für alle möglich.
In diesem Sinne sehen wir keine Gefahr für die Informationsfreiheit, sondern die Aufgabe,
Informationsfreiheit im Verhältnis zu anderen betroffenen Rechten auch im Internet zu gewährleisten.
6. Gibt es zum gegenwärtigen Ansatz der VerwerterInnen Alternativen, durch die
Digitalisierung begründete, Abrechnungsmodi, um eine angemessene Vergütung von
UrheberInnen zu ermöglichen und welche dieser Modi werden durch die Digitalisierung
begünstigt? (B’90/ DIE GRÜNEN)
Derzeit wird u.a. erprobt, digitale Inhalte zu kennzeichnen oder im Falle von Musik Sonogramme
automatisiert abzutasten, wodurch eine immer präzisiere Ermittlung der tatsächlichen Nutzung
ermöglicht würde. Wir gehen davon aus, dass sich diese Systeme weiterentwickeln und nach
Sicherstellung angemessener Vergütungen zur Erhebungs- und Verteilungsgerechtigkeit beitragen
werden. Das ist im gemeinsamen Interesse von NutzerInnen, UrheberInnen und
Leistungsschutzberechtigten.
30

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