Unsere Post - Hauskalender 2007

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Unsere Post - Hauskalender 2007
Unser Hauskalender
Das Jahrbuch der Deutschen aus Ungarn
2007
59. Jahrgang
Vertreibung aus Ungarn –
Eingliederung in Deutschland
Der Umschlag ist in den Farben Blau und Weiß, den Farben der Ungarndeutschen
gehalten. Das Wappen wurde von dem akademischen Maler Josef de Ponte für
die Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn entworfen. Dr. Paul Ginder
beschreibt es wie folgt: »Das Wappen besteht aus zwei Teilen. Im oberen Teil gibt es
uns das altehrwürdige Wappen der alten deutschen Stadt Ofen, der späteren
ungarischen Hauptstadt wieder. Rechts leuchtet die Sonne, links ist der abnehmende
Halbmond sichtbar als Zeichen des Sieges der abendländischen Christenheit über
den östlichen ottomanischen Halbmond der Türkenmacht. In diesem Zeichen
wanderten vor 250 Jahren im Rahmen der großen Schwabenzüge die deutschen
Kolonisten nach Ungarn ein. Sie schufen anstelle der Wildnis ein blühendes Land,
die Puszta verwandelten sie zur Kornkammer Europas. Auf diese geschichtliche
Leistung weisen im unteren Wappenteil Pflug und Kreuz hin. Beide sind sinnvolle
Zeichen des deutschen Fleißes im Donauraum. Beide Wappenteile verbindet
die Streifen des Donauflusses.«
Die Bilder auf dem Umschlag zeigen Motive aus Maisch (Majs): Obergasse,
Kirche und drei Frauen (Fotos: Walburga Buchmeier). Das Schwarzweißbild zeigt
Hans und Anneliese Volk auf einem Heinkelroller 1956.
Das Bild auf Seite 1 zeigt die Vertreibung der Familie Johann Fleckenstein
in Almasch (Bácsalmás) 1946
(Einsender: Ungarndeutsches Heimatmuseum Backnang).
Unser Hauskalender
Gegründet von Dr. Ludwig Leber †,
fortgeführt von Georg Tafferner †
59. Jahrgang – Preis € 10,90
zuzüglich Porto und Verpackung
Redaktion: Klaus J. Loderer
Layout und Gestaltung: Klaus J. Loderer
Umschlagentwurf: Klaus J. Loderer unter Verwendung des Wappens
der Deutschen aus Ungarn, gezeichnet von Josef de Ponte
Herstellung:
Schwabenverlag mediagmbh, Senefelderstraße 12, D-73760 Ostfildern
ISBN 10: 3-7966-1317-9
ISBN 13: 978-3-7966-1317-3
2006
Inhaltsverzeichnis
Das Jahr 2007 auf einen Blick . . . . . . . 4
Zum 59. Jahrgang . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Kalendarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Bilder aus Bonyhádvarasd . . . . . . . . . . 30
Ungarndeutsche Hochzeiten in Sachsen
Martin Genzcler . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Bilder aus Weindorf (Pilisborosjenö) . . 32
Nachruf auf Georg Tafferner
Friedrich A. Zimmermann . . . . . . . . . 33
Erinnerungen an Georg Tafferner
Werner Roth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Josef de Ponte, ein engagierter Ungarndeutscher
Paul Strifler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Josef de Ponte, ein gläubiger Künstler
religiöser Kunst
Rudolf Fath . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Der Künstler Josef de Ponte
Johannes Weissbarth . . . . . . . . . . . . . . 39
Bilder von Budaörsern in Haßmersheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Dorfleben in Kaltenstein (Levél)
Andreas Ormos . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Das Lyzeum für deutsche Lehrerbildung
in Budapest
Jakob Putschli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Bilder aus Wudersch (Budaörs) . . . . . . 46
Das Jahr 1945 in Schambek (Zsámbék)
Martin A. Jelli . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Irmanéni, die erste Gemeindehebamme
von Wudigess (Budakeszi)
Annamaria von Staden . . . . . . . . . . . . 53
Die Budapester Josephstadt
Klaus J. Loderer . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Bilder aus Maisch (Majs) . . . . . . . . . . . 76
Nur fahren kann man damit nicht
Jochen Lehbrink . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Erinnerungen an Alsómocsolád
Johann Mayer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Der heilige Papst Urban I. als Winzerpatron
Johannes Ottenthal . . . . . . . . . . . . . . . 83
Die Silberpappel
Josef Vecsey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Bilder aus Duschau (Duzs) . . . . . . . . . 86
Aufstellen des Maibaums in Maria-Gahling
Josef Vecsey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Die Vertreibung aus Baranyajenö
Adam Brunner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Bilder aus Kaltenstein (Levél) . . . . . . . 92
Vertreibung aus Soroksár
Elisabeth Felsner . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Der Jahrgang 1932/33 in Schambek . . 96
Lehrer und Schüler in Mesch (Mözs)
Anni Spatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Geschichten rund um den Höhlenstein
Anton Tressel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
Flucht aus Maria-Gahling (Máriakálnok)
Josef Vecsey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Wie Onkel Tschiere den »guten Landsleuten« einen dramatischen Abschied
aus Borjád bescherte
Wilhelm Divy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Vertreibung aus Weindorf (Pilisborosjenö)
Cornelius Mayer . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Vertreibung aus Pomáz
Anton Plank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Erlebnisse auf der Flucht aus Egyházaskozár
Katharina Kübler . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Vertreibung aus Soroksár
Franziska Marquardt . . . . . . . . . . . . . 117
Die Vertreibung der Deutschen aus
Alsonána
Heinrich Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Vertreibung aus Cikó
Andreas Reder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Heimatliebe
Maria Vetter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Vertrieben und wieder aufgenommen
Mathias Schmausser . . . . . . . . . . . . . . 125
Vertreibung aus Agendorf (Ágfalva)
Michael Böhm . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Ankunft der ungarndeutschen
Vertriebenen im Raum Mosbach
Hans Kröninger . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Mahnmale mit Verfallsdatum
Rosina Schmalzhaf . . . . . . . . . . . . . . . 136
Ein »Flüchtlingsjunge« aus Soroksár
erinnert sich
Johann Wachtelschneider . . . . . . . . . . . 137
Ein Brief aus Kakasd . . . . . . . . . . . . . . 140
Schwerer Beginn
Emil Magvas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Das Jahr 2007 auf einen Blick
Das Jahr 2007 ist ein Gemeinjahr mit 365 Tagen
Die beweglichen Feste 2007
Aschermittwoch
Karfreitag
Ostersonntag
Orthodoxes Osterfest
Christi Himmelfahrt
Pfingstsonntag
21.
6.
8.
8.
17.
27.
Februar
April
April
April
Mai
Mai
Trinitatis
Fronleichnam
Erntedanktag
Buß- und Bettag
Totensonntag
1. Advent
3.
7.
30.
21.
25.
2.
Juni
Juni
September
November
November
Dezember
Jahreszeiten 2007 in MEZ
Frühlingsbeginn 21. März,
1.07 Uhr
Herbstbeginn
23. September, 10.51 Uhr
Sommeranfang 21. Juni,
19.06 Uhr
Winteranfang 22. Dezember, 7.08 Uhr
Finsternisse 2007
Totale Mondfinsterin am 3./4. März (in Europa sichtbar).
Partielle Sonnenfinsternis am 19. März (in Europa nicht sichtbar).
Totale Mondfinsternis am 28. August (in Europa nicht sichtbar).
Partielle Sonnenfinsternis am 11. September (in Europa nicht sichtbar).
2007 ist das Jahr
6720
5768
2783
2760
2007
1428
1260
1052
1007
562
515
324
321
93
68
61
57
51
38
18
4
nach dem Julianischen Kalender
nach dem jüdischen Kalender (Jahresbeginn 13. September)
nach den ersten olympischen Spielen (776 v. Chr.)
nach der Gründung Roms (753 v. Chr.)
nach Christi Geburt
nach dem islamischen Kalender (Jahresbeginn 20. Januar)
seit der Einführung des Christentums in Deutschland durch Bonifatius (748)
seit der Ungarnschlacht auf dem Lechfeld (955)
seit der Krönung Stephans I. zum ersten ungarischen König (1000)
seit der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johannes Gutenberg (1445)
seit der Entdeckung Amerikas (1492)
seit der Befreiung Wiens von der türkischen Belagerung (1683)
seit der Befreiung Ofens von der türkischen Besatzung (1686)
seit Beginn des Ersten Weltkriegs (1914)
seit Beginn des Zweiten Weltkriegs (1939)
seit Beginn der Vertreibung der Deutschen aus Ungarn (1946)
seit der Charta der Deutschen Heimatvertriebenen (1950)
seit der ungarischen Revolution 1956
seit der ersten Mondlandung (1969)
seit der friedlichen Revolution in Ostmittel- und Osteuropa (1989)
Zum 59. Jahrgang
Liebe Leserinnen und Leser!
A
Natürlich ist der neue Hauskalender wieder mit zahlreichen historischen Fotos aus
dem alten Ungarn illustriert, die unsere Leserinnen und Leser in ihren Familienalben
fanden und zum Abdruck zur Verfügung
stellten. In diesen alten Fotos, sei es in den
Bildern aus dem Alltag in den Dörfern oder
in den vom Fotografen arrangierten Portraits, wird das vergangene Leben der Ungarndeutschen wieder lebendig.
Allen Einsenderinnen und Einsendern
von Texten und Bildern gilt der herzliche
Dank für die Mitarbeit. Sie werden es der
Redaktion verzeihen, daß aus der Vielzahl
von Einsendungen eine Auswahl getroffen
werden mußte, daß nicht alle Bilder abgedruckt werden konnten und daß an den Texten »herumkorrigiert« und manchmal gekürzt wurde.
Klaus J. Loderer
Foto: Foto-Hintersdorf, Wurzen, Einsender: Martin Genczler, Ellefeld
uch in diesem Jahr hat die Redaktion
wieder versucht einen interessanten und
abwechslungsreichen Kalender zusammenzustellen. Die Monatsbilder zeigen in diesem Jahr Fotos von ungarndeutschen Hochzeiten in den 50er-Jahren in der damaligen
DDR. Nach dem Kalendarium ist dazu
noch ein einführender Text zu lesen.
Mehrere Beiträge befassen sich mit der
Vertreibung der Ungarndeutschen, die 1946
begann und im folgenden Jahr weitergeführt wurde. Dadurch werden auch 2007 einige Gemeinden an die Ereignisse vor 60
Jahren gedenken. Ausführlich werden der
verstorbene frühere Schriftleiter Georg Tafferner und der ungarndeutsche Künstler Josef de Ponte gewürdigt. Sie können Aufsätze
zu geschichtlichen Themen aber auch heitere Geschichten, unterhaltsame Erzählungen und besinnliche Gedichte finden.
Hochzeit in Falkenstein
1954 heirateten in Falkenstein im Vogtland Johann Breitenbach aus Závod in der Tolnau
und Paula Meiler aus Kocsola in der Tolnau
5
30 TAGE
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30 Mo
12
KATHOLISCHER KALENDER
EVANGELISCHER KALENDER
Palmsonntag
Hugo, Irene
Franz von Paola
Richard von Chichester, E. Koch
Isidor von Sevilla
Gründonnerstag, Kreszentia Höß, Juliana
Karfreitag, Wilhelm von Aebelholt, Notker
Karsamstag, Johannes Baptist de la Salle
Ostersonntag
Walter, Beate
Ostermontag, Waltraud
Hulda, Engelbert
Stanislaus, Hildebrand, Reiner
Herta, Zeno, Julius I.
Hermenegild, Paulus Diaconus
Lidvina, Ernestine
2. So d. Osterzeit (Weißer Sonntag)
Nidgar von Augsburg
Bernadette Soubirous
Eberhard von Wolfegg
Herkula von Bernried
Leo IX. (Papst), Werner, Gerold
Hildegund v. Schönau
Anselm von Canterbury, Konrad von Parzham
3. Sonntag der Osterzeit
Wolfhelm, Kajus
Georg, Adalbert von Prag
Fidelis von Sigmaringen, Wilfried
Markus (Evangelist), Erwin, Hermann
Trudpert, Papst Kletus (Anaklet)
Petrus Canisius, Zita
Peter Chanel, Hugo v. Cluny
4. Sonntag der Osterzeit
Katharina von Siena, Roswitha
Pius V. (Papst), Quirin (Märtyrer)
Palmarum
Amalia Sieveking 1859
Friedrich von Bodelschwingh 1910
Gerhard Tersteegen 1769
Ambrosius von Mailand 397
Gründonnerstag, Christian Scriver 1693
Karfreitag, Notker der Stammler 912
Albrecht Dürer 1528
Auferstehung des Herrn
Martin Chemnitz 1586
Ostermontag, Dietrich Bonhoeffer 1945
Thomas von Westen 1727
M. A. v. Löwenstern 1648
Petrus Waldus um 1217
Konrad Hubert 1577
Simon Dachs 1659
Quasimodogeniti
Karolina Fliedner 1892
Sundgar Singh 1929
Ludwig von Berquin 1529
Apollonius um 180
Philipp Melanchthon 1560
Johannes Bugenhagen 1558
Anselm v. Canterbury 1109
Miserikordias Domini
Friedrich Justus Perels 1945
Georg um 303, Adalbert von Prag 997
Johann Walter 1570
Evangelist Markus, P. F. Hiller 1769
Tertullian nach 220
Origenes um 254
Johannes Gramann 1541
Jubilate
Katharina von Siena 1380
David Livingstone 1873
Hochzeit in Beucha
1952 heirateten in Beucha bei Leipzig Adam Eibeck aus Bonyhádvarasd in der Tolnau und
Katharina Kreß aus Ungarischweke (Kisvejke) in der Tolnau
Foto: Foto-Ruppe, Brandis
Einsender: Martin Genczler, Ellefeld
13
Bilder aus Weindorf
Einsender: Johann Pender
Kindergarten in Weindorf (Pilisborosjenö)
Kindergartengruppe in Weindorf: Erntespiel
32
Nachruf auf Georg Tafferner
(* 16. August 1924 Schambek, † 11. Mai 2006 Stuttgart)
Schriftleiter der Heimatzeitung Unsere Post 1959–1984
von Friedrich A. Zimmermann*
I
m Namen des Bundes- und Landesvorstandes der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn, und im Namen unseres Patenonkels – Bürgermeister Georg
Brenner und unserer Patenstadt Gerlingen
mit seinem Stadtrat, als auch im Namen des
St. Gerhardswerkes und seinem Geschäftsführer, Rudolf Fath, aber auch ganz persönlich, spreche ich Ihnen, liebe Angehörige
von Georg Tafferner, unserem Gyuri, unsere
tief empfundene Anteilnahme aus.
Ich möchte mich hier gleich im Namen
der Angehörigen und der LDU für den sehr
ehrenvollen Nachruf des Bürgermeisters
Brenner im Gerlinger Stadtanzeiger bedanken.
Nachdem Sie, liebe Andrea und Christine, im letzten Jahr Ihre von uns auch so
hochgeschätzten Eltern verloren haben,
nun dieser plötzliche Verlust des Onkels,
mit dem Sie von Kindesbeinen an in einer
Doppelhausgemeinschaft und mit den
Großeltern, den Eltern seiner und Ihrer
Mutter, groß geworden sind.
Ich hatte noch am Vorabend seines Zusammenbruches mit ihm lange telefoniert.
Er hatte mir seine Reise nach Schambek zur
Gedenkfeier 60 Jahre Vertreibung aus
Schambek, angekündigt und erklärt, dass er
deshalb nicht zum Schwabenball kommen
könne. Wir haben noch lange über seine
Pläne, nach seiner Rückkehr aus Schambek,
gesprochen, was ich praktisch als Vermächtnis ansehe.
Adolf Kolping hat das Wort geprägt:
»Gott stellt jeden dahin, wo er ihn braucht.«
Und unser Herrgott hat Georg Tafferner
viele Aufgaben gestellt, die man fast alle unter dem Begriff »Dienst an seinen vertriebe-
nen Landsleuten« – aber auch an den
heimatverbliebenen Landsleuten – zusammenfassen könnte.
Aber diese Aufgaben stellte er ihm erst,
nach seiner schicksalhaften Errettung als
junger Soldat im Kampf um Budapest. Er
war aufgrund einer missverständlichen Terminangabe eines Vorgesetzten zu spät zum
Appell erschienen und war dadurch der einzige Überlebende eines Zuges. Er hat mir
dieses vor Jahren anlässlich eines Budapestbesuches vor Ort mit tiefer Ergriffenheit erzählt, und er war überzeugt, dass dies eine
schicksalhafte Fügung war.
Kaum dem Tode entronnen, brach über
ihn, den 22-Jährigen, das unverständliche
und völkerrechtswidrige Schicksal der Entrechtung und Vertreibung ein.
In Deutschland angekommen, war es für
ihn sehr schnell klar, dass man hier mit allen Kräften helfen musste, und weil dieses
zunächst nur im Rahmen der Hilfsorganisationen, wie der Caritas, möglich war, begab
er sich in deren Dienst, was zu seiner Lebensaufgabe wurde. Unseren Landsleuten
musste durch Rat und Tat bei der Eingliederung geholfen werden.
Er schloss sich damals Dr. Ludwig Leber
an. Zuerst in der Caritas-Flüchtlingshilfe,
dann in der 1950 neugegründeten Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn und
war engagierter Mitarbeiter in der von Dr.
Ludwig Leber gegründeten Heimatzeitung
Unsere Post, dem Jahrbuch Unser Hauskalender und der Heimatortskartei für Ostund Südostdeutsche, die der nach dem Tode
Lebers 1974, als Leiter in voller Verantwortung, bis zu seiner Pensionierung, weiterführte.
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Er beschäftigte sich in unzähligen Leitartikeln und Beiträgen vor allem auch mit der
Lage der Ungarndeutschen im heutigen Ungarn. Er setzte diese Tätigkeit auch im Ruhestand als freier Mitarbeiter des Schwabenverlages fort und verfasste überdies mehrere
Beiträge für die verschiedenen PatenschaftsJubiläumsbroschüren der Stadt Gelingen.
Was Georg Tafferner auszeichnete, war
seine Bescheidenheit, seine Zugänglichkeit
und seine Vielseitigkeit, was ihn aber vor allem auszeichnete, war seine heimatbewusste
Grundhaltung, aus der er nie einen Hehl
machte.
Er war aber vor allem ein christlich geprägter Mensch, ein wahrer Mensch der Caritas, in deren Dienst er sich seit seiner Vertreibung aus Ungarn stellte. Er kannte die
Sorge und Nöte der heimatvertriebenen
Menschen wie kein anderer.
Gyuri war überall beliebt, zurückhaltend,
aber ein Mann der Tat, und immer da, wenn
man ihn brauchte. Durch seine exzellenten
Kenntnisse in Vertriebenenfragen fand er
bei Behörden und Vereinigungen große Anerkennung und leistete wertvolle Beiträge
für die Eingliederung unserer Landsleute.
So trug er auch vieles dazu bei, dass Gerlingen bereits 1987 eine offizielle Partnerschaft mit der Stadt Tata (Totis) eingehen
konnte.
Ich habe Gyuri 1952/53 als Schüler und
Schnupperpraktikant bei Dr. Ludwig Leber
MdL (CDU) und Leiter der Caritasflüchtlingshilfe, in der Neckarstrasse 222, kennen
gelernt. Er war so etwas wie der persönliche
Referent von Dr. Leber, d.h. »Mädchen für
alles«.
Er war seither für mich ein brüderlicher
Freund und wir haben uns über all die Jahre,
auch meiner beruflichen Aktivitäten, nie
aus den Augen verloren.
Seit meinem Engagement an der Spitze
der LDU war er zudem für mich ein unersetzlicher Ratgeber und so war er es sicherlich für alle vor mir.
Seine Beiträge und Leitartikel in der UP
sind nahezu unzählbar, wie bereits erwähnt;
sie bleiben für uns sein Vermächtnis.
Er war die konstante Größe in der Landsmannschaft; man bedenke, er war nach Dr.
34
Lebers Tod aufgrund seiner Funktionen und
Erfahrung der Berater von den nachfolgenden Vorsitzenden wie Dr. Steer, Dr. Hans
Sauter, Edmund Jäckel, Pater Martin Jelli,
Prof. Dr. Paul Strifler, Dipl.-Ing. Josef
Brasch.
Hier sei auch an seinen großen Einsatz
für die Befreiung der Tiszalöker Spätheimkehrer zusammen mit Dr. Leber erwähnt,
wie auch die Betreuung der HOGs zusammen mit den jeweiligen Vorsitzenden der
LDU.
Er war, wenn sie so wollen, nach dem englischen Verständnis, der »Lordsiegelbewahrer« der LDU.
Für seine Verdienste hat ihn die LDU mit
der Ehrennnadel des Landes und des Bundes in Gold, als auch mit der Jakob-BleyerMedaille in Silber ausgezeichnet. Bereits
1990 wurde er für sein ehrenamtliches Wirken mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
ausgezeichnet.
Seine herausragenden Charaktereigenschaften und Tugenden waren zweifellos
seine Bescheidenheit – seine Toleranz, auch
gegenüber Andersdenkenden – seine Objektivität.
Die Wertschätzung der heimatverbliebenen Landsleute hat Otto Heinek, der Vorsitzende der Landesselbstverwaltung LdU,
mit den Worten ausgedrückt: »Welch großer
Verlust für das Ungarndeutschtum«.
Mit Georg Tafferner verlieren wir, verliere
ich einen Freund.
Wir sind ihm zu großen Dank verpflichtet. Er hat sich um das Ungarndeutschtum
mehr als verdient gemacht. Georg Tafferner
war im Bleyerschen Sinne »der Ungarndeutsche« schlechthin. Wir trauern um einen
hochverdienten, liebenswerten Menschen,
Landsmann und Freund. Danke, lieber Gyuri. Wir verneigen uns vor Deiner Lebensleistung.
Anmerkung
* Trauerrede bei der Trauerfeier am 18. Mai
2006 in Gerlingen. Dr. Friedrich A. Zimmermann ist Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn.