vom 21. März 2015
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vom 21. März 2015
Sport Der Landbote Samstag, 21. März 2015 33 Der Albtraum von der Mittellinie Fussball Der FCW verlor beim Abstiegskandidaten Biel gleich 1:4. Sein Torhüter Matthias Minder kassierte schon zum zweiten Mal in diesem Jahr ein Gegentor von der Mittellinie. Matthias Minder wusste gleich, was ihm passieren würde, als an diesem Mittwochabend auf der Bieler Gurzelen in der 76. Minute der Ball von weit her auf sein Tor zuflog. «Ich merkte gleich», sagt Minder, «dass er reingehen wird.» Und er dachte sich: «Scheisse, nicht schon wieder.» Der Ball senkte sich über Minder hinweg ins Tor, zum 3:1 für Biel gegen den FCW, was die Entscheidung war. «Nicht schon wieder» – das dachten sich wohl alle Winterthurer, die zugegen waren. Diesmal war es der 31-jährige Brasilianer Cidimar, der mit einem kraftvollen Schlag von der Mittellinie, also aus rund 53 Metern, gegen Minder und den FCW traf. Erst fast auf den Tag genau zwei Monate vorher hatte Minder diesen Albtraum eines Torhüters schon mal erlebt: im Freundschaftsspiel gegen den FC St. Pauli in Belek im Süden der Türkei. Auch jenes Tor leitete eine Niederlage ein, die aber war weit weniger bedeutend als diese in Biel. Dafür erregte es selbst internationales Aufsehen, weil es schon nach fünf Sekunden fiel, nach dem Anstoss des FCW notabene. Jener Treffer fand in Minutenschnelle den Weg ins Netz und war ein paar Wochen später in der ARD-Sportschau das «Tor des Monats». Cidimar hat es gesehen Es ist nicht belegt, ob Cidimar um Minders Verstrickung in diese prominente Wahl wusste. Immerhin, der bullige, zumindest nicht auf den ersten Blick austrainiert wirkende Brasilianer weiss bestens um die deutschen Gegebenheiten, denn er spielte acht Jahre in der 2. oder 3. Bundesliga, ehe er im Winter nach Biel kam. Und Cidimar nutzte die Gelegenheit, nachdem FCW-Verteidiger Dennis Iapichino den Ball leichtfertig abgegeben hatte. Wenn er schon Minders typisches Stellungsspiel nicht aus der ARD-Sportschau nen; knapp, aber verdient. Er hat auch Fortschritte gemacht. Lernfähigkeit bewies er etwa nach dem Heimspiel im Herbst gegen den FC Schaffhausen, als er – vom Gegner unter Druck gesetzt – mit Fussfehlern am Ursprung beider Gegentore stand. Seither spielt er nicht mehr mit dem Feuer. «Er hat sich verbessert. Er ist mit dem Fuss gut, bei der Spieleröffnung auch mit der Hand trifft er gute Entscheidungen», sagt Seeberger. «Er stellt sich nun professioneller auf», fügt er bei, und Stolpa ergänzt: «Er ist jetzt präsenter, man nimmt ihn mehr wahr.» Für Minder geht es in diesen Wochen ja auch darum, sich nicht nur als aktuelle Nummer 1 zu bestätigen, sondern auch für die neue Saison zu empfehlen. Als Vorbild nennen die Trainer einen, den sie einst in Kriens und Schaffhausen durch dessen erste Profijahre führten, Fabio Coltorti. Dass Minder bereit sei, so entschlossen «seinen Weg zu gehen und zur Arbeit bereit zu sein» wie eben Coltorti. «Der ist nicht als Torhüter geboren worden», sagen die beiden, «aber er machte sich selbst mit seiner Einstellung und Arbeit zu einem Spitzengoalie, der es bis in die Nationalmannschaft, zu GC oder nach Spanien brachte – und der heute, mit 34 Jahren, in Leipzig höchstes Ansehen geniesst.» Davon hat sich Stolpa jüngst selbst überzeugt. Minder aber muss schon schauen, seine Entwicklung nicht weiter durch Gegentore von der Mithjs tellinie zu gefährden. FC LUGANO – FC WINTERTHUR Der nächste Anlauf in der Fremde «Mit der Hand trifft er gute Entscheidungen», sagt FCW-Trainer Jürgen Seeberger über seinen Torhüter Eric Lafargue Matthias Minder. kannte, dann war sie ihm in diesem Spiel aufgefallen. «Er hat mir später gesagt», berichtet Minder jedenfalls, «er habe schon in der ersten Halbzeit mal gesehen, dass ich sehr weit vorne stand.» Das gehört zum Stil des 22 Jahre jungen Winterthurer Torhüters, er ist auch abgesegnet durch Wolfgang Stolpa, seinen Trainer. «Ich glaube nicht, dass ich falsch stand», sagt er auch, und er sei auch nicht unaufmerksam gewesen, wie man ihm dies in Belek noch nachsagen konnte. Aber er hat doch zu wenig schnell reagiert oder zu wenig antizipiert, im spätestens seit dem «Fall St. Pauli» begründeten Wissen, was alles passieren kann. «Eine schnellere Wahrnehmung» sei es, was er sich aufgrund dieser Erfahrungen aneignen müsse, sagt Minder. Das verlangen von ihm auch Stolpa und Cheftrainer Jürgen Seeberger. Die natürlich wissen, wie schlecht ein Torhüter bei solchen Gelegen- heiten aussieht, die ihn deswegen aber nicht niedermachen. Die weiten Bälle Doch Kritik gehört zum Geschäft. Und was Minders Vorgesetzte grundsätzlich feststellen, wird auch vom Torhüter nicht bestritten: Er hat noch Steigerungsbedarf, wenn es um die Einschätzung weiter Bälle geht – wie eben diesen von St. Paulis Koch, der seither kein Tor mehr geschossen hat, oder Cidimar. Zu diesem Thema gehört auch das 1:1, das Minder in Biel kassierte, als er im Anschluss an einen in erster Instanz abgewehrten Freistoss zu zögerlich auf einen (nicht ganz so weiten) Ball herauslief, zu spät kam und Gegner Steven Ukoh einen Heber erlaubte. In Erinnerung ist auch der bis dahin einzige haltbare Treffer des Frühjahrs, das Tor des FC Wil zum 2:2, als Minder einen weiten Diagonalball passieren liess. Minder wirkt also wie ein Torhüter, der weiss, in Biel nicht seinen besten und auch nicht seinen glücklichsten Tag gehabt zu haben. Schliesslich erleichterte er Norman Peyretti kurz vor Schluss noch mit einem ziemlich krassen Stellungsfehler das 4:1, was er «goalietechnisch brutal» nennt, also als seinen klarsten Patzer sieht. An einem guten Tag hätte er vielleicht auch Cidimars Kopfball zum 2:1 Sekunden vor der Pause abgewehrt – oder ihn wenigstens nicht kampflos passieren lassen. Es geht ums nächste Jahr Aber Minder wirkt dennoch wie ein Torhüter, der sich durch diese Gegentore nicht aus der Fassung bringen lassen will, sondern sich grundsätzlich auf gutem Weg sieht. Er erhielt in dieser Saison die Chance, die Nummer 1 des FCW zu werden. Er hat in zwei Anläufen das Duell mit dem Berner Oberländer David Moser gewon- Der FC Lugano hat auch nach durchzogenem Start in die Rückrunde nur ein Ziel: dem Tessin wieder einen Platz in der Super League schenken. Acht Punkte aus fünf Spielen sind allerdings nicht, was sich die Luganesi von den ersten Spielen 2015 erhofften, nachdem sie ihr Kader um die drei prominenten Fussballer Igor Djuric (Abwehr), Sandro Lombardi (Mittelfeld) und Patrick Rossini (Angriff) verstärkt hatten. Bisher hat es erst Djuric zur Stammkraft gebracht. Aber es ist auch zu sagen, dass Lugano von den letzten 16 Spielen nur eines verloren und mit zwei Dreiern zuletzt zum Siegen zurückgefunden hat. Zum 2:1 am Montag in Chiasso trug Jonathan Sabbatini, einer ihrer Uruguayer, beide Tore bei. Ausgerechnet er ist morgen gegen den FCW gesperrt. Dazu fehlt der Altinternationale Marco Padalino wegen einer Muskelverletzung. Die Auswärtsbilanz des FCW war seit Saisonbeginn nicht sehr gut und wurde zuletzt immer schwächer, mit noch zwei Pünktchen aus fünf Spielen. Natürlich wird auch in der Mannschaft darüber diskutiert, ein Ausweg noch nicht gefunden. «Uns fehlt es an der Konsequenz im Strafraum, vor dem eigenen und dem gegnerischen Tor», formuliert Torhüter Matthias Minder die gängigste Sichtweise. Er steht im Cornaredo hinter einer erstmals in dieser Besetzung formierten Mannschaft, denn es fehlen mit Patrik Schuler und João Paiva – nach ungerechtfertigten Verwarnungen – gleich zwei gesperrte Stammspieler. Dazu mit Sead Hajrovic der eine Stamm-Innenverteidiger und mit Genc Krasniqi der logischste Ersatzmann für João Paiva. Also kann es zum Debüt des Youngsters Jan Elvedi (18) im Abwehrzentrum kommen, zumal wenn Stefan Iten nicht verfügbar sein sollte. In der Offensive ist eine leichte Umstellung des Systems möglich, wie sie Trainer Jürgen Seeberger in Personalnot auch schon wählte. Sead Hajrovic muss sich nach seinem Nasenbeinbruch definitiv keiner Operation unterziehen. Er fehlt zwar morgen nochmals, will aber schon nach der Länderspielpause gegen Wohlen wieder eingreifen, allenfalls mit einer Schutzmaske. hjs Auf den «Schwager» wird keine Rücksicht genommen Handball Heute empfängt GC Amicitia Zürich den NLALeader Pfadi. Für Stefan Freivogel und Luca Oberli ist es mehr als eine normale Partie. Beide spielen NLA-Handball, beide stammen aus dem Zürcher Unterland, beide studieren in Winterthur. Das sind nicht die einzigen Gemeinsamkeiten von Luca Oberli (23) und Stefan Freivogel (25). Oberli hat einst zwei Saisons lang im Pfadi-Nachwuchs bestritten, während Freivogel acht Jahre lang bei Amicitia Zürich aktiv war. So wie sie haben einige Spieler von GC Amicitia und Pfadi schon von Zürich nach Winterthur oder umgekehrt gewechselt. «Viele kennen sich gut, weil sie schon einmal zusammen gespielt haben», erklärt Oberli. «Darum gibt es in diesen Derbys immer einen guten Fight.» Zwischen ihm und Freivogel kommt eine weitere Komponente dazu: Freivogel ist seit acht Jahren mit Oberlis Schwester Laura liiert. Die 25-Jährige, die wie ihr Bruder bei den Eltern in Rümlang wohnt, spielt selbst ebenfalls auf höchster nationaler Ebene Handball. Weil ihr Team, der Rekordmeister und aktuelle NLA-Dritte Brühl St. Gallen, heute spielfrei ist, wird sie der Partie zwischen dem Letzten der Finalrunde und dem Tabellenführer ab 18 Uhr in der Saalsporthalle beiwohnen. Auf die Frage, wem sie die Daumen drücken werde, dem Bruder oder dem Partner, antwortet die Studentin in Facility Management an der ZHAW diplomatisch: «Ich gönne es beiden und würde mich für beide Teams freuen.» Beim morgendlich munteren Treffen in einem Café in Winterthur wirft Freivogel lachend ein: «Für dich ist es sicher angenehmer, wenn wir gewinnen. Dann bin ich am Sonntag besser gelaunt.» Ein Handball, drei Trikots: Stefan Freivogel (Pfadi Winterthur), Laura David Baer Oberli (Brühl St. Gallen) und Luca Oberli (GC Amicitia Zürich). «Nicht vorbeigekommen» Erst zum zweiten Mal kommt es heute in einem Meisterschaftsspiel zum Direktduell der beiden «Schwager». Erst seit dem Wechsel von Roman Sidorowicz zu Pfadi ist Oberli erste Wahl auf der Spielmacherposition. «Für mich war sehr gut, mit Horgen Spielpraxis in der NLB zu sammeln. Dort zum Leistungsträger zu werden, hat mir das nötige Selbstvertrauen gegeben, um in der NLA zu bestehen», führt der Student in Wirtschaftsrecht an der ZHAW aus. Sich dauerhaft in der Schwei- zer Topliga zu etablieren, nennt er als sein persönliches Ziel. Ans erste Duell mit Stefan Freivogel denkt Luca Oberli mit gemischten Gefühlen zurück. «Wir haben nicht die ganze Zeit gegeneinander gespielt. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich einmal an ihm vorbeigekommen wäre», sagt Oberli. «Dafür musste ich gegen ihn ausnahmsweise verteidigen – und habe prompt eine Strafe kassiert.» Abwehrspezialist Stefan Freivogel trat in jener zweiten Partie der Finalrunde im Februar, die Pfadi 35:19 gewann, eine Halbzeit lang im Angriff an. Dies, weil er damals als Test fürs EHF-Cup-Spiel in Norwegen eine Halbzeit lang die Kreisläuferposition des gesperrten Marcel Hess übernahm. Heute dürfte Freivogel wieder vornehmlich Deckungsarbeit leisten. Den Bruder der Partnerin dabei schonender zu behandeln als dessen Teamkollegen, komme jedoch nicht in Frage. «Auf dem Feld nimmt man sowieso kaum wahr, wer auf einen zuläuft», er- klärt der Student der Betriebsökonomie, «ausserdem würde das Verletzungsrisiko für beide eher höher, wenn ich nur halb verteidige.» Oberli sieht es ähnlich: «Während des Spiels bleibt kaum Zeit, um zu überlegen, wer da genau vor einem steht – erst hinterher erinnert man sich daran.» Im Vorfeld der Partie laufen denn auch keine Wetten, etwa darüber, wie oft sich der wendige Luca Oberli am 24-fachen Nationalspieler Stefan Freivogel vorbeitricksen und zum Torwurf gelangen werde. «Jetzt sind beide natürlich sehr cool und lassen sich nicht in die Karten blicken», stellt Laura Oberli klar, «aber kurz vor und nach dem Match werden sie sich gegenseitig aufziehen und Sprüche machen.» Geteilte Leidenschaft Freivogel und Laura Oberli lernten sich nicht etwa in einer Sporthalle kennen, sondern am Arbeitsplatz. In Höri, wo der Niederhasler vor dem Wechsel an die United School of Sports eine KV-Lehre begonnen hatte, bewarb sie sich vor acht Jahren als Lehrtochter. «Später war sie meine Unterstiftin», verrät Freivogel. «Bei mir hat es damals erst so richtig angefangen mit dem Handball», blickt Laura Oberli zurück, «er hat zu jener Zeit schon sehr viel mehr trainiert.» In Sachen Titel hat sie ihn aber inzwischen überholt. In den vier Saisons mit ihrem ehemaligen Klub, dem LK Zug, feierte sie drei Meistertitel und einen Cupsieg. Doch weil sie in Zug zuletzt fast nur in der Deckung zum Einsatz gekommen war, wechselte sie auf diese Saison hin den Verein – und die Position. Als Kreisläuferin in Brühl «ist die ganz grosse Freude am Handball zurückgekommen», sagt sie. Dass seine Partnerin die Leidenschaft für denselben Sport teilt, schätzt Freivogel sehr. «Sie versteht es, dass ich so viel trainiere und unterwegs bin», sagt er, «das ist nicht selbstverständlich.» Der einzige Nachteil am Dasein als Handballpaar: «Manchmal kann es auch zu viel sein, wenn sich immer nur alles um den Handball dreht. An einem spielfreien Sonntag möchte ich auch einmal nicht über Handball reden», meint Freivogel. Nach einer Niederlage gilt dies für ihn, der ungern verliert, umso mehr. Ein Grund mehr, heute dem Bruder der Partnerin kein Durchkommen zu gewähren. Peter Weiss