Tollhaus Flughafen: Wann reisen Sie nackt? - Gerhard

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Tollhaus Flughafen: Wann reisen Sie nackt? - Gerhard
gerhard-wisnewski.de
Tollhaus Flughafen: Wann reisen Sie nackt?
Beigesteuert von Gerhard Wisnewski
Tuesday, 21. November 2006
Herzlich willkommen am Flughafen, Kleiner!
Von Gerhard Wisnewski
Über den wachsenden Sicherheits-Irrsinn an Flughäfen hatte ich auf dieser Seite ja schon berichtet. Die
Sicherheitsmaßnahmen und -kontrollen dienen erkennbar nicht der Sicherheit der Fluggäste, und zwar deshalb nicht, weil
sie weitgehend sinnlos und außerdem widersprüchlich und dilettantisch sind. Spätestens, wenn ihre Maschine am
Bestimmungsflughafen landet, sitzen die komplett durchleuchteten und betasteten Passagiere nämlich völlig wehrlos in
wenigen Dutzend oder Hundert Metern Höhe über grundsätzlich unbewachbarem Gelände quasi im Freien. Entschlossene
Attentäter würden sich hüten, an Bord zu gehen, sondern würden sich mit offenem Schiebedach unter die Einflugschneise
irgendeines x-beliebigen Flughafens der Welt stellen.
Das muß ja nicht in dichtbesiedelten und durchleuchteten Ländern wie Deutschland sein, sondern kann zum Beispiel an
irgendeinem Flughafen in einem Drittweltland stattfinden. Die tief und langsam anfliegenden Verkehrsflugzeuge sind die
leichtesten Ziele, die sich denken lassen - und weitgehend risikolos. Die Attentäter würden sich eine bewaldete oder
sonstwie bewachsene Gegend aussuchen, mit einem Jeep hineinfahren oder sogar nur mit einem Auto mit Schiebedach.
Durch das Schiebedach würden sie eine Panzerfaust wie die russische RPG-7 (Visierreichweite 500 Meter) schieben,
warten, abdrücken und verschwinden.
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Ziele, groß wie Scheunentore
Noch leichter ist die Sache mit einer Flugabwehrrakete (deutsch auch: Fliegerfaust), etwa vom Typ "Stinger". Für ein
Attentat mit dieser Waffe müssen die Täter nicht einmal in unmittelbarer Nähe des Flughafens sein - sechs Kilometer
Entfernung reichen. Tieffliegen muß die Maschine auch nicht, 3.000 Meter Höhe genügen. Ein Mann kann die eineinhalb
Meter lange und 16 Kilo schwere Waffe schultern, damit zielen und feuern. Das Ziel wird anvisiert, vom Suchkopf erfaßt,
und direkt nach der Auslösung der Rakete kann der Schütze bereits verschwinden: "fire and forget", heißt das. Die ideale
Terrorwaffe. Die Rakete sucht sich ihr Ziel selbstständig. Die großen Jettriebwerke von Verkehrsmaschinen sind für den
Infrarotsuchkopf die reinsten Scheunentore.
Wozu müssen wir dann aber nochmal Sakkos, Mäntel und Jacken, Hosengürtel und Schuhe ausziehen?
Wobei es da eine interessante Entwicklung gibt, die darauf hinweist, daß es sich um nichts anderes als eine
psychologische Operation handelt. Und zwar folgt diese Entwicklung weniger Sicherheitserfordernissen, als vielmehr
Zonen wachsender Intimität. War es am Anfang nur das Handgepäck, das durchleuchtet wurde, wurde man später
angehalten, Mäntel und Sakkos auszuziehen und auf das Laufband zu legen. Nach der lächerlichen Posse mit dem
Schuhbomber wurde eine neue Stufe erreicht, bei der man jetzt immer öfter die Schuhe ausziehen muß. Für manche
Menschen geht das bereits in den Intimbereich. Der war mit der nächsten Stufe endgültig erreicht, nämlich dem Öffnen,
mancherorts gar dem Ausziehen des Gürtels. Damit wurde ein neues Plateau der Entwürdigung betreten. Denn nun wird
man nicht nur plötzlich von Fremden in aller Öffentlichkeit am Intimbereich berührt, sondern es kann einem auch passieren,
daß man in Strümpfen und mit rutschender Hose seinen Klamotten hinterherhüpft, die durch den Röntgenapparat geschleust
werden. Darin ist eindeutig ein Angriff auf die Menschenwürde zu sehen, die anderenorts vielleicht mehr oder weniger
unantastbar sein mag, nicht aber am Flughafen. In den Flughäfen, diesen Tempeln von Zivilisation und Technik,
herrschen in Wirklichkeit die Gesetze des Dschungels. Eine übermächtige Soldateska macht sich im Wege der Erpressung
(sonst können Sie nicht mitfliegen) an Ihrem Intimbereich zu schaffen, durchleuchtet und durchwühlt IhreTaschen, betastet
Ihren Körper und befummelt Ihre Gürtelschnalle. Die Sicherheitsargumente sind, wie die Beispiele mit den Panzer- bzw.
Fliegerfäusten zeigen, lediglich vorgeschobene Rationalisierungen. In Wirklichkeit will man Ihnen beibringen, auch die
willkürlichsten Eingriffe in Ihren Privat- und Intimbereich zu dulden.
Stinger: Fire and forget...
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Sicherheit steht nicht im Vordergrund, sondern Willkür, Übergriffe und Entwürdigung. Nicht zuletzt auch die Beleidigung des
Verstandes, wie etwa durch den Umstand, daß selbst Piloten Nagelscheren abgeben müssen, hinterher im Cockpit aber
über eine stattliche Notfallaxt verfügen. Davon, daß sie das Flugzeug auch ohne Nagelschere oder Axt in ihrer Gewalt
haben, mal ganz abgesehen.
Auf dem Rückweg von Basel kam ich letzthin übrigens in den Genuß der besonders intelligenten Sicherheitsmaßnahmen auf
dem Flughafen Basel. Offenbar unterscheiden sich die Schliche der Terroristen weltweit derartig, daß an jedem Flughafen
andere Sicherheitsprozeduren erforderlich sind. In München reicht es dem "Sicherheitspersonal", wenn man die
Gürtelschnalle öffnet. In Basel dagegen muß man den Gürtel ausziehen. Dafür darf man, während man sie anderenorts
ausziehen muß, in Basel die Schuhe anlassen. Wahrscheinlich hängt das gerade von der individuellen Fetischisierung des
Personals ab. Die Willkür mag auch der weiteren Verunsicherung der Passagiere dienen. Während man in München
Laptops - wichtig, wichtig - in eine extra Plastikwanne legen muß, wird das Handgepäck in Basel so wie es ist geröngt. Dafür
stellt anschließend eine "Sicherheits"-Dame die intelligente Frage, ob sie das Gepäck öffnen dürfe. Auf meine Gegenfrage,
was denn passiere, wenn ich nein sagte, drohte sie mir mit der Polizei. Es war vielleicht dumm, daraufhin Ja zu sagen,
denn hinterher kann sie natürlich behaupten, sie habe den Koffer mit meiner Genehmigung geöffnet. Vielleicht sollte ich
demnächst Nein sagen. Dann müssen sie den Koffer eben ohne Genehmigung öffnen, damit auch das mal klar ist.
Anschließend durchwühlte sie mit schwarzen Handschuhen den Kofferinhalt. Und in diesem Moment habe ich es
wahnsinnig bedauert, nicht die schmutzigsten Pornohefte eingepackt zu haben, die ich am Flughafen oder am Bahnhof
finden konnte. Wer schnüffelt, ist für das, was er findet, selbst verantwortlich. Und wer die Privatsphäre anderer verletzt,
sollte auch selbst kein Recht mehr auf eine geschützte Privatsphäre haben.
Das war aber noch nicht alles. Während ich noch über diesen groben Unfug sinnierte, klang eine Ansage in meinen Ohren,
die mich endgültig an "Versteckte Kamera" denken ließ:
"Aus Sicherheitsgründen möchten wir darauf hinweisen, daß Sie kein Gepäck oder Gegenstände von irgendjemandem
annehmen dürfen."
Klasse, dachte ich: Abschiedsgeschenke, ein Strauß Blumen, eine Tafel Schokolade - alles verboten im Orwellstaat. Ich
darf auch für meine Frau oder meine Oma nicht den Koffer tragen oder für mein Kind den Rucksack. Für eine fremde Frau
oder Oma schon gar nicht. Das war aber nur zum Aufwärmen, das Beste kam noch. Der nächste Satz bestand in einer
grotesken Drohung:
"Unbeaufsichtigtes Gepäck wird vernichtet."
Wer also mal seinen Koffer einen Moment unbeaufsichtigt stehen läßt oder, auch das kann schließlich mal vorkommen,
vergißt, kann umgehend seiner Eigentumsrechte beraubt werden. Der Koffer wandert nicht etwa ins Fundbüro, sondern
wird "vernichtet".
So langsam fragte ich mich, was eigentlich gefährlicher ist: Der Irrsinn von außer Rand und Band geratenen
Sicherheitsbehörden oder jener von Terroristen. Oder sind die Sicherheitsbeamten und -behörden schon längst die
eigentlichen Terroristen?
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Dabei habe ich jedenfalls eines gelernt: man muß nicht nur jeden Tag um freie Meinungsäußerung kämpfen und ein kleines
Stück Demokratie jeden Tag neu erschaffen, man muß auch jeden Tag um den Verstand kämpfen, nämlich um den der
Gesellschaft - weil sie ihn sonst nämlich verliert. Sie ist auf dem besten Wege dazu.
Mein Freund T. war kürzlich in London. Beim Rückflug mußten alle Passagiere vor der Sicherheitskontrolle ihre Schuhe
ausziehen. Und während er so da stand, fragte er einen britischen Mitpassagier: "Was glauben Sie: wie werden wir in
zehn Jahren reisen?" "Well, I think naked!", kam die trockene Antwort.
Sie lachen? Nicht mehr lange. Ich habe meine Flugreisen schon mal auf ein unbedingt notwendiges Minimum reduziert.
Für die verbleibenden Aufenthalte in diesen Tollhäusern habe ich mir schon mal einige bunte Hefte gekauft - nur so zum
Zeitvertreib, was dachten Sie denn?
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