Vorsicht Heuschrecken: Vorabdruck aus J. Elsässers neuem Buch

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Vorsicht Heuschrecken: Vorabdruck aus J. Elsässers neuem Buch
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Vorsicht Heuschrecken: Vorabdruck aus J. Elsässers neuem Buch
Beigesteuert von
Friday, 25. January 2008
Von Jürgen Elsässer
In dem
Film "V wie Vendetta" hat sich die älteste Demokratie der Welt in eine
Diktatur verwandelt: Im Vereinigten Königreich des Jahres 2018 schlägt
Big Ben noch brav die Stunden, die BBC sendet weiter Nachrichten und
Musik, im ehrwürdigen Parlament streiten Abgeordnete – doch all das ist
nur noch Lüge und Fassade. Die alleinige Macht liegt in den Händen der
Einheitspartei "Norsefire", die die Bürger mit umfassender Überwachung und nächtlichen Rollkommandos unter Kontrolle hält.
Die christlich-fundamentalistische Diktatur fußt auf Furcht und Propaganda: "Strength through unity. Unity through
strength." Die Insignien der Macht spielen auf den Faschismus an, ein Fernsehprediger ist der Talkmaster-Goebbels
dieses Regimes.
Die
Bevölkerung wird durch gleichgeschaltete TV-Sender permanent
indoktriniert, Schwule sind im KZ, es gibt "Schwarze Listen" verbotener
Dinge, auf denen sich der Koran ebenso findet, wie Tschaikowskis
"1812"-Overtüre und die Bilder von Robert Mapplethorpe. Die
Ultra-Evangelikalen kamen in Folge eines Giftgasanschlages mit mehreren
tausend Toten zur Macht, der moslemischen Terroristen in die Schuhe
geschoben, aber vom eigenen Geheimdienst inszeniert worden war. Die im
Film eingespielten Doku-Fetzen von einem Terrorplot in der Londoner
Innenstadt könnten Originale sein – aufgenommen am 7. Juli 2005.
Alles
nur Social-fiction? Wie weit sind die westlichen Staaten von dieser
Antiutopie entfernt? Während des Präsidentschaftswahlkampfes im Oktober
2000 witzelte George W. Bush: «Wenn wir in einer Diktatur leben würden,
wäre es viel einfacher, jedenfalls solange ich Diktator wäre.»1
Lediglich ein schlechter Scherz? Selbst dem früheren
Präsidenten-Berater John Dean ist es nicht ganz wohl: «Ich bin besorgt,
weil ein proto-faschistisches Verhalten zu erkennen ist, ein Verhalten
mit faschistischen Grundmustern. – Sind wir deswegen also auf dem Weg
in den Faschismus? – Nein. Aber wir sind davon nicht weit entfernt. –
Menschen, die davon etwas verstehen, sagen, dass der Faschismus bei uns
mit einem lächelnden Antlitz auftritt und uns dazu bewegt, dort
freiwillig Rechte aufzugeben, wo wir vielleicht einmal sagen werden:
‹Hätten wir das doch nie getan!›»2 Energischer die Warnung
des US-amerikanischen Bestsellerautors Norman Mailer («Die Nackten und
die Toten»). Er schlug im Jahr 2003 Alarm: «Wir sehen die Vorzeichen
drastischer gesellschaftlicher Veränderungen. Wo werden sie enden? Die
Antwort lautet: Es könnte eine Form von Faschismus kommen. Allerdings
wird es eine banale Ausprägung des Faschismus sein, bis es wieder zu
einer Katastrophe kommt. Drei oder vier Attentate wie am 11. September,
und Amerika ist ein faschistisches Land.»3
Drei
Jahre nach dem Kassandra-Ruf Mailers beseitigten US-Repräsentantenhaus
und Senat beinahe einstimmig eines der Fundamente der angelsächsischen
Demokratie. Vor 800 Jahren hat der niedere Adel in England sich mit der
Magna Charta Freiräume gegen Papsttum und Königswillkür erkämpft, im
17. Jahrhundert wurde im Habeas-corpus-Act jedem Bürger
rechtsstaatlicher Schutz gegen die Häscher der Obrigkeit verbürgt. Ende
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September 2006 verabschiedeten beide Häuser der US-Volksvertretung ein
Gesetz, das – so die «New York Times» – «Herrn Bush die Macht gibt, so
ziemlich jeden, den er will, und so lange, wie er will, ohne Anklage
ins Gefängnis zu werfen, einseitig die Genfer Konvention auszulegen,
das zu autorisieren, was normale Leute als Folter ansehen und
Hunderten, die irrtümlich verhaftet wurden, Gerechtigkeit zu
verweigern.»4
Einschneidende
Veränderungen wurden schon direkt nach dem 11. September durchgedrückt.
Durch den Patriot Act und den Homeland Security Act wurden «in bisher
nicht gekanntem Ausmass die Befugnisse der Exekutive erweitert und
viele rechtsstaatliche Garantien aufgehoben».5 «Der Kongress
verabschiedete dieses Gesetz mit atemberaubender Geschwindigkeit in
einem Augenblick, als er gerade aus seinen von Milzbranderregern
kontaminierten Büros ausquartiert worden war und die Vorhersage des
Justizministers, dass weitere Terroranschläge drohten, sich zu
bewahrheiten schien. Präsident Bush unterzeichnete das Gesetz am 26.
Oktober 2001, nur sechs Wochen nach den Anschlägen vom 11. September.
Abgeordnete beklagten sich, dass sie vor der Abstimmung kein Exemplar
des Entwurfs erhalten hatten, ganz zu schweigen davon, dass ihnen Zeit
eingeräumt worden wäre, ihn zu lesen. Obendrein hatte es zu diesem
komplizierten und weitreichenden Gesetz so gut wie keine öffentliche
Anhörung oder Debatte gegeben, es hatte keine Beratung stattgefunden,
und es war auch kein Ausschussbericht erstellt worden.»6
Die
Gesetze erlauben der Regierung eine umfassende Überwachung der
Telekommunikation und des Internets und nahezu unbeschränkte Eingriffe
in die Privatsphäre. Der Patriot Act «ermöglicht den Behörden unter
anderem den Zugang zu den Ausleihdaten öffentlicher Bibliotheken. Oder:
Wer sich zum Beispiel in der aktuellen Diskussion für eine liberale
Einwanderungspolitik einsetzt, gilt dem offiziellen Washington rasch
als Sympathisant von Terroristen. Dem Weissen Haus gegenüber kritisch
eingestellte Politiker werden sogar von Regierungsmitgliedern als
Helfer von al-Kaida diffamiert», bilanziert der Deutschlandfunk.7 Über
die Folgen berichtet ein Zeitungsartikel Mitte Oktober 2006: «Agenten
des US-Geheimdienstes haben eine 14jährige Schülerin mitten im
Unterricht abgeführt und verhört, weil sie auf einer Internetseite
drastische Kritik an Präsident George W. Bush geübt hatte. Die Agenten
hätten Julia Wilson während der Biologiestunde an einer High School im
kalifornischen Sacramento aufgegriffen und mitgenommen, berichtete die
Tageszeitung ‹Sacramento Bee› […] Die sommersprossige
Zahnspangenträgerin habe sich für eine Fotocollage rechtfertigen
müssen, die sie auf der bei Teenagern beliebten Chat-Seite MySpace
veröffentlich habe. Das Bild zeigte den Angaben zufolge den
US-Präsidenten, in dessen Hand ein Messer steckt; darunter stand ‹Kill
Bush› [‹Tötet Bush›].»8
Die Putschisten
Alles
spricht dafür, dass es innerhalb der Staatsapparate eine Doppelstruktur
gibt, die die Faschisierung gezielt betreibt. «Die Regierung des
mächtigsten Landes der Welt ist poli-tischen Extremisten in die Hände
gefallen», klagt nicht etwa der Gesellschaftskritiker Noam Chomsky oder
der Anarchodemokrat Michael Moore, sondern der Multimilliardär George
Soros.9 Von einer «Parallel- oder Schattenregierung» warnt
Bernd Greiner vom Hamburger Institut für Sozialforschung und fährt
fort: «Wer nach einem politisch provokanten, aber begründeten Wortbild
sucht, könnte von der Eroberung des Regierungsapparates durch
skrupellose Autokraten sprechen – oder gleich die Vokabeln ‹Putsch›
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oder ‹Junta› verwenden.»
Die
Namen der Putschisten sind bekannt. Sie gehören allesamt dem Project
for A New American Century (PNAC, Projekt für ein neues amerikanisches
Jahrhundert) an, der 1997 gegründeten wichtigsten Organisation der
sogenannten Neokonservativen (kurz Neocons). Zu seinen Unterzeichnern
gehören Vizepräsident Dick Cheney, der im November 2006 zurückgetretene
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, sein zeitweiliger Stellvertreter
und jetzige Weltbankpräsident Paul Wolfowitz, Douglas Feith als
zeitweilige Nummer drei im Pentagon, Lewis Libby als Büroleiter von
Cheney, der spätere Botschafter in Kabul und Bagdad Zalmay Khalizad,
der Vize-Aussenminister Richard Armitage, der ehemalige CIA-Chef James
Woolsey, der Gouverneur von Florida (und Bruder des Präsidenten) Jeb
Bush sowie der aktuelle UN-Botschafter John R. Bolton. Sehr wichtig
sind auch der Publizist William Kristol und Richard Perle als graue
Eminenz des Pentagon. Zeitweilig hatten 10 der 18 PNAC-Führer Sitz und
Stimme in der Bush-Regierung, vor allem das Pentagon war sehr
weitgehend von ihnen beherrscht. In der Demokratischen Partei gehört
der einflussreiche Ex-Senator Joseph Lieberman zu den Trojanischen
Pferden der Neocons.
Im
Konzept »A Clean Break« (Ein sauberer Bruch) von 1996 arbeiteten
führende Köpfe des späteren PNAC bereits eine Aggressionsstrategie für
den Nahen Osten aus. Darin schlugen sie dem damaligen israelischen
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor, die Oslo-Politik des
Verhandelns mit den Palästinensern aufzugeben und die Region
poli-tisch-militärisch aufzurollen: Am Anfang müsse als »äusserst
wichtiges strategisches Ziel» der Regime-Change im Irak stehen. In
Phase zwei müsse Syrien aus Libanon verdrängt werden. Israel könne mit
US-amerikanischer Sympathie rechnen, wenn es «syrische
Militäreinrichtungen in Libanon angreift und, wenn das nicht ausreicht,
ausgewählte Ziele in Syrien selbst». Wie man sieht, entwickeln sich die
Dinge genau in diese Richtung.
Ein
Jahr nach seiner Gründung forderte das PNAC in einem Brief an den
damaligen Präsidenten Bill Clinton einen Angriff auf den Irak. «Wir
drängen […] auf eine neue Strategie, die die Interessen von uns,
unseren Freunden und Verbündeten überall auf der Welt sichert. […]
Diese Strategie sollte vor allem auf die Beseitigung Saddam Husseins
von der Macht abzielen», heisst es in dem Schreiben von 1998.
Im
Dokument «Rebuilding America’s Defenses: Strategies, Forces and
Ressources for a New Century» (Der Neuaufbau der amerikanischen
Verteidigung: Strategien, Streitkräfte und Ressourcen für ein neues
Jahrhundert) aus dem Jahr 2000 wird auf 80 Seiten aufgeführt, dass die
USA mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln – einschliesslich der
militärischen – unangefochtene Überlegenheit auf dem Globus erreichen
müssten.10 Die Armee müsse «die Einrichtung amerikanischer
Stützpunkte in ganz Zentralasien und dem Nahen Osten» betreiben und
fähig sein, «auf verschiedenen Kriegsschauplätzen gleichzeitig zu
kämpfen und zu siegen».11
«Die Welt begann mit 9/11» (Richard Perle)12
«Bis
zum 11. September 2001 wurden die Ideologen des PNAC durch zwei
Faktoren von der Umsetzung ihrer Strategie abgehalten», erläutert
Soros. «Zum einen war Präsident Bush ohne eindeutiges Mandat ins Amt
gelangt, denn er war erst durch ein mit knapper Mehrheit gefälltes
Urteil des Obersten Gerichtshofs zum Präsidenten gekürt worden. Zum
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zweiten hatte Amerika keinen klar definierten Feind, der eine
dramatische Steigerung der Militärausgaben gerechtfertigt hätte.»13
Die
verheerenden Anschläge in New York und Washington passten den Neocons
also wunderbar in ihre Strategie. Oder haben sie sogar nachgeholfen?
Elektrisierend ist immerhin der Hinweis im oben bereits zitierten
Dokument «Rebuilding America’s Defenses» aus dem Jahr 2000, dass es
eines «katastrophalen und katalytischen Ereignisses – eines neuen Pearl
Harbour» bedürfe, damit die US-Gesellschaft zu der in den Augen der
Neocons erforderlichen militärischen Kraftanstrengung bereit sein würde.14 Mit
schlafwandlerischer Sicherheit schrieb Präsident Bush am Abend des 11.
September 2001 dieselbe Metapher in seinem Tagebuch nieder: «Das Pearl
Harbour des 21. Jahrhunderts fand heute statt.»15
Alle
Widersprüche der offiziellen Version von 9/11 an dieser Stelle zu
behandeln, würde sicherlich den Rahmen des Buches sprengen. Beschränken
wir uns auf den einen Punkt, der auch hartgesottene Bush-Freunde in
Erklärungsnotstand bringt, nämlich warum an jenem Tag die Flugabwehr
der grössten Militärmacht des Planeten so vollständig versagt hat.
Dafür hätte eigentlich der zuständige Minister, Neocon Rumsfeld, zur
Verantwortung gezogen werden müssen. Der sass am Morgen des 11.
September in seinem Büro im Pentagon und wusste nach dem zweifachen
Flugzeugeinschlag in das World Trade Center hellseherisch, dass «es ein
weiteres Ereignis geben wird». Die Äusserung wurde um 9.25 Uhr
protokolliert – 13 Minuten bevor das Pentagon selbst getroffen wurde,
und zwar just in dem Gebäudekomplex, der wenige Monate zuvor über
Stahlträger und feuerfeste Wandverkleidungen verstärkt worden war.16
Auch
Vizepräsident Cheney wird durch eine Aussage schwer belastet. Sie wurde
Ende September 2006 von Lauro Chavez in einem Leserbrief an die
«Cincinatti Post» gemacht. Chavez war nach eigenen Angaben Angehöriger
des United States-Zentralkommmandos CENTCOM und tat in dieser Funktion
am 11. September 2001 Dienst auf der Mac Dill Airforce Base. Auch aus
amtlichen Quellen wird bestätigt, dass es ausgerechnet an diesem Tag
verschiedene Manöver gegeben hat, die von Flugzeugentführungen und
Angriffen auf das World Trade Center ausgegangen sind. Dies hat die
Flugabwehr verwirrt: Die Abfangjäger stiegen gegen die Todesmaschinen
nicht auf, weil sie auch diese für Teilnehmer an den Manövern hielten.
Chavez ergänzt diese Fakten durch den Hinweis, Cheney habe das
Oberkommando über die Übungen gehabt – und er habe explizit angeordnet,
die entführten Maschinen nicht abzuschiessen. Ob dies stimmt und ob es
diesen Lauro Chavez wirklich gibt, ist auch unter 9/11-Skeptikern heiss
umstritten. Immerhin
hat der Publizist Gerhard Wisnewski mit ihm telefoniert, sich eine
Radio-Sendung mit ihm angehört und sich von ihm seine Personaldokumente
nebst CENTCOM-Entlassungsurkunde mailen lassen.
Unstrittig ist jedenfalls, dass Cheney nach dem ersten
Flugzeugeinschlag in den unterirdischen Befehlsbunker des Präsidenten
gebracht wurde und – Bush selbst war bekanntlich beim Vorlesen in einer
Grundschulklasse in Florida – dort den Oberbefehl übernahm. Er selbst
gibt an, dass er dreimal den Befehl zum Abschuss der Pentagon-Maschine
A77 gegeben habe – klärt aber nicht das Paradox auf, warum dieser
Befehl, der doch von ihm als Oberbefehlshaber kam, nicht befolgt wurde
und überhaupt dreimal wiederholt werden musste.17
Während
die wirkliche Geschichte des 11. September noch geschrieben werden
muss, sind die weiteren Abläufe gut belegt. Greiner zeichnet mit
Verweis auf jüngste Buchveröffentlichungen von
US-Politikwissenschaftern nach, wie sich die «Juntokratie» der Neocons
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schrittweise durchsetzte: «Die neuen Texte zeigen im Detail, wie
Vizepräsident Richard Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
seit Mitte September 2001 – wenige Tage nach den Attacken auf New York
und Washington D.C. – die traditionell für den aussen- und
sicherheits-poli-tischen Entscheidungsprozess zuständigen Gremien,
Ämter und Abteilungen ausschalteten und durch handverlesene
Ad-hoc-Gruppen ihrer Wahl ersetzten. Noch vor dem Sturz der Taliban in
Afghanistan war der Inner Circle um Bush zum Krieg gegen den Irak
entschlossen. Allerdings rechnete er zugleich mit erheblichen Zweifeln
und Widerständen im nationalen Sicherheitsapparat. Daher die Eile und
Skrupellosigkeit. Am Ende hatten buchstäblich alle, die bei der zügigen
Vorbereitung des Krieges gegen Saddam Hussein im Weg standen oder der
ideologischen Unzuverlässigkeit verdächtig waren, keinen Einfluss mehr
auf den Gang der Dinge: weder die für den Nationalen Sicherheitsrat
tätigen Experten noch die Chefs der Teilstreitkräfte, weder das Büro
der Vereinten Stabschefs noch die CIA, nicht die vierzehn anderen
Geheimdienste der Regierung und schon gar nicht das Aussenministerium.»18
Die Machtorgane der Schattenregierung
Zügig
haben sich die Neocons nach dem 11. September 2001 ihre eigenen
Institutionen geschaffen, eine autonome «Befehlskette» –, wie es im
Titel eines Buches von Bestsellerautor Seymor M. Hersh heisst –,
parallel zu den offiziellen Institutionen. Dazu gehören:
•
Eine Propagandaleitstelle nach dem Vorbild des Wahrheitsministeriums,
das George Orwell in «1984» schildert. Zuerst im Herbst 2001 von
Verteidigungsminister Rumsfeld und seinem Stellvertreter Wolfowitz als
Office of Strategic Influence gegründet, musste es nach heftigen
Protesten seinen Namen in Office of Special Plans ändern. Sein
Gründungsauftrag war derselbe: «Beweise für das zu finden, was
Wolfowitz und […] Rumsfeld für die Wahrheit hielten», wie Hersh gallig
schreibt.19 Alle grossen Propagandalügen – Saddams
Massenvernichtungswaffen, Saddams Beziehungen zu al-Kaida – wurden in
dieser Giftküche produziert, was im Falle der angeblichen Uran-Käufe
Saddams in Afrika bis hin zur Fälschung nigerianischer
Regierungsdokumente ging. Auch die vermeintlichen Beweise, mit denen
Aussenminister Colin Powell Ende Februar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat
die Notwendigkeit eines Angriffs auf Irak begründete, wurden von dieser
Stelle zusammengefälscht. Parallel entstand im Weissen Haus das Office
of Global Communication mit einer ähnlichen Aufgabenstellung.20
•
Ein eigener Geheimdienst, der direkt dem Pentagon unterstellt ist. Am
19. Februar 2002 erliess Verteidigungsminister Rumsfeld die Direktive
5105.67 zur Gründung einer Abteilung Counter Intelligence Field
Activity (CIFA) mit insgesamt neun Unterabteilungen.21 Der
Haushalt und die Personalstärke von CIFA sind nicht veröffentlich
worden. Einem Pentagon-Mitarbeiter zufolge beschäftigt CIFA mindestens
tausend Vollzeitkräfte.22 Laut der Direktive ist es Aufgabe
der neugeschaffenen Behörde, «Gegenaufklärungsprogramme und
-mass-nahmen des Verteidigungsministeriums zu entwickeln und
durchzuführen». Der «New York Times» zufolge «schenken Wolfowitz und
Konsorten keiner Analyse Glauben, die nicht ihre eigene vorgefasste
Meinung stützt. Die CIA ist in dieser Hinsicht feindliches Terrain».23
So wurden die Einwände gegen den Irak-Krieg, die bisweilen aus Langley
kamen, überspielt. Ein Ex-Geheimdienstler äusserte gegenüber Hersh,
Rumsfeld müsse «die CIA-Analysen diskreditieren, damit seine eigenen
Informationen zuverlässiger wirken».24 CIFA rückte ins
Rampenlicht, als NBC News im Dezember 2005 ein geheimes 400seitiges
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Dokument aus dem Verteidigungsministerium zum Überwachungsprogramm
TALON zugespielt wurde. TALON richtet sich auch gegen Antikriegsgruppen
und andere politische Aktivisten ohne jede Verbindung zu al-Kaida oder
anderen Terrorgruppen. Am 19. Dezember 2005 schrieb Walter Pincus in
der «Washington Post», die Aufgaben der CIFA erstreckten sich von
«Patrouillengängen um Militärstützpunkte und -einrichtungen bis hin zur
Überwachung von Personen oder Organisationen in den Vereinigten
Staaten, von denen poten-tiell eine Bedrohung ausgeht». Aus den
TALON-Dokumenten wird ersichtlich, dass CIFA darüber hinaus aus
Datenbanken von Behörden, Wirtschaft und Handel Informationen über
Kreditkarten, berufliche Laufbahn und viele andere persönliche Daten
von vielleicht Millionen unbescholtener Amerikaner sammelt. Es besteht
weithin der Verdacht, dass das berüchtigte Pentagon-Programm TIA (Total
Information Awareness) – ein früheres Spionageprogramm der Regierung
Bush unter dem aus dem Iran-Contra-Skandal berüchtigten Admiral John
Poindexter – , das angeblich eingestellt wurde, zum Teil auf CIFA
überging. Luftwaffenoberst a D George Lotz, der von 1998 bis Mai 2005
Verteidigungs-Staatssekretär für Geheimdienstkontrolle war, sagte NBC:
«Jemand muss sie beaufsichtigen, damit sie nicht völlig durchdrehen und
ohne jeden Sinn und Verstand alles mögliche über amerikanische Bürger
berichten.» Jeffrey Steinberg, der das hier skizzierte Programm
ausführlicher dargestellt hat, resümiert mit Verweis auf die Antiutopie
von Anthony Burgess: «Wenn das alles wie ein ‹Uhrwerk Orange› im
Riesenformat aussieht – das ist es auch.»25
•
Eigene bewaffnete Streitkräfte ausserhalb der US-Army. Unter der
Regierung Bush/Cheney flossen schätzungsweise 150 Milliarden Dollar an
private Sicherheitsfirmen.26 Zu diesem «Rising Corporate Military Monster» – so das Internetmagazin Mother
Jones27
– gehören Firmen wie Blackwater Security, DynCorp oder MPRI. Mit ihrer
Hilfe kann das Pentagon die nach der Iran-Contra-Affäre in den
achtziger Jahren strenger gewordenen Genehmigungsbestimmungen für
verdeckte Operationen umgehen. Privatsöldner sind – so die offizielle
Lesart Washingtons – weder der Jurisdiktion der US-Armee unterstellt
noch der im Gastland. Für Straftaten können sie nur belangt werden,
wenn die US-Regierung ihre Auslieferung verlangt. Die Konsequenzen
dieser stark verminderten Haftung zeigten sich im Irak, wo nach dem
Krieg rund 20 000 private Söldner beschäftigt sind. Dabei geht es um
Personenschutz, Sicherung von Ölfeldern und von anderem Privatbesitz –
und um Spezialaufträge der US-Armee. So arbeiteten im Folter-Gefängnis
von Abu Ghraib 37 solcher «Contractors» (im Lager Guantánamo auf Kuba
sind es übrigens 30).28 Am 9. Oktober 2004 fand am
Middlebury College im Bundesstaat Vermont eine Konferenz zum Thema «Die
Privatisierung der nationalen Sicherheit» statt. Die Konferenz wurde
u.a. vom «Projekt für Nationale Sicherheit» des ehemaligen
Aussenministers George Shultz ausgerichtet. Etwa ein Dutzend
Professoren, ehemalige Regierungsmitglieder und Offiziere a. D.
diskutierten auf dem Treffen die massive «Auslagerung» militärischer
Aufgaben an private Söldnerfirmen. Ein energischer Befürworter dieser
Entwicklung ist Peter Feaver, Direktor des «Triangle-Instituts für
Sicherheitsstudien» an der Duke-Universität. Er fasste die
Stossrichtung der Konferenz so zusammen: «Was wir hier erleben, ist
eigentlich eine Rückkehr zum Neofeudalismus. Wenn man daran denkt, wie
die Ostindiengesellschaft am Aufstieg des britischen Empire mitwirkte,
gibt es Parallelen zum Aufstieg des amerikanischen Quasi-Imperiums.»
Feaver wurde im Juni 2005 «Sonderberater für strategische Planungen und
institutionelle Reform» im Nationalen Sicherheitsrat (NSC). Er war der
Hauptautor der 35seitigen «Nationalen Strategie für einen Sieg im Irak»
der Regierung Bush, die das Weisse Haus am 30. November 2005
veröffentlichte.29
•
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Die Einrichtung einer speziellen Einheit für verdeckte Operationen.
Spezialkommandos wie die Greenberets und Delta Force haben in den
vergangenen Jahrzehnten schon eine traurige Berühmtheit erreicht,
erstere im Vietnam-Krieg, letztere bei der misslungenen Befreiung der
US-Geiseln im Iran 1980. Die teils rivalisierenden Gruppen wurden 1997
im Special Operations Command mit dem Hauptquartier auf dem
Luftwaffenstützpunkt MacDill in Tampa/Florida zusammengefasst, ihre
Mannstärke liegt bei 47 000 Elitesoldaten.30 Was Rumsfeld im
September 2002 vorgeschlagen hat, geht darüber hinaus: Die Einrichtung
einer Proactive Preemptive Operations Group (P2OG), die – so die
Nachrichtenagentur UPI – «Al-Kaida zu Operationen verleiten soll». Die
Einheit soll demnach aus mindestens 100 Kämpfern mit einem Jahresbudget
von mindestens 100 Millionen Dollar bestehen.31 «Anders als
die bisherige Strategie, terroristische Pläne aufzudecken und zu
vereiteln, würde […] P2OG […] Operationen der Terroristen stimulieren»,
schreibt UPI weiter. Webster Griffin Tarpley, Buchautor und Spezialist
für inszenierte Anschläge, kommentiert: «Wenn das Ziel darin besteht,
die Terroristen zu stimulieren, kann nichts die P2OG davon abhalten,
Agenten in bestehende Terrorgruppen einzuschleusen oder eigene
Terrorgruppen aufzubauen.»32 Tatsächlich ist auffällig, dass
bei den grossen Terroranschlägen in Madrid 2004 und in London 2005 die
mutmasslichen Attentäter jeweils Kontakte zu westlichen Geheimdiensten
hatten, von ihnen den Sprengstoff und/oder Anweisungen bekamen.33 Vor
diesem Hintergrund gefriert einem das Blut in den Adern, wenn
US-General Tommy Franks, der Oberkommandierende bei den Angriffen auf
Afghanistan und den Irak, im Falle eines neuen grossen Terroranschlages
die Ausserkraftsetzung der US-amerikanischen Verfassung vorschlägt. Im
November 2003 beschrieb er ein Szenario, welches zur Einführung einer
Militärdiktatur führen würde: «Ein zivile Opfer in grosser Menge
fordernder terroristischer Anschlag wird irgendwo in der westlichen
Welt eintreten – es könnte in den USA sein. Dies wird die Bevölkerung
dazu veranlassen, unsere eigene Verfassung in Frage zu stellen und der
Militarisierung unserer Gesellschaft zuzustimmen, um ein weiteres
solches Ereignis zu verhindern.»34
Die jüngste Entwicklung
Bei
den Nachwahlen zum Kongress im November 2006 verloren die Republikaner
deutlich. Die Niederlage wurde den Neocons angelastet, und Rumsfeld
verlor seinen Posten. Doch vor Optimismus wird gewarnt. Zum einen
könnten auch die Demokraten selbst vor dem Hintergrund der immer
schlechteren Wirtschaftslage in den Vereinigten Staaten in die
Neocon-Kabale einbezogen werden. Hillary Clinton, aussichtsreiche
Präsidentschaftskandidatin für 2008, scheint sich regelrecht darum zu
reissen: Sie kritisiert die Bush-Politik im Irak als zu nachgiebig. Zum
anderen könnten auch die republikanischen Neocons wieder in die
Offensive kommen, in dem sie erneut die israelische Karte spielen. Ein
israelischer Angriff auf den Iran würde die USA in den Krieg
hineinreissen, egal wer im Kapitol oder im Weissen Haus das Sagen
hat.
Website von Jürgen Elsässer
1 z. n. Chalmers Johnson, Der Selbstmord der amerikanischen Demokratie, München 2003, S. 399
2 z. n. Michael Kleff, Furcht vor schleichendem Rechtsruck, Deutschlandfunk vom 4.9.2006
3 Norman Mailer, «Es droht eine Form von Faschismus», Greenpeace Magazine 2/2003
4 Editorial Desk, Rushing off a Cliff, New York Times vom 28.9.2006
5 George Soros, Die Weltherrschaft der USA – eine Seifenblase, München 2004, S. 47
6 Nancy Chang, How Democracy Dies, z. n. George Soros, a. a. O., S. 46/47
7 Michael Kleff, Furcht vor schleichendem Rechtsruck, Deutschlandfunk vom 4.9.2006
8 Welt.de/AFP, Agenten führen Mädchen aus Schulunterricht ab, Welt vom 14.10.2006
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9 George Soros, Die Vorherrschaft der USA – eine Seifenblase, München 2004, S. 11
10 vgl. Michel Chossudovsky, Geostrategische Erfolge der USA, in: Ronald Thoden (Hg.), Terror und Staat, Berlin 2004,
S. 295ff.
11 z. n. Michel Chossudovsky, a. a. O.
12
z. n. Bernd Greiner, Dunkelmänner als Illuminati, Fünf Jahre nach
«9/11»: Wie konnte der Regierungsapparat der amerikanischen Demokratie
zur Beute von Glaubenskriegern werden?, literaturen 07-08/2006
13 George Soros, a. a. O., S. 21
14 z. n. Chalmers Johnson, a. a. O., S. 305
15 Dan Balz / Bob Woodward, America’s Chaotic Road to War, Washington Post vom 27.2.2002
16
Zitat und Angaben nach Mathias Bröckers/Andreas Hauss. Fakten,
Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9., Frankfurt 2003, S.
163 und S. 180
17
Gerhard Wisnewski, Ex-CENTCOM-Militär packt aus: 9/11 was an inside
job!, 27.09.2006,
(www.gerhard-wisnewski.de/modules.php?name=News&file=article&sid=287)
18 Bernd Greiner, a. a. O.
19 Seymour Hersh, Die Befehlskette. Vom 11. September bis Abu Ghraib, Reinbek 2004, S. 237
20 vgl. Chalmers Johnson, a. a. O., S. 413 ff.
21
Jeffrey Steinberg, Die Privatisierung der Nationalen Sicherheit, Neue
Solidarität 14/2006; vgl. auch Walter Pincus, CIA, Pentagon Seek to
Avoid Overlap, Washington Post vom 4.7.2005
22 vgl. Jeffrey Steinberg, a. a. O.
23 Eric Schmitt und Thom Shanker, New York Times vom 24.10.2002, z. n. Chalmers Johnson, a. a. O., S. 176
24 Seymor M. Hersh, a. a. O., S. 239
25 Jeffrey Steinberg, a. a. O.
26 Jeffrey Steinberg, a. a. O.
27
Russell Mokhiber / Robert Weissman, The Rising Corporate Military
Monster, in: Commondreams vom 23.4.2004 (www.commondreams.org)
28 A.R., Heikles «Outsourcing», in: Neue Zürcher Zeitung vom 11.5.2004
29 vgl. Jeffrey Steinberg, a. a. O.
30 vgl. Chalmers Johnson, a. a. O., S. 178
31 z. n. Webster Griffin Tarpley, 9/11 Synthetic Terror – Made in USA, California 2005, S. 107
32 Webster Griffin Tarpley, a. a. O., S. 107
33 vgl. Jürgen Elsässer, Comment le Djihad est arrivé en Europe, Vevey 2005
34 z. n. Michel Chossudovsky, The Criminalization of the State, 23.11.2003
(http://globalresearch.ca/articles/EDW311A.html)
Notiz:
Lesungen/Veranstaltungen:
20. Januar 2007, Samstag, Frankfurt/M.: 14.30 Uhr ,
Getup-Standup-Hochschulkongreß, Workshop Linkspopulismus
26. Januar 2007, Freitag, Nürnberg: 19.30 Uhr,
Nachbarschaftshaus Gostenhof, Adam-Klein-Straße 6, 90429 Nuernberg - Nebengebaeude, Aula
30. Januar 2007, Berlin, 19.00 Uhr Filmkunsthaus
Babylon, Nähe Rosa-Luxemburg-Platz: Talkshow und Multi-media mit Oskar
Lafontaine, Jürgen Elsässer und Dr. Seltsam (keine Buchvorstellung)
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23. Februar 2007, Hannover, 19.00 Uhr
Restaurant Ihmeblick, Roesebeckstr. 1, 30449 Hannover.
19. März 2007, Montag, München: 20.00 Uhr, Club Voltaire, Fraunhofertheater, Fraunhoferstr. 9
3. April 2007, Würzburg, 20.15 Uhr
Buchladen Neuer Weg
9. Mai 2007, Berlin, 18.30 Uhr
Volkssolidarität-Begegnungsstätte, Torstraße 203
19. Juni 2007, Dienstag, Osnabrück: 19.00 Uhr, Universität
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