Michael Moore - Club Passage

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Michael Moore - Club Passage
CLUB PASSAGE
PROGRAMMKINO
Der am 23. April 1954 in Flint/Michigan geborene
Bestsellerautor („Stupid White Men“) und
Regisseur Michael Francis Moore gilt als einer
der
umtriebigsten
und
umstrittensten
Filmemacher der USA. 1976 gründete er die
Zeitung „The Flint Voice“. Der erste Coup gelang
ihm 1989 mit „Roger & Me“, einer Doku über
Massenentlassungen
bei
der
Opel-Mutter
„General Motors“. Weitere Popularität erlangte
Moore durch seine im amerikanischen und
britischen Fernsehen ausgestrahlte Satire-Show
„TV Nation“. Als bisher einzigen Spielfilm drehte
er 1995 die Komödie „Unsere feindlichen
Nachbarn“, eine Satire auf Leichtgläubigkeit,
Verführbarkeit und die Folgsamkeit der Medien.
1997 prangerte er in „The Big One“ Kinderarbeit
für den „Nike“-Konzern an. Mit seinen Arbeiten
spaltet Moore, der wie kaum ein anderer
Dokumentarfilmer im Licht der Öffentlichkeit steht,
bis heute die US-Nation in zwei Lager: Den einen
gilt der Künstler, den seine Werke inzwischen
zum Millionär gemacht haben, als Provokateur,
Nestbeschmutzer,
Amerika-Hasser
und
Unruhestifter, der sich nicht scheut, auf
Unwahrheiten
und
Verkürzungen
zurückzugreifen, für die anderen ist er der
unerschrockene systemkritische Kämpfer und
Patriot, der sich traut, den Finger in jede offene
Wunde der US-amerikanischen Gesellschaft zu
legen, um aufzuklären und Veränderungen
herbeizuführen.
Mitbürger. Moore ließ in seinem Film Opfer, Täter
und Zeugen zu Wort kommen, darunter
Komplizen des „Oklahoma-Bombers“ McVeigh,
Schockrocker Marilyn Manson und Kino-Altstar
Charlton Heston. Dieser fungierte zur Zeit der
Dreharbeiten (2001) als Präsident der USamerikanischen
Waffenlobby
NRA
(„Der
Waffenbesitz ist den Amerikanern heilig“) und
wird im Interview als seniler Revolverheld gezeigt,
dessen Verband über Leichen geht. In Littleton,
dem Ort der Bluttat, wo die Kleinwaffenliebe der
Bewohner manchmal bizarre Züge annimmt,
machen sich zwei Opfer des Massakers, die bis
heute schwer gezeichnet sind, in den örtlichen
Supermarkt auf, um zu fragen, warum es dort
immer noch Gewehrmunition zu kaufen gibt.
Moore präsentiert eine Unmenge an Fakten,
welche
die
Waffenvernarrtheit
und
Gewaltbereitschaft der US-Amerikaner beweisen
sollen. Ihm geht es um das psychologische
Umfeld, in dem Gewalt entsteht. Der Kern seiner
Aussage: Im Kleinen sind es all die
Freizeitschützen,
Möchtegernsoldaten
und
Bürgerwehren, die mit kriegstauglichen Waffen im
Garten und in den Wäldern trainieren, um sich zu
schützen – wovor auch immer. Im Großen ist es
die Regierung, die diese Waffenverliebtheit nicht
nur nutzt, um ihre Kriege zu führen, sondern sie
auch unterstützt, indem sie die Bevölkerung in
einen Zustand permanenter Angst versetzt. Am 3.
März 2003 gewann Michael Moore den DokuOSCAR für „Bowling for Columbine“, seine
Dankesrede geriet zu einem wütenden Protest
gegen den Irak-Krieg, zugleich kündigte der
Filmemacher einen neuen Film über die
Verbindungen des Bush-Clans zu Osama Bin
Ladens Familie an.
Am 20. April 1999 stürmten zwei Teenager die
Columbine Highschool in Colorado und
erschossen dreizehn Menschen und am Ende
sich selbst. Autor Michael Moore forschte in
seinem
Dokumentarfilm
„Bowling for
Columbine“ (USA 2002) nach den Ursachen
solcher Gewalttaten: Was ist das für eine Nation,
in dem 50 Millionen Schusswaffen im Umlauf
sind, mit denen jährlich 10.000 Menschen getötet
werden? In keinem anderen „vergleichbar
zivilisierten“ Land sterben so viele Menschen
eines gewaltsamen Waffentodes. Strikt subjektiv,
faktenreich und provozierend untersuchte der
Filmemacher in seiner entlarvenden Studie über
ein Land in Angst den Waffenfetischismus seiner
Die Bilder gingen um die Welt: Am 11. September
2001 besucht George W. Bush unter
Medienbegleitung eine Schule in Florida. Als er
die Nachricht von der bereits zweiten Attacke auf
das New Yorker World Trade Center erhält, starrt
er wie paralysiert ins Leere, unfähig zu handeln.
Michael Moores brillant-bitterböse Polit-Attacke
„Fahrenheit 9/11“ (USA/Kan. 2004) zeigt
die Szene ungeschnitten – sieben quälende
Minuten lang. Unter Verzicht auf distanzierte
Objektivität, dafür aber mit Wut und Witz rechnet
der Filmemacher in seiner vehement geführten
Anklage mit dem mächtigsten Mann der Welt und
der von ihm geführten Regierung ab. So
untersucht Moore die merkwürdigen Umstände
der Präsidentschaftswahl 2000 und zeigt den
amtierenden Präsidenten als einen unfähigen
solchen. Bush ignorierte Terrorwarnungen vor
dem 11. September und schürte danach die
Angst im eigenen Land, um einen längst geplanten
2
Wenig später gründeten die Miramax-Bosse
Harvey und Bob Weinstein den Verleih
„Fellowship Adventure Group“, um gemeinsam
mit Partnern die Doku, deren Rechte sie in der
Zwischenzeit von Disney zurückgekauft hatten, in
die Kinos zu bringen. Gegen starken Widerstand
– so machten Konservative in den USA gegen
Moore mobil, während die rechte Organisation
„Move America Forward“ zum Boykott aufforderte
und Kinobetreiber unter Druck setzte – startete
„Fahrenheit 9/11“ mit 868 Kopien in den USA
und spielte in den ersten drei Tagen fast 24 Mio.
Dollar ein, womit der Film als der erfolgreichste
Dokumentarfilm aller Zeiten gilt. Die provokante
Doku mobilisierte laut Umfragen vier Prozent der
potenziellen John-Kerry-Wähler. Die eigentliche
Wahl des Präsidenten durch das Gremium der
Wahlmänner fand am 13.12.2004 statt. George
Bush wurde wiedergewählt.
geplanten (und primär von wirtschaftlichen
Interessen bestimmten) Krieg gegen den Irak
anzuzetteln. Michael Moore stellt in seinem Film
Verdunklungstheorien auf und rekonstruiert die
erstaunlichen wirtschaftlichen Verflechtungen und
gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den
Familien Bush und Bin Laden. So gibt er auch
Antwort auf die Frage, warum kurz nach 9/11 eine
große Anzahl hochrangiger Mitglieder des BinLaden-Clans aus den USA nach Saudi-Arabien
ausgeflogen wurde – autorisiert von höchster
Stelle und obwohl jeder nichtmilitärische Flug
verboten war. En passant zeichnen sich dabei
auch die charakterlichen Konturen eines
Präsidenten ab, der als missratener Sohn eines
erfolgreichen Managers nur mit Hilfe reicher
Freunde und unter Hinnahme lebenslanger
Abhängigkeiten in die Fußstapfen seines Vaters
treten konnte. Im letzten Teil der Dokumentation
verzichtet Moore auf jegliche Polemik: Er zeigt
verschleierte Frauen, die von schwer bewaffneten
GIs bedrängt werden, verstümmelte US-Soldaten
in einem Militärhospital und er lässt verzweifelte
Mütter, die um ihre im Irak gefallenen Söhne
trauern, zu Wort kommen. Der Regisseur ging
selbst auf die Straße, um vor dem Capitol in
Washington Kriegsbefürworter aus dem Kongress
aufzufordern, ihre eigenen Kinder an die Front zu
schicken.
Der
Hintergrund:
Von
535
Abgeordneten muss sich nur ein einziger um das
Wohl eines Angehörigen, den der Präsident in
den Irak geschickt hat, sorgen.
Um „Fahrenheit 9/11“ noch vor dem 2.
November 2004 ins US-Fernsehen zu bekommen
– und so die Wiederwahl des Präsidenten zu
verhindern – verzichtete Bush-Kritiker Moore auf
eine mögliche OSCAR-Nominierung: „Wenn es
auch nur eine entfernte Chance gibt, dass noch
einige Millionen Amerikaner mehr diesen Film
sehen, ist es für mich wichtiger als ein weiterer
Dokumentarfilm-OSCAR.“
Der Weg des Films in die Kinos erwies sich als
steinig: Im Mai 2004 verkündete Disney, dass die
Konzerntochter Miramax „Fahrenheit 9/11“ nicht
verleihen werde. Noch ohne US-Verleih gewann
der Film den Hauptpreis des Filmfestivals von
Cannes, die GOLDENE PALME.
Dass
47
Millionen
Amerikaner
ohne
Krankenversicherung auskommen müssen, gilt in
den USA weithin als untragbar. Im USamerikanischen Gesundheitssystem liegt vieles
im Argen – für Michael Moore Grund genug, sich
mit gewohnter Verve und bissigem Humor auf
das leichte Opfer zu stürzen und gegen
mangelnde staatliche Regulierung und das
Profitstreben der Krankenversicherungen zu
polemisieren. Der Dokumentarfilm „Sicko“
(USA 2007) porträtiert zum Auftakt Menschen,
deren Leben mangels Krankenversicherung
zerrüttet oder zerstört wurde. So kann es
passieren,
dass
jemand
nach
einem
Heimwerkerunfall knallhart kalkulieren muss,
welchen der abgetrennten Finger er sich von
seinen Ersparnissen wieder annähen lassen kann
–im Extremfall bestimmt das Geld über Leben
und Tod. Moores Film zeigt auch, dass diese
Krise nicht nur allein die US-Amerikaner ohne
Krankenversicherung betrifft, sondern auch
Millionen pflichtbewusster Beitragszahler, welche
in die Mühlen der Bürokratie geraten. So durfte
ein Rettungswagen trotz eines sterbenskranken
Kindes an Bord nicht das nächstgelegene
Krankenhaus ansteuern – aus Vertragsgründen.
3
Der
Grund
für
solchen
Horror:
Versicherungsangestellte
müssen
harte
Methoden zur Gewinnmaximierung durchsetzen,
lebensrettende Operationen werden um des
Profits willen verweigert, Mediziner erhalten
Prämien, wenn sie nach oberflächlicher
Begutachtung möglichst viele Behandlungen für
unnötig erklären und Detektive suchen spitzfindig
nach Anlässen, um Versicherten nachträglich
einen Bruch von Vertragspflichten anzulasten.
Das Warum wird klar, wenn Moore ein Tonband
einspielt, auf dem Präsident Nixon der Einführung
des aktuellen Versicherungssystems seine
Zustimmung erteilt, nachdem ein Berater ihm
zugesichert hat, dass damit Anreize für eine
möglichst geringe gesundheitliche Versorgung
geschaffen würden. Wie in all seinen Filmen setzt
Moore unterschiedlichste filmische Mittel ein, um
seiner Argumentation bitteren Witz zu verleihen.
So lässt er die lange Liste an Gründen, mit denen
Versicherungen
Aufnahmeanträge
ablehnen
dürfen, in Form der berühmten „Star-Wars“Exposition über die Leinwand flimmern. Später
bereist – und preist – Moore Länder wie Kanada,
Frankreich und Großbritannien, deren Bürger
eine
kostenlose
medizinische
Versorgung
erhalten – ein Modell, das (bei allen fraglos
vorhandenen Unzulänglichkeiten) in den USA
wohl auf absehbare Zeit utopisch bleiben wird.
„Sicko“ endet damit, dass Moore einige
Patienten um sich versammelt – von Krankheiten
gezeichnete Helden des 11. September, denen
man in den USA ärztliche Versorgung verweigert
– und sie zur medizinischen Behandlung nach
Kuba verschifft. Weil er mit dieser Aktion jedoch
gegen das Kuba-Embargo der USA verstoßen
hat, wird gegen ihn ermittelt.
beschäftigt, und der Literaturwissenschaftler und
freischaffende Autor Marcel Raab erarbeiteten mit
ihrem Film „Platte mit Aussicht – Gorbitz im
Film“
eine
komplexe
und
feinfühlige
Dokumentation über das Neubaugebiet, in
welchem sie aufgewachsen sind. Es geht um eine
Kindheit in einem Viertel, das vielerorts – aber
manchmal auch von den Bewohnern selbst –
„das Ghetto“ genannt wird, vor allem aber auch
um die Dokumentation seiner Entstehungsgeschichte. Verbunden mit einem nachdenklichen
Blick in die Zukunft entstand ein Geflecht aus
Interviews mit den Planern, Bewohnern und
Verwaltern des Stadtteils und subjektiver
filmischer Collagen mit literarischen Texten und
einer eigens komponierten Filmmusik.
B.R.
Regie: Michael Moore
SO 01.06. bis MI
04.06.
„Bowling for Columbine“
SO 08.06. bis MI
11.06.
„Fahrenheit 9/11“
SO
Auf Wunsch und nur für kurze Zeit zeigt der Club
Passage in den letzten Junitagen den
Dokumentarfilm „Platte mit Aussicht –
Gorbitz im Film“ (D 2006). Der Name des
Dresdner Stadtteils steht sowohl für eines der
größten Neubaugebiete der DDR als auch für den
Plattenbau im Allgemeinen – nicht nur im Osten
waren Architekten und Stadtplaner stark von
Moderne und Funktionalismus und dem Anliegen,
Arbeit und Wohnen strikt zu trennen, geprägt.
Gorbitz, wie viele andere Neubaugebiete in
Ostdeutschland am Reißbrett entstanden und eng
an
das
herrschende
Gesellschaftssystem
gebunden, wurde beim Zusammenbruch der DDR
vollendet – und von heute auf morgen schien
verpönt, was einst als erstrebenswerter Luxus
galt. Uta Hergert, beim Filmverleih „Kinowelt“
15.06. bis MI
18.06.
„Sicko“
Nur kurz im Programm:
SO 22.06. bis MI
18.06.
„Platte mit Aussicht“
Über das Neubaugebiet Dresden-Gorbitz
Einlass: 19.30 Uhr – Beginn: 20.00 Uhr
Wir zeigen keine Produktwerbung
6.Juli bis 27. August 2008
„Cinema Paradiso“
Sommerkino in der Zschoner Mühle
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