Harte Schale – weicher Kern

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Harte Schale – weicher Kern
2/2014
Aus Schäden lernen
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Harte Schale – weicher Kern
Sockelpunkte mit Mauerwerksschale sind sensible Details.
Holzhäuser mit einer Hülle aus Verblendmauerwerk werden
gerne als robuste Konstruktion verkauft. Abgesehen davon,
dass ein Großteil der Gebäude spätestens nach 30 Jahren umgebaut werden und dann eine noch fast jugendlich frische
20-Tonnen-Fassade eher hinderlich ist, offenbart das Zusammenspiel zwischen Massiv- und Holzbau sensible Punkte, die
bei Nichtbeachtung nicht zu der gewünschten Dauerhaftigkeit führen. Einer dieser sensiblen Punkte ist der Sockelbereich.
Autor:
Martin Mohrmann, Plön
ö.b.u.v. SV für Schäden
an Holzkonstruktionen
Was bei mineralischen Massivbauten ohne Folgen bleibt,
ist für den Holzbau in der Regel tödlich – das zu hohe Anfüllen des Erdreichs an dem
Sockelbereich. Der Tiefbauer
oder später die Nutzer als engagierte Hobbygärtner haben
angesichts der steinernen Fassade keine Skrupel, den unteren Teil im Erdreich verschwinden zu lassen. Wieso
auch nicht – ist ja so üblich
bei Steinhäusern.
Plattenbeplankung, mit innerer Dampfsperrfolie und Glasfaserdämmung in den Gefachen.
Ein Blick von innen in den
Fußpunktbereich offenbarte bis
auf eine Höhe von ca. 30 cm
deutliche Schäden an Schwelle, OSB-Platten wie Rahmenhölzer durch Feuchtigkeit und
nachfolgend Pilzbefall. Pilzmycelien breiteten sich dekorativ bis auf eine Höhe von
ca. 40 cm von unten kommend auf den Oberflächen der
OSB-Platten aus.
Das Weiche hinter
der harten Schale
Außen grenzen an allen
Hausseiten Pflasterflächen an
die Fassade. Eine Bauteilöffnung offenbarte, dass die
Sohlplatte des nicht unterkellerten Hauses und damit die
Unterkante der Holzrahmenbauwand ca. 8 cm unterhalb
der Oberkante Pflasterfläche
lag. Auf diese Ebene setzt
auch das Verblendmauerwerk
auf. Die Sohlenoberseite ist
mit Bitumenbahnen abgedichtet, die Sockelabdichtung besteht aus einer L-förmig angeordneten Bitumenbahn, die
auf der Außenseite der OSB-
Platten hochgeführt ist. Dieser
Sockelabdichtung ist ihr Alter
anzusehen - spröde und rissig.
Und man kann davon ausgehen, dass die Bahnenstößen
nicht verklebt wurden. Jegliche Feuchte, die hier eindringt, erreicht und durchfeuchtet die unteren Holzbauteile. Zur Sanierung der Holzbauwände wurde von innen
Allmählich feucht
Ein solcher Schadensfall
war Anlass, dem Hauserwerber nachträglich eine kräftige
Sonderzahlung auf die Kaufsumme abzuverlangen. Gekauft wurde ein „solides“ 17
Jahre altes Haus mit Verblendmauerwerk umzu – wie die
Norddeutschen sagen. Im Zuge
der Neugestaltung der Küche
wurde der Estrich entfernt
und man fand darunter verdächtige Feuchtigkeit. An der
Innenseite der Außenwand
entdeckte man zudem Pilzmycel, so dass ein Blick auf
den Fußpunkt angebracht erschien. Der Holzrahmenbau ist
noch Old-fashion-Style, d.h.
innen wie außen mit OSB-
Abb. 1:
Ein Blick ins Innere der Außenwand mit Pilzbefall
Abb. 2:
Von außen erkennt man die zu tiefe Lage der Schwelle
Bildquelle: Fa. Frehers+Witt, Fehmarn
Bildquelle: Fa. Frehers+Witt, Fehmarn
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Abb. 3:
Setzen Verblender und Rahmenwand
auf gleicher Ebene auf, entscheidet
die Abdichtung über die Dauerhaftigkeit
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der untere Bereich komplett
erneuert, von außen wurde in
kurzen Abschnitten die „harte
Schale“ geöffnet, um die Abdichtung wieder herzustellen.
Was sagt der Holzschutz?
Abb. 4:
Der Höhenversatz zwischen UK
Holzbauwand und Verblender bringt
Sicherheitsreserven.
Die aktuelle Holzschutznormung fordert einen geometrischen Höhenversatz zur Oberkante Gelände von mindestens 5 cm, da auch bei einem
eventuellen Versagen der Abdichtung der Fußpunkt der
Holzrahmenbauwand nie im
Nassen stehen soll. Für den
Ansatz des Verblendmauerwerks muss man das gleiche
fordern, er sollte immer tiefer
liegen als die Unterkante der
Holzschwelle. Denn Verblendschalen sind nicht wasserundurchlässig. In Abhängigkeit
der Schlagregenbeanspruchung, der Saugfähigkeit des
Steins und des Mörtels muss
damit gerechnet werden, dass
Wasser in geringen Mengen
an der Rückseite der Schwerkraft folgend nach unten sickert und sich im Fußpunkt
sammelt. Auch wenn die aktuelle Mauerwerksnormung
diese Beanspruchung als gering eingestuft, so dass sie sogar einen Verzicht der Entwässerungsöffnungen für zulässig erklärt, ist für den Holzbau ein anderes Sicherheitsniveau in diesem Punkt gefordert. Die aktuelle Holzschutznormung bezieht sich
daher explizit auf die ältere
Mauerwerksnorm DIN 1053-1,
datiert aus dem Jahre 1996,
die für Verblendschalen noch
Luftschichten sowie Lüftungsund Entwässerungsschlitze
fordert.
Gemäß aktueller Holzschutznorm darf die Oberkante des
Geländes maximal bis 5 cm
unterhalb der Schwelle angelegt werden. Die Verblendschale darf das, was Holz
nicht darf – sie kann mit ihrer
Unterkante und der Entwässerungsöffnung gemäß DIN
18195-4 unterhalb der Geländeoberkante angeordnet werden, wenn der angrenzende
Boden sickerfähig ist.
Verblendsteine im Erdreich
und in den ersten drei bis vier
Schichten oberhalb der Geländeoberfläche sollen wasserabweisende Eigenschaften haben
(z. B. Klinker mit Fugenmörtel
MG IIa oder MG III). Der
Spritzwasserschutz wird durch
eine Abdichtung sichergestellt, die hinter dem Verblender auf die Außenseite der
Rahmenbauwand geführt wird
und im Endzustand mindestens 15 cm über Geländeoberkante reicht. Hier sind Abdichtungsstoffe zu verwenden,
die der DIN 18 195-2 zusammen mit der Anwendungsnormen DIN V 20000-202 entsprechen.
Schnittstelle mehrerer
Gewerke
Häufig überlässt der Holzbauer dem Maurer die Ausführung der Sockelabdichtung. In Unkenntnis der Vorgaben aus der Holzschutznorm, den bauphysikalischen
Randbedingung sowie hin-
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sichtlich Ausbau entstehen
Fehler. Die Abbildung 5 zeigt
ein kleine Auswahl. Zu erkennen ist, dass die Abdichtung
direkt mit der Fenster- oder
Türöffnung abschließt. Ein
nachträglicher Einbau der
Fenster oder Türen mit fachgerechtem Anschluss an die
Sockelabdichtung wird so unmöglich. Fenster und Türen
sind daher vor dem Erstellen
des Verblendmauerwerks einzubauen und einzudichten.
Die äußere Hülle kommt zum
Schluss.
Zum anderen ist auf dem
Bild eine breite Abdichtungsbahn übermäßig hochgezogen
(Maurer: „… die Bahnen sind
halt so breit.“), so dass hier
nicht mehr vom diffusionsoffenen Bauen gesprochen
werden kann. Im Kommentar
zur Holzschutznormung wird
daher aus bauphysikalischen
Gründen empfohlen, die Abdichtung nicht mehr als 30 cm
über Geländeoberkante zu
führen. Bis auf Höhe des
schwimmenden Estrichs ist
ein Hochzug unproblematisch.
Welche Folie braucht es?
Die horizontale Sohlenabdichtung ist mit der senkrechten Sockelbahn zusammenzuführen. Grundsätzlich erfährt
der Sockelbereich seine größte
Beanspruchung durch die
Spritzwasserbelastung und Sickerwasser, weniger durch Bodenfeuchtigkeit unterhalb der
Sohle. Die vertikale Sockelabdichtung ist daher die wichtigste. Im beschriebenen Schadensfall ist festzustellen, dass
die einfache Überlappung beider Bahnen nicht sicher dicht
ist. Sind die Folien nicht vollständig miteinander verschweißt, was bei der Herstellung einer solchen Abdichtung an einem Holzbau fast
sicher anzunehmen ist – wer
hantiert schon gerne länger
mit der offenen Flamme in
diesem Bereich –, entsteht
zwischen diesen Lagen eine
kapillare Fuge, die Feuchtigkeit einzieht. Auch die Verbindung zur rauen Betonoberfläche ist nicht dicht. Die obere Abdichtung ist daher immer bis auf die Stirnkante der
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Abb. 5
Hier bestimmt der
Maurer, wo‘s lang
geht – aber passt
noch die Bauphysik
der Holzrahmenwand, der nachträglichen Sockelanschluss der Tür
und mit welchen
Materialien?
Bildquelle: V. Stahmann,
Ebersdorf
Sohlplatte zu führen. Die Betonkanten sind abzugraten.
Lückenhaft
Werden die unterschiedlichen Dichtebenen überhaupt
nicht zusammengeführt, ist im
erdberührten Bereich sicher
mit Schäden zu rechnen. Ein
zweiter Schadensfall zeigt das
ganz deutlich.
Bei diesem Haus gibt es keine durchgehende Sohlplatte
sondern nur Streifenfundamente aus Schalungssteinen.
Auf ihnen stehen die Außenwände in Holzrahmenbauweise und die Verblendschale auf.
Die Oberkante der Streifenfundamente ist mit eine Abdichtung versehen, die Sockelabdichtung des Verblendmauerwerks beginnt erst
oberhalb der ersten Steinschicht. Dazwischen – keine
Abdichtung! An dem Schadensbild lässt sich sehr gut die
Wirkung einer permanenten
Bodenfeuchtigkeit feststellen.
Abb. 7:
Der Erdkontakt der ersten Steinschicht verursacht eine übermäßige
Feuchtebeanspruchung für die
Schwelle.
Bildquelle: Fa. Frehers+Witt, Fehmarn
In Bereichen wo die erste
Steinlage im Erdreich verschwand, ist auch eine Zerstörung der Holzschwelle festzustellen. Liegt das Gelände unterhalb dieser Steinschicht,
finden sich keine Schäden an
der Schwelle. Der Schlagregen
wird durch die obere Abdichtung ausreichend abgehalten,
für das Schadensbild ist nur
die Feuchte des Ziegels aus
der angrenzenden Bodenfeuchtigkeit relevant. Offensichtlich reicht ein dauerhaft
feuchter Ziegel durch Erdkontakt aus, um die dahinter befindliche Luftschicht so aufzufeuchten, dass holzzerstörende Pilze eine ausreichende
Lebensgrundlage finden.
Wie sollte man bauen?
Ein normgerechter Zustand
entsteht für den letzten Schadensfall eigentlich nur, wenn
man ab Oberkante Streifenfundament das Gelände um
15 cm abgräbt. Vielleicht ist
das auch generell eine sichere
Vorgabe für jede Planung,
denn was bedeutet die Minimallösung von 5 cm Höhendifferenz für das Gewerk Garten- und Landschaftsbau?
Selbst wenn hier in der Neubauphase zentimetergenau gearbeitet wird, wie schnell und
gründlich verändern sich im
Laufe der Zeit die Außenanlagen und die Terrassen, wenn
z.B. der Bauherr im Frühling
so richtig Lust auf Gartenarbeit bekommt. Und wie erkennt derjenige dann, wo die
Höhenquote ist?
Bauteile, die deutlich aus
dem Erdreich herausgehoben
werden, sind besser gegen
Spritzwasser und Bodenfeuchtigkeit geschützt und sind
nicht nur von der Lebensdauer der Abdichtung abhängig.
Vielleicht wären ein Mindestabstand von 15 cm sowie ein
Absatz im Sockel zur Festlegung der Gartenoberkante
doch das Mindeste, was man
planen sollte.
Bauteilübergänge, die geometrisch einfach und in der
Hauptkonstruktion ohne große
Vor -und Rücksprünge gestaltet werden, lassen sich sicherer abdichten. Auch die Abdichtungsebene der Fenster
und Türen sollte einbezogen
sein. Dass diese Konstruktionspunkte häufig Gegenstand einer gutachterlichen
Bewertung werden, liegt häu-
Abb. 6:
Die Ausführung weist eine Lücke in
der Abdichtung auf.
fig an der Nachlässigkeit der
Planung, an der fehlenden
Sensibilität für diese Art von
Beanspruchung sowie der fehlenden Abstimmung zwischen
den beteiligten Gewerken.
Mauerwerk ist ein robustes
Material, darf nass werden
und Erdkontakt haben. Es
wird missachtet, dass Mauerwerk nicht wasserdicht ist und
dahinter liegende Holzbauteile
eines zusätzlichen Schutzes
bedürfen. Auch wenn man
den Holzbau nicht sieht oder
vermutet – „ist es doch ein
Steinhaus“ – die Konstruktionsprinzipien gibt der Holzbau vor und nimmt den Holzbauer in die Pflicht. 쐽
Abb. 8:
Liegt die erste Steinschicht oberhalb
der Geländeoberkante, ging bisher
alles gut.
Bildquelle: Fa. Frehers+Witt, Fehmarn