Berufswahlvorbereitung mit Jugendlichen und Eltern
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Berufswahlvorbereitung mit Jugendlichen und Eltern
SPECTRUM SVB-Seminar «Startzeichen» Berufswahlvorbereitung mit Jugendlichen und Eltern In vielen Berufsberatungsstellen der Schweiz läuft jedes Jahr mit gleichmütiger Präzision dasselbe Ritual ab: BIZ-Besuche für Schulklassen, BIZ-Abende für Eltern. Diese gängige Minimalvariante der Elternarbeit befriedigt viele Berufsberatende nicht. Das Weiterbildungsseminar «Startzeichen» des SVB versprach neue Impulse. «Dialogisches Leben ist nicht eins, in dem man viel mit Menschen zu tun hat, sondern eins, in dem man mit den Menschen, mit denen man zu tun hat, wirklich zu tun hat» – dieser Satz von Martin Buber trifft auch für die Klassenveranstaltungen und Elternabende in der Infothek zu, die viele meiner Kollegen und Kolleginnen weder erwachsenenbildnerisch noch inhaltlich auf Dauer befriedigend finden. Information kann Begegnung und Dialog nicht ersetzen, reicht nicht aus, den Berufswahlprozess als FamilienProjekt in Gang zu setzen. Jugendliche wollen während dem Berufswahlprozess immer wieder mit ihren Eltern wirklich zu tun haben. «Du darfst werden, was du möchtest – ich will dich nicht beeinflussen», sagen zuweilen Eltern. So wohlmeinend sie vielleicht sind – sie lösen damit eher ein Vakuum aus, mit dem Jugendliche nicht umgehen können. Jugendliche wollen sich messen, reiben, sich identifizieren – in Abgrenzung zur Familie und zugleich auf der Suche nach Respekt und Anerkennung. ses, dass die Eltern eine zentrale Rolle im Entscheidungsprozess haben, sich der Zusammenhänge zwischen Berufsberatung und Eltern kaum angenommen hat.» (Lothar Beinke1). Modelle, Konzepte und Module zur berufsberaterischen Arbeit mit Familien existieren nur wenige (Erwin Egloff, René Zihlmann), Anregungen finden wir eher in der Literatur zu Erwachsenenbildung und Erziehungsund Familienberatung. Eltern werden vorab «informiert». Lothar Beinke hat festgestellt, dass neben der Informationssuche und -verarbeitung (rationaler Teil) ein hoher Anspruch an die emotionalen Verarbeitungskräfte der Jugendlichen gestellt wird und dass den Eltern gerade auf dieser Ebene eine zentrale Funktion zukommt. Ich gehe noch weiter, indem ich die Berufswahlsituation als «System(ver)störung» betrachte, die die gesamte Familie betrifft und die von allen Beteiligten hohe emotionale und fachliche Kompetenzen und die Entwicklung einer neuen Balance verlangt. Beinke betont, dass viele Familien aus verschiedensten Gründen mit dieser Aufgabe überfordert sind und Unterstützung brauchen. Berufsberatende müssen den Familien auf der Sach- und Handlungsebene Informationen und auf der emotionalen Ebene Begleitung im Sinne von Prozessförderung und Dialog anbieten. Mit Fokus auf den innerfamiliären Veränderungsprozess und die Bedürfnisse der Familienmitglieder sind geeignete Inputs und neue Formen der Stoffvermittlung Foto: BIZ Schaffhausen Marianne Scheuter Berufswahl ist System(-ver)störung Diesem Aspekt der Begegnung und der Prozessförderung mit und in Familien widmeten sich 14 Berufsberatende in einem SVB-Seminar, das sich als gemeinsames Lernprojekt mit theoretischen Einschüben und neuen Denklandschaften verstand. Ein gemeinsames Lernprojekt wollte es deshalb sein, «weil die Berufswahlforschung trotz des Eingeständnis1 Lothar Beinke: Informieren allein genügt nicht, PANORAMA 2/2003. PANORAMA 5/2003 BIZ-Elternabende (im Bild in Schaffhausen) bieten eine gute Möglichkeit, die Berufswahl der Kinder zum «Familienprojekt» zu machen. Das SVB-Weiterbildungsseminar «Startzeichen» zeigte Möglichkeiten dafür auf. 44 SPECTRUM SVB-Seminar «Startzeichen» und der Prozessbegleitung zu entwickeln. Ziel des Seminars war es deshalb, Formen von Veranstaltungen zu finden, die den Gesamtprozess ins Zentrum stellen und ein Startzeichen für die Berufswahl als gemeinsames Familienprojekt setzen. Mit anderen Worten: Wir wollen Eltern und Jugendliche exemplarisch Begegnung erfahren lassen und sie für künftige Schritte befähigen. Das kann etwa bedeuten, dass Jugendliche ihre Emotionen zur Berufswahl (anonym und unzensiert) ausdrücken können und dass innerhalb der Familien die gegenseitigen Erwartungen und Hilfsangebote geklärt werden. Ängste sollen thematisiert, Ressourcen und Neugier geweckt werden. Die Familien sollen nach einer zweistündigen Veranstaltung ermutigt sein und mit einer Bewusstheit um ihre Familien-Identität, mit (mehr) Gesprächsbereitschaft und konkreten Handlungsmöglichkeiten nach Hause gehen. Im Seminar entwickelten die Teilnehmenden aufgrund verschiedener von mir entwickelten Denklandschaften und eines eigenen Konzeptes eigenständige Module oder Veranstaltungen, die auch unter ungünstigen Rahmenbedingungen (Zeitdruck, räumliche Grenzen, getrennte Veranstaltung von Jugendlichen und Eltern, Grossveranstaltungen, Veranstaltungen mit fremdsprachigen Familien) rationale und emotionale Aspekte der Berufswahl mit einbeziehen. Hier nur einige der «Highlights» gelungener Familienarbeit: • Berufswahlmarkt für Familien mit verschiedenen Posten • Einstiegssequenzen: Videofilm von Jugendlichen über sich selbst mit Rollenspielen zur Berufswahl / Ausstellungen der Klasse mit Porträts zu sich selbst / Einsatz von Berufsfotos / Eltern, Familien, Jugendliche «zeigen sich» in Soziometrien / Ton-Collagen / (freiwillige) Kurzreferate zu Erfahrungen in der Schnupperlehre oder andere Themen / Familiensystem «sprengen» – Jugendliche sprechen mit «fremden» Eltern / Bienenkorbmethode bei Grossveranstaltungen etc. • Getrennte Veranstaltungen für Jugendliche und Eltern – Integrationsaufgabe der Berufsberatenden als «Dolmetscherin». Danach nachhaltige Verankerung PANORAMA 5/2003 • • • • • in der Klasse in Zusammenarbeit mit der Lehrkraft. Gemeinsam einen Reiseprospekt für den Berufswahlweg gestalten. Heisse Fragen an Eltern stellen und umgekehrt via Chatroom (Computernetzwerk). Berufswahlweg mit Ressourcen und Stolpersteinen visualisieren und für die Zukunft «augenfällig» im Schulzimmer aufhängen und immer wieder aktualisieren. Die nächsten zwei Schritte der Familien auf Zettel notieren – Ausstellung für alle. Zettel danach zu Hause sichtbar aufhängen. Familienkurse als geförderte Angebote der Berufsberatung (Kursgeld). Die Zutaten von gelungenen Veranstaltungen mit Familien Der folgende, beispielhafte Katalog zeigt wesentliche Elemente, die gelingende Veranstaltungen mit Familien auszeichnen. • Bewusste Performance auf der Veranstaltungsbühne: Rollenvielfalt an Veranstaltungen / Lieblingsrollen nutzen und erweitern. • Gelungene Architektur und Dramaturgie (Spannungsbogen) an Anlässen. • Authentizität des Berufsberaters – auch er muss sich in Begegnung bringen, auf eine Vielfalt von Familienstrukturen und -kulturen eingehen können. • Es darf gelacht und geredet werden – erst Entspannung ermöglicht Offenheit. • Visualisiertes ist augenfällig und wird damit besprechbar. • Eine kontinuierliche Beziehung zur Klasse und zur Lehrkraft sowie mehrmalige Begegnungen während der letzten zwei Schuljahre erleichtern den Einbezug der Familie und die Prozessförderung wesentlich. INFO Autorin: Marianne Scheuter ist dipl. psych. IAP, Berufsund Laufbahnberaterin; sie arbeitet in der Berufsberatung in Bolligen und engagiert sich als selbständige Supervisorin EGIS in Weiterbildung, Teamentwicklung und Praxisberatung. Adresse: Riedstrasse 85, 3626 Hünibach, [email protected] Internet: Die «Denklandschaft A-B-B» von Marianne Scheuter sowie eine Literaturliste finden Sie unter www.panorama.ch/files/3163.pdf 45 Préparation au choix professionnel Les parents ont une part décisive dans le choix professionnel de leurs enfants. Erwin Egloff a tenu compte de cet aspect au niveau théorique dans son «modèle de coopération»; en revanche, le concept d’orientation professionnelle en vue d’une implication des parents dans le processus de choix professionnel reste boîteux au niveau pratique. Pour l’essentiel, les parents continuent à recevoir de l’information. Mais il reste dans la réalité un besoin important de soutien dans la confrontation émotionnelle à la situation de choix, qui pourrait être considérée comme une «panne (panique) de système», qui concerne toute la famille et qui exige de toutes les personnes qui y participent des compétences élevées au niveau émotionnel comme à celui des ressources. Un séminaire de formation continue de l’ASOSP a permis de thématiser des concepts qui devraient satisfaire cette exigence – en tenant compte des ressources en temps et en argent souvent limitées du personnel de la consultation en orientation. L’objectif était de trouver des formes de manifestations qui serviraient de base commune pour faire du choix professionnel un projet familial commun. Autrement dit: parents et jeunes doivent expérimenter une rencontre exemplaire et s’armer grâce à elle pour les étapes à venir. Cela implique plus ou moins que les jeunes puissent exprimer (anonymement et sans censure) leurs émotions face au choix professionnel ou que les attentes réciproques et les offres de soutien au sein de la famille puissent être éclaircies. Les peurs doivent pouvoir être thématisées, mais les ressources et la curiosité doivent aussi être éveillées. Au terme d’une rencontre de deux heures, les familles doivent pouvoir rentrer à la maison avec courage et curiosité, avec la conscience de leur identité familiale, avec (davantage) de disponibilité au dialogue et avec des possibilités concrètes d’action. DF/RA