folien - Philosophie
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1 Perspektiven, 5. Vorlesung Nichtblick oder Blick auf nichts Perspektivität in der theoretischen Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts 1. Einleitung 2. Wieder ein kleines Plädoyer für den Realismus – Abstandstripel als nur messbare Invarianzen 3. Nichtblick oder Blick auf nichts - Perspektivität im 17. und 18. Jahrhundert 4. Leibniz' Monadologie - der Blick auf nichts? 5. Newtons Metapher des sensoriums: Der Nichtblick 6. Kants Unterscheidung von menschlichem und göttlichem intuitus 2 51. Mais dans les substances simples ce n’est qu’une influence idéale d’une monade sur l’autre, qui ne peut avoir son effet que par l’intervention de Dieu, en tant que dans les idées de Dieu une monade demande avec raison, que Dieu en réglant les autres dès le commencement des choses, ait égard à elle. Car puisqu’une Monade créée ne saurait avoir une influence physique sur l’intérieur de l’autre, ce n’est que par ce moyen que l’une peut avoir de la dépendance de l’autre. In denen simplen Substanzen aber ist nur ein ideeller Einfluß einer Monade in die andere / welcher nur durch die darzwischen kommende Beitretung Gottes seinen Effect tut / in so weit eine Monade in denen Göttlichen Ideen mit Raison fordert / daß Gott bei anfänglicher Einrichtung derer Dinge sie in Betrachtung ziehe. Denn weil eine erschaffene Monade keinen physikalischen Einfluß in das Innere einer andern Monade haben kann; so ist kein anderes Mittel als dieses vorhanden / warum eine von der andern eine Dependenz haben kann. Leibniz (1646-1716), Monadologie (1714) Ü: Köhler (Projekt Gutenberg im Netz) 3 53. Or, comme il y a une infinité d’univers possibles dans les Idées de Dieu et qu’il n’en peut exister qu’un seul, il faut qu’il y ait une raison suffisante du choix de Dieu, qui le détermine à l’un plutôt qu’à l’autre. Gleichwie nun in denen Ideen Gottes unendlich viele mögliche Welt-Gebäude [sind] / und nur eines davon existieren kann; so muß von der getroffenen Wahl Gottes eine zulängliche Raison angetroffen werden / welche ihn mehr zu der Hervorbringung des einen als [...] des andern determiniert hat. 4 54. Et cette raison ne peut se trouver que dans la convenance, ou dans les degrés de perfection, que ces mondes contiennent ; chaque possible ayant droit de prétendre à l’existence à mesure de la perfection qu’il enveloppe. Und dieser Bewegungs-Grund kann sich nur in denen verschiedenen Graden der Vollkommenheit / welche [diese] WeltGebäude in sich fassen / befinden; allermaßen ein jedwedes mögliches Ding das Recht hat / nach dem Maß der Vollkommenheit / so es in sich begreifet / die Existenz zu fordern. [...] 5 (1) Jeder Monade muss jede mögliche Eigenschaft entweder zukommen oder aber fehlen. (2) Es geht dabei auch um relationale Eigenschaften. 56. [C]et accommodement de toutes les choses créées à chacune et de chacune à toutes les autres, fait que chaque substance simple a des rapports qui expriment toutes les autres, et qu’elle est par conséquent un miroir vivant perpétuel de l’univers (§ 130, 360). Daß er nun alle erschaffene Dinge nach einem jedweden / und ein jedwedes nach allen andern eingerichtet und verfasset hat / solches verursachet / daß eine jede einfache Substanz gewisse Relationen hat / durch welche alle die anderen Substanzen ausgedrucket und abgebildet werden / und daß sie folglich ein beständiger lebendiger Spiegel des ganzen großen Welt-Gebäudes sei. 6 Beispiel (vereinfacht): „Ball 1 hat die Eigenschaft, rot zu sein. Er hat ferner die (relationale) Eigenschaft, 2m exakt südlich von einem blauen Ball zu liegen. Und er hat die (relationale) Eigenschaft, 2m exakt östlich von einem gelben Ball zu liegen.“ Der rote Ball kickt den blauen Ball weg. Der blaue Ball wird vom roten Ball weggekickt. 7 52. [...] Dieu comparant deux substances simples, trouve en chacune des raisons, qui l’obligent à y accommoder l’autre; et par conséquent ce qui est actif à certains égards, est passif suivant un autre point de considération : actif en tant, que ce qu’on connaît distinctement en lui, sert à rendre raison de ce qui se passe dans un autre ; et passif en tant que la raison de ce qui se passe en lui, se trouve dans ce qui se connaît distinctement dans un autre. [...] GOtt findet bei Vergleichung zweier Monaden in einer jeden gewisse BewegungsGründe / welche ihn veranlassen / eine andere nach derselben zu accommodieren; und folglich kann dasjenige / welches bei einseitiger Betrachtung würkend ist / leidend sein / wenn es auf einer andern Seite angesehen und erwogen wird; würkend / in so weit dasjenige / welches man an [ihm] deutlich erkennet / darzu dienet / daß man von demjenigen / welches in einem andern [...] vorgehet / Raison geben kann; und leidend / in so weit die Raison von demjenigen / welches in ih[m] sich eräuget / in demjenigen sich befindet / welches man distinct und deutlich in einer andern erkennet. 8 57. Et, comme une même ville regardée de différents côtés paraît tout autre, et est comme multipliée perspectivement ; il arrive de même, que par la multitude infinie des substances simples, il y a comme autant de différents univers, qui ne sont pourtant que les perspectives d’un seul selon les différents points de vue de chaque Monade. Und gleichwie eine einzige Stadt / wann sie aus verschiedenen Gegenden angesehen wird / ganz anders erscheinet / und gleichsam auf perspectivische Art verändert und vervielfältiget wird; so geschiehet es auch / daß durch die unendliche Menge der einfachen Substanzen gleichsam eben so viele verschiedene WeltGebäude zu sein scheinen / [welche doch nur die Perspektiven einer einzigen Welt sind je nach den unterschiedlichen Blickpunkten jeder einzelnen Monade] 9 58. Et c’est le moyen d’obtenir autant de variété qu’il est possible, mais avec le plus grand ordre, qui se puisse, c’est-à-dire, c’est le moyen d’obtenir autant de perfection qu’il se peut. Und dieses ist das Mittel / mit einer Welt so viele Mannigfaltigkeit und Veränderungen / als nur immer möglich sind / zu erhalten / [...] aber mit der allerhöchsten Ordnung / so nur kann gedacht werden [...]; das ist / dieses ist das Mittel / eben so viel Vollkommenheit / als nur möglich ist / [...] zu erreichen. Ü-Variante Köhler: welche doch nur so viele perspectivische Abrisse einer einzigen Welt sind / wornach sie von einer jedweden Monade aus verschiedenen Ständen und Gegenden betrachtet und abgeschildert wird. 10 Newton, Opticks, III 1, question 20 Atque annon ex Phaenomenis constat, esse Entem Incorporeum, viventem intelligentem, omnipraesentem, qui in spatio infinito, tanquam sensorio suo, res ipsas intime cernat, penitusque percipiat, totasque intra se praesens praesentes complectatur? quarum quidem rerum, id quod in nobis sentit et cogitat, imagines tantum ad se per organa sensuum delatas, in sensoriolo suo percipit et contuetur? Und ergibt sich nicht aus den Phänomenen, dass es ein unkörperliches, lebendiges, intelligentes, omnipräsentes Wesen gibt, das im unendlichen Raum, gleichsam wie mit seinem sensorium, die Dinge selbst zuinnerst unterscheidet und wahrnimmt, und sie alle als gegenwärtige in ihnen gegenwärtig verknüpft - während von diesen Dingen das, was in uns fühlt und denkt, nur Bilder, die zu ihm durch die Organe der Sinne geschickt werden, in seinem kleinen sensorium wahrnimmt und anschaut? 11 Leibniz I (Robinet S.23) M. Newton dit que l'espace est l'organe, dont Dieu se sert pour sentir les choses. Mais s'il a besoin de quelque moyen pour les sentir, elles ne dependent donc point entierement de luy, et ne sont point sa production. Monsieur Newton sagt, dass der Raum das Organ ist, dessen sich Gott bedient, um die Dinge zu spüren. Aber wenn er ein Mittel nötig hat, um sie zu spüren, hängen sie nicht ganz von ihm ab und sind nicht seine Hervorbringung. 12 Clarke I (Robinet S.29) Sir Isaac Newton doth not say, that Space is the ORGAN, which God makes use of to percieve Things by; nor that he has need of ANY MEDIUM at all, whereby to percieve things: But on the CONTRARY, that he, being OMNIPRESENT, percieves all things by his IMMEDIATE PRESENCE TO THEM ... In order to make this more intelligible, he illustrates it by a Similitude: That AS the MIND of MAN, by its IMMEDIATE PRESENCE to the PICTURES OR IMAGES OF THINGS, form'd in the BRAIN by the MEANS of the ORGANS OF SENSATION, sees those PICTURES as if they were the THINGS THEMSELVES: SO GOD sees ALL THINGS, by his IMMEDIATE PRESENCE TO THEM; he being ACTUALLY PRESENT to the THINGS THEMSELVES, to ALL THINGS IN THE UNIVERSE; as the MIND OF MAN is present to all the PICTURES OF THINGS formed in his Brain. 13 [Leibniz II (Robinet S.37) Il se trouve expressement dans l'Appendice de l'optique de M.Newton, que L'ESPACE EST LE SENSORIUM DE DIEU. Or le mot SENSORIUM a tousjours signifié l'organe de la sensation, permis à luy et à ses amis de s'expliquer maintenant tout autrement. Je ne m'y oppose pas.] [Clarke III (Robinet S.48) The Word SENSORY, does not properly signify the ORGAN, but the PLACE of SENSATION. The EYE the EAR, &c, are ORGANS, but not SENSORIA. Besides; Sir ISAAC NEWTON does not say, that SPACE is the SENSORY; but that it is, by way of SIMILITUDE only, AS IT WERE the SENSORY, &c.] Die vollkommene Repräsentation der Welt ist die Welt selbst. (?) 14 Immanuel Kant (1724-1804) De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis Von den Formen und Prinzipien sowohl der sinnlich wahrnehmbaren wie auch der (nur) gedanklich erfassbaren Welt (1770) KrV 1781, 1787 Leitfaden: 1. Die Rede vom « Ding an sich » ist bei Kant fast so zu verstehen wie bei Newton. 2. Man sieht daran : Indirekt geht es in der KrV doch um Perspektiven. 3. Man muss aber gerade bei Kant mit der Metapher der Perspektive vorsichtig umgehen. 15 De mundi §10 (Ü : Hinske) Intellectualium non datur (homini) intuitus, sed nonnisi cognitio symbolica [...]. Omnis enim intuitus noster adstringitur principio cuidam formae, sub qua sola aliquid immediate, s. ut singulare, a mente cerni et non tantum discursive per conceptus generales concipi potest. Principium autem hoc formale nostri intuitus (spatium et tempus) est condicio, sub qua aliquid sensuum nostrorum obiectum esse potest [...]. [...] Divinus autem intuitus, qui obiectorum est principium, non principiatum, cum sit independens, est archetypus et propterea perfecte intellectualis. Eine Anschauung des Intellektuellen [= der nur gedanklich erfassbaren Dinge] gibt es (für den Menschen) nicht, sondern nur eine symbolische Erkenntnis [...]. Denn alle unsere Anschauung [= all unser anschaulicher Input] ist an ein [Prinzip] einer Form gebunden, unter der allein etwas unmittelbar, oder als Einzelnes, von der Erkenntniskraft geschaut [...] werden kann. Dieser formale Grund aber unserer Anschauung (Raum und Zeit) ist die Bedingung, unter der etwas Gegenstand unserer Sinne sein kann [...] Die göttliche Anschauung dagegen, die [das Prinzip] der Gegenstände ist, nicht etwas [Prinzipiiertes (=Abhängiges)], ist, da sie unabhängig ist, urbildlich und deswegen vollkommen intellektuell. 16 Kant redet metaphorisch von Perspektivität und Aperspektivität, als vergliche er zwei verschiedene Perspektiven miteinander.