Erbgroßherzoglicher Besuch beim ersten Biobauern

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Erbgroßherzoglicher Besuch beim ersten Biobauern
Oktober 2015
Erbgroßherzoglicher Besuch beim ersten Biobauern im Land
Prinz Guillaume und seine Frau besuchten den Schanck-Haff in Hupperdange
Wer die Berichterstattung der Luxemburger Medien verfolgt hat, wird bemerkt haben, dass Prinz Guillaume,
Erbgroßherzog von Luxemburg, und seine Frau Prinzessin Stéphanie in den vergangenen Wochen und Monaten
etliche Betriebe besichtigt haben, die u.a. auch mit Gartenbau und Landwirtschaft zu tun hatten. Im Kontext dieser
Besuche war das Büro der Prinzessin an den Verein Bio-Lëtzebuerg Vereenegung fir Bio-Landwirtschaft Lëtzebuerg
asbl herangetreten und hatte den Wunsch der Prinzessin vorgetragen, Einblick in die Besonderheiten der ÖkoLandwirtschaft zu bekommen. Die Wahl des Vereins fiel auf den Schanck-Haff im Norden des Landes. Dafür sprach
eine Reihe von guten Gründen.
Ein gutes Beispiel
Zunächst einmal war der nach den Regeln der Biodynamie (Demeter) wirtschaftende Betrieb 1980 der erste des
Landes, der auf konsequent biologische Arbeitsweise umstellte und sich entsprechend zertifizieren ließ. Zum andern
lässt sich an Demeterbetrieben dank ihres Verständnisses vom „Hoforganismus“ besonders gut beobachten, wie
Ackerbau und Viehzucht ineinandergreifen und über die Futterkette einen Kreislauf bilden, der in sich geschlossen ist
und ohne Zukauf oder gar Importzufuhr auskommen kann.
Bei der ersten Station der Felderbegehung mit Hofbetreiber Jos Schanck (3.v.r.) erfuhren die Besucher, u.a. Prinzessin Stéphanie
und Prinz Guillaume (3. u. 5. v.l.) sowie Landwirtschaftsminister Fernand Etgen (2.v.r., neben Bio-Lëtzebuerg-Präsidentin Daniela
Noesen), nicht nur vieles über die Fruchtfolge auf dem Demeterhof (hier: Erbsen und Senfkraut als Zwischenfruchtgemisch).
Neben dem offiziellen Besuchsprogramm brachte der Erbgroßherzog das Gespräch durch interessierte Nachfragen auch auf die
Windkraftanlagen der benachbarten Anhöhen und die Rolle der Hëpperdanger Wandenergie sàrl.
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Speziell für den Hüpperdinger Betrieb sprach zudem die Tatsache, dass sein Schwerpunkt im Bereich der Pflanzenzucht nicht, wie so oft, beim Getreide liegt. Zwar wird auch auf dem Schanck-Haff Brot aus eigenem Mehl gebacken,
aber das Gros seiner Einnahmen generiert der vielseitige Betrieb nicht mit Körnern, sondern mit Kartoffeln und –
schon seltener – Möhren. Und genau die konnte man auch zum Besuchszeitpunkt Mitte Oktober noch teilweise auf
dem Feld besichtigen, während Flächen mit Getreideanbau naturgemäß schon abgeerntet waren.
Doch als gutes Beispiel für die Biolandwirtschaft hat der Hof noch mehr zu bieten, denn zu seinem Produktangebot
kommen Fleisch- und Wurstwaren, v.a. die bekannte Zoossis, aus dem eigenen Viehbestand. Dieser umfasst Rinder
und Schweine samt Jungtieren, denn der Schanck-Haff züchtet selbst. Allerdings nicht nur zur Fleischproduktion:
auch Demeter-Milch ist ein wichtiger Bestandteil der Produktpalette. Dies umso mehr, als schon seit 1989 eine
kleine Hofmolkerei die Wertschöpfungskette vor Ort ergänzt.
Vielfache Vernetzung im Bereich Vermarktung
Tatsächlich gehörten Einrichtung und Betrieb dieser Minimolkerei seinerzeit zu den ersten Aktivitäten der neu
gegründeten Biobauere-Genossenschaft Lëtzebuerg (BIOG), deren mittlerweile stark gewachsenes Netzwerk
(heutzutage unter dem Dachnamen OIKOPOLIS bekannt) bis heute der wichtigste Partner des Öslinger Hofs bei der
Vermarktung seiner Bio-Produkte ist. Als weiteren „Ableger“ dieses Netzwerks beherbergt der Schanck-Haff zudem
einen während zwei Tagen pro Woche geöffneten Hofladen und ist auch dabei Pionier: unter den aktuell zehn
NATURATA-Geschäften im Lande war das Lädchen am Schanck-Haff 1992 die erste „NATURATA Bio Haff-Buttek“.
Kurz: für das erbgroßherzogliche Paar gab es im Verlauf der Betriebsbesichtigung viel zu sehen und noch mehr zu
hören. Im Fokus standen vor allem die spezifischen Anbaumethoden im Demeter-Landbau sowie die Haltungsbedingungen für Demeter-Kühe. Augenfälligster Unterschied zu beinahe jeder anderen Art der Milch- bzw. Fleischviehhaltung: der naturbelassene „Kopfschmuck“ der Rinder. Die Hörner spielen, wie bei einer Weidebegehung
erläutert wurde, eine wichtige Rolle für das Stoffwechselsystem der Tiere – bis hin zur Tatsache, dass ihre Milch eine
andere Qualität erhält und von vielen besser vertragen wird.
Wichtige Rolle von Forschung und Beratung
Auf großes Interesse bei den Besuchern stieß auch die Bodenprobe, die Jos Schanck auf einer Fläche im Zwischenfruchtstadium nahm. Unschwer war daran zu erkennen, wie locker der Humus dank des auf ihm ausgebrachten
Zwischenfruchtgemischs aus Leguminosen (Hülsenfrüchten) und Senfkräutern war. Über die besondere Bedeutung
von Leguminosen für die Stickstoffanreicherung des Bodens erzählte auch Bio-Lëtzebuerg-Direktorin Daniela Noesen
den Besuchern noch mehr – immerhin spielt das Großherzogtum mit den Sortenversuchen, die das Forscher- und
Beraterteam des Institut fir Biologësch Landwirtschaft an Agrarkultur Luxemburg a.s.b.l. (IBLA) durchführt, auf
internationaler Ebene in der Weiterentwicklung und Promotion der Bio-Landwirtschaft mit.
Insgesamt wurde klar, wie vielfältig die Aktivitäten rund um die Wertschöpfungskette biologischer Ernährung
wirklich sind. Die Kette selbst reicht buchstäblich „vom Acker bis auf den Teller“ und umfasst somit etliche
Zwischenschritte von der Produktion über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung. In Luxemburg ist hier das
Netzwerk der OIKOPOLIS-Biovermarktungsbetriebe engagiert, das im Lauf von mehr als 25 Jahren aus der 1989
gegründeten BIOG-Genossenschaft hervorging. Über die noch immer anhaltende Erweiterungsdynamik im Zeichen
von Solidarität und Kooperation hatte OIKOPOLIS-Vorstand Änder Schanck den Gästen noch einiges zu berichten.
Dabei schlug er den Bogen von den ersten Überlegungen zur Umstellung auf Bio-Landwirtschaft, die ihn und seinen
Bruder bereits Ende der 1970-er Jahre beschäftigten, bis zum heutigen Status Quo des erwähnten Netzwerks, dessen
aktueller Neuzugang eine eigene BIOG-Molkerei zur Verarbeitung von Luxemburger Bio-Milch ist.
Spätestens im lockeren Gespräch bei der abschließenden Verkostung hofeigener Spezialitäten wurde deutlich, dass
neben der Wertschöpfungs- und Vermarktungskette selbst auch das Umfeld an Forschung, Beratung, Promotion
und, last but not least, politischen Weichenstellungen stimmen muss, damit Wurst, Käse und Brot – oder aber
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„Muertekuch“ – so auf den Teller kommen, dass diese „Lebens-Mittel“ nicht nur schmackhaft sind, sondern in einem
umfassenden Sinn „gut für Mensch und Umwelt“. Die Besucher nahmen jedenfalls nicht nur vielfältige Eindrücke,
sondern auch reichlich Hintergrundinformationen mit, als sie sich gut gelaunt und mit Dankeschön verabschiedeten.
Man habe „sou vill bäigeléiert“, betonte der Erbgroßherzog, und Prinzessin Stéphanie, die den Ausführungen im
zugegebenermaßen windkalten Ösling aufmerksam gefolgt war, freute sich besonders über den informativen
Ausflug, der ja ursprünglich auf ihre Initiative hin organisiert worden war.
Am Ende der Tour de ferme, die auch von Nordliicht TV dokumentiert wurde, hatte sich zwischen den royalen Gästen (Mitte) und
deren Gastgebern Jos und Marlène Schanck schon ein sichtbar guter „Draht“ entwickelt. Besonders der Erbgroßherzog äußerte
seine Freude über das neu Erfahrene deutlich.
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