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Kommunikation des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat im Betrieb verschiedene Kommunikationsebenen zu beachten.
Vorrangig ist dabei natürlich die Kommunikation mit den Arbeitnehmern und dem
Arbeitgeber. Daneben ist aber auch die Unterstützung der Betriebsratsarbeit durch
Gewerkschaften zu betrachten und die Kommunikation mit anderen Einrichtungen
der Betriebsverfassung.
Abb. 10: Kommunikationsebenen
Im Rahmen einer vernünftigen, am Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs ausgerichteten Zusammenarbeit sollte die Kommunikation grundsätzlich keine Probleme
bereiten. Es gibt aber auch institutionalisierte Kommunikationswege, die einem
konstruktiven Gespräch im Einzelfall nicht entgegenstehen.
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Kommunikation des Betriebsrats
8.1
Betriebsrat – Arbeitnehmer
Abb. 11: Kommunikation zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmer
8.1.1
Sprechstunde
Gemäß § 39 Abs. 1 BetrVG kann der Betriebsrat während der Arbeitszeit Sprechstunden einrichten. Wenn der Betriebsrat die Einrichtung der Sprechstunde beschlossen hat, muss er den Ort und den Zeitpunkt der Sprechstunde mit dem
Arbeitgeber vereinbaren. Im Konfliktfall entscheidet die Einigungsstelle gem. § 39
Abs. 1 Satz 3, 4 BetrVG verbindlich. Für die Vereinbarung bietet sich die Form einer
Betriebsvereinbarung an, es genügt aber auch eine Regelungsabrede.
Über den Zeitaufwand für die Sprechstunde entscheidet der Betriebsrat in den
Grenzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit allein (vgl. dazu Kapitel 5).
Arbeitnehmer, die die Sprechstunde des Betriebsrats aufsuchen wollen, dürfen
sich nicht einfach von ihrem Arbeitsplatz entfernen, sondern haben um Freistellung zu ersuchen und sich ordnungsgemäß bei dem jeweiligen Vorgesetzten abzumelden. Der Grund für das Aufsuchen der Betriebsratssprechstunde muss
dabei aber nicht genannt werden. Ohne Sachgrund darf die Freistellung für das
Aufsuchen der Sprechstunde nicht verweigert werden. Das Verfahren kann in einer
Betriebsvereinbarung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG geregelt werden.
§ 39 Abs. 3 BetrVG stellt klar, dass der Besuch der Sprechstunde während der Arbeitszeit nicht zu einer Kürzung des Arbeitsentgelts führen darf. Der Besuch der
Sprechstunde muss aber stets erforderlich sein.
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Betriebsrat – Arbeitnehmer
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8
BeIspIeLe
Nicht erforderlich ist der Besuch der Sprechstunde, wenn eine einfachere Informationsmöglichkeit, z. B. Aushang am Schwarzen Brett, zur Verfügung steht. Nicht
erforderlich wird normalerweise auch der Besuch jeder Sprechstunde sein. Ein
Querulant hat keinen Anspruch auf Freistellung325 und Fortzahlung des Entgelts.
Die Sprechstundenregelung gilt auch für die Jugend- und Auszubildendenvertretung.
Will diese keine eigene Sprechstunde einrichten, kann an den Sprechstunden des Betriebsrats ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung zur Beratung der
jugendlichen Arbeitnehmer und Auszubildenden teilnehmen (§ 39 Abs. 2 BetrVG).
8.1.2
Besuch am Arbeitsplatz
Inwieweit die Kommunikation zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und dem Betriebsrat auf die Sprechstunde des Betriebsrats beschränkt ist, ist umstritten. Einigkeit besteht insoweit, dass der Betriebsrat auch einzelne Arbeitnehmer am Arbeitsplatz aufsuchen darf, sofern dies im Rahmen der Erfüllung der Aufgaben erforderlich
ist, etwa weil sich der Betriebsrat ein konkretes Bild von einem Arbeitsplatz machen
muss, um seiner Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gerecht zu
werden.326 Das BAG hat anerkannt, dass insbesondere zur Erfüllung der Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein eigenes, von der Zustimmung des
Arbeitgebers unabhängiges Zugangsrecht des Betriebsrats zum Arbeitsplatz der
Belegschaftsangehörigen in Betracht kommt.327 Der Kontakt zwischen Betriebsrat
und Arbeitnehmern nach dem BetrVG sei weder institutionalisiert noch in sonstiger Weise vorgegeben. Das Betriebsverfassungsgesetz verweise den Betriebsrat für
den innerbetrieblichen Dialog mit der Belegschaft nicht auf die Durchführung von
Betriebsversammlungen oder Sprechstunden.328 Es verlange von ihm auch nicht, sich
auf Aushänge am Schwarzen Brett zu beschränken oder die Belegschaft schriftlich
zu informieren. Ausdrücklich erwähnt das Gericht in dieser Entscheidung, dass die
Mitarbeiter vom Betriebsrat persönlich am Arbeitsplatz aufgesucht werden können.
Der Betriebsrat sei nicht darauf zu verweisen, dass die Arbeitnehmer ihrerseits den
Kontakt mit ihm suchen können.329 Vielmehr muss er die Möglichkeit haben, von sich
aus mit der Belegschaft in Verbindung treten zu können.330
325
Richardi/Thüsing BetrVG § 39 Rn. 24.
326
Richardi/Thüsing BetrVG § 39 Rn. 30; Fitting BetrVG § 39 Rn. 31.
327
BAG vom 13.06.1989 – 1 ABR 4/88 – AP Nr. 36 zu § 80 BetrVG 1972.
328
BAG vom 08.02.1977 – 1 ABR 82/74 – AP Nr. 10 zu § 80 BetrVG 1972.
329
So wohl Richardi/Thüsing BetrVG § 39 Rn. 30.
330
BAG vom 08.03.2000 – 7 ABR 73/98 – ZBVR 2001, 122–126.
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Kommunikation des Betriebsrats
Letztlich wird man hier auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit verweisen müssen.
Sofern ein Besuch am Arbeitsplatz zu einer Beeinträchtigung des Betriebsablaufs
führt, wird das Aufsuchen des Arbeitsplatzes auf konkrete Anlässe zu beschränken sein. Ansonsten muss man dem Betriebsrat wohl das Recht zugestehen, zum
Zwecke der Kommunikation auch einzelne Arbeitnehmer am Arbeitsplatz aufzusuchen. Von Arbeitgeberseite sollte dabei bedacht werden, dass die potenzielle
Störung des Arbeitsgeschehens wahrscheinlich geringer ist, wenn der Betriebsrat
die Kollegen besucht, als wenn diese sich von ihrem Arbeitsplatz entfernen, um die
Betriebsratssprechstunde aufzusuchen.
Wird der Arbeitnehmer durch einen zulässigen Besuch eines Betriebsratsmitglieds
in seiner Arbeitsleitung unterbrochen, so berechtigt dies nicht zu einer Kürzung
des Arbeitsentgelts. § 39 Abs. 3 BetrVG stellt ausdrücklich klar, dass das Entgeltkürzungsverbot auch für die Fälle der sonstigen Inanspruchnahme des Betriebsrats
– außerhalb der Sprechstunde – gilt.
8.1.3
Betriebsversammlung
Steht nicht die Kommunikation mit einem einzelnen Arbeitnehmer im Vordergrund,
sondern die Kommunikation mit der Belegschaft, ist die Betriebsversammlung die
vorgesehene Form (vgl. dazu die Ausführungen unter Kapitel 9.1).
8.1.4
Sonstige Kommunikationswege
Als sonstige Kommunikationswege kommen Anschläge am Schwarzen Brett, die
Nutzung des Intranets und die Information über eine Betriebszeitung in Betracht.
8.2
Betriebsrat – Arbeitgeber
Schon aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit sollte die Kommunikation zwischen den Betriebspartnern reibungslos und freiwillig immer dann, wenn
Bedarf besteht, erfolgen. Aus den einzelnen Beteiligungsrechten ergibt sich sowieso
eine Kommunikationsverpflichtung, die immer mit dem ernsten Willen zur Beilegung
von Meinungsverschiedenheiten erfolgen sollte (§ 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).
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Betriebsrat – sonstige Einrichtungen der Betriebsverfassung
8
Die Monatsbesprechung (vgl. dazu Kapitel 10.2.1) ist eine institutionalisierte Form
der Kommunikation. Genau wie die Betriebspartner aber einvernehmlich auf die
Monatsbesprechung verzichten können, können sie bei Bedarf weitere Besprechungen ansetzen.
8.3
Betriebsrat – sonstige Einrichtungen der
Betriebsverfassung
8.3.1
Jugend- und Auszubildendenvertretung
Da die Jugend- und Auszubildendenvertretung gegenüber dem Arbeitgeber nur
über den Betriebsrat handeln kann (vgl. im einzelnen Kapitel 9.2), ist die Kommunikation zum Betriebsrat besonders wichtig. Neben der im Einzelfall immer sinnvollen
Kommunikation sieht das BetrVG folgende Wege vor:
‒
‒
‒
‒
8.3.2
Teilnahme eines Vertreters der Jugend- und Auszubildendenvertretung an den
Betriebsratssitzungen (§ 67 Abs. 1 Satz 1 BetrVG)
Teilnahme der gesamten Jugend- und Auszubildendenvertretung an der Betriebsratssitzung, wenn Angelegenheiten behandelt werden, die besonders
die in § 60 Abs. 1 BetrVG genannten Arbeitnehmer betreffen (§ 67 Abs. 1 Satz 2
BetrVG)
Teilnahme der Jugend- und Auszubildendenvertretung an gemeinsamen Besprechungen des Betriebsrats mit dem Arbeitgeber, wenn Angelegenheiten
besprochen werden, die besonders die in § 60 Abs. 1 BetrVG genannten Arbeitnehmer betreffen (§ 68 BetrVG)
gemeinsame Sprechstunden gem. § 39 Abs. 2 BetrVG bzw. Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an den Sprechstunden der Jugend- und Auszubildendenvertretung
Wirtschaftsausschuss
Der Wirtschaftsausschuss hat eine Dolmetscherfunktion zwischen Unternehmer
und Betriebsrat (vgl. dazu Kapitel 9.7 und 17.1). Grundsätzlich hat der Wirtschaftsausschuss unverzüglich und vollständig nach jeder Sitzung den Betriebsrat zu unterrichten (§ 108 Abs. 4 BetrVG).
129
Kommunikation des Betriebsrats
8.3.3
Gesamtbetriebsrat
Da jeder Betriebsrat in den Gesamtbetriebsrat Mitglieder entsendet, kommt es naturgemäß zu einer Kommunikation bereits aus der Mitte des Gesamtbetriebsrats
heraus. Darüber hinaus ergibt sich zwangsläufig eine Kommunikation, wenn der
Betriebsrat Aufgaben auf den Gesamtbetriebsrat überträgt (abgeleitete Zuständigkeit vgl. Kapitel 9.5).
Eine institutionalisierte Kommunikation bietet die Betriebsräteversammlung gem.
§ 53 BetrVG (vgl. Kapitel 9.6).
8.4
Betriebsrat – Gewerkschaft
Den Gewerkschaften kommen im Rahmen der Betriebsverfassung eine Reihe von
Aufgaben und Befugnisse zu, dennoch sind Gewerkschaften und Betriebsrat voneinander zu trennen. Der Betriebsrat ist auch im Verhältnis zu den Gewerkschaften ein eigenständiges Organ der Betriebsverfassung.331 Gewerkschaften vertreten
grundsätzlich nur ihre Mitglieder, während der Betriebsrat Repräsentant der gesamten Belegschaft, unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit ist. Dies
führt manchmal sogar zu erheblichen Differenzen zwischen Gewerkschaft und
Betriebsrat.332 Gleichwohl ordnet § 2 Abs. 1 BetrVG auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den in dem Betrieb vertretenen Gewerkschaften an. Soweit das
Gesetz den Gewerkschaften im Rahmen der Betriebsverfassung Aufgaben zuweist,
ist der Betriebsrat auch zur Zusammenarbeit bzw. Kommunikation verpflichtet, darüber hinaus aber grundsätzlich nicht.333 Eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit
ergibt sich nur im Rahmen des § 31 BetrVG. Danach kann ein Beauftragter einer im
Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft an den Betriebsratssitzungen beratend
teilnehmen, wenn ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats dies verlangt.
Im Übrigen sind die Gewerkschaften im Rahmen der Betriebsverfassung auf Initiativ-, Kontroll- und Unterstützungsrechte beschränkt. Zur Wahrung dieser Rechte
haben die Gewerkschaften auch ein Zutrittsrecht zum Betrieb (vgl. Kapitel 8.4.2).
130
331
BAG vom 16.02.1973 – 1 ABR 18/72 – AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG 1972.
332
Bekannt in diesem Zusammenhang ist der Fall Viessmann, ArbG Marburg vom 07.08.1996 – 1 BV
6/96 – NZA 1996, 1331–1337.
333
Fitting BetrVG § 2 Rn. 53; Richardi/Richardi BetrVG § 2 Rn. 75.
Betriebsrat – Gewerkschaft
▶
8
BeIspIeL: Übersicht: Gewerkschaftsrechte im rahmen der Betriebsverfassung
§ 2 Abs. 1
vertrauensvolle Zusammenarbeit, allgemeine Unterstützungspflicht
§ 2 Abs. 2
Zugangsrecht zur Wahrnehmung der im BetrVG genannten
Aufgaben
§ 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 3
Abs. 3 Satz 2
Abstimmung über die Teilnahme an der Betriebsratswahl im
Hauptbetrieb veranlassen
§ 14 Abs. 3
Wahlvorschläge zur Betriebsratswahl
§ 16 Abs. 1 Satz 6
Entsendungsrecht in den Wahlvorstand
§ 16 Abs. 2 Satz 1
Initiative zur Bestellung eines Wahlvorstands
§ 17 Abs. 3
Einladung zur Wahlversammlung
§ 17 Abs. 4
Antragsrecht zur Bestellung eines Wahlvorstands
§ 18 Abs. 1 Satz 2
Antragsrecht auf Einsetzung des Wahlvorstands
§ 18 Abs. 2
Antragsrecht auf Feststellung, ob eine betriebsratsfähige
Einheit vorliegt
§ 19 Abs. 2 Satz 1
Wahlanfechtungsrecht
§ 23 Abs. 1 Satz 1
Antragsrecht auf Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus
dem Betriebsrat bzw. Auflösung des Betriebsrats
§ 23 Abs. 3 Satz 1
Antragsrecht gegen den Arbeitgeber
§ 31
Teilnahme an der Betriebsratssitzung
§ 35 Abs. 1
Verständigungsunterstützung zwischen Betriebsrat und
Jugend- und Auszubildendenvertretung
§ 43 Abs. 4
Antrag auf Einberufung einer Betriebsversammlung
§ 46 Abs. 1 Satz 1
beratende Teilnahme an der Betriebsversammlung
§ 53 Abs. 3 i. V. m. § 46
Abs. 1
Teilnahme an der Betriebsräteversammlung
§ 119 Abs. 2
Antragsrecht bei Straftaten
Die Aufgaben der Gewerkschaften, insbesondere zur Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, bleiben davon unberührt (§ 2 Abs. 3 BetrVG). Die gilt sowohl für
die innerbetriebliche als auch außerbetriebliche Interessenwahrnehmung, nicht
nur der Gesamtheit der Mitglieder, sondern auch ihrer Einzelinteressen.334
334
Richardi/Richardi BetrVG § 2 Rn. 139.
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Kommunikation des Betriebsrats
8.4.1
Beschränkung auf die im Betrieb vertretenen
Gewerkschaften
Die Gewerkschaftsrechte im Rahmen der Betriebsverfassung sind immer auf die im
Betrieb vertretenen Gewerkschaften beschränkt. Eine Gewerkschaft ist dann im
Betrieb vertreten, wenn ihr mindestens ein Arbeitnehmer (kein leitender Angestellter) des Betriebs angehört.335 Ist die Gewerkschaftszugehörigkeit eines Arbeitnehmers streitig, kann die Gewerkschaft den erforderlichen Beweis auch durch mittelbare Beweismittel, z. B. durch notarielle Erklärungen führen, ohne den Namen ihres
im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigten Mitglieds zu nennen.336
8.4.2
Zugangsrechte der Gewerkschaften zum Betrieb
§ 2 Abs. 2 BetrVG gewährt den Gewerkschaften Zugangsrechte zum Betrieb zur
Wahrung der im Gesetz genannten Aufgaben der Gewerkschaften.
Voraussetzungen für das Zugangsrecht sind:
‒
‒
▶
Es muss sich um eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft handeln (siehe
dazu oben).
Der Zugang muss zur Wahrnehmung der im BetrVG genannten Aufgaben
und Befugnisse erfolgen.
BeIspIeL
Gewerkschafter A begehrt Zugang zum Betrieb, um die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften an den Arbeitsplätzen zu überwachen. Es ist ihm kein Zugang zu gewähren, da die Überwachung der Sicherheitsvorschriften gem. § 80
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine Aufgabe des Betriebsrats ist und nicht eine Aufgabe
der Gewerkschaft.
Soweit der Zugang auf das Unterstützungsrecht aus § 2 Abs. 1 BetrVG gestützt
wird, hat die Gewerkschaft kein eigenständiges Recht, sondern nur ein Recht, das
vom Willen des Betriebsrats abhängt,337 d. h. der Betriebsrat muss konkret um Unterstützung nachgefragt haben.
132
335
BAG vom 25.03.1992 – 7 ABR 65/90 – AP Nr. 4 zu § 2 BetrVG 1972.
336
BAG vom 25.03.1992 – 7 ABR 65/90 – AP Nr. 4 zu § 2 BetrVG 1972.
337
Richardi/Richardi BetrVG § 2 Rn. 114.
Betriebsrat – Gewerkschaft
▶
8
BeIspIeL
Der Betriebsrat ist sich nicht sicher hinsichtlich der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften und bittet die Gewerkschaft um Unterstützung bei der Beurteilung. Gemeinsam sucht man die betroffenen Arbeitsplätze auf.
‒
‒
8.4.3
Der Arbeitgeber – oder sein Vertreter – muss vom Zugang unterrichtet sein.
Dabei muss die Unterrichtung so rechtzeitig erfolgen, dass der Arbeitgeber
prüfen kann, ob das Zugangsrecht besteht. In der Regel wird ein Tag vorher reichen. Zu unterrichten ist darüber, welcher Gewerkschaftler kommt,338 zu welchem Zweck, zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Betriebsbereich Zugang
begehrt wird (wer, wann, warum, wohin).
Es dürfen keine unumgänglichen Notwendigkeiten des Betriebsablaufs,
zwingende sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen. Um dieses Abwehrrecht geltend zu machen, reicht keine
bloße Behauptung des Arbeitgebers. Er muss vielmehr Tatsachen vortragen,
die eine entsprechende Beeinträchtigung befürchten lassen. Eine bloße Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs ist bei dem Besuch von Externen normal und
nicht ausreichend.339 Es muss vielmehr zu unzumutbaren Störungen kommen.
Dann ist die Zutrittsverweigerung aber nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auszuüben, z. B. der Zutritt nur für bestimmte Teilbereiche zu verweigern.
Beim Schutz von Betriebsgeheimnissen ist zu berücksichtigen, dass Gewerkschaftsbeauftragte der Geheimhaltungspflicht unterliegen (§§ 79, 120 BetrVG).
Als Anhaltspunkt kann dienen, ob die Arbeitnehmer des Betriebs zu diesen Bereichen ebenfalls nur eingeschränktes Zutrittsrecht haben.
Sonderproblem Zugangsrecht zur Mitgliederwerbung
Den Gewerkschaften ist die Möglichkeit zur Mitgliederwerbung auch innerhalb des
Betriebs zu geben, z. B. durch Plakatwerbung.340 Umstritten war, ob ein Zugangsrecht auch für betriebsfremde Gewerkschaftler aus Art. 9 Abs. 3 GG zum Zwecke
der Mitgliederwerbung besteht oder ob sich die Mitgliederwerbung innerhalb des
Betriebs auf betriebsangehörige Gewerkschaftsmitglieder beschränkt.341 Nachdem
das BVerfG die Kernbereichslehre aufgegeben hat,342 geht die ständige Recht-
338
Fitting BetrVG § 2 Rn. 73.
339
Fitting BetrVG § 2 Rn. 77.
340
BAG vom 30.08.1983 – 1 AZR 121/81 – AP Nr. 38 zu Art. 9 GG.
341
Richardi/Richardi BetrVG § 2 Rn. 138.
342
BverfG vom 14.11.1995 – 1 BvR 601/92 – AP Nr. 80 zu Art. 9 GG.
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Kommunikation des Betriebsrats
sprechung des BAG und des BVerfG nunmehr davon aus, dass zu der durch Art.
9 Abs. 3 GG geschützten koalitionsspezifischen Betätigung einer Gewerkschaft
auch deren Mitgliederwerbung in den Betrieben durch betriebsfremde Beauftragte gehört.343 Art. 9 Abs. 3 GG gewährt indes kein umfassendes Zugangsrecht
zu den Betriebsräumen zum Zwecke der Mitgliederwerbung. Vielmehr kann das
Recht der Gewerkschaft aus Art. 9 Abs. 3 GG mit dem durch Art. 13, Art. 14 Abs. 1
GG geschützten Haus- und Eigentumsrecht des Arbeitgebers und seiner aus Art.
12 Abs. 1 GG folgenden wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit kollidieren.344 Ob der
jeweils konkret begehrte Zutritt zu gewähren ist, richtet sich nach den Umständen
des Einzelfalls. Es ist jeweils zu prüfen, ob das konkrete Zutrittsverlangen die gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen des Arbeitgebers hinreichend
berücksichtigt.345 Kriterien sind die Häufigkeit, der zeitliche Umfang und der jeweilige Zeitpunkt der Besuche wie auch die ggf. ins Verhältnis zur Belegschaftsgröße zu setzende Anzahl der betriebsexternen Gewerkschaftsbeauftragten. Vor
allem aber sind bei der Prüfung im Einzelfall die berechtigten betrieblichen Belange
des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Dazu gehört dessen Interesse an einem störungsfreien Betriebsablauf und der Wahrung des Betriebsfriedens. Ebenso können
seine Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen von Bedeutung sein. Diese können im Einzelfall den personellen und organisatorischen Aufwand, der für ihn mit
dem Besuch betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter – etwa durch Ausstellung von Ausweisen oder Gestellung von Begleitpersonen – verbunden ist, nicht
unerheblich beeinflussen. Gleiches gilt für den konkreten Ort, zu dem innerhalb
des Betriebs der Zugang gestattet werden soll.346
134
343
BVerfG vom 14.11.1995 – 1 BvR 601/92 – AP Nr. 80 zu Art. 9 GG; BAG vom 22.06.2010 – 1 AZR 179/09 – AP
Nr. 142 zu Art. 9 GG, BAG vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08 – AP GG Art. 9 Nr. 137; BAG vom 28.02.2006 – 1
AZR 460/04 – AP Nr. 127 zu Art. 9 GG.
344
BAG vom 22.06.2010 – 1 AZR 179/09 – AP Nr. 142 zu Art. 9 GG, BAG vom 28.02.2006 – 1 AZR 460/04 – AP
Nr. 127 zu Art. 9 GG.
345
BAG vom 22.06.2010 – 1 AZR 179/09 – AP Nr. 142 zu Art. 9 GG.
346
BAG vom 28.02.2006 – 1 AZR 460/04 – AP Nr. 127 zu Art. 9 GG.