Kurzvortrag Lobbyismus in der Politik – unter besonderer
Transcription
Kurzvortrag Lobbyismus in der Politik – unter besonderer
Kurzvortrag Lobbyismus in der Politik – unter besonderer Berücksichtigung der EU Sie kennen vielleicht Axel Friedrich. Er leitete 27 Jahre lang die Abteilung „Verkehr und Lärm“ am Umweltbundesamt – bis sein oberster Dienstherr, Umweltminister Sigmar Gabriel, den unbequemen Beamten zwangsversetzte. Friedrich, Verfechter eines umweltfreundlicheren Verkehrs, hatte längst auch die Schwachstellen der vermeintlichen Wunderwaffe Biosprit bloß gelegt. Schon vor 15 Jahren mochten er und seine Mitarbeiter den nachwachsenden Rohstoffen im Autotank keine große Zukunft vorhersagen. Doch statt dass man im Umweltministerium auf die eigenen Experten hörte, bekamen die einen Maulkorb verpasst – oder wurden, wie Axel Friedrich sich erinnert, „verdächtigt, von der Ölindustrie bestochen zu sein“. Die Warnungen, dass Monokulturen von Raps und Rüben den Boden ruinieren, dass Biomasse für Europas Jeeps die Anbauflächen für Reis und Hirse in Entwicklungsländern verdrängen, verhallten. Der grüne Umweltminister Jürgen Trittin verkündete 2005, dass man „bis 2020 den Anteil alternativer Kraftstoffe auf ein Viertel steigern“ wolle - obwohl ein Gutachten des Umweltrates, das der Minister selbst in Auftrag gegeben hatte, die Schwächen des Biosprits anprangerte. Warum das Thema Biosprit? Weil es ein Paradebeispiel für Interessenspolitik ist. Dabei sind nicht nur wissenschaftliche Gutachten ignoriert worden, sondern Interessensverbände haben Einfluss genommen, Politiker haben sich aber auch gerne das einflüstern lassen, was sie hören wollten. Es ging damals darum, den CO2-Ausstoß der Autos auf 120 Gramm pro Kilometer zu senken. Doch zur Halbzeit dieser Frist, etwa 2004, stellte sich heraus, dass die Autobauer weit davon entfernt waren, das Ziel auch nur annähernd zu erreichen. Brüssels streitbarer Umweltkommissar Stavros Dimas, zunächst noch unterstützt von seinem Kollegen Günther Verheugen, zuständig für Industrie, und von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, drohte im Herbst 2006 mit einem Gesetz. Jetzt zahlt es sich aus, dass die Wege zwischen den Brüsseler Büros der Autokonzerne und denen der Kommission kurz sind. Die Lobbyisten, die die Interessen von BMW, Volvo oder Fiat in Europas Hauptstadt vertreten, müssen dabei gar nicht im Palais Berlaymont, dem Sitz der Kommission, antichambrieren. Die Autoindustrie hat über die hochrangig angesiedelte Arbeitsgruppe „Cars 21“ direkten Zugang zu den Schaltstellen der Macht. In diesem Gremium, das die Kommission in Verkehrsfragen berät, sitzen zwei Dutzend Kommissare, nationale Minister und Vertreter der Autobauer – und der einsame Vertreter eines Umweltverbandes. In der Rue du Noyer Nummer 211, nur einen kurzen Fußmarsch vom Berlaymont entfernt, residiert der Verband Europäischer Automobilbauer ACEA, und mit ihm ein Drittel der Brüsseler Auto-Lobbyisten. Man werde Gesetzen, welche den Ausstoß an Kohlendioxid begrenzen, nicht zustimmen, lässt der Verband mitteilen. Dass die CO2-Werte langsamer als geplant sinken, schiebt man bei ACEA auf die Verbraucher. Sie seien schuld, weil sie nach schweren Limousinen und Geländewagen verlangten und sparsame Kleinwagen verschmähten. Alarmstimmung herrscht auch in Deutschland. DaimlerChrysler droht vollmundig in „Bild am Sonntag“: Man werde mehrere Werke schließen müssen, in denen die Luxusmodelle der C, E und S-Klasse hergestellt werden, 65.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr. Unter dem Druck von Daimler und Co. knickt Industriekommissar Verheugen ein. Man einigt sich Anfang Februar 2007 auf einen Kompromiss: Bis 2012 dürfen aus den Auspuffen europäischer Fahrzeuge im Schnitt nur noch 130 Gramm CO2 pro Kilometer kommen – das sind zehn Gramm weniger als das ursprünglich vorgesehene Ziel. Und jetzt kommt der Biosprit ins Spiel. Denn wenn dem gewöhnlichen Benzin oder Diesel Pflanzentreibstoff beigemischt wird, dann produziert der Motor weniger klimaschädliche Gase. Der Agrarsprit soll also die entstandene Lücke von 10 Gramm CO2 pro Kilometer schließen. Nur wenige Wochen nachdem man sich auf die entschärfte Abgasgrenze von 120 Gramm CO2 pro Kilometer geeinigt hat, kommen die Regierungschefs zu ihrem Frühjahrsgipfel in Brüssel zusammen. Das Treffen wird man später als historisch bezeichnen, immerhin beschließen die EUMitglieder ein ehrgeiziges Klimaschutzprogramm. Wichtiger Bestandteil ist die Quote von zehn Prozent Biosprit im Tank bis 2020. Ist das Zufall? Wohl kaum. Ohne eine Beimischungsquote wäre das 120-Gramm-Ziel nicht zu erreichen. Mit dem Biosprit ist es nicht so glatt weitergegangen. Das EU-Gesetz, das die Quote festschreiben sollte, gibt es noch nicht, und auch in Deutschland hat man die ursprünglich ehrgeizigen Quoten zurückgefahren – liegt aber weniger an der Einsicht von Politikern. Zumindest in Deutschland kam der Druck wieder einmal von einer Lobby, diesmal jener der Autofahrer. Der ADAC begann eine Kampagne, indem er warnte, dass Millionen älterer Autos die BiospritBeimischung nicht vertragen würde... Historisch gesehen, ist Lobbying – das manchmal auch als fünfte Gewalt bezeichnet wird - eine angelsächsiche Erfindung. Das Wort stammt ursprünglich von der „Lobby“, der Eingangshalle von Rathäusern oder den Fluren des Parlaments und Capitols, wo man die Abgeordneten abfing, um ihre Entscheidungen zu beeinflussen. Zum festen Bestandteil des politischen Vokabulars wurde es, als der USPräsident Ulysses Grant nach einem Brand im Weißen Haus Zuflucht in einem Hotel gesucht hatte und dort von Bittstellern belagert wurde. Ohnehin erlaubten die USA bereits im 19. Jahrhundert einen viel stärkeren Einfluss der Bevölkerung auf die Gesetzgebung als es in Kontinentaleuropa üblich war – Petitionen gehörten hier zu den Grundrechten der Bürger. Nicht umsonst gibt es den englischen Ausdruck „pressure group“, die Gruppe, die Druck auf Politik oder Unternehmen ausübt, um ein Ziel durchzusetzen. Zugespitzt kann man zwei Modelle ausmachen: Die angelsächsische Tradition des Lobbying ist Ausdruck der Tatsache, dass das Volk auch zwischen zwei Wahlen Einfluss ausübt. Die französische, reoublikanische Tradition sieht den Willen des Staates und seiner gewählten Vertreter im Vordergrund an dem nicht zu rütteln ist. „Interessenvertretung ist nicht per se schlecht“, sagt auch Ulrich Müller von LobbyControl, einer Organisation mit Sitz in Köln, die Informationen über die PR-Arbeit in Brüssel sammelt. Doch zuweilen scheint der Lobbyismus der öffentlichen Kontrolle entglitten zu sein, zumal es keine europäischen Zeitungen, Radiosender und Fernsehstationen gibt, welche ausschließlich der Brüsseler Politkaste auf die Finger schaut. Allein die schiere Zahl der Lobbyisten in der EU-Hauptstadt macht es schwierig, ihre Arbeit zu verfolgen. Ihre Einflusswege sind zu undurchsichtig, und die Macht der Vertreter von Firmen zudem ungleich größer als die der Nichtregierungsorganisationen, die das öffentliche Interesse im Blick haben. Und vor allem: Kommission und Parlament haben bislang das Treiben der Interessenvertreter kaum kontrolliert. Tatsächlich gibt kaum mehr eine politische wirtschaftliche oder gesellschaftliche Gruppierung in Deutschland, die nicht einen Vertreter in Brüssel hätte – sei es nun die Evangelischen Kirche Deutschlands, die Bank für Kreditwirtschaft oder der Berufsverband der Feuerwehrleute. Die anderen europäischen Mitgliedstaaten machen es genauso. Und wenn Firmen ihre Interessen in Gefahr sehen, gründen sie auch sch schnell mal einen neuen Verband mit einem schönen Namen. So entstand im Jahr 1996 „europabio“. Das steht für „European Association for Bioindustries“ und ist eine Vereinigung, zu der die Großen der Pharma- und Biotechbranche wie Monsanto, Bayer und BASF gehören, und welche die Gentechnik in Europa vorantreiben will. Nun wäre es reichlich naiv zu glauben, Lobbying ließe sich verbieten. Das Vertreten von Interessen und das Verkaufen von Meinungen gehören inzwischen zweifelsohne zur Politik – schließlich agiert Politik nicht im luftleeren Raum. Es ist selbstverständlich und bis zu einem gewissen Grad durchaus legitim, dass Unternehmen, Bürgerinitiativen oder Berufsverbände versuchen Einfluss auf jene zu nehmen, die die Gesetze machen. Auch die Wirtschaft ist ein Teil der Gesellschaft, Unternehmen schaffen schließlich Jobs und dienen nicht nur der privaten Bereicherung von Aktionären und Managern, sondern auch den Arbeitnehmern. Und Umweltgruppen wie Greenpeace, Patientenverbände oder Verbraucherschutzorganisationen sind auch Lobbys, weil sie Interessen vertreten. Aber: „Ein großes Problem liegt in der Ungleichheit der Waffen“. Lassen Sie mich den Biosprit noch einmal als Beispiel nennen. „Transport and Environment“ ist eine Brüsseler Gruppe, die für einen umweltfreundlicheren Verkehr kämpft. Als ich ihren Chef bei meinen Recherchen traf, zeigte er mir eine Ausgabe des Economist mit der ganzseitigen Anzeige von Abengoa, einem großen spanischen Multi, der Bioethanol produziert. Die Firma zitiert dabei aus einer Studie von Transport & Environment: „Bioethanol die einzige Alternative, um die Abhängigkeit vom Öl zu verringern“. „Eine freche Verdrehung der Tatsachen“, erregt Jos Dings sich. Tatsächlich steht Transport & Environment dem Biosprit höchst kritisch gegenüber. Doch angesichts einer solchen Kampagne eines Konzerns ist die kleine Truppe machtlos. Eine davon ist die Firma Cabinet Stewart, die seit einer Fusion im Frühjahr 2008 Interel Cabinet Stewart European Affairs heißt. Die PR-Firma vertritt in Brüssel die Interessen des „American Council for Capital Formation“ (ACCF), das gegen Gesetze für eine Reduzierung von Treibhausgasen kämpft und größtenteils vom Ölgiganten Exxon Mobil finanziert wird. Über seinen Ableger ICCF versucht ACCF, die Zweifel an der menschengemachten Klimaerwärmung auch in Europa zu verbreiten. ICCF, das auf seiner Internetseite Papiere über die Kosten des Kyoto-Protokolls verbreitet, beschreibt sich selbst als „einzigartiger europäischer Think Tank“ mit Hauptsitz neben dem Europaparlament in Brüssel. Tatsächlich haben die Büros die Dimension eines Briefkastens im fünften Stock eines Bürogebäudes, wie die Organisation „Worst Lobby Award“ herausfand. Das Brüsseler ICCF-Büro war in Wirklichkeit identisch mit Cabinet Stewart: Anrufe landeten beim stellvertretenden Direktor der PR-Firma. Deren Mitarbeiter organisierten für das ICCF Workshops über Klimapolitik im Europäischen Parlament. Von Verschleierung versteht auch die Brüsseler Niederlassung der internationalen Lobbyagentur Weber Shandwick offenbar eine Menge. Sie rief eine angeblich gemeinnützige Kampagne gegen Krebs „Cancer United“ ins Leben, für die sogar Politiker warben. Tatsächlich aber diente der Feldzug nur dazu, die Interessen der Pharmafirma Roche durchzusetzen, wie die britische Zeitung Guardian recherchierte. Roche war alleiniger Financier der Kampagne, die unter dem Deckmantel des Patientenwohls die Geschäfte des Pharmakonzerns ankurbeln sollte. Die Kommission lässt sich von zahlreichen Expertengruppen beraten, die Gesetzesvorhaben von Anfang begleiten. Die Mitglieder dieser Gruppen schreiben Arbeitspapiere, Grünund Weißbücher für die Kommission. Ihr Einfluss ist enorm, heißt es in der Studie, denn ihre Vorschläge bilden häufig das Rückgrat neuer EU-Gesetze in heiklen Politikfeldern wie der Energieversorgung, des Klimawandels oder der Chemikalienkontrolle. Das kann man auch positiv sehen, weil so frühzeitig alle Akteure eingebunden sind. Doch die Expertengruppen agieren weitgehend im Verborgenen. Das schockierende Ergebnis der Studie: Zwei Drittel der Expertengruppen sind so zusammengesetzt, dass die Industrieinteressen dominieren. „Unausgewogen und intransparent“ nennt Alter-EU die Politik der Kommission. In Berlin gibt es immerhin seit 1972 eine jährliche Lobbyliste, heute um die 660 Seiten stark. Und in Brüssel? Leider ist aus den hochfliegenden Pläne der Kommission, mehr Licht in die dunklen Ecken der Brüsseler Politik zu bringen, nichts geworden. Doch eine Sache: ein freiwilliges LobbyRegister. In der Branche allerdings lächelt man eher über das freiwillige Verzeichnis. „Das bringt gar nichts“, sagt ein Berater für Coca Cola, das Register der Kommission sei „zahnlos“. Anfang September 2008, zwei Monate nach dem Startschuss des freiwilligen Kommissionsregisters, war die Bilanz denn auch ernüchternd: Gerade einmal 300 einzelne Lobbyisten, PR-Firmen oder Organisationen listete das Verzeichnis auf. Das fand selbst die Kommission dann doch zu bescheiden: Siim Kallas gestand, dass die Zahl „unbefriedigend“ sei. Eingetragen hatten sich 126 Handelsorganisationen und 56 Nichtregierungsgruppen – keine der großen Lobby-Firmen und PR-Agenturen hielten es für nötig, sich zu melden. Dabei hatte EPACA, der Europäische Verband der PR-Agenturen, seinen Mitgliedern geraten, sich zu registrieren. Auch Alter-EU, die Organisation, die sich für mehr Transparenz einsetzt, beklagt, dass zu wenige große Unternehmen registriert seien. Zudem herrscht wohl Verwirrung darüber, welche Ausgaben eigentlich dem Lobbying zuzurechnen sind und welche nicht. Anders ist wohl kaum zu erklären, dass die spanische Telekom-Firma Telefonica ihre Brüsseler Lobby- Ausgaben für das Jahr 2007 mit 950.000 Euro beziffert, während Frankreichs Autobauer Renault im selben Zeitraum nur zwischen 200.000 und 250.000 Euro ausgegeben haben will oder der Luftfahrtkonzern Air France-KLM mit weniger als 100,000 Euro auskam. Im Frühjahr 2008 haben sich die Abgeordneten dazu durchgerungen, die Regeln zu verschärfen. Nun müssen Lobbyisten nicht nur mehr ihren Namen angeben und ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, sondern auch preisgeben, für wen sie arbeiten, woher sie Geld erhalten und wie viel. Und sie müssen einen Verhaltenskodex unterschreiben, der sie verpflichtet, alles offen zu legen. Verstößt ein Lobbyist gegen diese Regeln, kann das Parlament ihn aus dem Register streichen und ihm dem Zugang zu den Gebäuden verwehren. Wichtig ist auch die neue Regel, wonach Berichterstatter für ein bestimmten Gesetzentwurf eine „legislative Fußspur“ legen können: Wenn sie es für notwendig halten, sollen die Abgeordneten zusammen mit ihrem Bericht eine Liste der Interessensvertreter veröffentlichen, die vom Parlament konsultiert wurden und die Einfluss auf das geplante Gesetz genommen haben. Damit soll die Öffentlichkeit lückenlos nachvollziehen können, welche Lobbys mitgespielt haben. Ein weiteres Problem: Interessenskonflikte lassen sich verbergen, zum Beispiel wenn etwa Berater der EU-Kommission zugleich als Lobbyisten arbeiten. „Revolving doors“, heißt das im Brüsseler Jargon, die Methode der Drehtür, in die man als Politiker oder unabhängiger Berater eintritt und als Lobbyist herauskommt - oder umgekehrt. Unfein ist es auch, wenn Kommissionsbeamte oder nationale Diplomaten gleich nach ihrer Amtszeit einen gut dotierten Job in der Privatwirtschaft annehmen. Ex-Kommissar Bangemann etwa für Telefonica, Botschafter Schönfelder für Siemens.... Auch in Berlin gibt es die Politiker, die sehr schnell einen neuen Arbeitgeber finden. Gerhard Schröder, Sigmar Mosdorf, Agnes Hürland-Büning. Es gibt Leihbeamten aus der Wirtschaft, die in Ministerien an Gesetzen mitschreiben, die ihre Branche unmittelbar berühren. Deren Zahl hat laut Hans Leyendecker von der SZ zugenommen. Und auch in Berlin gehen ein Drittel der Abgeordneten einer Nebentätigkeit nach. Die Regelungen sind nicht wirklich transparent, ebenso wenig in Brüssel.