Pressetext (*)

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Pressetext (*)
suna elbasi
Internet-Casting
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.07.2005
Zahlungswege zum Ruhm
von Katrin Hummel, Velen
Tim Dickmann wollte im Juli vergangenen Jahres bei Ebay nur
nach günstigen Anzeigenplätzen für seine Triberger
Werbeagentur „Dickmann et Collegas” suchen, in der Rubrik
„Marketing und Werbung”
Dann entdeckte er diese sonderbaren Auktionen: 62 Rollen für
den Kinofilm „Der Prinz aus Wanne-Eickel” waren im Angebot,
Drehstart sollte am 18. Mai 2005 sein. Anbieter war die Mero
Consulting GmbH - ein Essener Unternehmen, das gesetzliche
Krankenkassen bei der Entwicklung von Bonusprogrammen
berät. Dickmann, der auch „Werbebeauftragter der Deutschen
Kuckucksuhr” ist, beobachtete die Auktionen und erhielt bei
1.250 Euro den Zuschlag für eine nicht näher definierte
Nebenrolle. „Mir war das damals egal, welche Rolle ich spielen
würde. Ich habe dem Projekt nicht ganz getraut und nur wegen
der PR für meine Agentur mitgemacht”, sagt der 28 Jahre alte
Vater zweier Kinder und ehemalige Waldorfschüler. 1.250 Euro
entsprachen ungefähr dem Preis zweier Anzeigen in der
Lokalpresse.
Keine hundertprozentige schauspielerische Leistung
Jürgen Drews ist Hauptdarsteller im „Prinz aus Wanne-Eickel”
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Das war vor einem Jahr. Dann begannen die Dreharbeiten, und
Dickmann, der für seine Rolle dreizehn Kilogramm abnahm, ist
kein Nebendarsteller mehr, sondern spielt die Hauptrolle. Das
hat sich nach den vier Castings so ergeben, die nach den
Auktionen stattfanden; fünfzehn Prozent der Gewinner wurden
wegen mangelhaften Talents „aussortiert” und manche Rollen
getauscht. Übrig geblieben sind ein korpulenter Unternehmer
und seine beiden Töchter, die für insgesamt 4.000 Euro den
„Kuppel-Klaus” und die „Models” für Roberto Blanco, den „Sultan
von Lichtenstein”, spielen. Mit dabei sind auch ein Hartz-IVEmpfänger und ein Diskothekenbetreiber, außerdem ein
Journalist und ein Textilhersteller. „Natürlich können wir auch
aus den verbliebenen Darstellern keine hundertprozentige
schauspielerische Leistung herausholen, obwohl zwei oder drei
sehr talentiert sind”, sagt Produzent Andreas Lettau. „Aber die
unfreiwillige Komik der Darsteller wird die Zuschauer zum
Lachen bringen.”
Der Achtunddreißigjährige ist nebenbei Geschäftsführer der
Mero Consulting und hat nach eigenen Angaben in den Zeiten
vor seiner Geschäftsführer-Tätigkeit schon viel Geld „versenkt”.
Nachts in einer Bar „nach dem zwölften Tequila” sei ihm, dem
Liebhaber alter Filme, gemeinsam mit Freunden die Idee
gekommen, selbst einen Film zu machen. Irgend jemand warf
das Stichwort Ebay in den Raum, und in der folgenden
dreimonatigen Planungsphase dachte Lettau, er könne das
Drehbuch schreiben, Regie führen, Schauspieler und Crew an
den Drehtagen mit Sandwiches abfüttern und mit den 200.000
Euro, die er selbst hatte, den ganzen Film finanzieren. Die
Vorlage für das Drehbuch schrieb der gelernte Werbeassistent
Lettau tatsächlich selbst, engagierte dann aber den jungen
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Drehbuchautor Renatus Töpke, der sein Können zum Beispiel
mit einem Imagefilm für die Mineralbrunnen AG bewiesen hat.
250.000 Zuschauer braucht er
Der aktuelle Kostenvoranschlag für die Komödie, die am 29.
September im Essener Cinemaxx Premiere haben wird, liegt bei
600.000 Euro. Das liegt nicht in erster Linie an Töpkes Honorar,
sondern daran, daß die Darsteller nach drei Tagen Sandwiches
fast umgekippt wären. Außerdem wußte Lettau schlicht nicht,
welche Kosten sonst noch so auf ihn zukommen würden: Er
brauchte einen Produktionsleiter „für den ganzen Detailkram”
und verpflichtete den 57 Jahre alten Theaterregisseur Alexander
von Janitzky für die Regie. Der hat unter anderem im Münchner
Studiotheater im Pep und im Theater „Der Keller” in Köln Regie
geführt. Zwei Nachdrehtage hat Lettau zudem wegen schlechten
Wetters veranschlagen müssen, die kosten ihn 40.000 Euro.
Und dann muß er jetzt entscheiden, wie viele Kopien er von dem
fertigen Film machen lassen will. Je nach Stückzahl kosten die
1.500 bis 5.000 Euro, und je mehr Kopien man hat, in desto
mehr Kinos kann der Film gleichzeitig gezeigt werden.
250.000 Zuschauer braucht er, um die Produktionskosten
wieder einzuspielen. Zum Vergleich: Der Film „Super Size Me”
etwa hatte 307.000 Zuschauer. Lettau hält das mit den 250.000
Zuschauern daher für machbar. Trotzdem hätte er die Komödie
nicht produziert, wenn er gewußt hätte, „was da wirklich für
Kosten entstehen”. Als er es schließlich wußte, war es zu spät.
Da war er schon mittendrin. Deswegen gibt es jetzt für Firmen
in dem Film ziemlich viele Möglichkeiten, Produkte zu plazieren.
Und vielleicht hätte Lettau doch noch eine größere Hundemeute
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einbauen sollen: Drei Anfragen gab es von Hundehaltern, ein
Besitzer hat 500 Euro geboten.
„Big Brother”-Promis im Rampenlicht
An diesem Abend soll im Speisesaal der prachtvoll
eingerichteten Orangerie des Sportschlosses Velen im
Münsterland gedreht werden. Vorgesehen ist die Szene, in der
Hauptdarsteller Tobias alias Tim Dickmann einen Kellner spielt
und dabei Prinzessin Ludmilla alias Sabrina Lange kennenlernt.
Lange war schon mal im Fernsehen, bei „Big Brother”. Da hat
sie in einer Einstellung lange geduscht, was vielen Zuschauern
im Gedächtnis geblieben ist. Während der Filmproduktion darf
sie keine Interviews geben, weil Lettau „Alleingänge von
Möchtegern-Promis” nicht mag. Die Promis sind dafür die
einzigen, die fürs Mitspielen bezahlt werden. Neben Lange ist
das auch Jürgen Drews, der den Prinzen aus Wanne-Eickel
spielt. Drews sagt, daß er keine Ahnung vom Schauspielern
habe und zuerst der Meinung gewesen sei, Lettau wolle ihn
„verladen”.
Eigentlich sollte Klaus-Jürgen Wussow den Prinzen spielen. Aber
der hat in letzter Minute abgesagt. Als Lettau danach eine
Pressekonferenz gab, stand sein Telefon nicht mehr still „Käseblattalarm”. Er schüttelt den Kopf und wundert sich noch
immer über das große Interesse. Das Skript für „Die Rückkehr
des Prinzen” hat er schon geschrieben, in seinem Computer
lagern außerdem zirka 1.800 teils sehr freizügige Bewerbungen
von jungen Frauen, die gerade eine Schauspielausbildung
machen und in dem Film mitspielen wollten, ohne dafür zu
bezahlen. Lettau überlegt jetzt, ob das Filmemachen seine neue
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Bestimmung ist, oder ob er zu den Krankenkassen zurückkehren
soll. Wenn er weiterhin Filme machen will, muß er sich jedenfalls
abgewöhnen, so dünnhäutig zu sein. Man hat ihn angegriffen,
hat sein Team „Lettau und seine Melkkühe genannt”. Und man
hat ihm vorgeworfen, er zerstöre den deutschen Film - wo es
doch ohnehin schon so viele arbeitslose Schauspieler gebe.
„Aber die hätte ich mir nicht leisten können”, sagt er. Die
Angriffe faßt er als Beleidigungen auf.
Auf Entdeckungstour
Zu seinen Darstellern immerhin hat er einen guten Draht. Er
wird sich sogar selbst mit an die Tafel im Speisesaal setzen, es
fehlen nämlich Männer. Einen fiesen Filmproduzenten hat er
auch schon gespielt. Eigentlich sollte die Rolle ein Regionalleiter
des Cinemaxx übernehmen. Aber der hat in letzter Minute
abgesagt. Lettau sagt: „Ich bin mit Sicherheit einer der
schlechtesten Produzenten Deutschlands. Aber das kann auch
ein Vorteil sein, weil ich unbefangener an die Sache rangehe.”
Neben Lettau werden vor allem Frauen am Tisch Platz nehmen.
Mehrere erwecken den Eindruck, daß sie fast alles dafür tun
würden, entdeckt zu werden. Doch auch die Betreiberin des
Cateringservice sowie Frau und Sohn des Setfotografen haben
sich kurzfristig zur Verfügung gestellt.
Dann sind da noch zwei ältere Damen, die sich mit den Worten
vorstellen, sie stünden „im Who is Who”. Die eine erklärt, sie sei
eigentlich adelig, aber ihr Großvater habe den Adelstitel
abgegeben. Die andere, eine zigarillorauchende ehemalige
Tänzerin mit großen Creolen-Ohrringen, organisiert seit
achtzehn Jahren ehrenamtlich Golfcups zugunsten der Unesco.
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Sie sagt, ihr Anwalt wollte auch erst mitkommen, aber dann
habe er in letzter Minute abgesagt. Als sie sich setzt, zieht sie
ihren langen Rock so weit hoch, daß man ihre Knie sehen kann.
Um Mitternacht wird sie 60. Sie sitzt am Ende der langen Tafel,
vermutlich wird die Kamera sie nicht einfangen, denn die
Prinzessin sitzt am anderen Ende. Ein paar Leute singen ein
Geburtstagslied.
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