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KEMPER
RECHTSANWÄLTE
Die rechtliche Stellung der Tierschutzbeauftragten
Vortrag von
Rechtsanwalt Rolf Kemper
auf der
1. Fortbildungsveranstaltung der GV-SOLAS
für Tierschutzbeauftragte
im Bundesinstitut für Risikobewertung, Berlin
am 28. Mai 2008
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Zwischen Baum und Borke. Der Titel meines Vortrags lässt sich auch als Frage lesen und
die Antwort auf diese „Stellungsfrage“ als pointierte „Stellenbeschreibung“ formulieren: zwischen Baum und Borke!
Institutionalisiertes Tierschutzgewissen und Gegenpol. Der TierSchB ist das institutionalisierte Tierschutzgewissen dessen, der Tiere für seine Zwecke einsetzt und ihnen so Schmerzen und evtl. Tod zufügt. Dies soll nichts über das Gewissen dieser Tiernutzer sagen, sondern
pointiert zum Ausdruck bringen, dass der Gesetzgeber die Installation eines Gegenpols für
nötig hielt. Ob und eventuell wie gut dem Gesetzgeber diese Installation gelungen ist, werde
ich aus rechtlicher Perspektive betrachten.
Gesetzliche Pflicht zur Bestellung. §8b TierSchG verpflichtet als Hauptnorm über den
TierSchB bestimmte Akteure, einen oder mehrere Tierschutzbeauftragte (TierSchB) zu bestellen und diese Bestellung(en) der zuständigen Behörde anzuzeigen.
Neben der Hauptnorm begründen Pflichten zur Bestellung von TierSchBen
- §4 Abs.3 TierSchG für das Töten von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken,
- §6 Abs.1 Satz2 Nr.4 + Satz 4 TierSchG für Eingriffe zur Transplantation pp.,
- §10 Abs.2 Satz 1 TierSchG für Eingriffe und Behandlungen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung und
- §10a TierSchG für Eingriffe und Behandlungen zur Herstellung, Gewinnung, Aufbewahrung oder Vermehrung von Stoffen, Produkten oder Organismen.
§8b TierSchG gilt für diese Bestellungsverpflichtungen „entsprechend“ (vgl. z. B. §4 Abs.3
TierSchG a.E.). Das Wort „entsprechend“ bedeutet, dass Spezifika dieser Regelungsbereiche
Abweichungen von den Anforderungen des §8b TierSchG erfordern können.
Die Pflicht aus §8b TierSchG verletzt
- nicht nur, wer (z. B. von Versuchsvorbereitungsbeginn an) keinen TierSchB bestellt,
- sondern auch, wer den bestellten TierSchB vor Abschluss die Bestellungspflicht auslösender Aktivitäten
o ersatzlos entlässt oder
o – im Falle dessen Kündigung oder wenn z. B. der TierSchB die Versuche
selbst durchführen will – nicht durch einen anderen TierSchB ersetzt.
Dass dies vorkommt belegt die Rechtsprechung.1
Folgen unterlassener Bestellung. Verstößt der Veranstalter gegen §8b Abs.1 TierSchG, so
- begeht er eine Ordnungswidrigkeit gemäß §18 Abs.1 Nr.16 TierSchG und
- darf sein Versuch nicht genehmigt werden (§8 Abs.3 Nr.3 TierSchG) und
- muss er nicht genehmigungspflichtige Versuche einstellen (§8a Abs.5 TierSchG).
1
VG Gießen, Urt. v. 13.8.2003 - 10 E 1409/03 - liegt ein Fall zugrunde, in dem der bestellte TierSchB „abhanden“ kam.
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2
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Ordnungswidrigkeit der Nichtbestellung (§18 Abs.1 Nr.16 TierSchG). Gemäß §18 Abs.1
Nr.16 TierSchG begeht eine Ordnungswidrigkeit (OWi), wer entgegen seiner Pflicht keinen
TierSchB bestellt. Ungeklärt ist, ob auch
- befristete Arbeitsverträge und / oder
- mangelnde Qualifikation des TierSchB und/oder
- mangelnde Unterstützung des TierSchB und/oder
- mangelnde Befähigung (im spezielleren Sinne von Berechtigung) des TierSchB durch
Besteller
die Pflicht aus §§8b pp. TierSchG verletzen und vice versa den OWi-Tatbestand erfüllen.
Befristetes Arbeitsverhältnis. Die Pflicht zur Bestellung gilt permanent und endet nicht
durch punktuellen Akt der Bestellung. Haarspalterisch wie §§ beschrieben werden müssen ist
also zu ergänzen: der Besteller muss die Bestellung für die Dauer der pflichtauslösenden Aktivitäten aufrechterhalten!
Diese Anforderung der „Permanenz“ kann Bedeutung für Qualität/Art und Inhalt des Arbeitsvertrags erlangen: jedenfalls für die Tätigkeit eines Betriebsarztes i. S. d. Arbeitssicherheitsrechts hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln festgestellt, sie müsse auf Dauer angelegt
sein, weshalb der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags mit einem Betriebsarzt regelmäßig sachlich nicht gerechtfertigt sei.2 Verliere der Betriebsarzt das Vertrauen des ArbG, so
könne dieser ihn abberufen. Solche nachträglichen Entwicklungen innerhalb eines Arbeitsverhältnisses könnten aber nicht vorab dadurch geregelt werden, dass das Arbeitsverhältnis
befristet wird. Dies sei funktionswidrig.3
Man kann
- natürlich fragen, ob dies für TierSchB ebenfalls gilt,
- aber auch – und sollte besser – umgekehrt fragen, warum dies für TierSchG eigentlich
nicht gelten sollte.
Die Beantwortung erfordert einen Vergleich der Stellung des TierSchB mit der des Betriebsarztes i. S. d. ASiG4mindestens
- in gesetzesgrammatikalischer und -struktureller (Wortlaut des §8b TierSchG und der
Betriebsarzt-Regelungen des ASiG)
- systematischer (Gesamtgestaltung des §8b TierSchG und der ASiGRegelungen) und
- historischer (Zweck, Aufgaben, Rechte, Pflichten nach der Gesetzesbegründung)
Hinsicht. Vor allem die Einführung des Art.20a GG und die dadurch bewirkte verfassungsrechtliche Aufwertung der Tiere und des Tierschutzes könnten eher pro Übertragbarkeit sprechen, denn Gegenstand der Kontrolle durch den TierSchB sind immer schwerwiegende Eingriffe in
- Leben und
- Gesundheit
der Tiere.
2
LAG Köln, Urt. v. 18.4.1987, DB 1987, 542.
LAG Köln, Urt. v. 18.4.1986, DB 1987, 542.
4
Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit - Arbeitssicherheitsgesetz v. 12.12.1973 (BGBl. I S.1885/III 805-2).
3
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Andere Betriebsbeauftragte. TierSchB sind Betriebsbeauftragte. Viele andere insbesondere,
aber nicht nur (siehe ASiG) dem Umweltrecht zuzuordnende Fachgesetze schreiben Betriebsbeauftragte vor. Dies gilt z. B. für
- Immissionsschutz
(§§53, 58a Bundesimmissionsschutzgesetz/BImSchG),
- Gewässerschutz
(§21a Wasserhaushaltsgesetz/WHG) und
- Abfallbeseitigung
(§54 Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetz/KrW-/AbfG), aber auch
- Datenschutz
(§§28 f und 35 Bundesdatenschutzgesetz/BDSG) und
- Arbeitssicherheit
(§§1 ff. Arbeitssicherheitsgesetz/ASiG)
Beauftragte des Betriebs und nicht des Staates. TierSchB sind Beauftragte des Betriebs
und nicht des Staates.5 Die Rolle des Betriebsbeauftragten für Gewässerschutz wird pointiert
so beschrieben: er habe
„keinen Denunziantenstatus, aufgrund dessen er den wasserrechtlich verantwortlichen Bür6
germeister oder Betriebsinhaber zu beobachten hätte.“
Dementsprechend gibt es auch kein gesetzlich vorgegebenes unmittelbares Verwaltungsverhältnis zwischen Aufsichts-, Ordnungs- oder Tierschutzbehörde und TierSchB. Betriebsbeauftragte sind Hilfsorgane des Betriebsinhabers und nicht der Behörde.7 Auch TierSchB sind
kein verlängerter Arm der Behörden oder auch der Tierschutzkommission.
Dies ist bedauerlich, aber aktuelle Gesetzeslage!
Aufgabe des TierSchB ist deshalb – jedenfalls von Gesetzes wegen – auch nicht die Um- oder
Durchsetzung veterinär- oder ordnungsbehördlicher Verfügungen samt Nebenbestimmungen.8
Dies ergibt sich z. B. für Tierversuche (fast)9 ausdrücklich aus §9 Abs.3 TierSchG.
Mangels gesetzlicher Vorgabe ist der TierSchB deshalb auch nicht eo ipso berechtigt, von
sich aus an Behörden heranzutreten.
Parallel dazu ist der TierSchB auch arbeits- oder sonst dienstvertraglich nicht hierzu legitimiert, sondern kann durch unerlaubten Informationsaustausch mit Behörden sogar seine vertragliche Pflicht zur Vertraulichkeit verletzen. Dies gilt allerdings nicht wenn direkter Behördenkontakt
- durch interne Regelung (Arbeitsvertrag, Aufgabenkatalog, -definition) legitimiert,
- tradierter Bestandteil des Aufgabenkatalogs und/oder
- ständige betrieblich bekannte und unwidersprochene Übung
ist. Autonomer Behördenkontakt muss also nicht kategorisch unzulässig sein, ist aber nicht
selbstverständlich zulässig.
5
Für das Wasserrecht: Giesecke/Wiedemann/Cychowski, Wasserhaushaltsgesetz-Kommentar, 6. Auflage, München 1991, §4 Rz.88 m.w.N.
6
Salzwedel/Scherer-Leyendecker, in: Hansmann/Sellner (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, 3. Auflage,
Berlin 2007, Kap.8 Rz.193.
7
Jarass, BImSchG-Kommentar, §53 Rz.3.
8
Wiederum für das Wasserrecht: Salzwedel/Scherer-Leyendecker, in: Hansmann/Sellner (Hrsg.), Grundzüge des
Umweltrechts, 3. Auflage, Berlin 2007, Kap.8 Rz.194.
9
Nur „fast“, denn die Norm regelt ausdrücklich die Verantwortung des Versuchsleiters und seines Stellvertreters, aber die Nicht-Verantwortlichkeit des TierSchB ergibt bereits ein bloßer Umkehrschluss.
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Anstellung und Bestellung. Unabhängig davon, ob der Verpflichtete einen internen oder
externen TierSchB bestellt, also immer ist zu unterscheiden zwischen
- arbeitsrecht- oder sonstigem dienstrechtlichem Anstellungsverhältnis und
- tierschutzrechtlicher Bestellung zum TierSchB.
§8b TierSchG verpflichtet – wie schon mehrfach angeklungen – nicht, ArbN zum TierSchB
zu bestellen. Der Verpflichtete darf also auch Externe zum TierSchB bestellen. Dann tritt an
die Stelle des Arbeits- ein anderer schuldrechtlicher, i. d. R. wohl anderer Dienstvertrag (§611
BGB)10.
Anstellung und Bestellung sind formalrechtlich voneinander unabhängig.11 Praktisch/faktisch
wird dies aber selten so sein. „Externe“, also nicht beim Verpflichteten beschäftigte TierSchB
scheinen eher selten, obwohl dies die
- durch §8 Abs.6 TierSchG vorgeschriebene Weisungsfreiheit und
- Umsetzung des Benachteiligungsverbots
optimal fördern könnte. In der Literatur heißt es zur Bestellung eines externen TierSchB so
zurückhaltend wie in die Tiefe des typischen Konflikts des angestellten TierSchB weisend:
„Mit Blick auf die Unabhängigkeit kann dies sogar von Vorteil sein.“
12
Man kann das aber auch anders sehen! Eine generelle verallgemeinerbare Qualifizierung
scheidet m. E. aus. Was in der einen Situation funktioniert, misslingt in der andern. Was der /
dem einen hilft oder gelingt, behindert die / den andere/n.
Zur Bebilderung der Bedeutung und Folge personalrechtlicher und organisatorischer An- und
Einbindung folgendes Beispiel: weil der (Bau-) Denkmalschutz in den Ruf geriet, das Bauen
zu behindern, gliederte Berlin in den 90-ern die bis dahin eigenständige Denkmalfachbehörde
in die Baubehörde ein. Folge: Mitarbeiter von Denkmalschutzämtern klagten (wohl zu Recht),
sie stünden auf verlorenem Posten, würden unter Druck gesetzt und hätten nichts mehr zu
sagen! Aber warum in die (Fach-) Ferne schweifen: es gibt auch Bundesländer, die die Amtsveterinäre in die allgemeine Ordnungsbehörde eingegliedert haben und dies kritisieren Einzelne hinter vorgehaltener Hand aus verwandten Gründen.
Vorsichtig abgeleitet heißt dies: es gibt konkrete Beispiele contra Eingliederung! Alles in allem kann ich mir aber kein abschließendes Urteil erlauben und bleibe beim Gesagten: mal
klappt es so, mal anders oder gar nicht, und das manchmal aus noch anderen Gründen. Wichtiger als die Wahl der „internen“ oder „externen“ Lösung dürfte sein, welche Kompetenzen
der TierSchB hat. Dazu später.
Keine gesetzliche Pflicht zur Annahme der Bestellung. §8b TierSchG normiert nur die
Pflicht, einen TierSchB zu bestellen, aber keine Pflicht, ein Bestellungsangebot anzunehmen.
Der Verpflichtete kann also niemand einseitig zum TierSchB bestellen bzw. der „Kandidat“
kann die Bestellung ablehnen, denn das Direktionsrecht des ArbG und Gehorsamspflicht des
ArbN gehen aber nicht so weit, dass – sofern nicht arbeits- oder tarifvertraglich anders vereinbart – der ArbN verpflichtet ist, sich zum TierSchB bestellen zu lassen. Das Bundessozial10
Die 2. Alternative der Ziff.8.1 TierSchVwV (auch AVV genannt) ist deshalb falsch formuliert, denn Besteller
und externer TierSchB können durchaus ein (anderes) Dienstverhältnis begründen. Das Arbeitsverhältnis bzw.
der Arbeitsvertrag ist nur eine spezielle Variante des Dienstvertrags.
11
Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz-Kommentar, 2. Auflage, München 2007, §8b Rz.2.
12
Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz-Kommentar, 2. Auflage, München 2007, §8b Rz.2.
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gericht (BSG) hat für das Arbeitssicherheitsrecht entschieden, die Pflicht des ArbN, die Aufgabe eines Sicherheitsbeauftragten zu übernehmen, könne sich aus
- Arbeitsvertrag oder
- einem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag oder
- Betriebsvereinbarung
ergeben. Sie sei aber grundsätzlich nicht dem Arbeitsverhältnis immanent und könne daher in
der Regel auch nicht durch das Direktionsrecht des ArbG verwirklicht werden.13
Will gar kein ArbN TierSchB werden, dann muss der Verpflichtete einen externen TierSchB
suchen und bestellen.14
Rechte und Pflichten (innen + außen). TierSchB sind gemäß §8b Abs.3 TierSchG verpflichtet zu
- Kontrolle
- Beratung
- Positionierung
- Fortschritt.
Folgen der Vernachlässigung und Nichterfüllung. Dieser Teil der „Stellungsbeschreibung“
scheint nicht sanktionsbewehrt und der TierSchB wegen der Vernachlässigung oder Nichterfüllung seiner Pflichten aus §8b Abs.3 TierSchG nicht haften zu sollen. Jedenfalls sind (mir)
keine Verurteilungen bekannt.15 In der Literatur wird aber vertreten:
„Genügt er diesen Pflichten nicht, wäre es zu kurz gegriffen, jede strafrechtliche Haftung von
vornherein in Abrede zu stellen.“16
Dem stimme ich nach kursorischer Prüfung zu. Eine genaue Untersuchung steht aber noch
aus. Ein TierSchB dürfte m. E. aber wohl – wie ein Amtsveterinär17 – als Überwachungsgarant für die Tiere zu qualifizieren sein, weil §8b Abs.3 Nr.1 TierSchG ihn sogar persönlich18
verpflichtet,
„auf die Einhaltung von Vorschriften, Bedingungen und Auflagen im Interesse des Tierschutzes zu achten“
und §8b Abs.3 Nr.4 TierSchG ihm zusätzlich auferlegt,
„innerbetrieblich auf die Einhaltung und Einführung von Verfahren und Mitteln zur Vermeidung
oder Beschränkung von Tierversuchen hinzuwirken.“
Beide parallel bestehenden Einzel-Pflichten flankiert das privilegierte Vortrags- und Vorschlagsrecht des §8b Abs.6 (a.E.) TierSchG. Fazit: der TierSchB hat aus §8b Abs.3 Nrn.1 und
13
.
14
VG Gießen, Urt. v. 13.8.2003 – 10 E 1409/03 –.
Vgl. zur Strafbarkeit des Gewässerschutzbeauftragten eines Unternehmens OLG Frankfurt/Main, NJW 1987,
2753.
16
Goetschel, in: Kluge (Hrsg.), Tierschutzgesetz-Kommentar, 1. Auflage, Stuttgart 2002, §8b Rz.5.
17
Kemper, Die Garantenstellung der Amtsveterinäre und Amtsveterinärinnen im Tierschutz, in: NuR 2008, 790
ff. sowie im Internet unter
15
http://www.amtstieraerzte.de/downloads/Garantenstellung_Amtstieraerzte_Tierschutz_13StGB_Gutachten_20060930.pdf
18
Demgegenüber resultiert die persönliche Handlungspflicht der Amtsveterinäre nicht direkt aus dem TierSchG.
§16a TierSchG verpflichtet die zuständige Behörde zum Tätigwerden und die Erfüllung dieser Pflicht obliegt
dem jeweils zuständigen Amtveterinär. Das Resultat ist dasselbe, aber die persönliche Verantwortung des
TierSchB ist unmittelbarer weil ohne Begründungsaufwand dem Gesetz zu entnehmen.
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4 TierSchG Handlungspflichten, denen der Gesetzgeber Handlungsmöglichkeiten zur Seite
gestellt hat.
Deshalb spricht viel dafür, dass TierSchBe Täter und Gehilfen aller Delikte i. S. d. §17
TierSchG nicht nur aktiv, sondern auch durch Unterlassen sein können. Denn zwei der wesentlichen Elemente der Unterlassungstat, nämlich
- rechtliche (und nicht allein moralisch-ethische) Handlungspflicht und
- tatsächliche Handlungsmöglichkeit
dürften zu bejahen sein. Beispiel: weiß ein TierSchB von Tierquälerei im Rahmen von Aktivitäten, deretwegen er bestellt ist, dann verleihen seine
- gesetzlichen (§§8b Abs.3 Nrn.1 + 4 + Abs.6 TierSchG) und
- innerbetrieblichen (arbeits- und/oder sonst festgelegten)
Befugnisse resp. Handlungsmöglichkeiten dem Schweigen des TierSchB und damit einhergehender Untätigkeit aus strafrechtlicher Sicht ein anderes Gewicht als dem Schweigen und der
Untätigkeit unbefugter bloßer Mitwisser eines Täters. Innerbetrieblich gegen den TierSchB
unter Verstoß gegen Weisungsfreiheit und Benachteiligungsverbot ausgeübter Druck wird ihn
dann allenfalls in krassen Ausnahmefällen exkulpieren.
Weisungsfreiheit und Benachteiligungsverbot. Natürlich bietet vor allem die Weisungsfreiheit des TierSchB dem juristischen Betrachter besonders spannende An-, aber – weil §8b
TierSchG gerade hier brisant wird – wenig Einblicke. TierSchB
- sollen gemäß §8b Abs.6 Satz 1 TierSchG zwar „weisungsfrei“ sein und
- dürfen gemäß §8b Abs.6 Satz 2 TierSchG „wegen der Erfüllung (ihrer) Aufgaben
nicht benachteiligt werden“.
Der manchmal auch sehr detailliert formulierende Gesetzgeber19 hat aber leider unterlassen,
Weisungsfreiheit und Benachteiligungsverbot weitere Sicherungsanforderungen wie z. B.
Unabhängigkeit flankierend an die Seite zu stellen und/oder
- ausdrücklich wörtlich hervorzuheben und
- regelungssystematisch-strukturell sicherzustellen,
dass TierSchB auch unabhängig sind.20 Für andere Betriebsbeauftragte verhält sich dies allerdings genauso (was nichts besser macht, aber z. B. die Überlegung rechtfertigt, ob die Institution „Betriebsbeauftragter“ evtl. generell mit Halbherzigkeit konstruiert ist).21 Für einige wird
Weisungsfreiheit mit Unabhängigkeit gleichgesetzt22 und alles spricht dafür, dies auf den
TierSchB zu übertragen.
Die karge Möblierung des §8b Abs.6 TierSchG ist dennoch äußerst bedauerlich, weil die
praktische Durchsetzung der Weisungsfreiheit und des Benachteiligungsverbots
- einerseits aus rechtlichen,
- andererseits aus außerrechtlichen und nicht ganz leicht zu (er)fassenden
Gründen etwa so optimistisch stimmt wie die Aufgabe, einen Pudding an die Wand zu nageln.
19
Vgl. z. B. die Passage „durch Satzung, innerbetriebliche Anweisung oder in ähnlicher Form“ des §8b Abs.6
Satz 2 TierSchG, die begrifflich unpassend formuliert und mit untauglich-unpassenden Beispielen bebildert ist,
anstatt durch das kurze wie klare Wort „schriftlich“ eine so sinnvolle wie eindeutige Regelung zu schaffen.
20
Kritisch bereits Händel, ZRP 1993, 426 (429).
21
Wer die Überlegung vertiefen will, findet Anregungen u. a. bei: Hansjürgens/Lübbe-Wolff (Hrsg.), Symbolische Umweltpolitik, Frankfurt/Main 2000.
22
Anzinger / Bienek, Arbeitssicherheitsgesetz-Kommentar, Heidelberg, §8 Rz.3 ff.
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Was vor allem fehlt, sind klare Sanktions- samt Beweislastregelungen für gesetzwidrige Weisungen und Benachteilungen!23
Zwei Seiten derselben Medaille. Weisungsfreiheit und Benachteiligungsverbot bilden zwei
Seiten derselben Medaille. Dass der TierSchB seine Aufgaben weisungsfrei erfüllen und wegen Art und Inhalt seiner Aufgabenerfüllung nicht durch den ArbG sanktioniert werden dürfen soll, bezweckt leicht abstrahierend formuliert:
- Weisungsfreiheit
= fachliche und
- Benachteilungsverbot
= persönliche/arbeitsrechtliche
Unabhängigkeit.
Weisungsfreiheit und Beschäftigung als ArbN sind allerdings ein Gegensatzpaar, denn der
ArbG hat gegenüber dem ArbN ein Direktionsrecht. Dieses Direktionsrecht befugt den ArbG,
die Arbeitspflicht des ArbN z. B. hinsichtlich Art, Zeit und Ort zu konkretisieren und dem
ArbN bestimmte Arbeiten zuzuweisen.24 Rechtsgrundlage dieses Direktions- bzw. Weisungsrechts ist der Arbeitsvertrag. Dem Weisungsrecht des ArbG korrespondiert eine Gehorsamspflicht des ArbN. Weisungsfreiheit ist daher nur denkbar, wenn der tierschutzrechtliche §8b
TierSchG die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten mit der Folge modifiziert, dass 8b
TierSchG das Weisungsrecht des ArbG und die Gehorsamspflicht des TierSchB beschränkt.
Dies ist auch notwendige Grundlage dafür, dass Anweisungen des und Benachteilungen durch
den ArbG entgegen §8 Abs.6 TierSchG gegen das gesetzliche Verbot des §8b Abs.6
TierSchG verstoßen und deshalb gemäß §134 BGB nichtig sind, denn – ich zitiere §134 BGB
vollständig –:
„Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht
aus dem Gesetz ein anderes ergibt.“
Regelung der Befugnisse des TierSchB. §8b Abs.6 TierSchG verpflichtet, die Stellung des
TierSchB per Satzung, innerbetrieblicher Anordnung oder ähnlich zu regeln.
Dies ist trotz des geschwätzigen wie unpassenden Wortlauts nur eine formale weil bloße
Handlungsverpflichtung im Sinne von: der Besteller darf nicht gar nichts tun. Den Regelbeispielen ist nicht einmal eine gesteigerte Formanforderung wie etwa dass die Regelung schriftlich erfolgen muss zu entnehmen, denn:
- zwar kann eine Satzung nur schriftlich erfolgen,
- eine Anweisung kann aber auch mündlich erfolgen und
- das auf beide vorgenannten Varianten bezogene „ähnlich“ ist daher offen.
Inhaltliche Anforderungen ergeben sich aber vor allem aus
- Weisungsfreiheit (Abs.6)
- Benachteiligungsverbot (Abs.6)
- Unterstützungspflicht (Abs.5)
- Unterrichtungspflicht (Abs.5).
23
24
Siehe aber unten „Regelung der Befugnisse des TierSchB“.
BAG, Urt. v. 9.9.1981 + Urt. v. 9.3.1993 + Urt. v. 24.4.1996.
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Insbesondere letztere muss der Besteller intern und u. a. unter Ausnutzung seines ja gegenüber den vom TierSchB „kontrollierten“ Tiernutzern bestehenden Weisungs- und auch Hausrechts durch deren entsprechende Verpflichtung zur Gewährleistung der
- Information und
- Unterstützung
des TierSchB umsetzen.
Unterlässt er dies, verletzt er in jedem Fall seine Unterstützungspflicht aus §8b Abs.5
TierSchG. Ich meine, dass er sogar seine grundsätzliche Pflicht zur Bestellung eines TierSchB
verletzt, denn
- pointiert gesagt: ein unzureichend befähigter TierSchB ist kein TierSchB!
- juristisch differenziert formuliert: Die Bestellpflicht des §8b TierSchG begründet keine formale, sondern eine materielle Verpflichtung.
Der Verpflichtete muss dem TierSchB die Erfüllung seiner Aufgaben aus §8b Abs.3
TierSchG ermöglichen. Hierzu gehören mindestens
- zugunsten des TierSchB = Einräumung interner Kompetenzen und Möglichkeiten;
- gegenüber den zu Kontrollierenden = Verpflichtung zur Kooperation mit dem
TierSchB.
Dem materiellen Anspruch des §8b TierSchG genügt nur eine Bestellung im Sinne von „Befähigung“ und dies wiederum im Sinne der Verleihung
- praktischer Möglichkeiten und
- rechtlicher Kompetenzen
zur Erfüllung der Pflichten des TierSchB gemäß §8 Abs.3 TierSchG. Die Pflicht zur Regelung der Befugnisse des TierSchB erfüllt nicht, wer den TierSchB unzureichend befähigt. Der
Umfang der Befähigung bemisst sich nach
- den gesetzlichen Aufgaben (Katalog de s§8 Abs.3 TierSchG) und
- Art und Umfang usw. der konkreten Aktivitäten, die die Pflicht auslösen.
Ermöglicht der ArbG dem TierSchB die Erfüllung seiner Aufgaben nicht, so riskiert er
- Aufhebung seiner tierschutzrechtlichen Erlaubnisse und
- Verwirkung einer Ordnungswidrigkeit gemäß 18 Abs.1 Nr.16 TierSchG
- Begehung einer Straftat gemäß §17 TierSchG, wenn Quälerei oder Tötung gerade wegen der unterlassenen Unterstützung bzw. unzureichenden Befähigung des TierSchB
geschehen,
weil Bestellung ohne Befähigung nur eine formale und daher Nicht-Bestellung25 ist.
Bei der Kreation – vor allem bei schriftlicher Form, denn Papier ist geduldig – der Befugnisse
des TierSchB sollte zwei Komponenten beachten / enthalten: sie
- muss einen Katalog zur Aufzählung der Befugnisse enthalten (quantitative resp. Vollständigkeitskomponente) und
- sollte evtl. Definitionen der Befugnisse enthalten (qualitative Komponente).
Wo ungeschrieben alles klappt, mag schriftliche Fixierung praktisch unnötig26 erscheinen.
Aber dies kann sich ändern. Schriftliche Fixierung muss vollständig sein und alle nötigen Befugnisse regeln. Dabei darf (und wenn durchsetzbar: sollte) der TierSchB mehr Befugnisse
25
Zu diesem unschönen Begriff: im allgemeinen Verwaltungsrecht heißt die nur floskelhafte „Begründung“
eines Behördenbescheides „Nicht-Begründung“. Dies darf als juristischer terminus technicus bezeichnet werden.
26
Rechtlich sprechen vor allem die gesetzlichen Regelbeispiele dafür, dass schriftliche Regelung erfolgen muss.
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erhalten, als das karge Gesetz prima vista vorzugeben scheint. §8b Abs.6 Satz 3 TierSchG
zieht keine Obergrenze.
Diskretion und Transparenz. Das größte praktische Problem der „Branche“ scheint – euphemistisch ausgedrückt – Diskretion zu sein. Probleme bis zum Gesetzesverstoß kommen
mit der Folge nicht ans Tageslicht, dass die Dinge bleiben wie sie sind. Herstellung von
Transparenz dürfte deshalb eine der größten Herausforderungen der „Branche“ sein.
Hohe Bedeutung der Verbände. Zu den vielen m. E. vergleich- und übertragbaren Erfahrungen aus dem Naturschutz gehört, dass Einzelne kaum bis gar nicht in der Lage sind, Konflikte zwischen „Nutzen und Schützen“ in vollem Umfang zu lösen. Mit „vollem Umfang“
meine ich Lösungen, bei denen auch der persönlich Betroffene keinen Nachteil erfährt. Eine
korporative Interessenvertretung wie die Initiatorin dieser Veranstaltung ist unerlässlich, um
Einzelne von illegitimen Erwartungen zu entlasten. Organisieren und vernetzen Sie sich also!
Vielen Dank für Ihr Interesse!
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