„Lautlose Entschuldung“ oder Schuldenschnitt?
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„Lautlose Entschuldung“ oder Schuldenschnitt?
Fokus „Lautlose Entschuldung“ oder Schuldenschnitt? Das ist hier die Frage. Was ist eigentlich besser für den Investor, der auf Staats anleihen bester Bonität setzt? Ein Schuldenschnitt oder die „finanzielle Repression“? Keine einfache Antwort. Die Frage berührt ein zutiefst menschliches Verhaltensmuster. Der Gedanke scheint mittlerweile Breitenwirkung zu erreichen: Um von dem Berg an Staatsschulden, der in der Europäischen Währungsunion angehäuft wurde und der sich auf 8.215,3 Mrd. Euro beläuft (das entspricht ca. 24.682,46 Euro je Einwohner), wieder herunterzukommen, hilft die finanzielle Repression. Und nicht nur in der EWU könnte dies helfen, sondern auch in den Vereinigten Staaten. Dort haben die Staatsschulden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt 104 % erreicht (Stand September 2012). 2015 könnten es bis zu 112,5 % werden, so die Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Warum ist die finanzielle Repression aus Sicht der verschuldeten Staaten so attraktiv? Es ist der Wirkungsmechanismus, der zu Hans-Jörg Naumer Global Head of Capital Markets & Thematik Research „Lieber den Verlustschmerz gleich erleiden als schleichend über die Zeit.“ einer „lautlosen“ Entschuldung führen kann. Unter anderem durch von den Zentralbanken künstlich niedrig gehaltene Zinsen verbilligt sich die staatliche Refinanzierung. Im Idealfall können die Staaten so aus ihren Schulden herauswachsen. Der Staatsanleiheninvestor zahlt die Zeche. Was aber ist genau der Unterschied für den Investor zwischen einem Schuldenschnitt („Haircut“) und dieser „lautlosen Entschuldung“? Und: Was ist für den Gläubiger besser? Hätte ein Investor die Wahl zwischen Schuldenschnitt oder finanzieller Repression, würde er sich vermutlich für Letzteres entscheiden. Der Grund dafür ist die Verlustaversion der Sparer: Ein Haircut tut sofort weh. Die Verlustaversion, ein nur allzu typisches menschliches Verhaltensmuster, kommt ins Spiel. Werden z. B. 30 % der Schulden gestrichen, stehen bei dem Anleihenbesitzer sofort nur noch 70 Euro je ursprünglich gehaltener 100-Euro-Anleihe im Depot. Das tut weh. Es ist ja ein tatsächlicher Verlust, der nicht einmal als „Buchverlust“ schöngeredet werden kann. Nehmen wir mal an, es gibt keinen Schuldenschnitt und die Inflation beläuft sich auf 2,7 %, während die Anleihenrendite über diesen Zeitraum künstlich niedrig mit sagen wir 1,5 % gehalten wird. In diesem Fall hat der Anleihensparer nach 30 Jahren zwar immer noch 100 Euro zzgl. der jährlichen Kuponzahlungen im Depot stehen (alles in allem knapp 160 Euro), verfügt aber insgesamt nach Berücksichtigung der Inflation nur noch über eine Kaufkraft von knapp 70 Euro. Im Fall des Schuldenschnitts hätten sich die verbleibenden 70 Euro p. a. mit einer Rendite i. H. der Inflation verzinst, also einer Rendite, die über der künstlich gedrückten liegt und die in diesem Fall zumindest den Kaufkraftverlust ausgleicht, also hätte er nach 30 Jahren ebenfalls knapp 160 Euro im Depot und das bei einer Kaufkraft von ebenfalls nur 70 Euro. Das Ergebnis ist in Fokus: „Lautlose Entschuldung“ beiden Fällen gleich. Im Fall der finanziellen Repression fühlt sich der Anleger nur wohler: Er hat ja über die gesamte Zeit immer noch seine 100 Euro – auch wenn längst nicht mehr drin ist, was draufsteht. Dass ein Haircut gegenüber der lautlosen Entschuldung weiter gedacht sogar deutlich vorteilhafter sein kann (zumindest bezogen auf diese singuläre Betrachtung und ohne Folgeeffekte an den Kapitalmärkten zu berücksichtigen), wird klar, wenn man unterstellt, die nominale Rendite ergäbe sich aus der realen Rendite, die in Höhe des realen Wachstums liegt, zzgl. der Inflation. Diese Annahmen sind auf längere Sicht eine durchaus plausible Richtschnur. Unterstellt, das reale Wachstum liegt bei 1,5 % und die Inflation wie gehabt bei 2,7 %, durch den Schuldenschnitt sinkt dann das Anfangskapital auf 70 %, der Wert von Anleihe und Kuponzahlungen steigt aber in 30 Jahren durch die Verzinsung mit 4,2 % (1,5 % + 2,7 %) auf nominal knapp 240 Euro – was unter Berücksichtigung des Kaufkraftverlustes knapp 110 Euro entspricht. Zum Vergleich: Im Umfeld künstlich niedriger Zinsen hat der Anleihensparer nach 30 Jahren nur eine Kaufkraft von besagten 70 Euro. Er stellt sich also schlechter. Natürlich handelt es sich bei dieser Betrachtung nur um Annahmen und es kann sich nicht um eine exakte Vorwegnahme der Zukunft handeln, die Überlegungen verdeutlichen aber, dass es durchaus heißen kann: Lieber den Verlustschmerz gleich erleiden als schleichend über die Zeit. Hans-Jörg Naumer Impressum Allianz Global Investors Europe GmbH Mainzer Landstraße 11–13 60329 Frankfurt am Main Global Capital Markets & Thematic Research Hans-Jörg Naumer (hjn), Dennis Nacken (dn), Stefan Scheurer (st) Quellen: Datastream Berechnungen: Allianz GI Capital Markets & Thematic Research Oktober 2012 Weitere Informationen rund um die Kapitalanlage erhalten Sie direkt unter: www.allianzgi.de Investieren birgt Risiken. Der Wert einer Anlage und die Erträge daraus können sowohl sinken als auch ansteigen und Investoren erhalten den investierten Betrag möglicherweise nicht in voller Höhe zurück. Die hierin enthaltenen Einschätzungen und Meinungen sind die des Herausgebers und / oder verbundener Unternehmen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können sich – ohne Mitteilung hierüber – ändern. 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