Predigt zu Psalm 130

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Predigt zu Psalm 130
Predigt zu Psalm 130
„In Sack und Asche“
Es muss doch gehen! Mit der richtigen Drehung… noch ein kleines bisschen,… ja,… jetzt…
KLATSCH! Das Glas ist umgefallen, das Wasser ergießt sich über den Essenstisch, über die
Hose meines Sohnes und kullert langsam auf den Rand zu, es fällt… und zerbricht. Beinahe
hätte er es geschafft. Das Glas mit der darunter liegenden Gabel so anzuheben, dass es auf
dem Rand balanciert. Während Jaron noch sichtlich verärgert ist, dass sein Kunststück
gescheitert ist, bemerkt er die wütenden, genervten Blicke von meiner Frau und von mir. Das
ist das vierte Mal heute, dass sein Glas umkippt. Jaron kapiert, dass er Ärger bekommt. Sein
Blick verändert sich, er senkt die Augen und murmelt „…’tschuligung… tut mir leid…“
Szenenwechsel. Ich sitze nach getaner Arbeit auf dem Sofa. Ich war schnell heute, bin eine
Stunde eher als erwartet mit der Predigt fertig geworden. Meine Frau und die Kinder sind
unterwegs, ich habe ein wenig Zeit für mich. Ein paar Minuten ausruhen, ein paar Seiten
lesen, dann geht es weiter… es klingelt, ich schrecke hoch. Mist, eingeschlafen. Naja, war nur
eine Stunde, nicht so schlimm. Meine Familie kehrt zurück, und meine Frau sagt: Man, habe
ich Hunger! Hast du das Brot gebacken?“ Mir wird heiß. Brot… oh man, vergessen. Das
Lächeln meiner Frau wir deutlich weniger. „Aber unseren Wocheneinkauf hast du abgeholt
wie besprochen, oder?“ Der Einkauf. Jetzt wird mir nicht nur heiß, mir wird heiß und kalt. Ich
winde mich ein wenig, muss aber schließlich mit einem leisen Murmeln zugeben „Habe ich
auch vergessen…“ Das Lächeln meiner Frau ist jetzt ganz erloschen. Als sie dann erfährt,
dass ich die letzte Stunde auch noch verschlafen habe anstatt zu arbeiten oder aufzuräumen,
weiß ich, eine Generalabsolution wird nötig. Ich sollte mir schnellstens etwas ausdenken, um
meine Buße und meine Umkehr zu zeigen, mich zu entschuldigen.
Der Fakt, dass ich heute hier stehe, und diese Begebenheit erzählen kann, zeigt 2 Dinge:
Meine Frau und ich lieben uns noch. Und: Meine Bußaktion hatte erfolg, wir konnten die
Sache aus der Welt schaffen. Schön, nicht wahr?
Die heutige Predigt geht um ein äußerst unbequemes Thema, sehr unpopulär in unserer Zeit.
Es geht um genau das, was ich in diesem Familienstreit tun musste. Es geht um Buße, um
Vergebung, um das Zugeben von Schuld!
Und das ist etwas, das dem Menschen nicht leicht fällt. Ich weiß nicht, ob diese
Wahrnehmung stimmt, aber mein Eindruck ist, dass dieses Thema für junge Menschen eher
schwierig. Jesus, super toll, Gott liebt dich, will eine Beziehung mit dir. So weit gehen die
meisten mit. Wenn es dann aber darum geht, dass sie zugeben sollen, dass sie schuldig sind,
dass sie Vergebung brauchen, dann hört es auf. Buße tun – was ist das denn?
Allerdings, beim Schreiben dieser Zeilen kommt mir der Gedanke, dass es auch ganz viele
alte Menschen gibt, die keinerlei Sinn darin sehen, Buße zu tun, sich zu entschuldigen,
zuzugeben, dass sie etwas falsch gemacht haben im Leben. Ich kenne auch so einige alte
Menschen, die knallhart sind und der festen Überzeugung, sie bräuchten so etwas wie
Vergebung nicht.
Dabei ist dieses Thema eines der zentralen Themen des christlichen Glaubens. Und ich habe
in den letzten 4 Jahren nicht ein Mal explizit darüber gepredigt – ich sollte in Sack und Asche
gehen. Darum will ich dieses Thema heute aufgreifen, und was bietet sich da mehr an als ein
Bußpsalm? Ich lese Psalm 130:
1 Ein Lied, zu singen auf dem Weg nach Jerusalem. Aus der Tiefe meiner Not schreie ich zu
dir. 2 Herr, höre mich doch! Sei nicht taub für meinen Hilferuf!
3 Wenn du Vergehen anrechnen wolltest, Herr, wer könnte vor dir bestehen?
4 Aber bei dir finden wir Vergebung, damit wir dich ehren und dir gehorchen.
5 Ich setze meine ganze Hoffnung auf den Herrn, ich warte auf sein helfendes Wort.
6 Ich sehne mich nach dem Herrn mehr als ein Wächter nach dem Morgengrauen, mehr als
ein Wächter sich nach dem Morgen sehnt.
7 Volk Israel, hoffe auf den Herrn! Denn er ist gut zu uns und immer bereit, uns zu retten.
1
8 Ja, er wird Israel retten von aller Schuld!
Wie ich schon gesagt habe, Schuld, Gnade, Vergebung, aber auch Buße sind ganz wichtige,
zentrale Themen des christlichen Glaubens. Denn sie betreffen die Kernfragen des Menschen,
seine Beziehung zu Gott. Und darum möchte ich mir mit euch, wie gewohnt in drei Schritten,
ansehen, was unser Text als Bußpsalm zu diesem Thema zu sagen hat.
1. Von der Schwere der Schuld
Wer in den letzten Wochen regelmäßig im Gottesdienst war, hat sich, falls er nicht geschlafen
oder mit offenen Augen geträumt hat, ein gutes Grundwissen über die Psalmen angeeignet.
Wir haben jetzt schon so einiges aus dieser Gattung biblischer Texte gehört. Und gewisse
Dinge wiederholen sich, das muss ich gerne zugeben. Auch heute, in unserem Text, wendet
sich der Psalmbeter in seiner Not wieder an Gott. Ein bewährtes Schema, da könnte also
durchaus auch für uns heute was dran sein. Aber in unserem Text heute liegt die Variation im
Grund. Heute ruft der Beter Gott wegen seiner tiefen Schuld an. „Wenn du Vergehen
anrechnen wolltest, Herr, wer könnte vor dir bestehen?“ heißt es in Vers 3. Niemand. Das ist
die korrekte Antwort auf diese Frage. Meine Schuld, so der Psalmist, ist so groß, dass sie ein
vernichtendes Urteil zur Folge hätte.
Du bist schuldig. Du bist Sünder. Das ist die erste Lektion, die wir heute lernen können,
lernen müssen. Und es ist keine Leichte. Denn wer gesteht sich schon gerne ein, dass er
schuldig ist? Wir sind doch alles ganz passable Menschen. wir sind keine Diebe, Mörder,
Ehebrecher, wir führen ein gut bürgerliches eben, betrügen niemanden, lauern nachts nicht
armen Omas in dunklen Ecken auf um ihnen die Handtasche zu stehlen. Gute Menschen,
allesamt. Sünder, Gauner, Verbrecher – das sind andere.
Aber es stimmt nicht. wir sind Sünder. Hoffnungslose Fälle. Wir können unter keinen
Umständen Gott genügen. Und das spannende ist: Es gibt hier keinen Unterschied zwischen
Christen und Menschen, die Jesus nicht kennen. Ich halte mich für einen eben geschilderten
guten Menschen. Gebildet, zivilisiert, manchmal vielleicht ein kleines wenig kindisch.
Studierter Theologe, Prediger. Hallo, ich muss doch eine Ausgeburt moralisch hochstehenden
Lebenswandels sein, oder? Und ich muss nur meine jüngere Vergangenheit, die letzten Tage,
ansehen, sie ehrlich betrachten, um sagen zu müssen: Oh man, Kemper, das wird gar nichts.
Lieblos. Hartherzig. Gemein. Unfair. Böse Gedanken. Egoistisch. Verlogen. Unehrlich. All
das bin ich. Hoffnungslos verloren. So einen Prediger habt ihr euch angelacht. Einen ganz
üblen Kerl. Verdorben durch und durch, Sünder bis ins letzte!
Wie sieht es bei dir aus? Was ist, wenn du deine letzten Tage Revue passieren lässt? Und
dabei ehrlich, schonungslos ehrlich zu dir bist. Dir nichts schönredest, nichts schminkst,
nichts verdrängst. Was bleibt dann? Kommst du zu einem ähnlichen Urteil wie ich? Oder
schließt du dich einem renommierten Theologien an, der vor knapp 100 Jahren verkündigt
hat: Ich habe meinen alten Adam schon mehrere Tage nicht gesehen“. Sprich, ich habe schon
seit Tagen nichts, aber gar nichts falsches mehr getan. Dann könnte ich gratulieren, würde
aber ehr behaupten, dass du dich selbst belügst. oder wir müssen uns nachher mal ernsthaft
unterhalten, wie du das schaffst.
Aber im ernst, ich denke, dass man nur zur ersten Schlussfolgerung kommen kann. wenn ich
meine Gedanken und Gefühle, meine Taten und Worte reflektiere, kann ich nur zu dem
Ergebnis kommen, dass da doch so einiges im Argen liegt.
Gut, wenn das aber bei allen so ist, dann relativiert sich das ja wieder. Wenn alle doof sind,
dann fällt es ja nicht so schwer ins Gewicht, dass ich auch doof bin. Doch, tut es. Denn die
Bibel findet ganz klare Worte, was es bedeutet, dass wir schuldig sind, das wir Sünder sind.
Sünde ist mehr als eine Tat, ein böses Wort, ein schlechter Gedanke, ein Diebstahl, ein
Betrug. Sünde ist ein Wesenszug. Wir sind Sünder. Ganz und gar. Und dies hat folgen für
unser Leben, und zwar gravierende. Ich möchte mal die 2 schlimmsten nennen:
1. Unsere Sünde trennt uns von Gott. Klingt vielleicht nicht übermäßig hart, ist aber eigentlich
der menschliche Super-GAU! Denn damit wird unsere Bestimmung verhindert. Wir sind
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geschaffen, um Gemeinschaft mit Gott zu haben. Das ist unser tiefstes Lebensziel, der tiefste,
eigentliche Sinn unserer Existenz. Und dieser wird von der Sünde kaputt gemacht. Denn Gott
ist ein heiliger Gott, der keine Sünde neben sich duldet. Sünde kann in der Gegenwart des
heiligen Gottes nicht bestehen. Das ist ein Fakt, ein Naturgesetz. Genauso wenig wie ein
Mensch unter Wasser atmen kann, kann ein Sünder in der Nähe Gottes Existieren.
Ausgeschlossen. Unser sündiges Wesen hat den Faden abgeschnitten, der unsere eigentliche
Bestimmung war – unsere Beziehung zu Gott ist gestört!
Und die zweite Konsequenz findest sich kurz und knapp im 3. Kapitel des Römerbriefes auf
den Punkt gebracht: „Denn der Sünde Sold ist der Tod!“. Stellt euch vor, ihr geht in ein
Restaurant. Richtig schick, drei Sterne, exquisite Weine, perfekte Ambiente, hervorragendes
Personal. Ihr speist fürstlich, 5 Gänge, inklusive Käseplatte und Aperitif. Toll. Ein perfekter
Abend – fast! Denn dann passiert das unglaubliche. Da kommt doch allen ernstes ein Kerl an
euren Tisch und präsentiert euch eine Rechnung! Unglaublich! was soll denn das. Und es geht
weiter. Als ihr gehen wollt, werdet ihr festgehalten und die Leitung des Lokal besteht darauf,
dass ihr diese Rechnung auch noch bezahlt. Unerhört? Nein, logisch, oder? Wenn ich in ein
Restaurant gehe und Esse, dann muss ich bezahlen. Das hat nichts mit Schikane oder
Mutwille des Besitzers zu tun, das ist nicht ungerecht oder grausam, das ist einfach nur
logisch und normal. Des Schmausens Sold ist die Rechnung. Und der Sünde Sold ist der Tod.
Das hat nichts mit Gemeinheit, Grausamkeit oder so zu tun. Wer sündigt, stirbt. Das ist nur
die logische Konsequenz. Unser Leben als Sünder hier auf dieser Welt hat die logische Folge,
dass wir sterben werden – und dann auf ewig getrennt sind von Gott.
Allein auf dem Hintergrund dieser Gedanken liest sich der psalm sehr verständlich wie ich
finde. Wir haben wirklich Grund, uns mit schreien und flehen an Gott zu wenden, dass er uns
aus dieser misslichen Lage befreit. Und das sollten wir auch tun. Denn dann kann e zum 2.
Punkt kommen:
2. Unsere Hoffnung
Der Psalm der letzen Woche war ja ein kleines bisschen deprimierend. Denn er ließ uns
mitten im Problem allein, er zeigte uns keime Lösung für die von ihm aufgeworfenen Sorgen
und Nöte. Der Psalm letzte Woche ließ uns im Dunklen zurück.
Wie schön, dass der Psalm es diese Woche anders macht. Denn er strahlt nur so vor lauter
Licht. Der zweite Teil von Vers 1 und Verse 2und 3 besprechen das Problem, die restlichen
Verse, also 4-8 , klären es und zeigen, wie genial und großartig Gott es löst. Ich lese nur noch
mal einige Auszüge vor: „Aber bei dir finden wir Vergebung, ich setze meine ganze Hoffnung
auf den Herrn, ich warte auf sein helfendes Wort. Hoffe auf den Herrn! Denn er ist gut zu uns
und immer bereit, uns zu retten. Ja, er wird retten von aller Schuld!“ Na, wenn das mal nicht
Mut machend ist. Wenn das mal nicht Horizonte öffnet.
An dieser Stelle müsste und möchte ich darauf eingehen, wie wir heute von verlorenen
Sündern zu Gottes Kindern werden. Vielleicht stöhnt der eine oder andere innerlich auf und
denkt sich: schon wieder diese olle Kamellen. Mag sein, dass dieses Thema alt ist – aber
elementar wichtig, auch für alte Hasen. Denn: Diese Gefühle, diese Selbstsicht, die ich eben
geschildert habe, d9eses Gefühl, dass ich nichts gebacken bekomme, das fast schon in
Selbstekel oder Selbsthass führen kann – das kennen auch Christen. auch die, die wissen, wo
es Vergebung gibt. Und darum werde ich nicht müde, über dieses Thema zu reden. Also, wie
kommt es dazu, dass wir, wie der Psalmist, Gott für unsere Rettung preisen können?
Und jetzt habe ich ein zwei Probleme. 1. Die Fülle des Themas. Das ganze Neue Testament
ist ein lobgeasang auf dieses Thema. Und das muss hier in einen Unterpunkt gepresst werden.
und 2. Es ist MEIN Thema, über das ich stundenlang voller Begeisterung reden könnte. Aber
ich werde Versuchen, mich kurz zu fassen.
Wie werden wir erlöst? Da gibt es nur 2 Antworten: Allein aus Gnade und allein durch Jesus.
Ich will versuchen, in wenigen Schlaglichtern das zu erklären und die wichtigsten Aspekte
aufzuzeigen – in genau 350 Worten. Los geht’s!
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Gott hat alles getan, um uns mit sich selbst zu versöhnen. Es war seine Initiative, sein
Handeln, sein Wille. Unsere Erlösung ist alleine Gottes Sache gewesen, zu 100%. Es war nur
die ‚Gnade Gottes, und kein bisschen dein eigenes Zutun. Darum darf sich auch kein Christ
einem anderen Menschen gegenüber überlegen fühlen. Denn nicht weil wir so tolle Hechte
sind, ist uns vergeben, sondern weil Gott so ein toller Hecht ist! Es war alleine Gnade – 100%
Gott, 0,00 % ich!
Vergebung ist möglich, weil Gott Mensch wurde. Bald ist wieder Weihnachten, und man
kann es gar nicht oft und deutlich genug sagen: Gott selbst verließ seine Herrlichkeit, wo ihm
Herscharen von Engeln dienten, um auf dieser kleinen Welt in einem kalten Stall Mensch zu
werden. Begrenztheit, Hunger, Schmerzen, Trauer, - alles Menschliche musste er ertragen –
weil er um unseres Willens ganz klein wurde.
Dann kommt natürlich der Kern: Jesus geht für uns ans Kreuz. Für uns. Er hätte das nicht
gemusst. Er hätte nur ein Wort sprechen müssen, und Heerscharen von Engeln wären
gekommen und hätten rund um das kreuz mal so richtig aufgeräumt und ihren Herrn wieder
mitgenommen. aber er rief sie nicht. er erlitt alles – für uns. Schande, Spott, wurde bespuckt,
geschlagen, gepeitscht, gedemütigt. Gott selbst, von seinen Geschöpfen. Unfassbar. Und alles
nur – für uns.
Und wenn es dabei geblieben wäre, dann wäre die Sache mit Jesus eine sehr kurze gewesen.
Aber die Geschichte geht weiter. Jesus ist auferstanden. Das ist Fakt. Das ist historisch so gut
belegt wie nichts anderes. Eher hat es die DDR nie gegeben, als das Jesus nicht auferstanden
ist. Ohne die Auferstehung gibt es keinen christlichen Glauben. Da hat Jesus den Tod ein für
alle mal besiegt. Da ist unser ewiges Leben besiegelt worden!
Und ein letztes noch: Unser Heil liegt allein an Jesus. An nichts anderem. Wenn euch
irgendjemand erzählen will, ihr braucht Jesus UND irgendetwas – dann sollten alle, wirklich
alle Alarmglocken losgehen. Um aus dem Teufelskreis der Sünde zu entkommen, um zu
leben, um gerettet zu sein brauch ich nur Jesus. Nicht Jesus und gutes Leben, nicht Jesus und
die Gebote, nicht Jesus und die Geistestaufe, nicht Jesus und den oder den Propheten. Jesus
allein. Nichts sonst brauche ich um selig zu sein, zu leben und zu sterben.
So, das waren jetzt 370 Worte, noch im Rahmen wie ich finde. Das ist der Horizont, den der
Psalm uns hier aufzeigt: Bei Gott gibt es Vergebung. Ohne wenn und aber! Und das sollte das
große Thema unseres Lebens sein!
3. Buße zeitgemäß
So, jetzt habe ich die beiden Dimensionen aufgezeigt. Die Sünde ist mächtig in unserem
Leben, aber Gottes Gnade ist mächtiger. Jetzt möchte ich abschließend noch auf einen
praktischen Punkt in diesem Zusammenhang zu sprechen kommen.
Auch wenn es Jesus ist, der alles für uns getan hat, gehört eine antwort von uns dazu. diese
Antwort bringt uns nicht in den Himmel, aber sie sollte natürliche Lebensäußerung eines
jeden Christen sein.
Auch als Christen leben wir nicht auf der grünen Wiese, auch wenn uns vergeben ist, fallen
wir immer wieder hin, sündigen wir immer noch. Und die natürliche Reaktion hierzu sollte
sein, dass wir immer wieder mit unserer Schuld zu Gott kommen. Diesen Vorgang nennt man
Buße.
Das ist ja auch der Hintergrund für den Titel dieser Predigt. Denn früher war es DAS Zeichen
von Buße, wenn man sich einen Sack als einziges Kleidungsstück angezogen hat und Asche
auf sein Haupt gestreut hat. So hat man symbolisiert, dass man es ernst meint mit seiner
Umkehr und hat so hoffentlich wirkungsvoll um Vergebung gebeten. Eindrucksvoll findet
sich das im Buch Jona, wo die ganze Stadt Ninive auf diese Weise Buße ut, hier sogar noch
verbunden mit Fasten. Und das alles mit großem Erfolg!
Mit der Zeit ändern sich diese Formen. Im Mittelalter gab es den berühmten „Bußgang zu
Canossa“. Der war bestimmt nicht sonderlich religiös motiviert, aber es war ein Bußgang. Ein
Kaiser kam hier, im Büßerhemd und barfuß, vor die Tore der päpstlichen Burg. Im Winter.
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Bei Eis und Schnee. Und der Papst ließ ihn erst mal mehrere Stunden warten. Kniend.
Barfuss. Im Schnee. als der Kaiser so seinen Büßerwillen hinreichend gezeigt hatte, ließ sich
der Papst herab und redete mit dem Kaiser – er im Warmen, im Mantel mit Schuhe, der
Kaiser draußen vor der Mauer. Es hat sich für den Kaiser aber gelohnt, der gegen ihn
verhängte Kirchenbann wurde aufgehoben und er hat sich auch nicht den Tod da draußen
geholt.
Was aber ist heute eine angemessene Form, wenn man Buße tun möchte? ich denke, wir tun
viel zu selten Buße. Holen uns viel zu selten die Vergebung bei Gott ab. Machen uns zu selten
bewusst, wo wir eigentlich überall falsch liegen, wofür wir Vergebung brauchen. Lassen uns
viel zu selten sagen, dass uns tatsächlich vergeben ist, dass wir tatsächlich keine
Schuldgefühle mehr haben müssen. Und ich denke, wir sollten neu Buße für uns entdecken,
sollten neu einüben, was es bedeutet, Buße zu tun. Darum möchte ich hier und jetzt einige
praktische Anregungen zu diesem Thema geben:
Such dir einen Beichtvater. Das klingt schrecklich altbacken und katholisch ist es aber nicht.
Das muss jetzt auch keine Vaterfigur oder so sein, was da hinter steckt ist folgendes: Suche
dir einen Menschen, dem du vertraust, mit dem du seelsorgerlich reden kannst, dem du deine
Sünden bekennen kannst, und der dir Vergebung zusprechen kann. Ich bin immer wieder
überrascht, wie viel mehr Macht das hat, wenn man aus dem Mund von jemand anders hört:
Chris, deine Sünden sind dir vergeben. Sehr tolle Sache. Natürlich sollte man bei der Wahl
dieses Vertrauten Sorgfalt walten lassen, aber das versteht sich ja. Und natürlich kann dies
auch gerne eine wechselseitige Beziehung sein. Während meines Studiums habe ich das mit
einem Klassenkollegen praktiziert, wir haben uns regelmäßig gegenseitig „gebeichtet“, das
hat uns beide wirklich bereichert und weitergebracht.
Dann könnte man über die Haltung nachdenken. Warum sollte man Gott nicht im Knien seine
Sünden beichten. Knien ist immer noch eine Demutsgeste. Sollte einem das Knien schwer
fallen, findet man da bestimmt Hilfskonstrukte. Was mir da wichtig ist, ist einfach: Die
Haltung, die wir vor Gott einnehmen, sagt so einiges über unsere Herzenshaltung aus. also
warum nicht mal vor dem Herrn der Welt Knien? oder liegen? Auch flach auf dem Boden zu
liegen ist eine solche Demutshaltung. Das mag jetzt vielleicht lustig oder lächerlich klingen,
aber ich glaube wirklich, dass diese Haltungen etwas ausdrücken können.
Und abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass buße auch sehr kreativ vollzogen
werden kann. Ich mache das hin und wieder mit meinen Jugendlichen. Da kann man Dinge
auf kleine Zettel schreiben und ans Kreuz heften. Sünden auf Zettel schreiben und diese
verbrennen – genau so pulverisiert ist meine Schuld durch Jesus. oder man bindet den Zettel
an einen Stein und wirft sie ins Wasser – frei nach dem Propheten Micha: Er warf unsere
Sünden ins äußerste Meer. Oder, oder, oder. Da kann man dann gerne noch mehr machen und
ausprobieren. Man kann auch gerne Sack und Asche tragen. Das meine ich ernst. Ich glaube,
dass alles erlaubt ist, was die Ernsthaftigkeit meiner Reue vor Gott zeigt und mir hilft zu
verstehen, dass mir meine Schuld WIRKLICH vergeben ist!
Wichtig ist mir: Die Form hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Buße. Wenn ich Jesu
Opfer am Kreuz angenommen habe, dann steht die Vergebung Gottes fest, egal wie ich zu
ihm komme. aber für mich und meine Beziehung zu Gott kann es sehr wohl von Bedeutung
sein, WIE ich zu ihm komme!
Ich bin der festen Überzeugung, dass es der Christenheit gut täte, sich wieder in der Buße zu
üben. Wenn alle Zeit und Kraft, die in innerchristlichen Grabenkämpfen verschwendet wird,
in echte Buße investiert würde, dann sähe die Gemeinde Jesu heute anders aus.
Aber es bringt ja nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Es hilft nur eines – selber
anfangen. Und ganz klar, Buße ist kein leichtes Geschäft. Sich eingestehen zu müssen, dass
man Fehler hat, Sünder ist, ist nicht einfach. Aber ich bin überzeugt, dass es sich lohnt. Lasst
uns damit anfangen, Buße neu zu üben!
Amen!
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