the museum as resource for education

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the museum as resource for education
1. KAPITEL
Der Unterhaltungswert von Museen: über die schwierige Beziehung eines Museums zu
seinen Besuchern
Filip Cremers
Museum van de Speelkaart, Tournhout, Belgien
1.1 Einführung
Der französische Philosoph und Wissenschaftler Blaise Pascal (1623-1662) behauptete einst "der
Mensch schafft sich sein Elend selbst; er fühlt sich rastlos, wenn er in einem Raum verharrt"
(Pensées, 143). Die Bedeutung dieser Aussage liegt auf der Hand: der Mensch ist ständig auf der
Suche nach Unterhaltung und Ablenkung; er führt Krieg, spielt Karten oder fängt Bälle.
Manchmal entscheidet er sich allerdings auch, ein Museum zu besuchen.
Noch lastet man Museen an, nicht auf Besucher aus zu sein. Sie würden sich lieber ihrer
selbstgefälligen Abgeschiedenheit hingeben, gerade so, als wären sie nur für eine Handvoll
Spezialisten oder ihre eigenen Angestellten da. Doch auch wenn sie ihre Pforten öffnen und sich
bemühen, an Popularität zu gewinnen, bleibt der größte Teil der Bevölkerung unbeeindruckt und
damit dem Museum fern1. Einer der Gründe für dieses Verhalten scheint die seltsame Beziehung
zwischen Museen und ihren Objekten zu sein. Das Museum entfernt das Objekt aus seiner
ursprünglichen Umgebung und isoliert es in einem scheinbar neutralen Raum. Jetzt, da es seiner
Offensichtlichkeit beraubt ist, ist das Objekt auf Erläuterungen angewiesen; dies kann
gelegentlich eine diffizile Aufgabe sein.
Im Zusammenhang mit der verstärkten Bildungsmission der Museen in aller Welt,
möchte ich Probleme erörtern, die die Beziehung des Museums mit seinen Besuchern betreffen
und dabei mit museologischen Argumenten über Objekte beginnen. Können Museen ihre
ungünstige Stellung – als Sammler wunderlicher und unverständlicher Objekte – in einen Vorteil
verwandeln? Welche Freiheiten darf sich ein Museum mit seinen Objekten nehmen? Sind
Objekte tatsächlich so wichtig wie allgemein angenommen? Der Philosoph G.W. Leibniz schlägt
einen Weg vor, wie Museen ein breiteres Publikum ansprechen können. Und schließlich, wie
steht's mit Kindern? Sollten sie anfassen dürfen, was sie wollen, um der einmaligen
pädagogischen Erfahrung willen?
1.2 Das originale Objekt
Ein Objekt, das man ins Museum gestellt hat, ist nicht mehr Teil seiner ursprünglichen
Umgebung und dient seinem ursprünglichen Zweck nicht mehr. Obendrein ist es häufig
beschädigt oder unvollständig und/oder seine Bedeutung nicht ganz klar. Objekte sind
buchstäblich hinter Glas isoliert. Wandteppiche werden immerhin noch an die Wand gehängt,
wenn auch nicht an die Wand in dem Schloss, in dem sie ursprünglich hätten hängen sollen. Sie
1
Untersuchungen der Europäischen Union ergaben, dass nur in einem von neun Ländern mehr als 50% der
Bevölkerung (im Alter von 15 bis 75 Jahren) mindestens einmal pro Jahr ins Museum gehen (Dänemark, 55%), in
Spanien und Italien weniger als 30%, in Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien zwischen 30 und 40%, in
Finnland und Belgien zwischen 40 und 50%. Die hier angegebenen Zahlen sind weder besonders genau noch
besonders aktuell; sie stammen z. B. für Spanien aus dem Jahre 1990, für Belgien aus dem Jahre 1998, wobei für
Belgien nicht so genaue Aufzeichnungen vorliegen wie für die Niederlande. Wichtig ist an dieser Stelle nicht die
Genauigkeit der Daten, sondern das, was sie implizieren: die Mehrzahl der Europäer geht überhaupt nicht ins
Museum, und gelegentlich heißt "mindestens ein " buchstäblich 'nur ein' ... (aus: Kultur-Statistik in der EU, 2000).
zeugen nicht mehr vom Reichtum und Geschmack ihrer Besitzer, sind keine Kriegsbeute mehr
und schützen auch nicht mehr vor Kälte.
Mit dem Verschieben eines Objektes aus seiner ursprünglichen in eine andere Umgebung
beraubt man das Objekt auch unmittelbar seiner Funktion, und schafft gleichzeitig das Problem,
den ursprünglichen Kontext und den Zweck des Objektes erklären zu müssen. Sogar Museen, die
Objekte in situ ausstellen, haben dererlei Probleme. Bergwerksmuseen können beispielsweise
(ohne größere Anstrengung) Tagebauausrüstung ausstellen, jedoch Schächte nur selten oder nie
zugänglich halten. Was bleibt, wenn das Museum die wichtigsten Teile seiner Sammlung nicht
zeigen kann? Religiöse Sammlungen in ehemaligen Kirchen werden vielleicht in passender
Umgebung ausgestellt, jedoch ist der weltliche Besucher kaum mehr in der Lage, Engel von
Heiligen zu unterscheiden. Eine Holztreppe in einem historischen Gebäude kann vielleicht
erhalten und nach hitzigen Debatten mit der zuständigen Feuerwehr auch zur Schau gestellt
werden, allerdings nicht ohne die erforderlichen Notausgänge, Feuerlöscher und
Betonunterbauten angebracht zu haben.
Stücke, die im Museum enden, erfahren deshalb eine Wertsteigerung. Allerdings sehen
auch billige und schäbige Haushaltswaren besser aus, wenn man sie hinter Glas in Szene setzt.
Indem sie Teil einer Ausstellung werden, wird ihnen Bedeutung zuteil; ein Vorgang, der – nicht
ganz zu unrecht – an den laienhaften Glauben erinnert, man sammle am besten alles und prüfe
zweimal, ob man etwas wegwirft. Marcel Duchamp (1887-1968) wies nach, dass selbst ein
Urinal mit Bewunderung angestarrt wird, wenn es in einem Museum ausgestellt ist.
Der museologische Wert ist nichtsdestotrotz relativ. Viele Objekte, die zufällig in einem
Museum landen, hätten genauso gut ganz verschwinden oder ganz andere Objekte sein können.
Die meisten Objekte schaffen es nicht einmal bis in ein Museum. Der Selektionsprozess mag
klar definiert und gut begründet sein, aber in der Realität sind andere, entscheidendere Faktoren
wesentlich wichtiger und lassen häufig die bewusste Entscheidung des Museums von
untergeordneter Relevanz werden. Wenn ein originales Objekt überlebt und dem Markt zur
Verfügung steht, muss das Budget des Museums immer noch den Kauf gestatten. Dabei muss
der Wert, den der zeitgenössische Museumsexperte dem Objekt beimisst nicht notwendigerweise
dem Wert entsprechen, den dessen Vorgänger oder unsere Vorfahren dem Objekt beigemessen
haben. Im Ägypten des 19. Jahrhunderts pflegten Maschinisten ihre Lokomotiven mit Mumien
zu befeuern, während in der heutigen Zeit ein Mumienfund in den Zwanzig-Uhr-Nachrichten
gemeldet wird. Man könnte behaupten, dass praktische Gründe zu einer solchen Sorglosigkeit
führten; schließlich war damals Treibstoff nur schwer erhältlich und der "wahre" Wert der
Mumien noch unbekannt. Doch impliziert dies gleichzeitig, dass der Wert von Objekten weder
eindeutig bestimmt noch beständig ist und, mehr noch, dass einzigartige Objekte nicht immer so
einzigartig sind.
Das Geburtshaus Mao Tsetungs (1893-1976) wurde auf dem Höhepunkt seiner Karriere
in ein Museum umgewandelt; jährlich besuchten drei Millionen Menschen das Haus. Um die
große Anzahl Besucher bewältigen zu können, bildete man kleine Gruppen und führte diese der
Reihe nach umher. Gleichzeitig wurde das Anwesen selbst angepasst: "Das Museum wurde in
zwei identische Bereiche unterteilt: sämtliche Ausstellungsstücke wurden dupliziert, so dass
mehr Gruppen gleichzeitig durchgeführt werden konnten" (Leys 1976, 115). Das revolutionäre
China hat maximalen Durchsatz durchs Museum zustande gebracht; Authentizität zählte nicht,
erfüllte doch das Duplikat den gleichen Zweck.
2
Wenn Authentizität keine Bedeutung mehr hat, fehlt zum Nachbessern und
Verschwindenlassen von Objekten nur noch ein kleiner Schritt. Das Objekt kann ohne weiteres
einfach entfernt werden, wenn z. B. ein bestimmtes Individuum in Ungnade fällt. In China
reichte – wie einst in der Sowjetunion – die politische Macht bis in die Vitrine im Museum.
Retuschierte Fotos, verbrannte Archive und zerstörte Statuen wurden gemeinhin akzeptiert,
wenn sich die politische Richtung änderte. Der Fall der Berliner Mauer (1989) brachte eine
radikale Änderung in der Handhabung dieser Dinge, allerdings erst nachdem die bekannten
Säuberungsaktionen einmal mehr ihre Dienste geleistet hatten. Da verschwanden ganze
Sammlungen oder wurden den Blicken entzogen.
Westliche Museen haben stets Einzigartigkeit und Authentizität besonders betont und
versuchen, das 'Echte' und keine Duplikate zu zeigen. Dieser noble Anspruch wird jedoch im
Alltagsleben nicht von gleicher Wichtigkeit empfunden. Einzigartigkeit spielt bei vielen
Objekten lediglich eine untergeordnete Rolle: Gebrauchsgegenstände, Maschinen,
Grabbeigaben, Spielzeuge, Käfer, Masken; alles wird in einer Vielzahl hergestellt und ist durch
ein einziges Beispiel darzustellen, das alle anderen, gleichartigen Objekte vertritt. Warum dann
ausgerechnet ein bestimmtes originales Objekt im Museum landet, kann oft nur dem Zufall
zugeschrieben werden.
Andererseits sind Duplikate gelegentlich besser als das Original. Anthropologische
Anordnungen in Museen bestehen heutzutage meist aus Kopien, da die originalen
Schädelfragmente viel zu wertvoll sind, als dass man sie transportieren würde. Die Herstellung
mehrerer Kopien erleichtert Forschungs- und öffentliche Bildungsarbeit und macht das
Ausstellen an verschiedenen Orten möglich. Dank moderner Techniken können Fotos und
Zeichnungen praktisch perfekt vervielfältigt werden. Sobald sie ausgestellt sind, können auch
Experten oft nur schwer feststellen, ob es sich um Originale oder Reproduktionen handelt. Es
gibt natürlich auch Fälle, in denen Authentizität von höchster Bedeutung ist, beispielsweise bei
Gemälden, religiösen Kultgegenständen oder Objekten, denen außergewöhnliche Kräfte
zugeschrieben werden.
Nichtsdestotrotz ist Originalität selbst ein limitierter Begriff – das wird bei
Restaurierungsarbeiten offensichtlich. Darf man Fragmente oder Ruinen vervollständigen?
Wenn ja, wie? Was ist mit Gebrauchsspuren, die darauf hinweisen, dass das Objekt benutzt
wurde? Was, wenn die Gebrauchsspuren bereits beseitigt wurden? Menschen, die Objekte
restaurieren, finden kreative und vernünftige Lösungen für diese Probleme. Dennoch ist es
unmöglich, das Objekt in seine 'reine' Form zurückzubringen, d. h. in seinen Originalzustand.
Praktisch jedes Objekt wird beschädigt oder benutzt sein, deshalb darf man "original" nicht mit
der "ursprünglichsten Form" gleich setzen, sondern mit dem Zustand, in dem das Objekt
seinerzeit gefunden wurde. Abnutzungserscheinungen und Fehler erhöhen den Wert des
Objektes und tragen dazu bei, die ganz eigene Geschichte des Objektes zu erzählen. Originalität
kann auch bei Kopien zu einem Thema werden – kein Museumskurator würde z. B. je auf die
Idee kommen, die römische Kopie eines griechischen Originals wegzuwerfen.
Kopien und Reproduktionen haben noch einen weiteren Vorteil: man kann sie im
Museumsshop verkaufen. Im wahren demokratischen Geist des Museums können die Besucher
ihre eigene Sammlung aufbauen oder den Stein von Rosette in ihren eigenen vier Wänden
studieren.
Computer öffnen die Türen sogar noch weiter und gestatten dem Besucher, die Objekte
und sogar die Innenansichten der Objekte unabhängig und intensiv zu untersuchen, was in
3
herkömmlichen Ausstellungen nicht möglich war. Dies brach eine delikate und wichtige Debatte
über den Wert virtueller Besuche im Vergleich zu herkömmlichen, realen Besuchen vom Zaun,
insbesondere angesichts der bizarren Tatsache, dass manch einer interessierter auf den
Rechnerbildschirm starrt, als auf das direkt daneben ausgestellte Original.
1.3 Das erklärte Objekt
Was wird ausgestellt? Was macht bestimmte Objekte so wichtig, dass man sie ausstellt? Das
Auswahlkriterium liegt nicht so sehr im Objekt selbst, als vielmehr in seinem Wert, seiner
Authentizität, seinem Zustand oder seiner exemplarischen Funktion. Das Objekt zeigt mehr als
nur sich selbst, es reflektiert Bräuche, Geschichte oder Kultur. Es schafft Bezug zu einem
bestimmten, häufig nicht mehr bestehendem Kontext, aus dem das Objekt entfernt wurde.
Durch das 'Isolieren' von Objekten in Museen werden erklärende Bemerkungen
notwendig. Erläuterungen (gleich welcher Art) geben an, was der Besucher sieht oder sehen
sollte und sollen besonders dann helfen, wenn die Bedeutung eines Objektes nicht erkannt oder
eigene Interpretationen nur schwer entwickelt werden können.
Zweifelsohne sind zusätzliche Informationen unabdingbar, wenn es um Objekte aus
anderen Kulturbereichen oder längst vergangenen Zeiten geht. Die Eigenart von Erläuterungen,
auf die gleichen Schemata und Gepflogenheiten zurückzukommen, lässt vermuten, dass die
Menschen auf der ganzen Welt gleich sind und gleich waren. Ein derartiger Ansatz dient dem
Bildungszweck eher und stützt sich für die Beschreibung von Objekten auf westliche Kriterien,
damit sie von Besuchern ohne spezielles Wissen über die Sammlungen verstanden werden
können. Nicht immer wird jedoch dieser Zweck befriedigend erfüllt. Die Verwendung von
Terminologie ist, wie z. B. die populäre Bezeichnung "Idol", häufig missverständlich oder
falsch. Der Besucher erhält den Eindruck, dass das Objekt erklärt wird, jedoch ist der Inhalt der
Erklärung nur selten hilfreich, ebenso wenig wie das Schildchen mit dem Künstler- und
Gemäldenamen am Rand des Gemäldes dem gewöhnlichen Besucher helfen kann, das Objekt zu
verstehen.
Erklärungen sind auch vonnöten, wenn Objekte, Konzepte, Bedeutungen ausgestellt
werden, die nicht einfach präsentiert werden können. Auch wenn die zahlreichen Dinge in den
Glasvitrinen zu dieser Annahme verleiten mögen – vieles kann nicht einfach gesammelt werden.
Ein Esslöffel kann in den Bestand aufgenommen und ausgestellt werden, jedoch nicht die
Mahlzeit; eine Spielkarte kann gerahmt werden, jedoch nicht das Kartenspiel. Nur zu oft
repräsentieren Objekte nur einen kleinen Teil eines größeren Prozesses oder umfangreicheren
Kontextes. Wie kann man diese Dinge präsentieren oder sammeln? Das Aufzeichnen und
Präsentieren von Bildern, Tönen, Gerüchen oder das Hervorrufen von Gefühlen und
Impressionen ist nur indirekt hilfreich, und der rekonstruierte Event kann dem Besucher dennoch
durch die Finger gleiten.
Texte sind das herkömmliche Mittel, um Objekte zu erklären; allerdings stellen sich bei
der Verwendung von Texten im Museum Probleme wie z.B.: Fehler des Autors, Experten mit
ihrem Hang zu Gründlichkeit und Fachjargon, Verwendung des falschen Designs mit einem
modernen Mangel an Klarheit, falsche Platzierung, so dass die Erklärungen entweder die Sicht
auf das Objekt versperren oder so weit entfernt sind, dass nicht klar wird, zu welchem Objekt sie
gehören.
Texte sind nicht so populär wie allgemein angenommen; die Mehrzahl der Besucher
verliert nach dem ersten Teil der Ausstellung schnell das Interesse. Lediglich 65% der Besucher
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lesen maximal 60% des angebotenen Textes, von dem nur 10% in Erinnerung bleiben (Janssen
1994). Das heißt, dass ein beträchtlicher Teil der Erklärungen niemals gelesen wird. Gleichzeitig
können Texte auch destruktiv sein: Je länger der Besucher liest, desto kürzer betrachtet er das
Objekt.
Daneben sind die von einem Museum bereitgestellten Informationen niemals neutral,
sondern haben praktisch immer eine tieferliegende Bedeutung. So können beispielsweise die
Erklärungen, die schildern, wie das Leben früher war, den primitiven und abergläubischen
Charakter hervorheben. Die Natur wird als wundersam oder geordnet präsentiert, mit Arten und
Unterarten. Das Museum stellt sein Prestige (mit bedeutenden Kunstwerken) oder seine Courage
(mit kontemporären Künstlern) zur Schau.
Nichtsdestotrotz reflektieren Texte die Mission des Museums und seine
Annäherungsweise an seine Sammlungen. Neben scheinbar hilfreichen Informationen (in der
Regel ein traditioneller, kurzer Überblick über die 'festen/gesicherten' Fakten, wie z. B. die
Abmessungen des Objektes, der für den Besucher meist ohne Bedeutung ist) sagen die
Erklärungen auch viel über das Museum selbst aus, über seine Konservierungsmethoden, seine
Gönner, die Geschichte des Objekterwerbs etc. und präsentieren eine Menge Wissen sowie
Geschmacksaspekte und Arbeitsmethoden. Diese Aspekte sind oft kaum wahrnehmbar; dennoch
sind sie ebenso real und untermauern die Museumsautorität.
Kurzum, Texte werden genutzt, um den Forschungsfortschritt mitzuteilen, das Objekt zu
identifizieren, die Expertise des Museums zur Schau zu stellen; außerdem sind sie ein Kriterium
für den Besucher. Dennoch bemühen sich nur wenige Museen, derartige Informationen
regelmäßig zu aktualisieren.
1.4 Das virtuelle Objekt
Das International Council of Museums ICOM [Internationaler Museumsrat] definiert Museen als
eine "für die Öffentlichkeit zugängliche, gemeinnützige und dauerhafte Einrichtung im Dienste
der Öffentlichkeit und ihrer Entwicklung, die gegenständliche Beweise der Menschen und ihrer
Entwicklung zum Zwecke der Forschung, Ausbildung, Erziehung und Unterhaltung erwirbt,
erhält, erforscht, kommuniziert und ausstellt.” Den Zweck "Unterhaltung" ausdrücklich zu
erwähnen, heißt, es darf wieder gelacht werden! Ein Museum muss unterhalten können, diese
Vision entspricht genau der heutigen Unterhaltungskultur, in der langatmige Diskussionen,
schwierige Syntax und trockene Informationen zunehmend durch hochkarätige und leicht
verdauliche Unterhaltung unterminiert werden.
So werden statt Texten andere Mittel verwendet, um die Objekte aus ihrer Isolation zu
holen, in Bezug zu anderen Objekten zu präsentieren und Umgebungen zu schaffen, die die
ursprüngliche Umgebung des Objektes rekonstruieren. Tierparks scheinen für diese
Entwicklungen zugänglich zu sein. Käfige mit unechten Pflanzen gelten als altmodisch; heute
lässt man den Besucher lieber in einen Miniatururwald eintauchen, in dem die Tiere "frei"
herumlaufen dürfen. In manchen Museen stehen Repliken zur Verfügung, so dass der Besucher
die Objekte berühren und benutzen darf. Manchmal geht die Inszenierung indes so weit, dass
sogar die Speisekarten der Restaurants des Museums entsprechend angepasst werden.
Besucher scheinen – einer Abwechslung nie abgeneigt – diese Art von Fortschritt zu
schätzen. Die neuesten Medien bieten Museen die perfekten Lösungen: sie können problemlos
Objekte duplizieren oder archäologische Überreste in intakte Städte verwandeln. Es kann sein,
dass der Besucher oftmals nicht einmal registriert, dass diese Medien ein falsches Gefühl des
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Vorhandenseins und der Zugänglichkeit entstehen lassen – schließlich ist er daran gewöhnt, die
Welt durch diese "Brille" zu betrachten.
Diese ewig fortschreitende Technik – in manchen Ländern finanziell von der Regierung
abgesegnet – erobert die Museen im Sturm. Die bisherige Aversion gegen Duplikate und Kopien
wird bedeutungslos angesichts der Tatsache, dass das Internet selbst die abgestumpftesten
Besucher mit der virtuellen Welt versöhnen kann. Diese scheint langsam, aber sicher gegenüber
den Museen mit "echten" Objekten an Bedeutung zu gewinnen, in dem Sinn, dass sie einen
Komfort und eine Zugänglichkeit bietet, die von einem anderen Medium kaum zu übertreffen
sind.
Eine Kostprobe der Möglichkeiten der virtuellen Realität gibt es bereits in Institutionen,
die sich auf Rekonstruktion und Imitation spezialisiert haben, wie beispielsweise Wachsmuseen.
Zugegeben, zwischen Wachsmuseen und Computern ist ein gewaltiger Unterschied – doch
Wachsmodelle imitieren eine nicht sichtbare Realität mit alten Techniken, genau wie virtuelle
Bilder mit neuesten Technologien eine Realität hervorbringen, die es nicht gibt. WachsmodellSammlungen sind ein Mix aus Realität und Fiktion, versuchen aber trotzdem, mit "echten"
Kleidern und Accessoires eine gewisse Authentizität zu schaffen. Gleichzeitig gehen sie über
die Realität hinaus, denn sie schönen unansehnliche Aspekte und zeigen explizit, was man nicht
sieht bzw. nicht sehen kann. Niemand will schließlich wirklich in die Hände eines grausamen
Serienmörders fallen ...
Wachsmuseen sind nicht die einzigen, die die Realität verschleiern, auch "traditionellere"
Museen rekonstruieren die Realität. Im The Cloisters (New York) wurden Elemente
europäischer Bauwerke des Mittelalters zu etwas rekonstruiert, das es nie gab, nie geben konnte,
jedoch vielleicht in einer anderen Welt hätte geben können. Es ist vermutlich kein Zufall, dass
besonders die Vereinigten Staaten und Kanada Meister auf diesem Gebiet sind, schließlich
müssen sich in diesen Ländern die traditionellen Museen mit zahlreichen Vergnügungsparks,
Fantasiewelten (z. B. Disney), "Believe it or not"-Museen (die die unglaublichsten Dingen
zeigen) oder Museen der Art "die größten Verbrecher der Geschichte" (einschließlich kompletter
Rekonstruktionen) messen (Eco 1985, 7-70). Hiervon ließen sich europäische Foltermuseen
inspirieren.
Die virtuelle Realität ist für Museen eine große Unterstützung und gestattet ihnen,
“perfekte” Rekonstruktionen herzustellen, auf deren Grundlage der Besucher reflektieren und
mehr lernen kann. Das bedeutet keineswegs, dass sie die Realität ersetzt, sondern eine Erfahrung
am Bildschirm und aus zweiter Hand bleibt. Computer gestatten allerdings, Forschungs- und
Bildungsprozesse zu personalisieren und dem individuellen Kenntnisstand anzupassen und
erlauben eine stärkere Teilnahme und Interaktion. Die verletzlichsten Objekte können außer
Reichweite und sicher vor Beschädigungen aufbewahrt werden und sind doch stets online
verfügbar.
1.5 Das sensationelle Objekt
Die Realität im Museum kann noch weiter modifiziert werden. Eine Ausstellung kann zu einem
sensationellen Erlebnis werden und einen Mix aus Bildern, Tönen, Licht und Farbe bieten, der
Besucher überwältigt und in eine andere Welt entführt; das Ergebnis ist ein
vergnügungsparkähnliches Erlebnis, untermalt mit der neuesten Technologie. Das ist nicht billig
(das Museum of the Moving Image [Museum der bewegten Bilder] in London musste Bankrott
anmelden) und bereits unmittelbar nach der Eröffnung veraltet (das ausgezeichnete
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Weltkriegsmuseum "In Flanders Fields" in Ieper arbeitet seit seiner Eröffnung an einer
Fortsetzung). Beide Wege sorgen für öffentliches Interesse, wenn auch nur vorübergehend.
Es ist nicht ganz klar, ob Besucher auf diese Weise mehr lernen. Es mag für Menschen,
die auffällige Filme und Spezialeffekte gewöhnt sind, ein angenehmerer Lernprozess sein.
Jedoch ist es für ein Museum schwierig, in der kurzen Zeit eines Museumsbesuches ein
Frontalerlebnis anzubieten, für das es atemberaubende Methoden wie z. B. Gedärme,
Todesängste und Wahnsinn einsetzen müsste! Es ist möglich, kurzlebige Impressionen zu
kreieren, klare Illusionen mit Bezug zur Realität; je näher man jedoch an die Effekthascherei von
Horrorsammlungen, Horrorfilmen und Spukhäusern rückt, desto dünner wird das Eis. Dies
impliziert, dass in diesen Museen die Rolle des Objektes zugunsten der beabsichtigten
Erfahrung, die mit verschiedenen Mitteln geschaffen wird, ins Abseits geschoben und dem
originalen Objekt eine attributive Rolle innerhalb der Szenerie zugewiesen wird.
Gleichzeitig haben verschiedene Museen den Ansatz des sogenannten "Edutainment" –
der als Unterhaltungsprogramm servierten Bildung und Erziehung – gewählt. Im Kampf um die
Aufmerksamkeit des Publikums besteht die Gefahr, dass die pädagogischen Werte den
sensationellen geopfert werden, denn auch Museen glauben an Sensationen. Es kann ein Detail
sein: Ein Drehtisch im Schaufenster lässt den Umsatz um 30% hochschnellen (Museumvisie
2001, 9). Dinge, die funktionieren oder sich bewegen, sind ein Segen fürs Museum. Dinosaurier,
die ihre Beine heben und brüllen können, ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich als ein Haufen
blasser Knochen.
Ein sehr extremes, inspirierendes und unglaublich interessantes Beispiel für das
sensationelle Genre ist die Ausstellung "Körperwelten", die erstmals Ende 1997 im
Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim und später an verschiedenen Orten zu
sehen war (Brüssel und London, 2002). Überall war sie Gegenstand von Kontroversen. Der
Anatom Gunther von Hagens zeigte menschliche Körper, die er mit seinem eigenen Verfahren
präpariert und konserviert hatte.2 Dieses Verfahren ermöglicht ihm, Organe oder ganze Körper
aufzuschneiden und zu zeigen. Mit einem Sinn für makabere Inszenierungen werden diese
Körper in suggestiven Posen dargestellt – inspiriert unter anderem von Andreas Vesalius (15141564) und Michelangelo (1475-1564); was normalerweise im Verborgenen bleibt, wird hier
Schicht für Schicht offenbar wie z. B. der Mann, der seine eigene Haut wie ein Jackett über dem
Arm trägt.
Die traditionelle museologische Langweiligkeit kann mit dieser Art des
Katastrophentourismus nicht konkurrieren. Die Ausstellung zog in Mannheim mehrere
hunderttausend Besucher an und blieb schließlich 24 Stunden am Tag geöffnet. Die
wirtschaftliche Auswirkung (eine weitere moderne museologische Tugend) war immens,
lediglich Mannheims Taxifahrer und Kneipenbesitzer beschwerten sich über das Spektakel.
Grumblers Anschuldigung, Von Hagens sei geschmacklos und neige zur Perversion, wurde
übertönt von der Aufregung, die die Ausstellung entfachte.3 Der Künstler hat sicherlich keinerlei
2
Bei der sogenannten Plastination werden Körperflüssigkeiten und Fett durch Azeton, und anschließend durch
Polymere ersetzt. Die Plastination findet im Vakuum statt. Plastinierte Körper können wie synthetisches Material
oder Holz weiter verarbeitet werden, d. h. sie können z. B. in Scheiben geschnitten werden. Siehe:
www.koerperwelten.com
3
Auf jeden Fall tat er moralische und juristische Bedenken ab. Man sagt, von Hagens habe illegal Leichen aus
Asien und Osteuropa importiert, und eine Besucherin habe die Leiche ihres an Krebs verstorbenen Vaters
wiedererkannt, der wollte, dass sein Leichnam für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt wird ...
7
Skrupel, andere zu provozieren, was sich auch an der ungewöhnlichen Vermarktung und den
ausgesuchten Ausstellungsorten bemerkbar macht. Auf das Museum in Mannheim folgte ein
alter Bahnhof in Berlin und der Keller eines Schlachthofes in Brüssel. Tatsache ist, dass alle
Objekte dieser Ausstellung kreiert wurden. Von Hagens hat die menschlichen Überreste für
diesen Anlass einer speziellen Behandlung unterzogen, in Scheiben geschnitten, aufgeschnitten,
zusammengefaltet und aufgehängt. Eine künstliche Anordnung von Materialien, die einst
lebendig waren. Auch in diesem Fall wird das Objekt gänzlich in den Hintergrund gedrängt. Die
Präsentation steht im Vordergrund, anmutig und grausam zugleich. Die Ausstellung ist "mirabile
visu", ein faszinierender Anblick. Trotz der Gerüchte ist "Körperwelten" höchst instruktiv und
zielt bewusst auf die breite Öffentlichkeit. Jung und Alt können mit eigenen Augen sehen, was
bisher das exklusive Privileg einer Handvoll Forscher war.
1.6. Das wissenschaftliche Objekt
So kontrovers sie auch sein mögen, die "Körperwelten" haben ihren Platz im Museum zu Recht.
Ist das Museum nicht der würdige Nachfolger der "Wunderkammer" und der
Kuriositätensammlungen vergangener Jahre (Pomian 1987)? Und ist es – seit dem
Emporkommen der modernen Wissenschaften – nicht die Aufgabe der Museen, zu sammeln, zu
präparieren, zu zeigen, zu erstaunen und zu erziehen? Ist es nicht ein ehrenvoller Salut an die
Pioniere, die menschliche Körper öffneten, um sie von innen zu sehen, statt die Wahrheiten aus
der Literatur des Altertums zu übernehmen? Und sollten Museen nicht auch die ersten sein,
wenn es um neue Präparations- und Ausstellungsverfahren geht?
Der deutsche Philosoph G.W. Leibniz glaubte bereits im Jahr 1675, dass die Museen
wissenschaftliches Interesse und pädagogische Ausstellungen mit sensationeller Unterhaltung
kombinieren sollten (Leibniz 1971, 562-568). Leibniz war Zeuge, wie an der Seine in Paris ein
spezieller Anzug vorgestellt wurde, mit dem man auf dem Wasser laufen konnte.4 Dieses
Beispiel an Einfallsreichtum brachte Leibniz auf den "schönen" Gedanken, wissenschaftliche
und Kuriositätensammlungen in größere, öffentliche Ausstellungen umzuwandeln. Sein
"Museum" würde ein Ausstellungspark oder -jahrmarkt werden, in dem wissenschaftliche
Entwicklungen sowie die neuesten praktischen Erfindungen präsentiert und in verständlicher
Form erklärt würden. Damit auch die breite Masse angesprochen wurde, bot er sensationelle,
amüsante Unterhaltung (Feuerwerk, Wunderlaternen, Maschinen, Akrobaten, fremde Tiere,
Theater, Wettervorhersagen, Konzerte und andere Sensationen der damaligen Zeit). Der
wissenschaftliche Park musste finanziell unabhängig sein, um Einflussnahmen durch Behörden
zu vermeiden und langfristig lebensfähig zu sein. Leibniz hatte hierfür eine einfache Lösung:
Spielhallen. Die lasterhafte Spielsucht diente so einem sinnvollen Zweck, und man könnte auf
nützliche Weise von menschlichen Schwächen profitieren.
Dank der vielfältigen Angebote und Unterhaltungsmöglichkeiten würde er in der Lage
sein, die breite Öffentlichkeit anzusprechen, inklusive Frauen und solcher Menschen, die sich
normalerweise von Naturwissenschaften nicht in den Bann ziehen lassen. Es wären keine echten
Museen, aber hinter der glitzernden Fassade würden Wissenschaftler an ihren Sammlungen und
Erfindungen arbeiten. Leibniz schlug vor, diese Jahrmärkte auf verschiedene größere Städte zu
erweitern. Solange der Mensch sich in einem Raum rastlos fühlt, bieten museologische Parks
Unterhaltung und sinnvolle Zerstreuung.
4
Offenbar handelte es sich um Ledergeschirr, das über Kreuz an einer hölzernen Boje befestigt wurde, und in dem
ein Mann saß, der einen Airbag um die Taille und flügelähnliche Flossen an seinen Knöcheln befestigt hatte.
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Wie viele seiner Vorschläge, wurde dieser "schöne" Gedanke Leibniz' nicht ausgeführt,
da sich weder Geldgeber noch Gönner fanden. Dennoch hatte er Recht, was die Art und Weise
anbelangt, wie der Unterhaltungswert das Interesse an Museen und sogar an wenig interessanten
Themen anregen kann. Unterhaltung bedeutet Konsum, und natürlich hatte der praktisch
denkende Leibniz auch die wirtschaftliche Seite im Auge. Trotzdem wurde gleichzeitig die
andere Absicht nicht in den Hintergrund gedrängt. Mitten im Vergnügen wurde gesammelt,
geforscht, entdeckt und am menschlichen Schicksal gearbeitet. Leibniz befürchtete sogar, dass
wichtige und unschätzbare Informationen wegen unzulänglicher Berichte und unzureichender
originaler Feldarbeit verloren gehen könnten. Er hatte das Gefühl, man dürfe keine Zeit
verlieren.
Man könnte argumentieren, dass das von Leibniz vorgeschlagene Jahrmarkt-Modell
leicht die ICOM-Definition des Museums, das sammelt, präpariert, prüft, zeigt und erklärt,
erfüllt. Diese alte Idee, Unterhaltung und Sammlungen zu kombinieren, ist eine verlockende
Antwort auf die Probleme des Museums der modernen Zeit. Wenn das Museum seinen
Unterhaltungswert ausschöpfen würde, wäre es finanziell lebensfähiger und würde ein breiteres
Publikum erreichen. Museen können lebendig und sensationell sein, ohne ihren
wissenschaftlichen Status aufzugeben, und müssen hierfür keine Unordnung in ihre Objekte
bringen.
1.7 Das Objekt für Kinder
Auch wenn ein Museum keinen Ehrgeiz hat, als Jahrmarkt zu fungieren, ist es doch schwierig,
das richtige Gleichgewicht zu finden. Ohne Besucher gibt's kein Museum, doch wie weit sollte
man gehen, um Besucher anzuziehen? Wo ist die Grenze zwischen einer wissenschaftlichen
Einrichtung und einem Vergnügungspark? Kein einziges Museum scheint bereit zu sein, etwas
zu unternehmen, um mehr Besucher anzuziehen, auch wenn heutzutage keiner mehr mit Farben
oder Spektakel verschreckt wird. Museen sind – zu Recht – vorsichtig, denn sie sind verpflichtet,
für ihre Objekte zu sorgen und in wissenschaftlich-seriöser Form zu informieren. Das Sammeln
und Erhalten von Objekten verträgt sich nicht immer mit dem Zeigen und Erklären der Objekte
auf trendige und ansprechende Art. Manche Objekte dürfen buchstäblich nicht ans Tageslicht
kommen, um nicht beschädigt zu werden, bei anderen muss man mehr als vier Zeilen schreiben,
um sicher zu gehen, dass die Erklärung richtig interpretiert wird.
Geht es um junge Besucher, liegen die Dinge allerdings anders! Bei Kindern zahlen sich
die traditionellen Bedenken und Restriktionen aus. Verkleidet als Römer oder Mönche stören sie
die heilige Ruhe des Museums. "Nicht berühren" hat seine Bedeutung verloren, seit MitmachWorkshops angeboten werden. Museen stellen monströse Sandkästen bereit und lassen die
Kinder in Ausgrabungsaktivitäten schwelgen. Was gefunden wird, darf als Souvenir behalten
werden. Die Tatsache, dass es der archäologischen Erfahrung an wissenschaftlicher Präzision
fehlt und sich deshalb eine gewisse Nähe zu Indiana Jones' Zerstörungsgehabe nicht leugnen
lässt, interessiert hier nicht. Ungeachtet der Feuerschutzvorschriften wandern sie mit Kerzen
oder Öllampen im Museum umher, und können die Entwicklung des künstlichen Lichts aus
erster Hand miterleben. Campieren ist gestattet, und kann in einem fremden Raum mit obskuren
Objekten zu einem aufregenden Erlebnis werden – auch wenn es bedeutet, das Sicherheitssystem
für eine Weile zu deaktivieren.
Es scheint, dass Museen weniger Skrupel haben, wenn es um Kinder geht. Da dürfen
Objekte angefasst werden, Duplikate sind überaus nützlich und Vorschriften werden gelegentlich
9
außer Acht gelassen. Schwierige Themen wie Steuern oder Magnetismus können plötzlich in
verständlicher Weise erklärt werden. Museen würden alles tun, um ja nicht steif oder langweilig
zu wirken – was man Schulen nachsagt – und präsentieren sich deshalb als attraktive
Alternative: klasse Ding, da darf man alles selber ausprobieren!
Workshops für Kinder und Jugendliche entsprechen genau dem Leibniz-Projekt. Sie
kombinieren Spaß und Ernsthaftigkeit und verwandeln die heiligen Hallen respektabler Museen
in richtige Vergnügungsparks. Sie versöhnen die komplizierten und widersprüchlichen Aufgaben
eines Museums. Workshops für Kinder und Jugendliche sind die idealen Labor- und
Versuchsbedingungen, in denen ein Museen mit seinen Besuchern experimentieren kann. Kinder
sind schwierige, aber auch anerkennende Besucher und sie sammeln – wie Museen – für ihr
Leben gerne. Freuen wir uns also, dass es sie gibt. Jedes Museum sollte sich aufmerksam um sie
kümmern.
Literaturhinweise
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onwerkelijkheid”, Amsterdam.
Janssen, D. (1994) Tekst in Musea. Omgaan met informatie in het museum, Eindhoven.
Leibniz, G.W. (1675/1971) Drôle de pensée touchant une nouvelle sorte de
REPRESENTATIONS (plustot Académie des Sciences, September, 1675),
veröffentlicht in: Sämtliche Schriften und Briefe. Vierte Reihe. Politische Schriften.
Erster Band 1667-1676, Berlin 1971, Seite 562-568.
Leys, S. (1976) Chinese Schimmen, Amsterdam 1976 (2. Ausgabe).
Museumvisie, Vol.25 / No. 4 (Dezember 2001), Seite 9.
Pomian, K. (1987) Collectionneurs, amateurs et curieux, Paris, Venise XVI-XVIIIe siècle, Paris.
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