Geübt wird zuhause - Mecklenburger Pferde

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Geübt wird zuhause - Mecklenburger Pferde
TURNIER-TIPPS | KOLUMNE
schäft und deshalb von vielen Ausbildern begehrt. Der Teilnehmer sollte sich
jedoch tunlichst über den Hintergrund des Trainers informieren. Das besagt
nicht, dass er unbedingt Olympiasieger sein muss, um guten Unterricht zu
geben. Es gibt jedoch die so genannten Wanderreitlehrer, die es ob ihrer Persönlichkeit oder Qualifikation nicht vermögen, sich einen permanenten Kundenstamm zu etablieren. Ihre Lehrgangsinhalte beschränken sich meist auf
die formale Korrektur. Sie vermögen es jedoch nur selten, Wege in der Ausbildung von Pferd und Reiter aufzuzeigen. Sehr kritisch muss die „Videokorrektur aus Richtersicht“ gesehen werden. Hier werden von Richtern
(manchmal mit lediglich unterstem Amateurausbilderstatus) formale Mängel in der Ausführung besprochen. Eine Trainingsform, die sich bei sehr weit
fortgeschrittenen Reitern beispielsweise für die Entwicklung der Kür empfiehlt oder die dazu dient, das visuelle Feedback des Gefühlten zu erhalten.
Für den Einsteiger sind diese Lehrgänge wenig hilfreich.
Egal wie wertvoll sich der Unterricht im Endeffekt darstellt, wichtig sind
vor allem die Aspekte, die mit dem Turnier vergleichbar sind. Transport, fremde Umgebung, Zuschauer, innerer Leistungsdruck. Das Bestehen dieser „Prüfung“ ohne mit einer öffentlichen Note abgespeist zu werden, ist ein erheblicher
Schritt nach vorne auf dem Weg zum ersten Start.
fessionell geführten Stall ein oder zwei Veteranen jenseits der „30“, die aus
Dank für die geleisteten Dienste ihr Gnadenbrot bekommen, es gibt diverse Zuchtstuten, die genauso umhegt und gepflegt werden und es gibt mindestens ein Maskottchen (meist Shetti), das den heimlichen Boss des Hofes darstellt. Sie alle werden geliebt, geehrt und rundum versorgt. Dennoch
sind es nur die wenigsten, die am Wochenende zum Turnier fahren. Es ist
unfair, ein Pferd oder Pony in den Turniersport zu bringen, das auf Grund
seiner Physiognomie, seiner Zuchtrichtung und seiner Ausbildungsfähigkeit
die Anforderungen nicht erfüllen kann. Sicherlich spielt die Grundveranlagung eines Pferdes in der Reiterprüfung eine weniger große Rolle als in den
Dressur- oder Springprüfungen. Es obliegt der Verantwortung der Eltern oder
Trainer, Anfänger (zumeist Kinder) nur mit dem entsprechend geeigneten
Partner in den Wettbewerb zu schicken.
Sinnvoll ist immer die Paarung „junger Reiter erfahrenes Pferd und umgekehrt“. Dieses spart für die Eltern das meiste Geld. Es ist sinnvoller, einen
etwas älteren „Professor“ mit vielleicht leichten Veränderungen im Röntgenbild, aber viel Erfahrung in der schweren Klasse, günstig für den Einstieg
in E und A zu erwerben und ihm zwei Jahre später mit wenig Verlust einen
Platz auf einer Weide oder bei einen Nicht-Turnier-Reiter zu verschaffen,
als den teuren Youngster zu kaufen, der selbst noch so wenig gefestigt ist, dass
sein vermeintlich vorhandenes Potenzial nicht erhalten werden kann und er
nach kurzer Zeit als „Fehlinvestition“ für Tränen und massiven Geldverlust
sorgt. Ebenso sinnlos ist es, bei erkennbarer Affinität zum Turniersport, die
jungen Reiter mit einem Tinker, Haflinger, Friesen oder Isländer beritten zu
machen. All dies sind wunderbare Pferderassen, die für Tausende von Pferdeliebhabern den idealen Partner darstellen. Es gibt allerdings nur wenige
Ausnahmen, die sich im klassischen Turniersport etablieren konnten. Meist
ist es so, dass sie sich gegen die Warmblüter nicht durchsetzen können. Nach
einigen erfolglosen Versuchen verlieren die Reiter dann vor lauter Frust das
Interesse am Sport und meist leider auch das Interesse an ihrem Partner. Leidtragende sind wie immer die Pferde.
Geübt wird zuhause
Nichts ist so vergänglich wie die Schlagzeile von gestern. Am Sonntagabend noch umjubelter Sieger, am
Montagmorgen schon vergessen. Siege und Erfolge sind in unserer Gesellschaft schnelllebig. Misserfolge
manifestieren sich jedoch für Jahre in das Erinnerungsvermögen der Zuschauer. Aus diesem Grund lautet einer der
Leitsätze des Turniersports: „Was Du zu Hause nicht kannst, brauchst Du auf dem Turnier nicht zu zeigen.“
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Foto: Bunjes
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uf einem Turnierplatz gibt es so viele unvorherErfolg, noch mehr jedoch in den Misserfolg involviert ist.
Von Christian Schacht
sehbare Ereignisse, die sich auf den Wert der
Kein Trainer hat das Interesse, dass seine Schüler schlecht
Vorstellung auswirken, dass es absolut notwendig
abschneiden, und so sollte der Trainer auf jeden Fall in das
ist, dass das „Programm“ der Prüfung nahezu perfekt sitzt.
beabsichtigte Turnierprogramm integriert werden. InteWer glaubt, dass das Pferd zu Hause keinen Wassergraben springt, es aber griert wohlgemerkt – nicht nur in Kenntnis gesetzt. Geachtete Trainer haauf dem Turnier schon tun wird, wer glaubt dass die Defizite in der Anleh- ben selbst meist einen vollen Terminkalender und so sollte frühzeitig im Jahr
nung sich im Viereck nicht zeigen oder wer der Überzeugung ist, dass die Sitz- damit begonnen werden, die Liste der Veranstaltungen, die besucht werden
anlage im Training unerheblich sei, da man sich unter Turnierbedingungen sollen, mit dem Reitlehrer abzustimmen.
sofort umzustellen vermag, wird sehr schnell lernen, dass all diese Theorien
Ungeachtet des Trainings, ist es in diesem Sport ein offenes Geheimnis,
nur selten von Erfolg gekrönt sind.
dass sich vieles um das liebe Geld dreht. Die ethischen Grundsätze besagen,
Nur Selbstkritik und ehrliche Trainer können hier helfen, den Turnier- dass jedes Pferd ungeachtet seiner Rasse, Größe, etc. gleich zu achten ist. Dem
einstieg zu erleichtern. Vertrauen gegenüber der Erfahrung des Ausbilders ist nicht zu widersprechen und dieses wird auch praktiziert. Dieser Grundsollte über dem unbändigen Verlangen nach dem ersten Start stehen. Der satz besagt jedoch nicht, dass jedes Pferd ungeachtet seines Potentials die
Reiter muss sich immer vor Augen halten, dass auch der Trainer sowohl in gleiche Anerkennung im Wettbewerb findet. Es gibt eigentlich in jedem pro-
Fahnen, Musik, Zuschauer und Ähnliches stellen die Hauptschwierigkeit
in der Turnierprüfung statt. Insofern genügt es nicht, die Aufgabe in der Perfektion zu beherrschen. Die Einflüsse der Umgebung gilt es genauso zu überprüfen. Am einfachsten erfolgt diese Überprüfung mit einem schönen Ausritt. Auch in der Natur gibt es soviel Neues zu entdecken, dass der Reiter sehr
schnell merkt, ob die Rittigkeit des Pferdes genügt und das Pferd trotz deutlich erkennbarem Umweltinteresse den Hilfen folgt. Ein Ausritt in der Gruppe macht nicht nur Freude, er trainiert auch für die Ehrenrunde.
Die individuelle Regulierbarkeit des Pferdes, die hierbei wunderbar
überprüft werden kann, hilft zudem bei der gelassenen Vorbereitung auf einen überfüllten Abreiteplatz. Die beste Vorbereitung für ein Turnier ist jedoch immer noch ein externer Lehrgang. Die ungewohnte Umgebung, der
neue Ausbilder und das Bedürfnis, sich nicht vor den Augen der Zuschauer zu blamieren, ähneln den Einflüssen auf dem Turnierplatz. Besonders der
neue Ausbilder, der ja in diesem Moment, wie ein Richter, das Pferd zum ersten Mal sieht, kann sehr hilfreiche Anweisungen geben.
Anweisungen, die der Heimtrainer mit Sicherheit zuhauf gegeben hat, die
aber in der Lethargie des Gewohnten untergingen. Manchmal ist es nur ein
Satz, eine geänderte Formulierung, die dem Reiter einen großen Sprung nach
vorne beschert. Der gewissenhafte Heimtrainer unterstützt solche Trainingsvorhaben. Er kann selbst nur davon profitieren. Nur auf Grund seiner
Ausbildung stehen Pferd und / oder Reiter nun kurz vor dem ersten Start.
Kein Lehrgangsleiter kann das in drei Tagen leisten. Aber er kann Anreize
schaffen, er kann durch seinen geänderten Blickwinkel wertvolle Hilfestellung leisten. Aus diesem Grunde werden häufig die Heimtrainer mit zu solchen Lehrgängen gebeten.
Doch Vorsicht vor schwarzen Schafen. Lehrgänge sind ein lukratives Ge-
Foto: Bunjes
Trainingskontrolle
TURNIER-TIPPS
Helfer zum Pferdehalten sind
auf dem Turnier sehr wichtig.
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