cartoon schwarz schaf

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cartoon schwarz schaf
Realschulabschlussprüfung 1999 Deutsch
Seite 1
Realschulabschlussprüfung 1999 Deutsch
Seite 2
Hinweise für Schüler
Aufgabenauswahl:
Wählen Sie eine der vorliegenden Aufgaben
(Aufgabe I/Variante 1, Aufgabe I/Variante 2,
Aufgabe II oder Aufgabe III) aus.
Bearbeitungshinweise:
Die Teilaufgaben benennen die Anforderungen des jeweiligen Themas.
Die Lösungen der Teilaufgaben sollten nicht
isoliert voneinander stehen, sondern textlich
verbunden werden; dabei ist Ihnen die Reihenfolge freigestellt.
Bearbeitungszeit:
Die Arbeitszeit beträgt 240 Minuten; zusätzlich stehen Ihnen 30 Minuten Lesezeit für die
Wahl der Prüfungsaufgabe zur Verfügung.
Hilfsmittel:
Duden der deutschen Rechtschreibung oder
ein Nachschlagewerk zur Neuregelung der
deutschen Rechtschreibung
Sonstiges:
Bei der Bewertung wird nur die Reinschrift
berücksichtigt. Geben Sie auf der Reinschrift
die bearbeitete Aufgabe und die Wortzahl an.
Realschulabschlussprüfung 1999 Deutsch
Aufgabe I
Seite 3
(Erörterung)
Variante 1
Ein schwarzes Schaf
Beschreiben Sie den Cartoon und leiten Sie Ihre Vermutungen über die Aussageabsicht des
Zeichners ab.
Erörtern Sie die Problematik kontrovers. Ziehen Sie dazu Ihre Beobachtungen und Erfahrungen
heran.
Stellen Sie sich vor, Sie wollten eine Erzählung über ein „schwarzes Schaf“ verfassen.
Entwerfen Sie eine Einleitung, in der Aussehen und Verhaltensweisen Ihrer Hauptgestalt beschrieben werden.
Cartoon aus: Henry Büttner. Gesellschaftsspiele. Eulenspiegel Verlag. Berlin 1986
Realschulabschlussprüfung 1999 Deutsch
Aufgabe I
Seite 4
(Erörterung)
Variante 2
„Wenn ich selbst entscheide, ...“
Äußern Sie sich zu Aussagen und Aufbau des Textes und zu der vermutlichen Autorenposition.
Setzen Sie sich mit den im Text geäußerten Auffassungen auseinander.
Schildern Sie in Form eines inneren Monologs einen persönlichen Konflikt und formulieren Sie
dazu Beweggründe für Ihr Verhalten oder für die von Ihnen getroffenen Entscheidungen.
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Der Verantwortliche ist immer bereit, für seine Handlungen einzustehen: „Ja, ich bin es
gewesen!“ Überall um uns herum wird aber die Verantwortung abgeschoben. An dem
Schlechten, das passiert, sollen angeblich die Umstände schuld sein oder die Gesellschaft, in der
wir leben. Oder der Charakter, den ich habe („Ich bin nun einmal so!“), die schlechte Erziehung
...,
die
Fernsehwerbung, das riesige Angebot in den Schaufenstern, die schlechten Beispiele und so weiter.
Alle, die sich von ihrer Verantwortung befreien wollen, glauben, dass sie irgendeiner Sache oder
einem Menschen ausgeliefert seien und sich nicht dagegen wehren könnten: entweder der Werbung oder den Drogen, dem eigenen Appetit, einer Bestechung oder einer Bedrohung, dem Charakter oder irgendetwas anderem. Sobald das, was einen so stark beeinflusst, auftaucht, tut man
so, als sei man nicht frei, sondern eine Marionette, von der man keine Rechenschaft verlangen
darf. ...
Verantwortung heißt, dass sich meine Person und mein Charakter aus jeder meiner Handlungen
entwickelt. Wenn ich selbst entscheide, was ich tun will, verändere ich mich allmählich und
hinterlasse Spuren in meiner Umwelt.
Text aus:
Ethik 9/10. Cornelsen 1998
(Text in der Rechtschreibung von 1998)
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Aufgabe II
Seite 5
(Interpretation)
Analysieren und interpretieren Sie den Text.
Wählen Sie eine der Figuren aus und formulieren Sie an einer geeigneten Stelle im Text die Gedanken dieser Figur. Zitieren Sie eingangs den Satz aus dem Text, an den Sie anknüpfen wollen.
Eugen Roth (1895 - 1976): Flunkereien
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„Oh weh, oh weh!“ sagt der Vater beim Frühstück und erscheint ehrlich erschrocken: „Es steht
sogar schon in der Zeitung, daß der Thomas so ungezogen ist. - Hör zu, Mammi!“
Auch die Mutter ist nun sichtlich betroffen und gar der Thomas rutscht unbehaglich auf seinem
Stuhl herum, wie jetzt der Vater ohne Stocken aus dem Morgenblatt vorliest, daß der fünfjährige
Sohn Thomas des bekannten Schriftstellers Doktor Eugen Roth in der Fuststraße sich zu einem
Lausbuben zu entwickeln scheine, der bereits der Schrecken der gesamten Nachbarschaft zu werden drohe. Dem in der Gegend patrouillierenden Schutzmann werde geraten, ein wachsames
Auge auf den Burschen zu haben.
Thomas ist von dieser Nachricht offenbar tief beeindruckt, aber sein Wissensdrang ist noch
stärker als seine Angst. „Papi, was heißt das: patrulieren?“ Die Mammi lacht! Der Vater aber
bleibt ernst: „Patrouillieren“, sagt er sachlich, „kommt aus dem Französischen und heißt soviel
wie beobachtend durch das Gelände marschieren - du hast ja wohl selbst schon den Schutzmann
vorn an der Ecke stehen sehen; aber -„ so fährt der Vater drohend fort und wirft einen strengen
Blick auf die Mutter, „wenn auch die Mammi lacht, es ist nichts zum Lachen, wenn man sehen
muß, daß alle Welt schon weiß, was für ein Bösewicht du bist - und dabei versprichst du immer,
daß du ein liebes Kind sein willst!“
Thomas lächelt nicht; würdevoll und bescheiden bittet er, einen Blick in die Zeitung tun zu
dürfen. „Du kannst ja noch gar nicht lesen!“ will der Vater abwehren, aber schon hat Thomas das
Blatt ergriffen und läßt seine Augen, ohne auch nur eine Miene zu verziehen, über die Seite
schweifen. Und - „Halt!“ ruft er plötzlich: „Da steht ja noch was!“ Und er liest den staunenden
Eltern ernsthaft und fließend vor: „Thomas könnte vermutlich ein liebes Kind werden, wenn er
nicht immer gehaut würde.“ Legt die Zeitung hin und frühstückt weiter, als ob nichts gewesen
wäre.
Text aus:
Das lesende Klassenzimmer. Lesebuch 8. Schuljahr. Oldenbourg 1995
(Text in der Rechtschreibung vor 1998)
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Aufgabe III
(Interpretation)
Analysieren und interpretieren Sie eines der beiden Gedichte.
Sie können für Ihre Interpretation auch das andere Gedicht vergleichend heranziehen.
Erich Kästner (1899 - 1974): Der Handstand auf der Loreley
Nach einer wahren Begebenheit
Die Loreley, bekannt als Fee und Felsen,
Ist jener Fleck am Rhein, nicht weit von Bingen,
Wo früher Schiffer mit verdrehten Hälsen,
Von blonden Haaren schwärmend, untergingen.
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Wir wandeln uns. Die Schiffer inbegriffen.
Der Rhein ist reguliert und eingedämmt.
Die Zeit vergeht. Man stirbt nicht mehr beim Schiffen,
Bloß weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt.
Nichtsdestotrotz geschieht auch heutzutage
Noch manches, was der Steinzeit ähnlich sieht.
So alt ist keine deutsche Heldensage,
Daß sie nicht doch noch Helden nach sich zieht.
Erst neulich machte auf der Loreley
Hoch überm Rhein ein Turner einen Handstand!
Von allen Dampfern tönte Angstgeschrei,
Als er kopfüber oben auf der Wand stand.
Er stand, als ob er auf dem Barren stünde.
Mit hohlem Kreuz. Und lustbetonten Zügen.
Man frage nicht: Was hatte er für Gründe?
Es war ein Held. Das dürfte wohl genügen.
Er stand verkehrt im Abendsonnenscheine.
Da trübte Wehmut seinen Turnerblick.
Er dachte an die Loreley von Heine.
Und stürzte ab. Und brach sich das Genick.
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Er starb als Held. Man muß ihn nicht beweinen.
Sein Handstand war vom Schicksal überstrahlt.
Ein Augenblick mit zwei erhobnen Beinen
Ist nicht zu teuer mit dem Tod bezahlt!
P. S. Eins wäre allerdings noch nachzutragen:
Der Turner hinterließ uns Frau und Kind.
Hinwiederum, man soll sie nicht beklagen.
Weil im Bezirk der Helden und der Sagen
Die Überlebenden nicht wichtig sind.
Text aus:
Das große Balladenbuch. Verlag Neues Leben. Berlin 1965
(Text in der Rechtschreibung vor 1998)
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Michael Ende (1929 - 1995): Die Ballade vom Seiltänzer Felix Fliegenbeil
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Es war ein Tänzer auf dem Seil
mit Namen Felix Fliegenbeil,
der größte aller Zeiten,
das kann man nicht bestreiten.
Ihm lag nicht viel an Gut und Geld,
nichts an der Menge Gunst,
ihm ging’s nicht um den Ruhm der Welt,
ihm ging es um die Kunst.
Schon in der Seiltanzschule war
er bald der Beste in der Schar,
und als ein Jahr vorüber,
war er dem Lehrer über.
Da sagte der in mildem Ton:
„Du Wunderkind, ade!
Ich kann dich nichts mehr lehren, Sohn,
drum geh mit Gott - doch geh!“
So zog er in die Welt hinaus,
wohin er kam, erscholl Applaus.
Die ganze Welt bereist’ er
und suchte seinen Meister.
Doch keiner tanzte so genial
die Sprünge des Balletts
hoch droben auf dem Seil aus Stahl
und immer ohne Netz!
Da er den Meister nirgends fand,
beschloß er endlich kurzerhand,
statt andre zu begeistern,
sich selber zu bemeistern.
„Mein Tanz“, sprach Felix Fliegenbeil,
„ist noch kein Meisterstück.
Zwar kann ich alles auf dem Seil,
doch ist das Seil zu dick!“
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Und schließlich kam das siebte Jahr,
da tanzte er auf einem Haar,
gespannt von Turm zu Turme,
dort schritt er hin im Sturme.
Das Publikum sah schweigend zu
und hielt die Hüte fest.
dann aber kam der letzte Clou,
der sich kaum glauben läßt:
Denn eines Tags um acht Uhr früh,
da spannt er nichts mehr zwischen sie:
Er tanzte auf der Leere,
als ob dort etwas wäre!
Hoch überm Abgrund ging er zwar
mit leichtem Tänzerschritt,
doch weil er ohne Halt nun war,
nahm ihn ein Windstoß mit.
Wer weiß, wohin der Wind ihn trieb?
Ein Astronom allein beschrieb,
was er im Fernrohr schaute,
im Sternbild Argonaute:
Es sei, sprach er, gewiß kein Traum.
Er habe ihn gesehn,
von Stern zu Stern im Himmelsraum
wie einen Tänzer gehn!
Es war der Tänzer ohne Seil
mit Namen Felix Fliegenbeil,
der größte aller Zeiten,
das wird man nicht bestreiten.
Ihm lag nichts mehr an Gut und Geld,
nichts an der Menge Gunst,
ihm ging’s nicht um den Ruhm der Welt,
ihm ging es um die Kunst!
Drum spannte er von Haus zu Haus
nun einen Draht anstatt des Taus
und übte, drauf zu springen.
Das sollte bald gelingen.
Dann nahm er einen dünnern Draht
und einen dünnsten noch es dauerte zwei Jahre grad,
dann konnte er’s jedoch.
Text aus:
Das Michael Ende Lesebuch. Deutscher Taschenbuch Verlag dtv. München 1989
(Text in der Rechtschreibung vor 1998)

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