Einleitung zum Thema

Transcription

Einleitung zum Thema
DAS WOCHENTHEMA „PORTRÄT“ - Übersicht über gemeinsame + individuelle Arbeiten siehe Rückseite
SONNTAG: PORTRÄT – EINLEITUNG (Duden / Buch für Bildnerisches Gestalten an Gymnasien Bayerns)
Das Wort kommt aus dem Französischen. Es leitet sich ab vom lateinischen Verb pro-trahere, das bedeutet
u.a. hervor-ziehen, charakterisieren, Bedeutung verleihen, ans Licht bringen, Unsichtbares sichtbar machen.
Man meint damit ein Gemälde, Foto oder andere bildnerische Darstellung von einer oder mehrerer Personen.
Im übertragenen Sinn wird eine literarische, auditive oder filmische Beschreibung oder Charakterisierung als
Porträt bezeichnet. Nach heutigem Verständnis werden aber auch andere Lebewesen, leblose Dinge, Bauten,
Landschaften, Situationen oder Ereignisse als Metapher porträtiert. Bei einer Metapher wird ein Begriff nicht in
seiner wörtlichen, sondern in einer erweiterten transponierten Bedeutung gebraucht.
Viele Porträts sind mit Gedanken an ein Individuum verbunden, das durch seine Persönlichkeit wichtig geworden ist, heute sind es z.B. Porträts mit zeremoniellem Bezug wie etwa Hochzeitsfotos. Ein Ausweisfoto dient der
Identifikation oder der Selbstpräsentation (z.B. Bewerbungsfoto). Ein wichtiger Grund für die Benutzung ist der
soziale Tausch: Bildnisse wurden etwa in der frühen Neuzeit zwischen Adelsfamilien ausgetauscht – z.B. um
sich ein Bild zu machen von versprochenen heranwachsenden Ehepartnern. In der Briefkultur der Romantik bis
ins 20. Jh. dienten beigelegte Porträts zur Festigung sozialer familiärer oder freundschaftlicher Beziehungen.
In der Gegenwart übernehmen per digitale Medien verschickte persönliche Fotos denselben sozialen Zweck.
Entwicklung der Porträtmalerei von der Antike zum Expressionismus (siehe Bildbeispiele)
1. Die älteste Totenmaske ist von Agamemnon – nach griech. Mythologie König von Mykene (1500 v.Chr)
2. Die älteste Büste zeigt Nofretete, die Frau des Pharaos Echanton in Ägypten (im 14. Jahrhundert v. Chr. )
3. Zur Zeit der Griechen entstanden erste Kopfbilder auf Münzen, z.B. von Alexander dem Grossen (200 v.Chr.).
4. In der Antike waren bildhauerische Personendarstellungen wichtig (Sokrates-Büste, Statue Kaiser Augustus)
5. Die Ursprünge des gemalten Porträts liegen in den antiken Mumienporträts aus dem 3 Jh. v.Chr. - 2. Jh. n.Chr.
6. Im Mittelalter bestellten Geistliche Bilder mit Bibelinhalten. Die Auftraggeber wollen drauf sein: Stifterbilder
7. Ab 14. Jh. gibt Porträts lebender Personen von Herrscherfamilien (z.B. Holbein: König Heinrich VIII, 1536)
8. In der Renaissance beginnt das Porträtieren von Bürgern. Die Einmaligkeit des Individuums wird deutlich.
In der Blütezeit der Porträtmalerei war es wichtig, dem Porträt die Bedeutung eines Charakterbildes zu geben,
in welchem die Merkmale des Dargestellten zum Ausdruck gelangen, zB Leonardo daVinci (Mona Lisa 1505),
Tizian (Doge Francesco Venier 1565), Michelangelo (Adam 1510), Dürrer (diverse Selbstbildnisse ab 1500)!
9. Um 1600 verleiht eine neue Lasurtechnik und der lockere Pinselstrich als Stilmittel den Porträts Lebendigkeit
- bei den berühmten Niederländern Frans Hals (zB. Catharina-Hooft mit Amme, 1620) und Peter Paul Rubens
(Selfporträt with his first wife, 1610; Venus vor dem Spiegel, 1615; Porträt der Clara Serena Rubens, 1616)
Die Lebendigkeit findet sich aus der spanischen Schule besonders bei Velázquez (z.B. Las Meninas, 1657).
Sie wussten durch koloristische Stimmung und bedeutsamen Hintergrund die Schilderung zu vertiefen.
10. Barock-Maler legten Wert auf psychologischer Momente z.B. Rembrandt van Rijn’s Anatomy Lesson of Dr.
Nicolaes Tulp, 1632) oder Gesellschaftscharakterisierung (Vermeer’s Porträts – z.B. Die Briefleserin, 1657).
In Rokoko und Klassik besticht die Schweiz-Österreichische Malerin Angelika Kauffmann (Goethe, 1787).
Der Übergang zum Impressionismus machte die Umgebung sichtbar, zB bei Tischbein: Goethe in Italien 1786,
„eine Art konzeptionell-inszeniertes Reise-Porträt“ oder auch später bei Delacroix’s Women of Algier, 1834.
Im 18. Jh. gewann die allg. Porträtmalerei an Bedeutung. Sie steigerte das Selbstwertgefühls des Bürgertums.
11. Die Erfindung der Fotografie gab dem Impressionismus neue Wege. Die Sicht des Künstlers bestimmte den
Darstellungsstil. Erste Gruppenausstellung am 15.4.1874 im Atelier des Pariser Fotografen Nadar! Beispiele:
Claude Monet (Das Frühstück im Grünen 1863; das Bild wurde von vielen Künstlern als Ideen aufgenommen),
Paul Cezanne (Mutter und Schwester 1868), Edouard Manet (Der Balkon 1969; Bar in den Folies-Bergere 1881)
Pierre-Auguste Renoir (Bildnis Victor Chocquet 1876) oder Degas (Das Baumwollbüro in New Orleans 1873).
Fotos wurden Vorlage für Maler, zB Durieu’s Sitzender weiblicher Akt für das Bild Odalisque (Delacroix 1863)
12. Expressionistische Maler des 20. Jh. verbinden das Bildnis mit Kritik an gesellschaftlichem Unrecht und der
Darstellung von Leidenschaft, Verzerrung und Schmerz. Da die Künstler nicht mehr auf das Modell und dessen
Wiedererkennbarkeit fixiert waren, konnten sie neben symbolischen Darstellungen auch zur Abstraktion neigende Formen verwenden: Käthe Kollwitz, Ernst Barlach, Max Ernst, Otto Dix, Max Beckmann, Oskar Kokoschka,
Modigliani, Salvador Dali, Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Egon Schiele, Klimt, Edvard Munch, Pablo Picasso
Entwicklung der Porträtfotografie vom Einzelbild zur Sequenz und Serie (siehe Bildbeispiele)
Mr. Draper war ein Naturwissenschaftler. Das Bild seiner Schwester ist das älteste fotografische Porträt (1840).
In Frühzeit der Fotografie hatte das Porträtieren eine grosse Bedeutung und löste die Porträtmalerei ab (siehe
E.A. Poe’s Kurzgeschichte „Das ovale Porträt“). Zu den Pionieren zählen Hypolyte Bayard (Selbstporträt als
Ertrunkener 1840), David Octavius Hill (ab 1843), Franz Hanfstaengl in München, Julia Margeret Cameron,
Nadar (= Felix Tournachon), Oscar Gustave Rejlander. Die erste kommerzielle Nutzung der Fotografie waren
Porträts - die von Disderi in Paris erstellten „carte-de-visite“ (kleine Porträts im Visitenkartenformat).
In der Zeit des Pictoralismus entstanden viele Porträts (Demanchy, Kühn, Käsebier, Stieglitz, der junge Edward
Steichen, der junge Strand, usw) und frühe Konzeptfotografie. Siehe: CameraWork, PhotoSecession, Galerie291
Darauf folgte die Avantgarde (Man Ray, z.B. Marquise Casati, 1922), „Neues Sehen“ (August Sander), Soziales
Engagement (Dorothea Lange, Diane Arbus), Gesellschaftsabbilder (Gisele Freud), Charakterstudien (Yousuf
Karsh, Arnold Newmann), Modeporträts (Richard Avedon, Irving Penn), Inszenierung (Phillip Halsman), etc.
Nach dem Wandel zur Farbe (Gisele Freud) entstanden konzeptionelle Dokumentationen (Nan Goldin), „geldgierige“ Porträts (Anne Leibowitz) oder Reenactments (La Chapelle), Riesenbilder (z.B. von Thomas Ruff als
Vertreter der Düsseldorfer Becher-Schule (dazu auch Struth, Gursky, etc)), Cindy Sherman schauspielert als
„Modell“ vor der eigenen Kamera, macht aber keine Selbstporträts. Jeff Wall inszeniert und erzählt Geschichten.
Loretta Lux macht in ihren Serien Kinder zu Erwachsenen, Albert Watson verknüpft Porträt mit Mode, Helmuth
Newton verbindet Porträt und Akt. Es gibt viele weitere wichtige Namen: Rineke Dijkstra, Boris Mikhailov,...
GEMEINSAME ARBEITEN ZUM THEMA
Samstagabend: Vorstellungsrunde anhand der mitgebrachten „eigenen Porträts“
Sonntagabend: „Porträt – und was man alles noch darunter verstehen kann...“
Montagmittag: Porträtgestaltungen in Gruppen „Nach Giuseppe Arcimboldo“
Dienstagmittag: Arbeit zu den aktuellen Ausstellungen im Fotozentrum Winterthur
Mittwochmittag: Selbstporträt im Arbeitsumfeld - Reenactment mit allen: „Molenaer, Die Werkstatt des Malers“
Donnerstagmittag: Teilnehmerbilder zum Thema diskutieren / “Mappenarbeit (Portfolio) vorbereiten“
Freitagabend: Resultate vorstellen
INDIVIDUELLE ARBEITEN ZUM THEMA
So: Sehenswertes hervorziehen - in der Umgebung und im Gesicht der anderen* / Was erzählen meine Bilder?
Mo: Was ist typisch, was ist charakteristisch? (Schau-genau, Gestaltung - SW)
Film 4-Augenmodell (1. Teil)
Di: Fotografieren heisst Bedeutung verleihen. (Menschen in Winti, am Markt)
wahrscheinlich filmlos
Mi: Mich und dich - mit Licht – ans Licht bringen“ (Partnerarbeit)
Film zu „Nan Goldin“
Do: Unsichtbares sichtbar machen“
DoveKurzfilm: Verzerrung durch mediale Schönheitsbilder
- Selbstporträt real od. gespielt nach Sherman: sich als Modell nehmen, aber keine Selbstbilder
* Das Typische hervor-ziehen ... – ausgewählt aus über 100 Zeichnungen der 2. Woche: