1.3 „Stadtluft macht frei – Landluft macht eigen“ Patrizier Bürger

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1.3 „Stadtluft macht frei – Landluft macht eigen“ Patrizier Bürger
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1.3 „Stadtluft macht frei – Landluft macht eigen“
Vom Land in die Stadt
Heute leben Menschen aus privaten
Gründen lieber in der Stadt oder auf
dem Lande. Für ihre Rechtsstellung
hat das keine Bedeutung. Alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben die gleichen
Rechte. Die Menschen aus den mittelalterlichen Dörfern zogen gern in die Städte, die in
ihrer Nachbarschaft entstanden. Mancher
freie Bauer, aber besonders hörige Handwerker und leibeigene Bauern zogen in die Stadt.
Sie erhofften sich dort nicht nur bessere Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten, sondern
eine bessere Rechtsstellung.
In der Stadt waren Männer und Frauen in
der Wahl ihrer Ehepartner nicht mehr auf die
Zustimmung ihres Grundherrn angewiesen.
Ohne dessen Zustimmung hatten sie in der
Hörigkeit nicht heiraten dürfen. Lebten Hörige länger als ein Jahr in der Stadt und hatte
sie ihr Grundherr vorher nicht zurückgefordert, so wurden sie persönlich frei. Das meint
der Spruch: „Stadtluft macht frei“. Auf dem
Land waren sie einem Herren eigen oder
hörig.
Lieber in der Stadt
als auf dem Lande
leben?
Viele haben kein Bürgerrecht
Männer wie Frauen waren als neue Bürger in
den Städten willkommen. Sie wurden in ein
Bürgerbuch eingetragen und leisteten den
Bürgereid.
Sie verpflichteten sich, untereinander Frieden
zu wahren und Steuern zu zahlen.
In der Stadt lebten jedoch auch viele Menschen, die vom Bürgerrecht ausgeschlossen
waren, da sie keinen Besitz hatten und keine
Steuern zahlten. Dazu gehörten Handwerksgesellen, Mägde, Knechte, Tagelöhner, aber
auch Menschen, deren Tätigkeit als verwerflich oder unrein angesehen wurde, wie Henker, Abdecker, Gaukler und Spielleute. Juden
bildeten eine Gruppe für sich. Alle diese Gruppen lebten lieber ohne Bürgerrecht in der
Stadt als als Hörige auf dem Land.
Wirklich frei war nur ein kleiner Teil der Stadtbevölkerung: die Patrizier.
Nennt Gründe, warum den Besitzlosen
das Bürgerrecht verweigert wurde.
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Vergleicht die mittelalterliche mit der
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Nennt die Gründe, warum die Menschen
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Sprecht darüber, welche soziale Stellung
Adlige und geistliche Stadtherren
Patrizier
Grundbesitzer
Fernhandelskaufleute
Handwerker
Kleinhändler
Bürger
Ackerbürger
Juden
L & P / 0645
Schreiber
(Beamte)
Unterständische Gruppen
Tagelöhner, Mägde, Knechte,
z. B. Henker, Totengräber
z. B. Bettler
niedere Bedienstete
unehrliche Berufe
gesellschaftlich Entwurzelte
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Nennt die Tätigkeiten der verschiedenen
um 1500.
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Beschreibt, was die Bilder über die soziale
Stellung der Stadtbewohner aussagen. Ordnet
sie Schaubild 28.1 zu.
Tagelöhnergruppen in Abb. 29.2.
Q 1 Stadterhebungsurkunde der Stadt
Lechenich aus dem Jahre 1279:
Wir, Siegfried … Erzbischof von Köln … machen jedermann bekannt:
Kommt ein Mensch gleich welchen Standes
in die Stadt Lechenich zu dauerndem Aufenthalt und hat dort ein Jahr seinen ständigen Wohnsitz, so verbieten wir, dass er noch
von seinem Herrn zurückgefordert wird …
Wenn ein Neuankömmling seinen dauernden Wohnsitz in der Stadt nimmt, so soll er,
wenn er reich ist, nicht mehr als vier Schilling Steuern zahlen, ist er aber arm, dann
steht es in dem Belieben der Stadt, wie viel er
zahlen soll … Wenn jemand in der Stadt vollberechtigter Einwohner werden will, dann
soll er für seine Aufnahme drei Schilling geben, von denen an uns 12 Denare abzuführen
sind: zwei Schilling verbleiben für die genannte Stadt.
In: Die rheinische Stadt, Kleve 1988, S. 33–36, gek., vereinf.
28.2 Kaufmannsfamilie. Gemälde,
28.1 Soziale Stellung der Stadtbewohner. Schaubild.
Nennt die Tätigkeiten der drei Personen in
Abb. 29.1. Was stellen sie her?
Situation heute. Gibt es auch heute einen Zu-
ihr bevorzugt hättet.
29.2 Tagelöhner. Buchmalerei, 1497. Im Vordergrund sind drei
Kaufleute zu sehen.
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sammenhang von Besitz und Bürgerrechten?
lieber in der Stadt leben wollten.
29.1 Familie eines Schreiners, Gemälde, um 1500.
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Erläutert, welche Absichten Stadtherr und
Rat in Q1 und Q2 verfolgten.
Q 2 Die Aufnahme als neuer Stadtbürger
regelte die Stadt Marburg um 1395 so:
1. Es wird verfügt, dass die Stadt jeden Bürger
aufnehmen kann, wie, wann oder woher er
auch kommt, und wäre es, dass er nicht in die
Stadt kommen konnte und steckte aber die
Füße unter die Pforte in die Stadt und begehrte die Bürgerschaft, sollte man ihn empfangen …
2. Wenn einer Bürger wird, so gibt es drei
Gründe, weshalb ihn die Stadt nicht aufnehmen kann: Wenn ihm eine Fehde droht,
wenn er schon mit jemandem in Fehde liegt,
wenn er eines Herrn oder eines Amtmanns eigen wäre, wenn er in der Schuld seines Herrn
oder eines anderen stünde.
3. Wenn einer die Bürgerschaft empfangen
will, der soll dem Bürgermeister in die Hand
geloben … der Stadt Marburg getreu und hold
zu sein und allen Schaden von der Stadt abzuwenden … Dann soll er seine Hand und die
Finger erheben und schwören und sprechen:
„Was ich in Treue gelobet habe, das will ich
stets und fest halten.“
In: Bauer, Bürger, Mönch und Edelmann, Marburg 1996, S. 36.
Fehde =
Recht der Adligen
und Freien, bei
einer Rechtsverletzung zur gewaltsamen Selbsthilfe
zu greifen.