1.3 „Stadtluft macht frei – Landluft macht eigen“ Patrizier Bürger
Transcription
1.3 „Stadtluft macht frei – Landluft macht eigen“ Patrizier Bürger
28 29 1.3 „Stadtluft macht frei – Landluft macht eigen“ Vom Land in die Stadt Heute leben Menschen aus privaten Gründen lieber in der Stadt oder auf dem Lande. Für ihre Rechtsstellung hat das keine Bedeutung. Alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben die gleichen Rechte. Die Menschen aus den mittelalterlichen Dörfern zogen gern in die Städte, die in ihrer Nachbarschaft entstanden. Mancher freie Bauer, aber besonders hörige Handwerker und leibeigene Bauern zogen in die Stadt. Sie erhofften sich dort nicht nur bessere Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten, sondern eine bessere Rechtsstellung. In der Stadt waren Männer und Frauen in der Wahl ihrer Ehepartner nicht mehr auf die Zustimmung ihres Grundherrn angewiesen. Ohne dessen Zustimmung hatten sie in der Hörigkeit nicht heiraten dürfen. Lebten Hörige länger als ein Jahr in der Stadt und hatte sie ihr Grundherr vorher nicht zurückgefordert, so wurden sie persönlich frei. Das meint der Spruch: „Stadtluft macht frei“. Auf dem Land waren sie einem Herren eigen oder hörig. Lieber in der Stadt als auf dem Lande leben? Viele haben kein Bürgerrecht Männer wie Frauen waren als neue Bürger in den Städten willkommen. Sie wurden in ein Bürgerbuch eingetragen und leisteten den Bürgereid. Sie verpflichteten sich, untereinander Frieden zu wahren und Steuern zu zahlen. In der Stadt lebten jedoch auch viele Menschen, die vom Bürgerrecht ausgeschlossen waren, da sie keinen Besitz hatten und keine Steuern zahlten. Dazu gehörten Handwerksgesellen, Mägde, Knechte, Tagelöhner, aber auch Menschen, deren Tätigkeit als verwerflich oder unrein angesehen wurde, wie Henker, Abdecker, Gaukler und Spielleute. Juden bildeten eine Gruppe für sich. Alle diese Gruppen lebten lieber ohne Bürgerrecht in der Stadt als als Hörige auf dem Land. Wirklich frei war nur ein kleiner Teil der Stadtbevölkerung: die Patrizier. Nennt Gründe, warum den Besitzlosen das Bürgerrecht verweigert wurde. 3 Vergleicht die mittelalterliche mit der 1 Nennt die Gründe, warum die Menschen 4 Sprecht darüber, welche soziale Stellung Adlige und geistliche Stadtherren Patrizier Grundbesitzer Fernhandelskaufleute Handwerker Kleinhändler Bürger Ackerbürger Juden L & P / 0645 Schreiber (Beamte) Unterständische Gruppen Tagelöhner, Mägde, Knechte, z. B. Henker, Totengräber z. B. Bettler niedere Bedienstete unehrliche Berufe gesellschaftlich Entwurzelte 6 Nennt die Tätigkeiten der verschiedenen um 1500. 7 Beschreibt, was die Bilder über die soziale Stellung der Stadtbewohner aussagen. Ordnet sie Schaubild 28.1 zu. Tagelöhnergruppen in Abb. 29.2. Q 1 Stadterhebungsurkunde der Stadt Lechenich aus dem Jahre 1279: Wir, Siegfried … Erzbischof von Köln … machen jedermann bekannt: Kommt ein Mensch gleich welchen Standes in die Stadt Lechenich zu dauerndem Aufenthalt und hat dort ein Jahr seinen ständigen Wohnsitz, so verbieten wir, dass er noch von seinem Herrn zurückgefordert wird … Wenn ein Neuankömmling seinen dauernden Wohnsitz in der Stadt nimmt, so soll er, wenn er reich ist, nicht mehr als vier Schilling Steuern zahlen, ist er aber arm, dann steht es in dem Belieben der Stadt, wie viel er zahlen soll … Wenn jemand in der Stadt vollberechtigter Einwohner werden will, dann soll er für seine Aufnahme drei Schilling geben, von denen an uns 12 Denare abzuführen sind: zwei Schilling verbleiben für die genannte Stadt. In: Die rheinische Stadt, Kleve 1988, S. 33–36, gek., vereinf. 28.2 Kaufmannsfamilie. Gemälde, 28.1 Soziale Stellung der Stadtbewohner. Schaubild. Nennt die Tätigkeiten der drei Personen in Abb. 29.1. Was stellen sie her? Situation heute. Gibt es auch heute einen Zu- ihr bevorzugt hättet. 29.2 Tagelöhner. Buchmalerei, 1497. Im Vordergrund sind drei Kaufleute zu sehen. 5 2 sammenhang von Besitz und Bürgerrechten? lieber in der Stadt leben wollten. 29.1 Familie eines Schreiners, Gemälde, um 1500. 8 Erläutert, welche Absichten Stadtherr und Rat in Q1 und Q2 verfolgten. Q 2 Die Aufnahme als neuer Stadtbürger regelte die Stadt Marburg um 1395 so: 1. Es wird verfügt, dass die Stadt jeden Bürger aufnehmen kann, wie, wann oder woher er auch kommt, und wäre es, dass er nicht in die Stadt kommen konnte und steckte aber die Füße unter die Pforte in die Stadt und begehrte die Bürgerschaft, sollte man ihn empfangen … 2. Wenn einer Bürger wird, so gibt es drei Gründe, weshalb ihn die Stadt nicht aufnehmen kann: Wenn ihm eine Fehde droht, wenn er schon mit jemandem in Fehde liegt, wenn er eines Herrn oder eines Amtmanns eigen wäre, wenn er in der Schuld seines Herrn oder eines anderen stünde. 3. Wenn einer die Bürgerschaft empfangen will, der soll dem Bürgermeister in die Hand geloben … der Stadt Marburg getreu und hold zu sein und allen Schaden von der Stadt abzuwenden … Dann soll er seine Hand und die Finger erheben und schwören und sprechen: „Was ich in Treue gelobet habe, das will ich stets und fest halten.“ In: Bauer, Bürger, Mönch und Edelmann, Marburg 1996, S. 36. Fehde = Recht der Adligen und Freien, bei einer Rechtsverletzung zur gewaltsamen Selbsthilfe zu greifen.