gefährliche Leidenschaft

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gefährliche Leidenschaft
DAs TAgesTheMA
Akte Tier
Mittwoch, 13. Mai 2009
Seite 18
Michael Aufhauser
Ein Gnadenhof für Papageien
bietet Zuflucht und Artgenossen
Arg gerupfte
schönheiten
A
uf die Begrüßung
freut sich Rolf
Streibert
jeden
Morgen.Wenn der Tierpfleger um Punkt acht
Uhr die Tür zum Gnadenhof der Papageien
aufschließt,schallt ihm
aus den Volieren ein
vielstimmiges „Hallo,
Hallo“ und „Guten
Morgen“ entgegen.
Die 65 Aras, Kakadus,
Amazonen und andere
Papageienvögel sind
putzmunter, wenn auch Rolf Streibert pflegt die Vögel im Gnadenhof. Rechts ein gerupfter Kakadu
Fotos: Westermann (3), Gnadenhof (2), ap, Reuters
manche arg gerupfte
Schönheiten sind.
Der Gegensatz ist fast kraulen und über Federn
gut ging, wurde es gerettet
schon grotesk: Schwanz streicheln. Alle Tiere, die
und bei Bedarf auch weier gnadenhof für
und Flügelfedern leuchten hier leben, sind sehr auf
tervermittelt. Wenn Frau
wunderschön in sattem den Menschen fixiert. Papageien braucht
Ehrhart Lust dazu hätte,
Grün und dunklem Blau, Nicht wenige haben erst dringend geld. wer
könnte sie einmal quer
Brust und Rücken dagegen hier zum ersten Mal Artge- helfen mag: Am
durch Deutschland fahren
sind kahl und schimmern häss- nossen gesehen!
und alle paar Kilometer
samstag, 16. Mai,
lich rosa. Doch den stolzen Aras
Dabei sind Papageien
einen früheren Schützling
ist es egal, dass sie sehr sozial und intelligent. findet von 13 bis
besuchen.
nicht mehr so schön Die Sprachbegabung man- 17 Uhr ein Flohmarkt
Als ihr Ehemann lunsind wie ihre Ver- cher Exemplare verlockt statt. Adresse:
genkrank wurde, mussten
wandten im Brasili- immer noch Menschen da- Dorfstrasse 33,
auf einmal alle Vögel eine
anischen Regen- zu, Papageien als Haustie- 86733 Bühl-Alerheim
neue Bleibe finden und
wald. Im Gnaden- re zu halten. Sie erhoffen
konnten im Gnadenhof,
hof für Papageien sich einen putzigen Kameden das Paar schon länger
haben sie eine neue raden und informieren sich
kannte und unterstützte,
Heimat gefunden zu wenig über das Tier, das
Obdach finden.
und fast noch wich- sie sich ins Haus holen: PaDamals wie heute platiger: Partner fürs pageien sind laut (wer sein
gen den Gnadenhof GeldLeben.
Tier auf den Balkon stellt,
sorgen. Ende des Jahres
Einen Schönheitswettbewerb würde muss mit Nachbarärger
läuft der Mietvertrag für
keiner dieser Vögel mehr gewinnen. Die rechnen), sie machen
den umgebauten Schweimeisten sind zwanzig, dreißig oder mehr Schmutz (der Käfig muss
nestall in Bühl-Alerheim
Jahre alt, und damit im allerbesten Papagei- täglich gereinigt werden),
aus, die 65 Papageien brauenalter – aber alle haben schon viel erlebt. sie brauchen abwechschen ein neues warmes
Dass es ihnen nicht immer so gut gegangen ist lungsreiches Futter und
und helles Plätzchen. Frau
wie jetzt bei Inge Ehrhart und dem Tierpfle- regelmäßig Freiflüge.
Ehrhart hofft auf einen
ger Rolf Streibert (52), ist ihnen eben anzuseDen ganzen Vormittag
Sponsor, der ihr vielleicht
hen. „Einige lebten in Kellern, manche haus- verbringt Rolf Streibert
auch etwas die Last von
ten in total verdreckten Käfigen und gingen mit der Futterherstellung. Ein Leben mit Papa- den Schultern nehmen
von Hand zu Hand und wurden dabei psy- Linsen, Mais, Hirse und geien: Inge Ehrhart
könnte. Neue Tiere werden
chisch krank. Aber jetzt ist jedes Tier ganz grüne Erbsen werden genicht mehr aufgenommen,
gesund und putzmunter“, freut sich die Inge kocht, noch heiß abgespült und den obwohl es regelmäßig Anfragen gibt.
Ehrhart (76). Wenn Federn jedoch jahrelang Vögeln als Brei serviert. Dazu kommt Inge Ehrhart: „Wir versorgen die Tiere
herausgezupft worden sind, wachsen sie auch entweder eine großzügige Portion Obst bis an ihr Lebensende, das ist eine grobei bester Pflege nicht mehr nach. Zum Glück oder Gemüse.
ße Verantwortung, die wir im Moment
zählen bei den großen Vögeln innere Werte,
Fürs Wohlbefinden gibt es zweimal nicht für noch mehr Vögel übernehmen
und so findet auch das hässlichste Exemplar in der Woche eine Dusche mit lauwar- können.“
eine Liebe fürs Leben!
men Wasser: „Im Regenwald ist es ja
Wenn am frühen Abend alle Käfige
Wenn Paarungszeit ist, wie jetzt im April/ auch feucht“, erklärt Inge Ehrhart, die geputzt sind, kaputte Gegenstände reMai, betritt Rolf Streibert
früher in ihrem pariert wurden und jedes Tier seine
die großzügigen Volieren
Haus immer Papa- Ansprache gehabt hat, geht Rolf Streietwas vorsichtiger: „Aber
geien als Haustiere bert noch ein letztes Mal durch die
ähere informationen zum
ich kann immer zu allen
hatte. Ihr Mann Räume und wünscht seinen Vögeln:
gnadenhof
gibt
es
im
internet
unter
Tieren gehen“, sagt er
brachte den ersten „Gute Nacht“.Auf die Frage: „Was antwww.papageien-gnadenhof.de
stolz. Und bevor er die 65
mit in die Ehe und worten die Vögel?“, sagt er lächelnd:
oder direkt bei inge ehrhart:
Futternäpfe herausholen
wenn das Paar ir- „Gute Nacht kann noch keiner rufen,
und sauber machen darf,
gendwo ein Tier aber sie piepsen zum Abschied und
Telefon 089/70 60 60
muss er so manchen Hals
sah, dem es nicht so auch das freut mich sehr!“
SUS
D
Leben lieben. Aiderbichl
V
on 350 Papageienarten stehen 94 auf
der Roten Liste.
Sie sind entweder kurz
davor,
auszusterben,
oder sind vom Aussterben bedroht.
Ihr größter Feind ist
der Mensch. Denn nach
wie vor werden Regenwälder am Amazonas
abgeholzt, für viele Papageien der natürliche
Lebensraum. Was skrupellose Landspekulanten nicht schaffen, erledigen geldgierige Papageienfänger, die mit ihrem Tun die Wünsche
vermeintlicher
Tierfreunde erfüllen. Ihre
schon das nächste Problem. Wer glaubhaft die
Verantwortung für einen Papagei übernehmen will, müsste sich
bereits mit Anfang 20
für einen jungen Vogel
entscheiden oder sonst
in Kauf nehmen, dass
sein Tier zu einer Art
„Wanderpokal“ wird.
Ich kannte einen
Mann, einen merkwürdigen Papageienfreund,
der sich mit 70 Jahren
noch ausgefallene Exemplare anschaffte, um
sie in seine „Sammlung“
einzureihen. Als der
Mann dann starb, wurden seine „Lieblinge“
gefährliche
Leidenschaft
Kunden in Übersee sind
im besten Fall egoistisch
und naiv und wünschen
sich häufig einen Exoten der obendrein noch
sprechen sollte. Sie
überlegen selten, welche Folgen ihr Wunsch
für die Papageien hat.
Mittlerweile sind die
Menschen zu gefährlichen Nesträubern der
schönsten Vögel der
Welt geworden. 30 Prozent der in Baumhöhlen
versteckten Nester werden von Menschen leergeräumt – Vögel für den
Export.
Auch wenn es hierzulande Papageien-Zuchten gibt, liegt der Schluss
nahe, dass sich nicht alle
heimatlos und irgendwo hin verbracht. Oder
Schlimmeres.
Das
Lächerlichste
überhaupt habe ich in
Spanien erlebt. Da gibt
es „Loro-Shows“. Loro
heißt auf Spanisch Papagei. In solchen Veranstaltungen setzt man sie
auf Skateboards und
kleine Fahrräder oder
lässt sie Kinderwägelchen vor sich herschieben. Niemand gibt zu,
wie langweilig das eigentlich ist. Ein Theater
menschlicher Eitelkeit
auf niedrigem Niveau.
Auf der Strecke bleiben
die Vögel.
Wer sich dennoch einen Papagei wünscht
n
n Nach einer Umfrage
des Bundesverbandes
Praktischer Tierärzte werden in Deutschland rund
900 000 Papageien und
Großsittiche gehalten.
n Ganz viele Papageien
werden immer noch einzeln gehalten (rund 90 Prozent)! Das kann zu schwerenz Verhaltensstörungen
(Federrupfen, Dauerschreien) bis hin zur Selbstverstümmelung führen.
Typisch
n Als weltweit seltenster Papagei gilt der Kakapo
(rechts), der auf Neuseeland
heimisch ist. Der dicke, flugunfähige und wehrlose Vogel
ist ein leichte Beute.
n Allen Papageien gemein ist
der kräftige gebogene Schnabel, die muskulöse Zunge sowie die zu Greiforganen entwickelten Füße, die vier Zehen haben.
n Er schwingt die Krallen, er
wippt mit dem Kopf – das
Youtube-Video vom tanzenden Kakadu Snowball (rechts)
hat für Furore in der Wissenschaft gesorgt: Bisher
galt die rhythmische Bewegung als Domäne
der Menschen. So
kann man sich irren!
ier
n Papageien sind schon seit
tausenden von Jahren beliebte Haustiere. Sie waren bei
den Römern eines der wertvollsten Geschenke, die man
seiner angebeteten Dame darbieten konnte.
MonTAg
Lifestyle
DiensTAg
Zukunft Alter
n Fast alle Papageienarten brüten in Höhlen, vor
allem in Baumund Erdhöhlen.
MiTTwoch
Akte Tier
n Außerhalb der Brutzeit leben viele der Vögel in Schwärmen und
sind sogar manchmal als
Schädlinge gefürchtet,
wenn sie sich zu Hunderten über Obstbäume oder
Getreidefelder herfallen.
n Neben den Rabenvögeln und Spechten gehören die Papageien zu den
intelligentesten Vögeln.
DonnersTAg
Multimedia
Im Gnadenhof haben viele der Vögel zum ersten Mal
Artgenossen gesehen
an die CITES-Vorschriften des Artenschutzes halten, sonst
würde man ja die Nester
der wildlebenden Tiere
in Ruhe lassen.
Tragisch ist auch, dass
keine Rücksicht darauf
genommen wird, dass
Papageien
Wildtiere
sind. Richtig lebenswert
ist ihr Leben, wenn sie
in großen Gruppen täglich bis zu 30 Kilometer
weit fliegen können. Sie
halten sich am liebsten
in Baumkronen auf, haben sich gegenseitig unendlich viel zu erzählen
und rufen nicht immer
„Lori, Lori“ wie im Käfig oder an einer Kette.
Die Natur meint es
gut mit ihnen, denn sie
dürfen über 50 Jahre alt
werden. Da wäre dann
FreiTAg
Medizin
und alles was oben beschrieben wurde, bedacht hat, sollte sich eines armen Tieres annehmen.
Papageien
sollten aber nie alleine
gehalten werden. Außerdem darf es Sie und
auch die Nachbarn nicht
stören, dass sie laut sind.
Papageien sind keine
stillen Lebensbegleiter
und halten sich möglicherweise nicht an die
Mittagsruhe der Menschen.
Am besten, man lässt
sie dort leben, wo sie
herkommen. Heutzutage gibt es so viele wunderbare Naturfilme – da
müssen wir keine Wildtiere und Exoten aus
ihrer Heimat verschleppen, um uns an ihrer
Existenz zu erfreuen.
sAMsTAg
garten

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