Colorado State University, 2010-11

Transcription

Colorado State University, 2010-11
Erfahrungsbericht
Name: Thomas Grunau
Austauschjahr: WS 2010/11
Gastuniversität: Colorado State University Pueblo
Stadt: Pueblo, Colorado
Land: USA
Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht,
kann aber im Akademischen Auslandsamt erfragt werden.
Reflexion Auslandssemester
1. Wegbereitung
„Mensch, ein Auslandssemester, dass musst du machen. Das sieht so gut aus im
Lebenslauf!“ Diesen Satz hört man wohl sehr oft zu Beginn des Studiums und sogar
schon oft genug in der Schulzeit. Ich hab keine Ahnung von Lebensläufen, da ich
nicht in der Personalabteilung arbeite – oder Human Ressources, wie es jetzt so
schön heißt – und auch niemanden kenne, der dies tut. Dennoch dachte ich, dass
mein Lebenslauf auch so ganz gut aussieht auf Grund einiger Ehrenämter, der Arbeit
als studentischer Hilfskraft usw. Die Aussicht auf einen kosmetischen Eingriff an
meiner Vita war für mich deshalb kein „Totschlagargument“ für ein Auslandssemester. „Neue Leute“ kennenlernen ehrlich gesagt ebenso wenig. Schließlich bin ich ja
schon für mein Studium der Erziehungswissenschaft von meiner beschaulichen
sächsischen Heimatstadt ins 300 Km entfernte Augsburg gezogen, welches ja bekanntlich die zweithöchste MigrationtInnendichte in Deutschland hat und in welchem
ich mein Studium „fernab“ meiner Familie „alleine“ angehen musste (ich dachte wirklich so naiv, wie es sich liest).
Was mich also wirklich zu diesem Schritt bewogen hat ein Auslandssemester zu bewältigen, weiß ich heute gar nicht mehr. Einen großen Anteil daran hat sicherlich das
gute Zureden von Frau Dr. Michaela Schmid bei einer Einführungsveranstaltung für
Erstsemester, bei der ich als Helfer tätig war. Jedenfalls war der Entschluss gefasst
und es ging an die Planung, die genauso anstrengend ist, wie man es gesagt bekommt und noch viel schlimmer.
Im sechssemestrigen Bachelorstudiengang der Erziehungswissenschaft ist der beste
Zeitpunkt für ein Auslandssemester das fünfte Fachsemester. Der Entschluss für einen Aufenthalt im Ausland sollte deswegen schon im zweiten Semester gefällt werden (spätere Zeitpunkte bedeuten noch mehr Arbeit). Um an der ausländischen Universität nicht zu viele Veranstaltungen haben zu müssen, sollte man soviel wie möglich Leistungspunkte „vorziehen“, wenn man in der Regelstudienzeit bleiben möchte
und Ärger mit Ämtern vermeiden will. Also habe ich im dritten Semester 54 Leistungspunkte absolviert. Nebenbei musste bzw. wollte ich noch in zwei Nebenjobs
arbeiten, ehrenamtlich tätig sein und mein Hobby ausüben. Weitere freie verfügbare
Zeit gab es also quasi nicht. Und ja - man denkt sich dutzende Male, ob es sich
überhaupt lohnt so zu schuften dafür – für ein Auslandssemester, was „gut aussieht
im Lebenslauf“. Aber ich habe es durchgezogen und kann es vorwegnehmen: Es
lohnt sich – wirklich!
Auf jeden Fall sollte man sich rechtzeitig (!) über alle möglichen Finanzierungshilfen
informieren. Ein Auslandssemester ist nicht billig, aber es gibt Menschen oder vielmehr Ämter, die es finanzieren. Das Auslandsbafög bspw. übernimmt für ein Studium
in den USA die Studiengebühren bis zur Höhe von 4500 Euro, zahlt den Flug und
gibt einen monatlichen Zuschlag von 120 Euro zu den normalen monatlichen Zahlungen. Zudem gibt es zahlreiche Stipendien, für die man sich bewerben kann. Dazu
sollte man sich frühzeitig informieren und die Hilfe vom AAA und vor allem Frau
Schneider dankend annehmen.
Für ein Studium im englischsprachigem Ausland ist außerdem die erfolgreiche Teilnahme an einem Toefl-Test erforderlich, um die man sich ebenfalls rechtzeitig kümmern muss, da die Plätze schnell belegt sind und die Auswertung sehr lange Zeit in
Anspruch nimmt. Der Toefl-Test ist aber gut zu bewältigen. Zur Vorbereitung habe
ich ein englisches Buch gelesen, mir die New York Times besorgt und DVD´s in Englisch angesehen. Das reicht dann um zusammen mit dem eingerosteten Schulenglisch einen durchschnitllichen Wert zu erreichen, der für das Auslandsstudium befähigt.
Für weitere volle Seiten im Terminkalender sorgen dann noch Dinge, wie das Beantragen eines Visums,für welches man persönlich in München vorsprechen muss,
dass Auflösen der Wohnung in Deutschland oder zumindest die Suche nach einem
geeigneten Zwischenmieter, die Suche nach einem Lagerplatz für Möbel und anderen Habseeligkeiten und so weiter und so fort. Ganz wichtig ist auch das Abschließen
eines Leistungsabkommens zwischen StudentIn und DozentInnen, um sicherzugehen, dass die Kurse, die man im Ausland besucht, auch angerechnet werden.
Man kann in Deutschland auch schon einiges machen, um den Start im Ausland zu
erleichtern. Wenn man an der Colorado State University Pueblo studieren möchte,
hat man das große Glück mit Heidi Laino eine Angestellte an der CSU zu haben, die
in Deutschland geboren und aufgewachsen und zudem noch unglaublich hilfsbereit
ist. Sie hilft einem bspw. bei der Wohnungssuche oder stellt Kontakte her zu Studierenden, die bereits das Auslandssemester hinter sich haben oder es gerade absolvieren. Von diesen kann man sich dann auch schon ein paar Einrichtungsgegenstände organisieren oder vielleicht sogar ein Auto kaufen (welches in Pueblo unabdingbar ist).
Wenn man das alles und noch viel mehr erledigt hat, kann es losgehen und man
kann seinen Lebenslauf verschönern und neue Leute kennenlernen... Oder aber
auch die schönste Zeit seines Lebens haben.
2. Leben in den USA
Das Leben in den USA weist einige Unterschiede zu dem im deutschen Raum auf.
Diese beginnen schon in den kleinsten Details. Wenn man in Deutschland nach einer
anstrengenden Reise nach Hause oder ins Hotelzimmer kommt und am verdursten
ist, gönnt man sich schonmal ein Glas Leitungswasser, da dieses Trinkwasserqualität besitzt. Man stelle sich nun vor man dreht den Hahn auf und hält halb verdurstend
den Mund darunter und trinkt erstmal einige gierige Schlücke ohne nachzudenken,
was einem da die Speiseröhre runterläuft. Beim letzten Schluck angekommen, hat
man plötzlich das Gefühl in einem Freibad zu sein und das halbe Babybecken verschluckt zu haben. Dieser Gedanke trügt leider nicht, da in den USA in fast jedem
Bundesstaat das Leitungswasser mit Chlor angereichert wird und dadurch ungenießbar ist. Abhilfe kann dafür ein Wasserfilter schaffen, der einem auch viel Geld erspart, da man kein Quellwasser zum Kochen kaufen muss. Wenn man im Restaurant
ein Wasser bestellt, erhält man übrigens auch das chlorige Leitungswasser, was dafür aber immerhin umsonst ist.
In Amerika ist die Kluft zwischen Arm und Reich um einiges höher als in Deutschland. Man sieht sehr viele reiche Menschen, kommt aber auch sehr schnell mit Armut
und Elend in Kontakt. Man sollte darauf achten, dass man nachts und in manchen
Vierteln immer in Gruppen unterwegs ist. Vorsicht sei auch geboten vor Kriminellen,
die alles dafür tun würden um einen das Geld aus der Tasche zu ziehen, in dem sie
Geschichten von ihrer kranken Oma erfinden usw. Wenn man sich aber in der Innenstadt aufhält ist die Polizeipräsenz so hoch, dass man sich durchaus sicher fühlen
darf. Dennoch lässt einem der Anblick von dieser geballten Not und der strikten
Trennung zwischen Arm und Reich noch einmal über so manche Vorzüge im deutschen System nachdenken, auch wenn sich in Deutschland die Situation zu verschärfen scheint. Ganz wichtig ist im gleichen Atemzug eine gute Auslandskrankenversicherung. Ein indischer Freund hat sich die Schulter ausgekugelt und musste
den kurzen Ambulanzaufenthalt mit Fahrt mit einer hohen Selbstbeteiligung bezahlen. Wenn man bei einer in den USA bekannten Auslandsversicherung abschließt,
muss man wiederrum oftmals nicht einmal die Gebühren für einen Arztbesuch o.ä.
vorstrecken. Es lohnt sich also sich gut zu informieren.
In Pueblo, Colorado kommt man ohne Fahrzeug nicht weit. Es gibt viele Gebrauchtwagenhändler in der Stadt, allerdings sollte man genau hinschauen, da es einen
TÜV in den meisten Staaten der USA nicht gibt. Hilfe kann man sich bei den
IngeneurstudentInnen der CSU Pueblo holen oder bei den unzähligen netten Menschen, die einem immer helfen wollen und oftmals auch können. Einen internationalen Führerschein braucht man übrigens in Deutschland nicht beantragen. Dieser ist
völlig zwecklos, da man für den Erwerb eines Wagens sowieso den Amerikanischen
braucht, welchen man aber relativ unkompliziert gegen den Deutschen „einlösen“
kann. Öffentliche Verkehrsmittel sind in Pueblo und selbst in größeren Städten nicht
zu vergleichen mit denen in Deutschland. Die Infrastruktur ist viel schlechter, da eben
das Klischee vom bequemen, autofahrendem Amerikaner leider allzu häufig der
Wahrheit entspricht.
Ansonsten gibt es einfach jede Menge zu entdecken. Gerade Colorado ist so vielseitig und ein atemberaubend schöner Staat. Es gibt dort Wüste, die Rocky Mountains,
Flüsse, Seen, Steppe, sogar Sanddünen, die einer kleinen Sahara gleichen. Die
Hauptstadt Denver ist auch eine sehr schöne Stadt. Und selbst das kleine Pueblo
hält viele Überraschungen bereit, die man am besten selbst entdecken sollte. Man
kommt überall mit den verschiedensten Menschen ins Gespräch. Small Talk ist ein
berüchtigtes Hobby in den USA, aber genau dieser verschafft einem auch viele Kontakte und Gelegenheiten etwas zu unternehmen, auch wenn viele Unterhaltungen an
der Oberfläche verharren.
Ein letzter Punkt des alltäglichen Lebens betrifft die Mehrwertsteuer. Diese ist nämlich nicht im Preis in den Läden angegeben und schwankt zudem auch noch von
Bundesstaat zu Bundesstaat – es ist also gerade in der Anfangszeit Vorsicht geboten
vor alzu günstigen Angeboten, die dann an der Kasse gar nicht mehr so günstig sind.
Dennoch kann man – je nach dem Euro- bzw. Dollarstand – ein vergleichbares Leben führen wie in Deutschland. Leider sind frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse recht teuer, während Fertigprodukte oftmals spottbillig zu erhalten sind.
3. Studieren in den USA
Studieren in den USA unterscheidet sich stark vom deutschen Universitätsleben. Es
erinnert manchmal mehr an Schule. Man erhält sehr oft Hausaufgaben oder Übungen, die man bis zur nächsten Einheit zu erledigen hat. Ein Kurs besteht aus zwei
wöchentlichen Einheiten a 80 Minuten, in denen man mehrere Klausuren schreibt,
die dann zusammen mit den Noten aus den Hausaufgaben, der Anwesenheit (!) und
der Mitarbeit zusammen die Gesamtnote ergeben. Das Niveau ist geringer als in
Deutschland, allerdings ist die Fülle der Kurse viel dichter, man muss ständig am Ball
bleiben um nachzukommen. Wenn man dies allerdings macht, steht einer guten Note
nichts im Wege und man kann seinen Lebenslauf den letzten Schliff geben.
Der Campus der CSU Pueblo ist sehr schön und die Studierenden setzen sich zusammen aus allen Erdteilen und Ländern: Deutsche, Franzosen, Italiener, Ghanaer,
Chinesen, Inder und natürlich US-Amerikaner sind nur ein kleiner Ausschnitt der
Studentenschaft. Es stimmt also wirklich: Man lernt neue Leute kennen. Aber man
lernt sie nicht nur kennen, man lernt sie zu schätzen, sie zu respektieren und man
lernt, dass man gar nicht so unterschiedlich ist, wie viele immer behaupten. Es ist
einfach eine schöne Sache mit jemanden von einem weit entfernten Land zu diskutieren, zu streiten, zu lachen – einfach zu leben und zu lernen. Dafür ist die CSU
Pueblo der perfekte Ort.
Service wird großgeschrieben an einer amerikanischen Universität. Aufgrund der hohen Studiengebühren sind die DozentInnen dazu angehalten den Studiernden den
bestmöglichen Weg für deren persönliches Ziel zu bereiten. Sie sind sehr hilfsbereit
und immer ansprechbar, da ein Studium in den USA auch eine Dienstleistung ist.
Außerdem hat die Uni ein eigenes Fitnessstudio, in dem man dutzende verschiedene
Sportarten ausüben kann. Es gibt ein Outdoor-Center, welches wöchentlich Ausflüge
unternimmt. Diese sind sehr zu empfehlen, da man Colorado kennenlernt und natür-
lich auch mit vielen anderen Studierenden in Kontakt kommt. Aber auch auf dem
Campus gibt es eigentlich ständig Angebote, die man annehmen kann, wenn man
etwas Ausgleich zum Lernen braucht. Beispiele wären Sporttuniere, Helikopterflüge,
Casinoabende, Halloweenparties...Studieren in den USA an der CSU Pueblo ist also
wirklich ein Erlebnis.
4. Überraschungen in den USA und Fazit
Im Leben läuft nie alles nach Plan. Ganz besonders trifft diese Floskel auf ein Auslandssemester zu. Allein schon in der Vorbereitung erscheinen einem so viele ungeahnte Hürden, die ich alle nicht aufgezählt habe. Dies zieht sich auch im Ausland
fort. Da steht man dann schonmal am Flughafen und keiner ist da, obwohl man abgeholt werden sollte und erst Stunden später geschieht dies dann tatsächlich. Oder
auf einmal ist die Wohnung schon belegt, die einem eigentlich zugesagt wurde. Das
Bafögamt braucht zu lange mit der Überweisung des Geldes, welches dann gleich
knapp wird. Das Auto streikt. Das Auto ist wieder repariert. Das Auto funktioniert
wieder nicht. Die Reparatur des Autos ist zu teuer. Die Kreditkarte geht nicht mehr
und man kommt nicht an Bargeld. In der Heimat passiert etwas und man ist nicht dabei oder kann nicht helfen, ungeahnte Kosten kommen auf einen zu, man gerät in
einen Verkehrsunfall, der Schlüssel des Wagens bricht ab, der Motor überhitzt, man
kugel sich die Schulter aus, man bekommt Trombose...
All diese Sachen sind natürlich nicht alle mir passiert und dennoch können sie einem
jederzeit im Ausland geschehen und dann steht man vor einem großen Problem und
man denkt man ist allein. Eltern, Verwandte und Freunde sind tausende Meilen entfernt und können nicht so schnell eingreifen. Man weiß nicht mehr weiter. Und dann
passiert etwas, mit dem man in diesem Moment nicht gerechnet hätte. Jemand eilt
zur Hilfe. Man erhält Hilfe von Menschen, die man erst ein paar Wochen kennt. Hilfe
von Menschen, die man noch nie gesehen hat. Und plötzlich tun sich neue Wege auf
und es geht weiter, weil man merkt man ist nicht allein. Und das schönste ist, man
kann sich revanchieren und so entstehen Freundschaften, die ewig anhalten können.
Und dieses Gefühl oder vielmehr das Bewusstwerden, dass man vor einer verschlossenen Tür steht und jemand anderes reicht dir den Schlüssel dazu. Dies zu
erfahren, ist der eigentliche Grund, warum man ein Auslandssemester absolvieren
sollte. Und diese Eindrücke gravieren sich für immer in das Gedächtnis. Noch dazu
bekommt man die Gelegenheit, zwei Bildungssysteme zu vergleichen, eine unbe-
zahlbare Erfahrung als ErziehungswissenschaftlerIn. Und letzten Endes sieht ein
Auslandssemester wahrscheinlich wirklich gut im Lebenslauf aus.

Documents pareils