Jardin des Tuileries und Jardin du Luxembourg

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Jardin des Tuileries und Jardin du Luxembourg
GESTALTETES GRÜN
VORWORT ZUR SERIE
Nachdem sich DEGA vor etwa einem Jahr
mit einer Artikelserie den Grünräumen in
der neuen deutschen Hauptstadt Berlin
gewidmet hat, wollen wir diesen Winter
nutzen und einmal mit einer Paris-Serie
über die Landesgrenzen hinausschauen.
Die französische Hauptstadt gilt weltweit
als eine der schönsten und sehenswertesten Metropolen und zieht alljährlich mehrere Millionen Touristen an. Natürlich be-
suchen sie alle den Eiffelturm, bewundern
auf der Île de la Cité die gotische Kathedrale Notre-Dame, besteigen den Hügel
von Montmartre, genießen irgendwo die
französische Küche und schwärmen dann
vom französischen Lebensgefühl. Doch
ihren ganz besonderen Reiz – ohne dass
es den meisten Besuchern bewusst wird –
verdankt die französische Hauptstadt
ihrem intensiven Stadtgrün. Was wäre Pa-
ris ohne seine vielen Stadtparks, ohne seine grünen Plätze und Boulevards oder die
von Bäumen gesäumten Seineufer? Wir
haben die Gärten und Parks von Paris aufgesucht, möchten aus unserer Sicht berichten und vielleicht auch dazu anregen,
beim nächsten Besuch in der Hauptstadt
des Nachbarlandes gezielt die Grünräume
und damit die für uns schönsten Seiten
von Paris aufzusuchen.
Serie: Grünräume in Paris – Teil 1
Jardin des Tuileries und
Jardin du Luxembourg
Rundes Wasserbecken in den
Tuilerien-Gärten
Nicht nur in den Pariser Cafés und Bistros kommt das Lebensgefühl der Metropole zum Ausdruck, sondern auch in den Stadtparks, allen voran in den Tuileriengärten und im Jardin du Luxembourg. Wer hier auf einem der Blechstühle seinen Platz gefunden
hat, dem zeigt sich eine typische Seite der Pariser Stadtkultur.
Blumenbeet in den
Tuilerien-Gärten
Boulefläche gerahmt von
geschnittenen Linden
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aus „Deutscher Gartenbau – DEGA“ 50/ 2005
www.dega.de
Beliebter Zeitvertreib: ModellbootVermietung
Sandkastenbereich im Jardin du Luxembourg
Dichterbüste gerahmt von einem Schmuckbeet
A
„Knubbelhecken“
auf der Tiefgarage
am Louvre
www.dega.de
uf dem Gelände einer
ehemaligen
Ziegelei
(französisch „tuilerie“)
ließ Katharina de Medici Mitte
des 16. Jahrhunderts vor ihrem
Schloss nach italienischem Vorbild den Tuileriengarten anlegen. In seinen Grundstrukturen
ist dieser Garten noch heute
erhalten und mit seinen 25 ha
Grünfläche im Herzen der Stadt
ist er nicht nur der bedeutendste öffentliche Park von Paris,
sondern einer der bekanntesten Stadtgärten ganz Europas.
Im Schatten der Bosketts genießt man die Ausblicke auf
den Louvre und die einheitlichen Häuserzeilen der Rue de
Rivoli, sieht in der Ferne den
Arc de Triomphe und erfreut
sich des Bewusstseins, an einem der geschichtsträchtigsten
Orte Europas, mitten im „grünen Salon“ der Metropole Paris
zu sein.
Unter Ludwig XIV. wurde die
Gartenanlage Mitte des 17.
Jahrhunderts vom großen ba-
Das typische Mobiliar
Rasenflächen im Jardin du Luxembourg
rocken Gartenkünstler André
Le Nôtre umgestaltet. Als Begrenzung an den Längsseiten
des Gartens entstanden erhöhte, baumgesäumte Promenaden
und vor dem Schloss gestaltete
Le Nôtre kunstvolle, von ornamentalen Buchsbaumhecken
geformte Parterregärten, die er
mit runden Wasserbecken akzentuierte. Gut die Hälfte der
gesamten Gartenanlage wurde
von Boskett-Gärten eingenommen, regelmäßig rasterförmigen Baumpflanzungen, die
trotz oder gerade wegen ihrer
einfachen Konzeption sehr viel
Atmosphäre besitzen. Als westlichen Abschluss des Gartens
sah Le Nôtre ein achteckiges
großes Wasserbecken vor und
eine zu beiden Seiten in elegantem Bogen ansteigende
Rampe – noch heute sind diese
beiden Elemente erhalten. Die
Längsachse des Gartens wurde
durch eine 33 m breite Allee
betont, die sich außerhalb des
Gartens über fast einen halben
aus „Deutscher Gartenbau – DEGA“ 50/ 2005
MOBILIAR
Typisch für die Pariser Stadtparks ist das bewegliche Mobiliar: leichte Blechstühle in
verschiedenen Ausführungen,
ob als "normaler" Stuhl, Armlehnstuhl oder gar in Form
sehr bequemer Sessel stehen
in großer Menge zur Verfügung und werden von den
Nutzern eifrig hin und her getragen. Die Leichtgewichte
lassen sich gut transportieren
und werden so je nach Bedarf
zu größeren Gruppen formiert
oder man nimmt sich einen
einzelnen Stuhl und sucht
sicht irgendwo ein ruhiges
Plätzchen. Das bewegliche
Mobiliar ist in den öffentlichen Anlagen nur deswegen
möglich, weil die Pariser Parks
nachts abgeschlossen werden
und ein Diebstahl kaum möglich ist.
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GESTALTETES GRÜN
Kilometer fortsetzte. Sie lieferte den Ansatzpunkt für die später zur Prachtstraße ausgebauten Champs Elysées, heute eine
der markantesten grünen Achsen von Paris.
Im Jahre 1871 wurde der Bezugspunkt der Tuileriengärten,
das Pariser Stadtschloss, durch
einen Brandanschlag zerstört.
Es wurde nicht wieder aufgebaut, da der französische Hof
bereits 1682 nach Versailles
umgesiedelt war. Anstelle des
Schlosses wurde der mit einem
Triumphbogen geschmückte
„Jardin du Carrousel“ angelegt,
der sich nahtlos an die Tuileriengärten anschließt und den
Übergang zum U-förmig umschlossenen Hof des Louvre bildet. Im Rahmen des Projekts
„Grand Louvre“ mit dem Bau
der Glaspyramide im Innenhof
des Louvre wurde der Jardin du
Carrousel in den 1990er Jahren
mit einer mehrgeschossigen
Tiefgarage unterbaut und nach
Plänen des belgischen Gartenarchitekten und Landschaftsgärtners Jacques Wirtz völlig
umgestaltet. Mit den für Wirtz
typischen „Knubbelhecken“,
zwei erhöhten Belvederepunkten und beschnittenen Linden
entstand eine interessante Konzeption. Doch leider ist die Anlage heute in bedauerlichem
Zustand. Im heißen und trockenen Sommer 2003 fielen die
Bewässerungssysteme aus und
fast die Hälfte der Gehölze
nahm erheblichen Schaden.
Über eine dringend notwendige Sanierung wurde bislang
noch nicht entschieden.
G R Ü N F L Ä C H E N I N PA R I S
Das Parkleben
als Theaterstück
stimmungsvoller als den Tuileriengarten.
W
Wer die Pariser Parks aufsucht, wird unweigerlich zum
Statisten in einem unterhaltsamen Theaterstück, ganz
gleich, was er tut. Schon immer war das Leben in den
Stadtparks eine Art Theaterstück. So sah es auch André
Gide, in dessen 1925 verfassten Roman „Die Falschmünzer“ sich folgende Passage über den Jardin du Luxembourg findet:
„Was ich nun gerne täte, wäre nicht etwa die Geschichte
einer Persönlichkeit, sondern die eines Ortes zu erzählen
– nimm zum Beispiel mal solch eine Allee wie diese hier
– erzählen, was hier geschieht – vom Morgen bis zum
Abend. Zunächst kämen einmal die Kindermädchen, die
Ammen mit ihren Schleifen. Nein, nein ...
Zuallererst kommen die Gärtner und fegen die Alleen,
sprengen den Rasen, tauschen die Blumen aus, richten
also die Bühne und die Ausstattung, bevor die Gittertore
geöffnet werden. Dann der Auftritt der Ammen, die hierher kommen und auf einer Bank ihr Brot essen. Später
die jungen Leute, die einander suchen; andere, die voreinander fliehen; andere, die sich absondern, Träumer.
Die Studenten, wie jetzt gerade. Am Abend die Liebenden, welche, die sich küssen; andere, die sich weinend
trennen. Schließlich, wenn sich der Tag neigt, ein altes
Paar ... Und plötzlich, ein Trommelwirbel; es wird geschlossen. Alle gehen hinaus: Das Stück ist zu Ende."
Dieses Theaterstück wird in kaum veränderter Weise bis
zum heutigen Tage gespielt. Vielleicht ist es neu, dass
heute tausende junger Menschen auf den gepflegten Rasenflächen lagern. Wenn an den ersten warmen Tagen
des Jahres ganz Paris die Mittagspause draußen verbringen will, kann man oft vor lauter Menschen kaum noch
den grünen Rasen erkennen. Wenn dann der Rasen mal
einige Tage geschont werden muss, werden Schilder aufgestellt „Pelouse interdite“ (Betreten des Rasens verboten). Dieses Verbot wird ohne jeden Widerspruch voll und
ganz respektiert, und so präsentieren sich die Rasenflächen des Jardin du Luxembourg trotz des enormen
Nutzungsdrucks fast immer in hervorragendem Zustand.
Jardin du
Luxembourg
Der zweite wichtige und ebenso geschichtsträchtige innerstädtische Grünraum von Paris
ist der Jardin du Luxembourg,
vor dem 1560 von François Luxembourg erbauten Palais Luxembourg. Die große Zeit dieses am Südrand des Zentrums
gelegenen Hauses begann im
Jahre 1611 als Maria de Medici, die Gemahlin Heinrich IV.,
das Anwesen erwarb. Durch
den Zukauf von Nachbargrundstücken konnte sie den vorhandenen Park auf eine Größe von
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Von Le Nôtre vorgegebene Grundstruktur des Tuilerien-Gartens
26 ha erweitern. Die Bauherrin
wollte den Garten nach italienischem Vorbild umgestalten
lassen, doch ihr Architekt Salomon de Brosse, gab der Anlage
in den Jahren 1615 bis 1630
ein ganz vom französischen
Gartenstil geprägtes Gesicht.
Eine breite, vom Palais ausgehende Achse mit einem großen
runden Wasserbecken, ausgedehnte Boskettbereiche und
auch einige im Stil des englischen Landschaftsgartens angelegte Partien bestimmen heute
das Bild. Die leichte Hanglage,
die größere gestalterische Vielfalt und die vielen intimen Einzelbereiche machen den Garten noch interessanter und
aus „Deutscher Gartenbau – DEGA“ 50/ 2005
Boskett und wassergebundene Decke
Neben dem Mobiliar sind Bosketts und Flächen mit wassergebundener Decke die beiden
vielleicht charakteristischsten
Elemente dieser beiden Pariser
Parks. Wo sonst fände man die
einfache klare Schönheit und
die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten eines regelmäßigen
Baumrasters so sehr bestätigt
wie hier. Die Pariser Parks
wären undenkbar ohne die weiten Flächen mit wassergebundener Decke, die man hier mit
all ihren Vor- und Nachteilen
exemplarisch studieren kann.
Die Flächen sind für alle möglichen Nutzungen geeignet, sei
es für Café und Restaurantbetrieb, für Jahrmärkte, Spielbereiche für Kinder oder Bouleplätze. Wenn es einmal eine
Stunde lang heftiger regnet,
bilden sich Pfützen und in Bereichen mit Gefälle kommt es
schnell zu Auswaschungen.
Weht
bei
sommerlicher
Trockenheit ein etwas stärkerer
Wind durch den Park, entstehen Staubwolken wie in der Sahara, umhüllen Hecken und
Baumkronen mit einem grauen
Tarnmantel. Es gibt jedoch keine sinnvolle Alternative und
die wassergebundene Decke
wird hier nie jemand infrage
stellen.
Es ist immer wieder spannend zu beobachten, wie unterschiedlich und vielfältig die
Parks genutzt werden: hier
geht man spazieren, joggt oder
man trifft sich zum morgendlichen Schattenboxen. Es wird
gelesen, gelernt und gezeichnet, Schach gespielt und diskutiert. Hier kann sich der Städter
austoben und erholen, sich in
die Sonne legen und die Natur
erleben. Diese vielen unterschiedlichen Bedürfnisse der
Besucher und Nutzer der Parks
können dank der Vielgestaltigkeit der Anlagen erfüllt werden.
Text und Bilder:
Günter Mader, Ettlingen
Elke Zimmermann, Itzlings
www.dega.de

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